Table.Briefing: China

Covid-Chaos + Ende von 14+1

  • Führung kapituliert vor Omikron
  • Prags Skepsis an 14+1-Bündnis wächst
  • Manchester: Diplomaten entziehen sich Zugriff
  • Peking leugnet Polizeistationen
  • Japan rüstet kräftig auf
  • EU will engere Partnerschaft mit Asean
  • Staatssekretärin Kofler über das EU-Lieferkettengesetz
Liebe Leserin, lieber Leser,

nach der plötzlichen Ende der Null-Covid-Politik suchen Chinas Behörden nun nach Möglichkeiten, zumindest den Anschein zu erwecken, auf die Omikron-Welle zu reagieren. So sollen hastig hochgezogene Fieberkliniken helfen, die Warteschlangen vor den bestehenden Behandlungszentren zu verkürzen.

Bei der Unterbrechung der Infektionsketten haben die Behörden dagegen kapituliert. Das genaue Ausmaß des Geschehens lässt sich allerdings nicht mehr beurteilen. Denn die Behörden veröffentlichen keine Fallzahlen mehr, wie Finn Mayer-Kuckuk berichtet.

Versinkt das Land nun nach der extremen Zero-Covid-Politik nun im Covid-Chaos? Bilder von überlasteten Kliniken deuten zumindest darauf hin. Und das bevorstehende Neujahrsfest in der zweiten Januarhälfte könnte die Situation noch weiter verschlimmern.

Dabei stellte sich Peking im ersten Jahr der Pandemie noch selbst als Vorreiter dar und zeigte sich spendabel, etwa durch das Spenden von Masken. Serbien beispielsweise erhielt Hilfe aus der Volksrepublik – die EU zeigte sich hingegen damals wenig präsent in dem Westbalkan-Staat. Für Peking sei das ein enormer Image-Gewinn gewesen, erklärt Stefan Vladisavljev beim Table.Live-Briefing zum Einfluss Chinas in Mittel- und Osteuropa. Mein Kollege Michael Radunski hat die Veranstaltung für Sie zusammengefasst.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihre
Amelie Richter
Bild von Amelie  Richter

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robert.hackenfort@table.media | +49 30 30809514

Analyse

Veröffentlichung von Fallzahlen eingestellt

Schlange an einer Fieberklinik in Peking.

Chinas Staatsapparat reagiert mit einer Vielzahl von Anweisungen auf den erschreckenden Anstieg der Zahl von Covid-Neuinfektionen. Das Ziel ist aber nicht mehr wie zu Null-Covid-Zeiten eine Unterbrechung der Ansteckungsketten. Die neuen Maßnahmen zielen nur noch darauf ab, die hohe Zahl an Kranken zu bewältigen. Die Regierung kapituliert also vor der Ausbreitung der Omikron-Variante. Zugleich wird die Lage immer unübersichtlicher, weil die Behörden weniger Daten veröffentlichen.

Die Nationale Gesundheitskommission spricht von einem “rasanten Anstieg der Nachfrage nach Diagnose und Behandlung” der Krankheit. Landesweit hat die Regierung daher bereits 47.000 neue Covid-Behandlungszentren an Krankenhäusern einrichten lassen. Solche sogenannten Fieberkliniken haben auch bisher schon die Behandlung der Corona-Patienten übernommen. Sie sind üblicherweise an größeren Institutionen angesiedelt. Künftig soll es sie auch an den kleineren Gemeindekrankenhäusern geben.

Die Behandlung in den Fieberkliniken wurde gestrafft, pro Patient stehen nur noch 40 Minuten zur Verfügung. Die Kommission hat zudem die Ausweitung der Möglichkeit von Online-Arztgesprächen angeordnet, die 24 Stunden am Tag zugänglich sein sollen. Patienten mit milden Verläufen sollen am besten gar nicht mehr zum Arzt gehen und ihre Infektion zu Hause auskurieren.

Keine Zahlen mehr zu Sterbefällen

Zugleich stellt Peking die Veröffentlichung von Corona-Fallzahlen ein. Es sei “sinnlos, asymptomatische Patienten statistisch zu erfassen, wenn keiner mehr an der PCR-Testung teilnimmt”, ließ die Nationale Gesundheitskommission verlauten. Allerdings gab es am Mittwoch auch keine neuen Zahlen zu schwer Erkrankten und zu Todesfällen.

Fast leeres Shopping-Zentrum in Shanghai. Was zu Null-Covid-Zeiten vorgeschrieben war, geschieht jetzt freiwillig: Die Leute bleiben zu Hause.

Die offiziellen Zahlen wirkten zuletzt zunehmend unrealistisch (China.Table berichtete). Während Einwohner von Peking konsistent eine hohe Zahl von Corona-Erkrankungen im Bekanntenkreis registrieren, waren die landesweiten Zahlen zuletzt zurückgegangen. Nach 40.000 Fällen im November waren es zuletzt nur noch etwas über 2.000. Zugleich ist von 20.000 Patienten zu hören, die allein in Peking Hilfe bei den Fieberkliniken gesucht haben.

Die japanische Nikkei-Zeitung berichtet von Krankenhäusern, die reguläre Patienten wegen Überlastung abweisen müssen. Die Lage werde durch viele Erkrankungen unter den Ärztinnen und Ärzten zusätzlich erschwert. Ein 23-jähriger Medizinstudent in Sichuan ist nach seiner Schicht im Krankenhaus zusammengebrochen und kurz darauf gestorben. Offenbar ist der Impfschutz selbst unter Krankenhauspersonal niedrig.

Mangel an Medikamenten wird akut

Schon im Frühjahr war der geringe Vorbereitungsstand ein Thema bei den Diskussionen um den Weg aus Null-Covid. Experten blicken nun mit doppelter Sorge auf die dürftige Ausstattung von Krankenstationen in den Dörfern und Kleinstädten. Die Großstädte sind zwar besser ausgestattet, doch auch dort stehen pro Kopf viel weniger Betten und Personal zur Verfügung als in Europa. Das war auch eine der Begründungen für Null-Covid.

Wichtige Medizin wird derweil knapper und knapper, wie die Gesundheitskommission in einer Pressekonferenz zugab. Ibuprofen und Paracetamol werden bereits rationiert, in vielen Apotheken sind die Regale leer. Das verheißt nichts Gutes für die Versorgung anderer Länder mit fiebersenkenden Mitteln: Viele Vorprodukte kommen aus China. Das Land will derweil größere Mengen des Corona-Medikaments Paxlovid von dem US-Konzern Pfizer, wie der Importeur China Meheco am Mittwoch mitteilte.

Das Frühlingsfest als Corona-Verbreitungsereignis

Das bevorstehende Frühlingsfest (Chinese New Year) am 23. Januar könnte eine starke landesweite Verbreitung des Virus’ bewirken und es aus den Städten aufs Land tragen. Da die Einschränkungen gefallen sind, wollen viele Menschen wie üblich zu ihren Familien reisen. Die Bürger haben bereits viele Züge und Flugtickets gebucht.

