Table.Briefing: China

CO2-Speicherung + Kernfusion

Liebe Leserin, lieber Leser,

in der heutigen Ausgabe befassen wir uns mit zwei Dingen, die in Deutschland umstritten sind, an denen China aber mit großem Einsatz arbeitet: mit der Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid sowie der Kernfusion.

Der staatliche Ölkonzern CNOOC hat kürzlich im Meer südlich von Shenzhen den ersten Offshore-Speicher des Landes für CO₂ in Betrieb genommen. Die an eine Ölplattform angeschlossene Anlage fängt das dort freigesetzte CO₂ auf und presst es in eine Salzschicht unter dem Meeresboden. Die Technologie, auch unter der englischen Bezeichnung Carbon Capture and Storage (CCS) bekannt, gehört für China zu den wichtigen Elementen auf dem Weg zur Klimaneutralität, wie Jörn Petring analysiert. Im ganzen Land entstehen bereits ähnliche Anlagen.

Auch die Kernfusion gehört für Peking zu den zukunftsfähigen Technologien. Nach einigen Erfolgen mit einem Testreaktor möchte man nun so schnell wie möglich die Vorstufe eines echten Fusionskraftwerks bauen, berichtet Frank Sieren. Auch sammelt China mehr Fusionspatente als alle anderen Staaten. Der multinationale Fusionsreaktor Iter in Frankreich kommt hingegen weiterhin nur langsam voran. Auch dürfte es in China kaum politischen Widerstand gegen die Technologie geben.

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Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Erster Offshore-Speicher für CO₂ geht in Betrieb

Um seine Klimaziele zu erreichen, treibt China parallel viele Technologien voran. Dazu gehört auch die Abscheidung und Speicherung von CO₂. Anfang Juni wurde die erste Offshore-Kohlenstoffspeicheranlage des Landes in Betrieb genommen. Sie befindet sich auf der Ölplattform Enping 15-1, rund 200 Kilometer vor der Küste von Shenzhen. Die Anlage fängt das dort freigesetzte Kohlenstoffdioxid auf und presst es in eine geologische Struktur unter dem Meeresboden. 

Der Betreiberkonzern China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) will auf diese Weise während der Lebensdauer des Projekts bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO₂ auffangen. Demnach pumpen die neuen CNOOC-Anlagen das bei der Erdölförderung entstehende CO₂ mit einer Geschwindigkeit von neun Tonnen pro Stunde zurück in eine Salzschicht, die sich drei Kilometer unter der Plattform befinde. Pro Jahr können bei dieser Geschwindigkeit bis zu 78.000 Tonnen CO₂ gespeichert werden.

Projekt in Jiangsu: CO₂ zum Weiterverkauf

Ziel solcher CO₂-Speicher ist es, das klimaschädliche Gas direkt an der Quelle abzufangen, bevor es überhaupt in die Atmosphäre gelangt. China will ab spätestens 2030 seinen CO₂-Ausstoß senken. Bis 2060 will das Land Klimaeutralität erreichen. Beides zusammen ist bekannt als 30/60-Ziel. Dafür ist die Speicherung ein Baustein.

Während die Anlage im Südchinesischen Meer das Gas nur speichert, geht ein Projekt in der Provinz Jiangsu einen Schritt weiter. Auch dort fängt das Kohlekraftwerk Taizhou seit Juni gezielt CO₂ auf. Allerdings hat sich der Betreiber China Energy für eine Anlage entschieden, die das Treibhausgas nicht unterirdisch, sondern in speziellen Tanks speichert. Ziel ist es, 500.000 Tonnen CO₂ einzufangen und weiterzuverkaufen. Kunden aus der Schweißindustrie und der Lebensmittelbranche seien bereits gefunden.

Die größte chinesische CO₂-Speicheranlage steht in der Provinz Shandong. Dort fängt der chinesische Staatskonzern Sinopec in einer seiner Ölraffinerien jährlich eine Million Tonnen Kohlenstoffdioxid ab. Hinzu kommen landesweit zahlreiche kleinere Projekte.