Auch unter den Top-Kadern nimmt derzeit die Sorge vor der Omikron-Welle zu. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass das Treffen der Wirtschafts-Arbeitsgruppe der Kommunistischen Partei (Economic Work Conference) wegen der Infektionswelle vorerst verschoben ist. Diese Konferenz gibt unter dem Vorsitz von Xi Jinping den Kurs für die Wirtschaftsplanung vor. Angesichts schwacher Konjunkturzahlen gilt sie diesmal als besonders wichtig.

  • Coronavirus
  • Gesundheit

EU ignoriert Chinas Schwächen in Ost- und Mitteleuropa

Der Enthusiasmus für Chinas Bündnisse in Mittel- und Osteuropa ist verflogen. Dabei waren die Hoffnungen groß, als China 2012 das 16+1-Bündnis ins Leben rief. Peking wollte mit 16 Staaten der Region direkter und enger zusammenarbeiten. Als 2019 mit Griechenland ein weiterer Staat hinzukam, schien es, als könne 17+1 die EU an ihren Rändern spalten. Doch zehn Jahre nach seiner Gründung steht das Format vor dem Aus, stellten Experten aus Prag, Budapest und Belgrad beim Table.Live-Briefing am Mittwoch fest.

Ivana Karásková (China-Expertin und Gründerin von CHOICE in Prag), Tamás Matura (Wissenschaftler an der Corvinus Universität Budapest) und Stefan Vladisavljev (Direktor des Belgrad Security Programme) diskutierten über den Einfluss und das Ansehen Chinas in Mittel- und Osteuropa.  

Prag als nächster Austrittskandidat

Inzwischen herrsche große Ernüchterung über Chinas Engagement, stellt die China-Expertin aus Prag fest. “Als China 2012 in die Region kam, gab es riesige Erwartungen. Aber fast nichts davon ist zustande gekommen, außer vielleicht ein paar wenigen Projekten auf dem westlichen Balkan”, so Karásková. “China hat in der Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa nicht geliefert – sei es, weil es nicht konnte oder, weil es nicht wollte.”

Die Folge: Im Februar 2021 verließ mit Litauen das erste Land das Format (China.Table berichtete). Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis zufolge habe die Zusammenarbeit mit China “fast keinen Mehrwert” gebracht. Im August dieses Jahres kehrten Estland und Lettland dem Dialogforum den Rücken. Vor allem Chinas Haltung und Nähe zu Russland im Ukraine-Krieg habe in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas eine große Entfremdung verursacht.

Und so prophezeit Karaskova denn auch, dass das Bündnis weiter schrumpfen werde: Tschechien werde nächstes Jahr das Format 14+1 verlassen. “Das wird ein großer Knall und könnte ein Signal für weitere Länder sein.” Mit dem Aus Litauens habe ein Domino-Effekt eingesetzt, der langsam die einzelnen Länder erfasse.

Ungarn und Serbien eng an Chinas Seite

Tamás Matura widerspricht allerdings vorsichtig. Zwar erkennt auch der Wissenschaftler der Corvinus Universität in Budapest einen gewissen Domino-Effekt, aber die einzelnen Steine müssten nicht zwangsläufig auch umfallen. “Ungarn wird sich nicht von China abwenden, es wird nicht das nächste Litauen.” Zwar sei auch in Budapest die Anfangseuphorie etwas verflogen, auch in Warschau könne man eine große Unzufriedenheit feststellen. Aber im Hintergrund liefen etliche Projekte weiter. “Victor Orbán wird jedenfalls seine chinafreundliche Haltung nicht ändern.”

Stefan Vladisavljev, Direktor des Belgrad Security Programme, verweist in der Diskussion auf die Besonderheit Serbiens als Nicht-EU-Mitglied. Deshalb sei Belgrad in einer etwas anderen Position: Für die Beziehungen Serbiens zu China sei 14+1 nicht entscheidend. Belgrad werde seine Bindung mit China intensivieren.

Denn: “China investiert in Serbien mehr Geld als jedes einzelne EU-Land, auch mehr als Deutschland. Und die Zusammenarbeit wird noch zunehmen, auch in Bereichen wie Polizei und Verteidigung”, erklärt Vladisavljev. Dabei vermisse er vielerorts allerdings die kritische Auseinandersetzung mit Chinas Engagement, beispielsweise bei Themen wie Umweltschutz.

China übt politischen Einfluss aus

Dabei wird deutlich: Auch das auf 14+1 geschrumpfte Format ist längst nicht mehr ein rein wirtschaftliches Unterfangen. Am deutlichsten könne man das an den wiederholten Vetos von Ungarn und Griechenland bei etlichen EU-Erklärungen zu China erkennen. Und auch in Belgrad zeichnet sich eine ähnlich enge Verbindung zu Peking ab. “China ist in Serbien inzwischen so beliebt wie Russland. Die Regierung lobt bei jeder Gelegenheit die Zusammenarbeit und Unterstützung Pekings”, erklärt Vladisavljev.

Im Grunde sollte die Europäische Union der natürliche Partner des Balkans sein. “Aber die EU hilft Serbien in Krisen wie der Corona-Pandemie einfach nicht genug. So ist es einfach, China als bessere Alternative zu präsentieren.” Bislang habe Brüssel kaum etwas unternommen, um dem wachsenden Einfluss Chinas in Serbien etwas entgegenzusetzen.  

Europas Antwort fehlt noch der Nachdruck

Doch das soll sich ändern: Mit Global Gateway will die EU Chinas milliardenschwerer Belt-and-Road-Initiative (BRI) eine Alternative entgegensetzen und weltweit als geopolitischer Player auftreten (China.Table berichtete). Am Sonntagabend kam erstmals ein Gremium unter dem Vorsitz von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen, um eine Zwischenbilanz der Strategie zu ziehen (China.Table berichtete).

Das macht sich auch in Mittel- und Osteuropa bemerkbar. Global Gateway sei in Tschechien derzeit kein Thema, weil bislang nichts funktioniere, meint Karásková. “Aber es ist gut, dass es endlich eine europäische Alternative zu Chinas Belt-and-Road-Initiative gibt.” Matura argumentiert in die gleiche Richtung. “Die EU hat es bislang nicht geschafft, die Agenda zu besetzen. Die Belt-and-Road-Initiative China hat große Probleme. Peking würde so eine Gelegenheit ausnutzen. Aber die EU macht das nicht.”

Klar wird in der Diskussionsrunde: Chinas BRI-Initiative wie auch das 14+1-Format haben große Probleme. Die hohen Erwartungen konnten bislang nicht erfüllt werden. Die Situation in Mittel- und Osteuropa bietet eine gute Gelegenheit, dass die EU mal einen Vorteil aus der Schwäche Chinas zieht.

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News

Manchester: Diplomaten fliehen aus Großbritannien

Nach dem gewaltsamen Zwischenfall am chinesischen Konsulat in Manchester haben sechs chinesische Diplomaten Großbritannien verlassen, darunter der Generalkonsul. Die Regierung in Peking habe die Ausreise der Diplomaten veranlasst, teilte der britische Außenminister James Cleverly mit.

Eigentlich hatte die Polizei in Manchester die Aufhebung der Immunität der Diplomaten erwirken wollen, um diese zu dem gewaltsamen Zwischenfall im Oktober befragen zu können – und dafür ein Ultimatum bis Mittwoch gesetzt. Sie entziehen sich daher durch die Ausreise der britischen Justiz.

Bei einer Demonstration für Demokratie in Hongkong im Oktober war ein Aktivist von Mitarbeitern des chinesischen Konsulats auf das Gelände gezerrt und verprügelt worden (China.Table berichtete). Londons Außenminister hatte daraufhin den Stellvertreter des außer Landes weilenden chinesischen Botschafters einbestellt. flee

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Peking dementiert Existenz von Polizeistationen

Die chinesische Regierung bestreitet, in anderen Staaten “Polizeidienststellen” zu betreiben. Allerdings räumte sie ein, dass es an sogenannte “Service-Stationen” für die eigenen Staatsbürger im Ausland gebe. Wie ein Sprecher des Außenministeriums in einem Schreiben mitteilte, würden “engagierte Auslandschinesen” damit Landsleute bei Behördenangelegenheiten helfen. Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Sicherheitsbehörden in Deutschland und anderen Ländern gehen hingegen davon aus, dass solche Einrichtungen auch der Verfolgung von Regimekritikern dienten. 

Das Schreiben stellt die Aktivitäten dagegen als harmlos dar. Die Servicestellen dienten dazu, chinesischen Staatsbürgern zu helfen, die während Covid-19 nicht heimreisen können. Dabei gehe es um medizinische Untersuchungen, Führerscheinanträge und dergleichen. Die Freiwilligen seien “engagierte Auslandschinesen, keine chinesischen Polizeibeamten”, so das Schreiben. China mische sich nicht in innere Angelegenheiten ein und respektiere die rechtliche Souveränität anderer Länder. Die “Service-Stationen” verstießen nicht gegen Recht und “verfolgten auch keine strafrechtlichen Aktivitäten”. 

Nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders mit Sitz in Madrid soll es rund 100 “Zentren chinesischer Überseepolizei” in mehr als 50 Ländern geben (China.Table berichtete). Deutsche Behörden gehen davon aus, dass China in Deutschland zwei solcher Polizeistationen betreibt. flee

  • Menschenrechte
  • Polizeistationen
  • Safeguard Defenders

Japan arbeitet an Verteidigungs-Strategie

Japan wird voraussichtlich noch in diesem Monat eine überarbeitete Fassung seiner nationalen Verteidigungsstrategie vorlegen – und dabei seine letzten pazifistischen Prinzipien endgültig aufgeben. Die Parteien der regierenden Koalition haben sich Anfang Dezember bereits darauf geeinigt, dem Land für den Fall eines Angriffs die Fähigkeit zu einem massiven Gegenschlag zu geben. Die Wortwahl ist allerdings irreführend. Es geht beispielsweise darum, gegnerische Raketenbasen bereits anzugreifen, bevor diese einen Abschuss beendet haben. Daher kursiert auch der paradoxe Begriff “vorbeugender Gegenschlag”.

Die aktuelle Fassung der japanischen Verteidigungsstrategie stammt von 2013. Sie galt damals bereits als Bruch mit der friedfertigen Grundeinstellung, die seit dem Zweiten Weltkrieg Verfassungsrang hat. Die Rüstungsausgaben steigen derzeit von einem auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Fokus liegt dabei auf der Raketenabwehr gegenüber China und Nordkorea. Dafür ist die Stationierung von zehn neuen, eigenen Raketentypen geplant (China.Table berichtete). In Japan ist zudem wie in Deutschland eine nationale Sicherheitsstrategie in Arbeit. fin

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  • Japan
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  • Rüstung

EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen

Die Europäische Union hat erstmals ein gemeinsames Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschef des Verbands südostasiatischer Nationen (Asean) abgehalten. Die beiden Organisationen einigten sich am Mittwoch auf eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der eine engere wirtschaftspolitische Kooperation betont wurde. Die EU ist auf die Asean-Staaten wie Vietnam und Indonesien angewiesen, nicht zuletzt, um ihre Lieferketten unabhängiger von China zu gestalten. Brüssel wünscht sich auch eine außenpolitische Positionierung der Asean-Staaten gegen China und Pekings Positionen, jedoch mit weniger Erfolg. Eine Übersicht:

  • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte eine Investition von zehn Milliarden Euro im Rahmen der Infrastruktur-Initiative Global Gateway bis 2027 in der Asean-Region an. Damit sollen Projekte für erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft vorangebracht werden. Konkrete Details zu den geplanten Projekten gab es zunächst nicht. Global Gateway werde die strategische Partnerschaft mit der Region weiter vertiefen, sagte von der Leyen.
  • Langfristig will die EU ein Freihandelsabkommen mit Asean anstreben, hieß es in der Abschlusserklärung. Bisher hat Brüssel diese nur mit Singapur und Vietnam. Die EU wolle sich zudem stärker in die regionalen Foren einbringen, um die Sicherheits-Architektur im Indo-Pazifik zu stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfeltreffen.
  • An anderen Stellen konnte jedoch keine Einigung gefunden werden: So konnte Brüssel die asiatischen Staaten nicht zu einer gemeinsamen Verurteilung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bewegen. In der Abschlusserklärung wurde lediglich festgehalten, dass die meisten Teilnehmerstaaten die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf das Schärfste verurteilen. Als Grund nannten EU-Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich bei der letzten großen Abstimmung zu einer kritischen UN-Resolution zu Russlands Krieg enthalten.
  • Auch Formulierungen zur “Ein-China-Politik” und Taiwan hatten vorab zu Debatten zwischen Vertretern beider Seiten geführt, die die Abschlusserklärung aushandelten. Das Thema wurde deshalb gar nicht in dem Statement aufgenommen. Bekräftigt wurde von beiden Seiten jedoch die Förderung der Sicherheit und Stabilität im Südchinesischen Meer.
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Presseschau