CO₂-Speicherung in Deutschland umstritten

In Deutschland kommt die Entwicklung der CO₂-Speicherung dagegen nur zögerlich voran, was vor allem an den bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen liegt. Das Kohlenstoffdioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) erlaubt seit 2012 lediglich die Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO₂-Speicherung in begrenztem Umfang. Kritiker sehen die Technologie als Ablenkungsmanöver, damit ansonsten weiterhin Emissionen in die Atmosphäre geblasen werden können. Umweltschützer lehnen die Technologie zudem wegen ihrer Umweltgefahren ab. Andere Experten gehen wiederum davon aus, dass zur Klimaneutralität sowohl radikale Emissionssenkungen, als auch CO₂-Abscheidung und Speicherung notwendig sind.

Im Dezember 2022 kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck daher an, ein neues Gesetz auf den Weg bringen zu wollen. Sein Ministerium betont, dass es trotz aller Anstrengungen “selbst nach 2045 noch Emissionen geben wird, die nicht durch die bislang verfügbaren oder sich in Entwicklung befindlichen Technologien vermieden werden können”. Um das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis dahin zu erreichen, müsse daher auch die CO₂-Speicherung vorangetrieben werden.

CO₂-Speicherung birgt auch Risiken

Der Umweltverband BUND kündigte sofortigen Widerstand gegen Habecks Pläne an. “Anstatt die CO₂-Emissionen zu reduzieren, möchte die Industrie sie einfach unter dem Meer lagern”, kritisierte BUND-Chef Olaf Bandt. “Aber die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll.” Das Verpressen von CO₂ dort sei zwar profitabel für die Gasindustrie. Doch diese rechne bereits selbst mit Lecks, die gefährlich für den Lebensraum dort sein könnten.

Während Befürworter also von einer wichtigen Brückentechnologie sprechen, besteht bei Kritikern zudem die Sorge, dass der Fokus auf die CO₂-Speicherung den Übergang zu nachhaltigeren Lösungen, wie erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, verzögern könnte. China hat diese Frage für sich entschieden.

  • Klima
  • Klimaschutz
  • Nachhaltigkeit

Anwendung der Kernfusion rückt näher

Der Fusionsreaktor HL-2M Tokamak in Chengdu.

China baut seinen globalen Vorsprung in der Kernfusionsforschung schnell aus. Mit dem Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) gelang es Forschern des Instituts für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) bereits im April, einen neuen Rekord aufzustellen: Sie konnten eine Plasmatemperatur von 100 Millionen Grad Celsius für 403 Sekunden aufrechterhalten.

Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man sehen, in welch langsamen Schritten die Fusionsforschung vorankommt. Im Jahr 2007 war es EAST gelungen, für 101 Sekunden eine Plasmatemperatur von 50 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten. 2017 gelang es dann, diese Temperatur über 400 Sekunden zu halten. Nun ist man im Institute of Plasma Physics der Chinese Academy of Sciences (ASIPP) in Hefei, Provinz Anhui, bei der doppelten Temperatur angekommen.

Erste Kernfusions-Demonstration

Fusionsenergie entsteht, wenn leichte Atomkerne verschmelzen. Das war lange nur unter Bedingungen möglich, wie sie in der Sonne herrschen. Diese Voraussetzungen versuchen Wissenschaftlerinnen und Ingenieure seit Jahrzehnten auch technisch zu erreichen. Es ging bei den ASIPP-Versuchen vor allem darum, “die Effizienz der Energieherstellung zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu senken”, sagt ASIPP Direktor Song Yuntao.