Corona-Welle in China: Regierung verspricht bessere Hilfe HANDELSBLATT
Nach Corona-Lockerungen in China – Die Menschen sind vorsichtig SWR
Schlangen von Leichenwagen warten vor Krematorien Pekings: China versteckt seine Corona-Toten – das Sterben beginnt FINANZMARKTWELT
Corona-Welle in China: Wie gefährlich wird sie für den Rest der Welt? RND
Corona-Nachverfolgung in China mittlerweile “unmöglich” ZEIT
Border clashes between India and China “regularly covered up” TELEGRAPH
China rechnet mit Merkel ab: Verrat in der Ukraine DEUTSCHE-WIRTSCHAFTS-NACHRICHTEN
China: USA betreiben “unilaterales Mobbing” HEISE
U.S. to remove some Chinese entities from red flag list soon, U.S. official says REUTERS
US-Kongress schlägt neue Sanktionen gegen Huawei und Tiktok vor FAZ
Die große Freiheit im Kleinen: Wie Hongkong Widerstand gegen Chinas Regeln leistet SN
Gipfel in Brüssel: ASEAN – für die EU eine Alternative zu China? TAGESSCHAU
Eyeing China, Biden says U.S. is “all in” on Africa REUTERS
Nach Prügel vor Konsulat: Chinesische Diplomaten verlassen England TAGESSCHAU
China: Keine Polizeieinrichtungen im Ausland, sondern “Servicestationen” DERSTANDARD
A Visit To the City Responsible for China’s Police Stations in Europe SPIEGEL
Bedrohung durch China: Japan plant radikalen Wandel seiner Verteidigungsstrategie STUTTGARTER-ZEITUNG
China Sends Official Xi Sidelined to Visit Protest-Hit Iran BLOOMBERG
“Europa war ein offener Supermarkt”: Die Skepsis Europas gegenüber chinesischen Investitionen steigt HANDELSBLATT
Elektromobilität: Mercedes investiert in Standorte in China und Deutschland HEISE
India: Probe traces AIIMS cyberattack to China, patient data restored INDIANEXPRESS
Historic first launch of Chinese private methane-fueled rocket ends in failure SPACENEWS
Technische Keramik: Neue Keramik aus China ist so biegsam wie Metall KONSTRUKTIONSPRAXIS

Standpunkt

EU-Lieferkettenrichtlinie muss vor Ort wirken

Von Bärbel Kofler
Bärbel Kofler ist seit Dezember 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ.

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt am 01. Januar 2023 in Kraft – ein Meilenstein für die Stärkung und den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen für eine EU-weite Lieferkettenregulierung – der Corporate Sustainability Due Diligence Directive – auf Hochtouren. Unternehmerische Sorgfaltspflichten werden damit nun endlich verbindlich – ein schon lange überfälliger Schritt.

In der aktuellen Debatte rund um die gesetzlichen Regelungen stehen jedoch vor allem die möglichen Herausforderungen für deutsche und europäische Unternehmen im Fokus. Oft rückt dabei in den Hintergrund, worum es bei den Entwicklungen wirklich geht: die Lebensbedingungen entlang globaler Lieferketten zu verbessern und die Rechte der Betroffenen zu stärken. Diesem Anspruch müssen wir gerecht werden – sowohl mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als auch im Hinblick auf die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie.

EU-Lieferkettengesetz: gegen Missstände

Denn die Missstände in den globalen Wertschöpfungsketten mit über 450 Millionen Beschäftigten sind groß. Viele der Produkte und Rohstoffe für den deutschen und europäischen Markt werden unter untragbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen, für Hungerlöhne oder sogar mithilfe ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt oder abgebaut. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) leisten weltweit 27,6 Millionen Menschen Zwangsarbeit, davon mehr als 3,3 Millionen Kinder.

Vor allem vulnerable und marginalisierte Gruppen wie Frauen und Mädchen erleben in allen Sektoren oftmals mehrfache Diskriminierung und geschlechtsspezifische Formen der Gewalt – ob als Näherinnen in Textilfabriken, als Bäuerinnen auf dem Feld oder im Dienstleistungssektor. Die Covid-19-Pandemie hat diese geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung weiter verschlechtert.

EU-Lieferkettengesetz: Umweltschutz weiteres Ziel

Auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm: Bei der Textilproduktion etwa werden pro Jahr 43 Millionen Tonnen Chemikalien eingesetzt. Leiten Fabriken diese direkt über ihr Abwasser in umliegende Gewässer, gefährden sie damit auch die Gesundheit der Menschen in den angrenzenden Gemeinden. Der Textilsektor verursacht zudem mehr als ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren.

Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden finden aber nicht nur weit entfernt, sondern auch in Europa statt, etwa in Form von Ausbeutung der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in deutschen Schlachthöfen.

Effektivität im EU-Lieferkettengesetz

Alle diese Beispiele verdeutlichen: Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten müssen vor allem dort Wirkung entfalten, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt stattfinden. Doch wie erreichen wir diese gewünschte Effektivität – vor allem mit Blick auf die EU-Richtlinie?

  1. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen brauchen effektive Klagemöglichkeiten. Eine zivilrechtliche Haftung in der EU-Regulierung ist also essenziell. Davon werden ganz besonders Personen vulnerabler oder marginalisierter Gruppen wie Frauen profitieren, die am meisten unter niedrigen Löhnen und Gewalt am Arbeitsplatz leiden. Entscheidend ist dabei auch die Ausgestaltung der Haftungsnormen: Wir brauchen eine faire Beweislastverteilung: Es kann nicht sein, dass Betroffene nachweisen müssen, dass ein internationales Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist – das wird in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich sein. Außerdem muss, wie auch im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehen, sichergestellt werden, dass Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Rechte der Betroffenen im Zivilprozess im eigenen Namen durchsetzen können – eine wichtige Regelung, um rechtliche Hürden abzubauen.
  2. Beschwerdemechanismen als Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht müssen für alle potenziell betroffenen Rechteinhabenden leicht zugänglich sein. Das gilt auch für zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften. Gleichzeitig muss der Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien gegeben sein. Nur so können wirkungsvolle Abhilfe und Wiedergutmachung gelingen.
  3. Der Geltungsbereich des Entwurfs für die EU-Lieferkettenrichtlinie darf im Bereich der mittelbaren Zulieferer nicht auf “etablierte Geschäftsbeziehungen” beschränkt sein. Dieses Konstrukt schafft falsche Anreize. Gerade informelle oder kurzfristige Geschäftsbeziehungen stellen ein höheres Risiko für Menschenrechtsverletzungen dar. Das wird besonders im Textilsektor deutlich, wo schnell wechselnde Vertragsbeziehungen gang und gäbe sowie gleichzeitig Ausbeutung der Näherinnen und Nähern keine Seltenheit sind. Wir brauchen daher einen risikobasierten Ansatz, wie er international bekannt und anerkannt ist.
  4. Wichtig ist, dass auch der Schutz des Klimas und der Umwelt umfassend in die Sorgfaltspflichten einbezogen werden. Vor allem für die Menschen in Entwicklungsländern, die schon heute am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, ist das überlebenswichtig. Der Übergang zu einer umwelt- und klimagerechten Wirtschaftsweise kann aber nur gelingen, wenn sich alle an dieser “Just Transition” beteiligen – und vor allem europäische Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle.

Für das, worum es tatsächlich geht – um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten – brauchen wir also staatliches und unternehmerisches Engagement sowie klare und wirkungsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen. Das geht aber natürlich nicht ohne die erforderliche Unterstützung. Das BMZ weitet daher derzeit bestehende nationale Angebote für Unternehmen und Zivilgesellschaft auf die EU-Ebene aus. Denn sicher ist: Wirksamkeit werden wir nur erzielen, wenn private und freiwillige Instrumente einerseits sowie staatliche und verbindliche Instrumente anderseits ineinandergreifen – ganz im Sinne der Betroffenen in unseren Wertschöpfungsketten.