Einer seiner Forscher, der aus Sicherheitsgründen nur Wang genannt werden will und etwa 30 Jahre alt ist, erläutert, dass die “Menschen am Ende nur den Erfolg sehen. Die vielen Niederlagen dahinter werden nicht bekannt”. Bereits seit neun Jahren forscht er am ASIPP. Für die Versuche gab es weder in China noch weltweit Vorbilder: “Ich habe immer wieder daran gedacht, aufzugeben.”

Erster Kraftwerks-Prototyp bis 2035 geplant

Jetzt erreicht die “künstliche Sonne”, wie der Reaktor mit seinen supraleitenden Magnetspulen auch genannt wird, ihre Limits. Es ist zwar eine noch längere Entladung möglich, doch als Nächstes soll bereits die Vorstufe eines funktionierenden Fusionskraftwerkes gebaut werden.

Der China Fusion Engineering Test Reactor (CFETR) soll erstmals die Praxistauglichkeit der Idee beweisen. Betriebsbereit soll der CFETR allerdings erst 2035 sein. Denn es sind noch einige technische Hürden zu überwinden. Seine Maximalleistung soll bei zwei Gigawatt liegen. Das ist beachtlich: Das größte Atomkraftwerk Chinas hat eine Leistung von 1,75 Gigawatt.

Die USA forschen ebenfalls an Fusion

Auch die westliche Forschung vermeldet Erfolge. Im Dezember 2022 gelang es einem US-amerikanischen Forscherteam, erstmals eine Kernfusion durchzuführen, die zumindest während der Reaktion mehr Energie erzeugte als sie verbrauchte. Um die Fusion in Gang zu bringen, musste man allerdings große Energiemengen vorschießen.

Das Experiment fand an der National Ignition Facility im kalifornischen Livermore statt. Bisher hat vor allem die Kühlung der großen Magnetspulen sowie die Heizung des Plasmas noch zu viel Energie verschlungen. “Ein monumentaler Durchbruch”, sagt der Physik-Professor Gilbert Collin von der University of Rochester in New York, der nicht an den Forschungen beteiligt ist. Wie weit die Chinesen in dieser Frage sind, ist nicht bekannt.

Signifikante Entdeckung in Deutschland

Auch die Deutschen erringen in Teilbereichen Durchbrüche. So ist es Forschern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München kürzlich gelungen, einen Weg zu finden, um die Distanz zwischen Plasma und der Wand des Behälters zu verringern. Im herkömmlichen Tokamak ist die Wechselwirkung zwischen Reaktorwand und Plasma problematisch. Den Forschern ist es gelungen, die Distanz auf weniger als fünf Zentimeter zu verringern.

Das Prinzip Tokamak: Magnetfelder halten das heiße Plasma in einer Donut-Form gefangen.

Damit kann das Volumen des Behälters besser genutzt werden. Am Standort in Garching experimentieren die Forschenden mit dem Asdex Upgrade, der wie EAST ein Tokamak ist. Ein Tokamak ist ein Donut-förmiges Gefäß, in dem ein starkes Magnetfeld die elektrisch geladenen Teilchen des Plasmas einschließt. “Das ist eine signifikante Entdeckung in der Fusionsforschung”, sagt IPP-Abteilungsdirektor Ulrich Stroth.

Iter bleibt das Sorgenkind des Forschungszweigs

Der von 35 Staaten betriebene International Thermonuclear Experimental Reactor (Iter) in Frankreich kommt dagegen langsamer voran. Mit geschätzten Kosten von 18 bis 22 Milliarden Euro ist er das teuerste Fusionsprojekt weltweit und ein Forschungsprojekt von EU, USA, China, Indien, Südkorea, Japan und Russland. Auch das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik ist daran beteiligt. Das Problem der Kooperation ist die langsame politische Abstimmung unter den Partnerländern. “Die Einzelkomponenten des Reaktors werden in den verschiedenen Ländern hergestellt, mit dem Ergebnis, dass am Ende nicht alles wie geplant zusammenpasst”, sagt Sibylle Günter, Direktorin am IPP.