Bärbel Kofler ist Bankkauffrau, Diplom-Informatikerin, promovierte Sprachwissenschaftlerin und SPD-Mitglied. Seit 2004 gehört sie als Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Von 2016 bis 2021 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. Seit dem Start der Ampel-Koalition ist sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 

Der Standpunkt ist zuerst bei unseren Kollegen von ESG.Table erschienen.

  • EU
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  • Lieferketten

Personalien

Stefan Hein ist für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) von Peking zurück nach Deutschland gewechselt. Hein war in China bis zum Frühjahr dieses Jahres Leiter Finanzen und Administration. Nach einer Pause ist er seit November Senior Compliance-Manager bei der GIZ in Eschborn.

Christian Stärz, bislang GIZ-Direktor in Peking, ist nach rund fünf Jahren ebenfalls zurück in Deutschland. Stärz ist nun Technical Planner bei der GIZ in Frankfurt.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Das Besondere an diesem Bild von einer Ein-Yuan-Note? Es ist gestern in Sankt Petersburg entstanden. Noch vor zehn Jahren wollte kaum einer den Yuan haben: Er ließ sich in der Wechselstube nicht ohne weiteres gegen Euro oder US-Dollar tauschen. Und wirklich aufbewahren für künftige China-Besuche mochte man ihn auch nicht. Denn häufig waren die Scheine arg zerknittert und verdreckt. Das hat sich geändert. In Russland ist die chinesische Volkswährung derzeit hoch gefragt, denn sie gilt als sehr viel stabiler als der Rubel. Chinas Ankündigung der Internationalisierung des Renminbi geht also auf – wenn auch anders als vorgesehen.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Analyse

    Veröffentlichung von Fallzahlen eingestellt

    Schlange an einer Fieberklinik in Peking.

    Chinas Staatsapparat reagiert mit einer Vielzahl von Anweisungen auf den erschreckenden Anstieg der Zahl von Covid-Neuinfektionen. Das Ziel ist aber nicht mehr wie zu Null-Covid-Zeiten eine Unterbrechung der Ansteckungsketten. Die neuen Maßnahmen zielen nur noch darauf ab, die hohe Zahl an Kranken zu bewältigen. Die Regierung kapituliert also vor der Ausbreitung der Omikron-Variante. Zugleich wird die Lage immer unübersichtlicher, weil die Behörden weniger Daten veröffentlichen.

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    Wichtige Medizin wird derweil knapper und knapper, wie die Gesundheitskommission in einer Pressekonferenz zugab. Ibuprofen und Paracetamol werden bereits rationiert, in vielen Apotheken sind die Regale leer. Das verheißt nichts Gutes für die Versorgung anderer Länder mit fiebersenkenden Mitteln: Viele Vorprodukte kommen aus China. Das Land will derweil größere Mengen des Corona-Medikaments Paxlovid von dem US-Konzern Pfizer, wie der Importeur China Meheco am Mittwoch mitteilte.

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    Das bevorstehende Frühlingsfest (Chinese New Year) am 23. Januar könnte eine starke landesweite Verbreitung des Virus’ bewirken und es aus den Städten aufs Land tragen. Da die Einschränkungen gefallen sind, wollen viele Menschen wie üblich zu ihren Familien reisen. Die Bürger haben bereits viele Züge und Flugtickets gebucht.

    Auch unter den Top-Kadern nimmt derzeit die Sorge vor der Omikron-Welle zu. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass das Treffen der Wirtschafts-Arbeitsgruppe der Kommunistischen Partei (Economic Work Conference) wegen der Infektionswelle vorerst verschoben ist. Diese Konferenz gibt unter dem Vorsitz von Xi Jinping den Kurs für die Wirtschaftsplanung vor. Angesichts schwacher Konjunkturzahlen gilt sie diesmal als besonders wichtig.

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    EU ignoriert Chinas Schwächen in Ost- und Mitteleuropa

    Der Enthusiasmus für Chinas Bündnisse in Mittel- und Osteuropa ist verflogen. Dabei waren die Hoffnungen groß, als China 2012 das 16+1-Bündnis ins Leben rief. Peking wollte mit 16 Staaten der Region direkter und enger zusammenarbeiten. Als 2019 mit Griechenland ein weiterer Staat hinzukam, schien es, als könne 17+1 die EU an ihren Rändern spalten. Doch zehn Jahre nach seiner Gründung steht das Format vor dem Aus, stellten Experten aus Prag, Budapest und Belgrad beim Table.Live-Briefing am Mittwoch fest.

    Ivana Karásková (China-Expertin und Gründerin von CHOICE in Prag), Tamás Matura (Wissenschaftler an der Corvinus Universität Budapest) und Stefan Vladisavljev (Direktor des Belgrad Security Programme) diskutierten über den Einfluss und das Ansehen Chinas in Mittel- und Osteuropa.  

    Prag als nächster Austrittskandidat

    Inzwischen herrsche große Ernüchterung über Chinas Engagement, stellt die China-Expertin aus Prag fest. “Als China 2012 in die Region kam, gab es riesige Erwartungen. Aber fast nichts davon ist zustande gekommen, außer vielleicht ein paar wenigen Projekten auf dem westlichen Balkan”, so Karásková. “China hat in der Zusammenarbeit mit Mittel- und Osteuropa nicht geliefert – sei es, weil es nicht konnte oder, weil es nicht wollte.”

    Die Folge: Im Februar 2021 verließ mit Litauen das erste Land das Format (China.Table berichtete). Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis zufolge habe die Zusammenarbeit mit China “fast keinen Mehrwert” gebracht. Im August dieses Jahres kehrten Estland und Lettland dem Dialogforum den Rücken. Vor allem Chinas Haltung und Nähe zu Russland im Ukraine-Krieg habe in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas eine große Entfremdung verursacht.

    Und so prophezeit Karaskova denn auch, dass das Bündnis weiter schrumpfen werde: Tschechien werde nächstes Jahr das Format 14+1 verlassen. “Das wird ein großer Knall und könnte ein Signal für weitere Länder sein.” Mit dem Aus Litauens habe ein Domino-Effekt eingesetzt, der langsam die einzelnen Länder erfasse.

    Ungarn und Serbien eng an Chinas Seite

    Tamás Matura widerspricht allerdings vorsichtig. Zwar erkennt auch der Wissenschaftler der Corvinus Universität in Budapest einen gewissen Domino-Effekt, aber die einzelnen Steine müssten nicht zwangsläufig auch umfallen. “Ungarn wird sich nicht von China abwenden, es wird nicht das nächste Litauen.” Zwar sei auch in Budapest die Anfangseuphorie etwas verflogen, auch in Warschau könne man eine große Unzufriedenheit feststellen. Aber im Hintergrund liefen etliche Projekte weiter. “Victor Orbán wird jedenfalls seine chinafreundliche Haltung nicht ändern.”