Dieses Problem haben die Chinesen nicht. Zwischen 2011 und September 2020 lag China bei den Kernfusions-Patenten vorne, wie aus einer Untersuchung des japanischen Medienhauses Nikkei hervorgeht, gefolgt von den USA, Großbritannien und Japan. Als wichtigstes Patent Chinas gilt die Zusammensetzung der Keramikwand des Reaktors. Die Institution mit den meisten Patenten ist das Southwestern Institute of Physics in Peking, eine Tochter der China National Nuclear Corp, gefolgt von der Chinese Academy of Sciences (CAS).

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Sinolytics Radar

Gallium und Germanium: Steigende Nachfrage trifft auf Export-Beschränkung

Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
  • China ist der weltweit größte Produzent der Industriemetalle Gallium und Germanium: Es kontrolliert 98 Prozent der globalen Galliumproduktion und mehr als die Hälfte der globalen Germaniumproduktion.
  • Die Europäische Union ist ein wichtiger Abnehmer der beiden Metalle. 71 Prozent des europäischen Bedarfs an Gallium und 45 Prozent des Bedarfs an Germanium werden aus China gedeckt.
  • Trotz weltweiter Bedenken, dass China seine Marktposition ausnutzen könnte, haben die größten Wirtschaftsnationen ihre Importe aus China entlang der Halbleiter- und Solarwertschöpfungsketten in den letzten Jahren drastisch erhöht.
  • Zum Beispiel verdoppelten die Niederlande ihre Importe aus China 2022 im Vergleich zu 2021. Der sprunghafte Anstieg der Nachfrage hängt zum Teil mit der beschleunigten Entwicklung von Gallium-Nitrid-Halbleitern zusammen. Diese weisen eine wesentlich höhere Energieeffizienz auf als herkömmliche Silizium-Leistungschips.
  • Die Ankündigung der Volksrepublik bedeutet keinen Exportstopp. Doch die neuen Bestimmungen eröffnen der Regierung in Peking einen größeren Ermessensspielraum bei der Verweigerung von Lizenzen für die Lieferung in bestimmte Länder oder an bestimmte Unternehmen. Sie schaffen außerdem die Möglichkeit, Beschränkungen in Form von Quoten oder Steuern auszuweiten.
  • Auch wenn unmittelbar nur geringfügige Auswirkungen drohen, sollten Unternehmen entlang der betroffenen Wertschöpfungsketten einen gründlichen Blick auf ihre Lieferketten werfen. Sie sollten sich auf eine Phase wachsender Unsicherheit vorzubereiten und daher möglichst nicht nur auf Tier-1-Lieferanten beschränken.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Geopolitik
  • Halbleiter
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News

Gesundheitliche Gründe: Qin Gang verpasst Gipfeltreffen

Der chinesische Außenminister Qin Gang nimmt diese Woche aufgrund seines “körperlichen Zustands” nicht am Außenministertreffen der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) in Indonesien teil. Chinas Spitzendiplomat Wang Yi vertrete ihn dort, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag bei einer regulären Pressekonferenz. Der Sprecher lehnte es ab, nähere Angaben Qins Gesundheit zu machen.

Bei dem Spitzentreffen, das am Dienstag in Jakarta begann, wären Qin und US-Außenminister Antony Blinken nach ihrem Treffen in Peking im vergangenen Monat erneut zusammengetroffen. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow nimmt an der Veranstaltung teil.

Qin ist seit 16 Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Seine Abwesenheit hat in den letzten Tagen für Aufsehen gesorgt. Anfang des Monats hätte der chinesische Außenminister mit dem EU-Spitzendiplomaten Josep Borrell zusammentreffen sollen, doch China verschob die Reise abrupt, ohne Einzelheiten zu nennen. rtr/cyb

  • Antony Blinken
  • Gesundheit
  • Qin Gang

Hongkong will Fisch-Import aus Japan beschränken

Hongkong droht mit einem weitreichenden Einfuhrstopp für japanischen Fisch. Sobald Japan mit der Einleitung radioaktiven Wassers in den Pazifik beginne, werde der Bann wirksam, sagte Verwaltungschef John Lee am Dienstag. Der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks Fukushima will in den kommenden Jahren nach und nach Wasser im Ozean verklappen, das mit dem strahlenden Wasserstoffisotop Tritium belastet ist. Japanische Wissenschaftler versichern, dass das Isotop in der entsprechenden Konzentration ungefährlich ist.