    Stefan Vladisavljev, Direktor des Belgrad Security Programme, verweist in der Diskussion auf die Besonderheit Serbiens als Nicht-EU-Mitglied. Deshalb sei Belgrad in einer etwas anderen Position: Für die Beziehungen Serbiens zu China sei 14+1 nicht entscheidend. Belgrad werde seine Bindung mit China intensivieren.

    Denn: “China investiert in Serbien mehr Geld als jedes einzelne EU-Land, auch mehr als Deutschland. Und die Zusammenarbeit wird noch zunehmen, auch in Bereichen wie Polizei und Verteidigung”, erklärt Vladisavljev. Dabei vermisse er vielerorts allerdings die kritische Auseinandersetzung mit Chinas Engagement, beispielsweise bei Themen wie Umweltschutz.

    China übt politischen Einfluss aus

    Dabei wird deutlich: Auch das auf 14+1 geschrumpfte Format ist längst nicht mehr ein rein wirtschaftliches Unterfangen. Am deutlichsten könne man das an den wiederholten Vetos von Ungarn und Griechenland bei etlichen EU-Erklärungen zu China erkennen. Und auch in Belgrad zeichnet sich eine ähnlich enge Verbindung zu Peking ab. “China ist in Serbien inzwischen so beliebt wie Russland. Die Regierung lobt bei jeder Gelegenheit die Zusammenarbeit und Unterstützung Pekings”, erklärt Vladisavljev.

    Im Grunde sollte die Europäische Union der natürliche Partner des Balkans sein. “Aber die EU hilft Serbien in Krisen wie der Corona-Pandemie einfach nicht genug. So ist es einfach, China als bessere Alternative zu präsentieren.” Bislang habe Brüssel kaum etwas unternommen, um dem wachsenden Einfluss Chinas in Serbien etwas entgegenzusetzen.  

    Europas Antwort fehlt noch der Nachdruck

    Doch das soll sich ändern: Mit Global Gateway will die EU Chinas milliardenschwerer Belt-and-Road-Initiative (BRI) eine Alternative entgegensetzen und weltweit als geopolitischer Player auftreten (China.Table berichtete). Am Sonntagabend kam erstmals ein Gremium unter dem Vorsitz von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zusammen, um eine Zwischenbilanz der Strategie zu ziehen (China.Table berichtete).

    Das macht sich auch in Mittel- und Osteuropa bemerkbar. Global Gateway sei in Tschechien derzeit kein Thema, weil bislang nichts funktioniere, meint Karásková. “Aber es ist gut, dass es endlich eine europäische Alternative zu Chinas Belt-and-Road-Initiative gibt.” Matura argumentiert in die gleiche Richtung. “Die EU hat es bislang nicht geschafft, die Agenda zu besetzen. Die Belt-and-Road-Initiative China hat große Probleme. Peking würde so eine Gelegenheit ausnutzen. Aber die EU macht das nicht.”

    Klar wird in der Diskussionsrunde: Chinas BRI-Initiative wie auch das 14+1-Format haben große Probleme. Die hohen Erwartungen konnten bislang nicht erfüllt werden. Die Situation in Mittel- und Osteuropa bietet eine gute Gelegenheit, dass die EU mal einen Vorteil aus der Schwäche Chinas zieht.

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    News

    Manchester: Diplomaten fliehen aus Großbritannien

    Nach dem gewaltsamen Zwischenfall am chinesischen Konsulat in Manchester haben sechs chinesische Diplomaten Großbritannien verlassen, darunter der Generalkonsul. Die Regierung in Peking habe die Ausreise der Diplomaten veranlasst, teilte der britische Außenminister James Cleverly mit.

    Eigentlich hatte die Polizei in Manchester die Aufhebung der Immunität der Diplomaten erwirken wollen, um diese zu dem gewaltsamen Zwischenfall im Oktober befragen zu können – und dafür ein Ultimatum bis Mittwoch gesetzt. Sie entziehen sich daher durch die Ausreise der britischen Justiz.

    Bei einer Demonstration für Demokratie in Hongkong im Oktober war ein Aktivist von Mitarbeitern des chinesischen Konsulats auf das Gelände gezerrt und verprügelt worden (China.Table berichtete). Londons Außenminister hatte daraufhin den Stellvertreter des außer Landes weilenden chinesischen Botschafters einbestellt. flee

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    Peking dementiert Existenz von Polizeistationen

    Die chinesische Regierung bestreitet, in anderen Staaten “Polizeidienststellen” zu betreiben. Allerdings räumte sie ein, dass es an sogenannte “Service-Stationen” für die eigenen Staatsbürger im Ausland gebe. Wie ein Sprecher des Außenministeriums in einem Schreiben mitteilte, würden “engagierte Auslandschinesen” damit Landsleute bei Behördenangelegenheiten helfen. Das Schreiben liegt der Nachrichtenagentur dpa vor. Sicherheitsbehörden in Deutschland und anderen Ländern gehen hingegen davon aus, dass solche Einrichtungen auch der Verfolgung von Regimekritikern dienten. 

    Das Schreiben stellt die Aktivitäten dagegen als harmlos dar. Die Servicestellen dienten dazu, chinesischen Staatsbürgern zu helfen, die während Covid-19 nicht heimreisen können. Dabei gehe es um medizinische Untersuchungen, Führerscheinanträge und dergleichen. Die Freiwilligen seien “engagierte Auslandschinesen, keine chinesischen Polizeibeamten”, so das Schreiben. China mische sich nicht in innere Angelegenheiten ein und respektiere die rechtliche Souveränität anderer Länder. Die “Service-Stationen” verstießen nicht gegen Recht und “verfolgten auch keine strafrechtlichen Aktivitäten”. 

    Nach Erkenntnissen der Menschenrechtsorganisation Safeguard Defenders mit Sitz in Madrid soll es rund 100 “Zentren chinesischer Überseepolizei” in mehr als 50 Ländern geben (China.Table berichtete). Deutsche Behörden gehen davon aus, dass China in Deutschland zwei solcher Polizeistationen betreibt. flee

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    Japan arbeitet an Verteidigungs-Strategie

    Japan wird voraussichtlich noch in diesem Monat eine überarbeitete Fassung seiner nationalen Verteidigungsstrategie vorlegen – und dabei seine letzten pazifistischen Prinzipien endgültig aufgeben. Die Parteien der regierenden Koalition haben sich Anfang Dezember bereits darauf geeinigt, dem Land für den Fall eines Angriffs die Fähigkeit zu einem massiven Gegenschlag zu geben. Die Wortwahl ist allerdings irreführend. Es geht beispielsweise darum, gegnerische Raketenbasen bereits anzugreifen, bevor diese einen Abschuss beendet haben. Daher kursiert auch der paradoxe Begriff “vorbeugender Gegenschlag”.

    Die aktuelle Fassung der japanischen Verteidigungsstrategie stammt von 2013. Sie galt damals bereits als Bruch mit der friedfertigen Grundeinstellung, die seit dem Zweiten Weltkrieg Verfassungsrang hat. Die Rüstungsausgaben steigen derzeit von einem auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung. Ein Fokus liegt dabei auf der Raketenabwehr gegenüber China und Nordkorea. Dafür ist die Stationierung von zehn neuen, eigenen Raketentypen geplant (China.Table berichtete). In Japan ist zudem wie in Deutschland eine nationale Sicherheitsstrategie in Arbeit. fin

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    EU und Asean stärken Kooperation bei ersten Gipfeltreffen

    Die Europäische Union hat erstmals ein gemeinsames Gipfeltreffen mit den Staats- und Regierungschef des Verbands südostasiatischer Nationen (Asean) abgehalten. Die beiden Organisationen einigten sich am Mittwoch auf eine gemeinsame Abschlusserklärung, in der eine engere wirtschaftspolitische Kooperation betont wurde. Die EU ist auf die Asean-Staaten wie Vietnam und Indonesien angewiesen, nicht zuletzt, um ihre Lieferketten unabhängiger von China zu gestalten. Brüssel wünscht sich auch eine außenpolitische Positionierung der Asean-Staaten gegen China und Pekings Positionen, jedoch mit weniger Erfolg. Eine Übersicht:

    • EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen kündigte eine Investition von zehn Milliarden Euro im Rahmen der Infrastruktur-Initiative Global Gateway bis 2027 in der Asean-Region an. Damit sollen Projekte für erneuerbare Energien und nachhaltige Landwirtschaft vorangebracht werden. Konkrete Details zu den geplanten Projekten gab es zunächst nicht. Global Gateway werde die strategische Partnerschaft mit der Region weiter vertiefen, sagte von der Leyen.
    • Langfristig will die EU ein Freihandelsabkommen mit Asean anstreben, hieß es in der Abschlusserklärung. Bisher hat Brüssel diese nur mit Singapur und Vietnam. Die EU wolle sich zudem stärker in die regionalen Foren einbringen, um die Sicherheits-Architektur im Indo-Pazifik zu stärken, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz nach dem Gipfeltreffen.
    • An anderen Stellen konnte jedoch keine Einigung gefunden werden: So konnte Brüssel die asiatischen Staaten nicht zu einer gemeinsamen Verurteilung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine bewegen. In der Abschlusserklärung wurde lediglich festgehalten, dass die meisten Teilnehmerstaaten die Aggression Russlands gegen die Ukraine auf das Schärfste verurteilen. Als Grund nannten EU-Diplomaten die Position von Vietnam, Laos und Thailand. Diese drei Länder hatten sich bei der letzten großen Abstimmung zu einer kritischen UN-Resolution zu Russlands Krieg enthalten.
    • Auch Formulierungen zur “Ein-China-Politik” und Taiwan hatten vorab zu Debatten zwischen Vertretern beider Seiten geführt, die die Abschlusserklärung aushandelten. Das Thema wurde deshalb gar nicht in dem Statement aufgenommen. Bekräftigt wurde von beiden Seiten jedoch die Förderung der Sicherheit und Stabilität im Südchinesischen Meer.
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    Presseschau

    Corona-Welle in China: Regierung verspricht bessere Hilfe HANDELSBLATT
    Nach Corona-Lockerungen in China – Die Menschen sind vorsichtig SWR
    Schlangen von Leichenwagen warten vor Krematorien Pekings: China versteckt seine Corona-Toten – das Sterben beginnt FINANZMARKTWELT
    Corona-Welle in China: Wie gefährlich wird sie für den Rest der Welt? RND
    Corona-Nachverfolgung in China mittlerweile “unmöglich” ZEIT
    Border clashes between India and China “regularly covered up” TELEGRAPH
    China rechnet mit Merkel ab: Verrat in der Ukraine DEUTSCHE-WIRTSCHAFTS-NACHRICHTEN
    China: USA betreiben “unilaterales Mobbing” HEISE
    U.S. to remove some Chinese entities from red flag list soon, U.S. official says REUTERS
    US-Kongress schlägt neue Sanktionen gegen Huawei und Tiktok vor FAZ
    Die große Freiheit im Kleinen: Wie Hongkong Widerstand gegen Chinas Regeln leistet SN
    Gipfel in Brüssel: ASEAN – für die EU eine Alternative zu China? TAGESSCHAU
    Eyeing China, Biden says U.S. is “all in” on Africa REUTERS
    Nach Prügel vor Konsulat: Chinesische Diplomaten verlassen England TAGESSCHAU
    China: Keine Polizeieinrichtungen im Ausland, sondern “Servicestationen” DERSTANDARD
    A Visit To the City Responsible for China’s Police Stations in Europe SPIEGEL
    Bedrohung durch China: Japan plant radikalen Wandel seiner Verteidigungsstrategie STUTTGARTER-ZEITUNG
    China Sends Official Xi Sidelined to Visit Protest-Hit Iran BLOOMBERG
    “Europa war ein offener Supermarkt”: Die Skepsis Europas gegenüber chinesischen Investitionen steigt HANDELSBLATT
    Elektromobilität: Mercedes investiert in Standorte in China und Deutschland HEISE
    India: Probe traces AIIMS cyberattack to China, patient data restored INDIANEXPRESS
    Historic first launch of Chinese private methane-fueled rocket ends in failure SPACENEWS
    Technische Keramik: Neue Keramik aus China ist so biegsam wie Metall KONSTRUKTIONSPRAXIS

    Standpunkt

    EU-Lieferkettenrichtlinie muss vor Ort wirken

    Von Bärbel Kofler
    Bärbel Kofler ist seit Dezember 2021 Parlamentarische Staatssekretärin im BMZ.

    Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz tritt am 01. Januar 2023 in Kraft – ein Meilenstein für die Stärkung und den Schutz von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten. Gleichzeitig laufen die Verhandlungen für eine EU-weite Lieferkettenregulierung – der Corporate Sustainability Due Diligence Directive – auf Hochtouren. Unternehmerische Sorgfaltspflichten werden damit nun endlich verbindlich – ein schon lange überfälliger Schritt.

    In der aktuellen Debatte rund um die gesetzlichen Regelungen stehen jedoch vor allem die möglichen Herausforderungen für deutsche und europäische Unternehmen im Fokus. Oft rückt dabei in den Hintergrund, worum es bei den Entwicklungen wirklich geht: die Lebensbedingungen entlang globaler Lieferketten zu verbessern und die Rechte der Betroffenen zu stärken. Diesem Anspruch müssen wir gerecht werden – sowohl mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz als auch im Hinblick auf die geplante EU-Lieferkettenrichtlinie.

    EU-Lieferkettengesetz: gegen Missstände

    Denn die Missstände in den globalen Wertschöpfungsketten mit über 450 Millionen Beschäftigten sind groß. Viele der Produkte und Rohstoffe für den deutschen und europäischen Markt werden unter untragbaren Umwelt- und Arbeitsbedingungen, für Hungerlöhne oder sogar mithilfe ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt oder abgebaut. Laut neuesten Zahlen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) leisten weltweit 27,6 Millionen Menschen Zwangsarbeit, davon mehr als 3,3 Millionen Kinder.

    Vor allem vulnerable und marginalisierte Gruppen wie Frauen und Mädchen erleben in allen Sektoren oftmals mehrfache Diskriminierung und geschlechtsspezifische Formen der Gewalt – ob als Näherinnen in Textilfabriken, als Bäuerinnen auf dem Feld oder im Dienstleistungssektor. Die Covid-19-Pandemie hat diese geschlechtsbasierte Ungleichbehandlung weiter verschlechtert.

    EU-Lieferkettengesetz: Umweltschutz weiteres Ziel

    Auch die negativen Auswirkungen auf die Umwelt sind enorm: Bei der Textilproduktion etwa werden pro Jahr 43 Millionen Tonnen Chemikalien eingesetzt. Leiten Fabriken diese direkt über ihr Abwasser in umliegende Gewässer, gefährden sie damit auch die Gesundheit der Menschen in den angrenzenden Gemeinden. Der Textilsektor verursacht zudem mehr als ein Drittel des Mikroplastiks in den Weltmeeren.

    Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden finden aber nicht nur weit entfernt, sondern auch in Europa statt, etwa in Form von Ausbeutung der Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in deutschen Schlachthöfen.

    Effektivität im EU-Lieferkettengesetz

    Alle diese Beispiele verdeutlichen: Gesetze über unternehmerische Sorgfaltspflichten müssen vor allem dort Wirkung entfalten, wo die Verletzungen von Mensch und Umwelt stattfinden. Doch wie erreichen wir diese gewünschte Effektivität – vor allem mit Blick auf die EU-Richtlinie?

    1. Betroffene von Menschenrechtsverletzungen brauchen effektive Klagemöglichkeiten. Eine zivilrechtliche Haftung in der EU-Regulierung ist also essenziell. Davon werden ganz besonders Personen vulnerabler oder marginalisierter Gruppen wie Frauen profitieren, die am meisten unter niedrigen Löhnen und Gewalt am Arbeitsplatz leiden. Entscheidend ist dabei auch die Ausgestaltung der Haftungsnormen: Wir brauchen eine faire Beweislastverteilung: Es kann nicht sein, dass Betroffene nachweisen müssen, dass ein internationales Unternehmen seinen Sorgfaltspflichten nicht nachgekommen ist – das wird in den meisten Fällen überhaupt nicht möglich sein. Außerdem muss, wie auch im deutschen Lieferkettengesetz vorgesehen, sichergestellt werden, dass Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften die Rechte der Betroffenen im Zivilprozess im eigenen Namen durchsetzen können – eine wichtige Regelung, um rechtliche Hürden abzubauen.
    2. Beschwerdemechanismen als Teil der unternehmerischen Sorgfaltspflicht müssen für alle potenziell betroffenen Rechteinhabenden leicht zugänglich sein. Das gilt auch für zivilgesellschaftliche Organisationen und Gewerkschaften. Gleichzeitig muss der Schutz der Hinweisgebenden vor Repressalien gegeben sein. Nur so können wirkungsvolle Abhilfe und Wiedergutmachung gelingen.
    3. Der Geltungsbereich des Entwurfs für die EU-Lieferkettenrichtlinie darf im Bereich der mittelbaren Zulieferer nicht auf “etablierte Geschäftsbeziehungen” beschränkt sein. Dieses Konstrukt schafft falsche Anreize. Gerade informelle oder kurzfristige Geschäftsbeziehungen stellen ein höheres Risiko für Menschenrechtsverletzungen dar. Das wird besonders im Textilsektor deutlich, wo schnell wechselnde Vertragsbeziehungen gang und gäbe sowie gleichzeitig Ausbeutung der Näherinnen und Nähern keine Seltenheit sind. Wir brauchen daher einen risikobasierten Ansatz, wie er international bekannt und anerkannt ist.
    4. Wichtig ist, dass auch der Schutz des Klimas und der Umwelt umfassend in die Sorgfaltspflichten einbezogen werden. Vor allem für die Menschen in Entwicklungsländern, die schon heute am meisten unter den Folgen des Klimawandels leiden, ist das überlebenswichtig. Der Übergang zu einer umwelt- und klimagerechten Wirtschaftsweise kann aber nur gelingen, wenn sich alle an dieser “Just Transition” beteiligen – und vor allem europäische Unternehmen spielen dabei eine zentrale Rolle.

    Für das, worum es tatsächlich geht – um bessere Arbeits- und Lebensbedingungen entlang globaler Wertschöpfungsketten – brauchen wir also staatliches und unternehmerisches Engagement sowie klare und wirkungsvolle gesetzliche Rahmenbedingungen. Das geht aber natürlich nicht ohne die erforderliche Unterstützung. Das BMZ weitet daher derzeit bestehende nationale Angebote für Unternehmen und Zivilgesellschaft auf die EU-Ebene aus. Denn sicher ist: Wirksamkeit werden wir nur erzielen, wenn private und freiwillige Instrumente einerseits sowie staatliche und verbindliche Instrumente anderseits ineinandergreifen – ganz im Sinne der Betroffenen in unseren Wertschöpfungsketten.

    Bärbel Kofler ist Bankkauffrau, Diplom-Informatikerin, promovierte Sprachwissenschaftlerin und SPD-Mitglied. Seit 2004 gehört sie als Abgeordnete dem Deutschen Bundestag an. Von 2016 bis 2021 war sie Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe im Auswärtigen Amt. Seit dem Start der Ampel-Koalition ist sie parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. 

    Der Standpunkt ist zuerst bei unseren Kollegen von ESG.Table erschienen.

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    Personalien

    Stefan Hein ist für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) von Peking zurück nach Deutschland gewechselt. Hein war in China bis zum Frühjahr dieses Jahres Leiter Finanzen und Administration. Nach einer Pause ist er seit November Senior Compliance-Manager bei der GIZ in Eschborn.

    Christian Stärz, bislang GIZ-Direktor in Peking, ist nach rund fünf Jahren ebenfalls zurück in Deutschland. Stärz ist nun Technical Planner bei der GIZ in Frankfurt.

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    Dessert

    Das Besondere an diesem Bild von einer Ein-Yuan-Note? Es ist gestern in Sankt Petersburg entstanden. Noch vor zehn Jahren wollte kaum einer den Yuan haben: Er ließ sich in der Wechselstube nicht ohne weiteres gegen Euro oder US-Dollar tauschen. Und wirklich aufbewahren für künftige China-Besuche mochte man ihn auch nicht. Denn häufig waren die Scheine arg zerknittert und verdreckt. Das hat sich geändert. In Russland ist die chinesische Volkswährung derzeit hoch gefragt, denn sie gilt als sehr viel stabiler als der Rubel. Chinas Ankündigung der Internationalisierung des Renminbi geht also auf – wenn auch anders als vorgesehen.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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