China hat die Einfuhr von Meeresfrüchten aus Japan bereits beschränkt. Die neuen Importbeschränkungen sollen deutlich darüber hinausgehen. China, und insbesondere Hongkong, sind wichtige Märkte für die japanische Fischereiindustrie. China hat bereits eine Fortsetzung bestehender Einfuhrrestriktionen bekanntgebeben. Auch im benachbarten Südkorea gibt es öffentlichen Unmut über die Einleitungspläne Japans. fin

  • Hongkong
  • Import

Foxconn gibt Halbleiter-Produktion in Indien auf

Der taiwanische Elektronikkonzern Foxconn zieht sich aus einem Halbleiter-Joint Venture in Indien zurück. Foxconn und der indische Bergbau-Konzern Vedanta hätten sich geeinigt, das Vorhaben aufzugeben, berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Erst 2022 hatten beide Partner eine Investition in Höhe von 19,5 Milliarden US-Dollar für die Herstellung von Halbleitern und Bildschirmen im Bundesstaat Gujarat angekündigt.

Während Foxconn keine Gründe für seinen Ausstieg angab, erklärte Vedanta ohne Angabe weiterer Details, man habe “andere Partner gefunden”. Laut Caixin hatte sich das Joint Venture ebenso wie zwei weitere neue Chip-Joint Ventures vergeblich um Fördermittel zur Halbleiterproduktion beworben. Stattdessen hätten die Behörden eine neue Ausschreibung für die Fördermittel gestartet. Warum die existierenden Projekte durchfielen, blieb offen.

Indien hofft darauf, davon zu profitieren, dass internationale Konzerne sich um Produktionsstandorte außerhalb Chinas bemühen. Erfolg hatte Neu-Delhi mit dem US-Chiphersteller Micron. Dieser kündigte im Juni an, umgerechnet 750 Millionen Euro in Indien zu investieren, um ein Montage- und Testwerk für Halbleiter zu bauen. Peking hatte Micron kurz zuvor wegen angeblicher Sicherheitsbedenken aus kritischen Netzen Chinas verbannt. Nichtsdestotrotz investiert Micron aber weiterhin in der Volksrepublik. ck

  • Foxconn
  • Indien
  • Micron
  • Technologie

Auto-Exportboom nach Russland

Russland ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres zu Chinas größtem Auto-Exportmarkt aufgestiegen. Chinesische Autobauer führen von Januar bis Mai rund 287.000 Fahrzeuge nach Russland aus, wie der Verband der Autohersteller, CAAM, unter Berufung auf Zolldaten mitteilte. Das sind laut Bloomberg annähernd doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr, als China rund 162.000 Fahrzeuge nach Russland exportierte.

Mit dieser gewaltigen Zunahme überholt Russland als Absatzmarkt Mexiko, den bisherigen Spitzenreiter. Dorthin verschiffte China im gleichen Zeitraum rund 159.000 Fahrzeuge. Drittgrößter Markt war Belgien mit 120.000 Autos, gefolgt von Australien mit 101.000 Fahrzeugen.

Der Boom lässt sich mit den westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Ukraine-Krieges erklären. Chinesische Autos füllen die Lücke, die durch den Marktaustritt globaler Hersteller entstanden ist. Generell sind Chinas Autoexporte im Aufwind, auch weil frühere Logistikprobleme behoben werden konnten. Die Unternehmensberatung AlixPartners erwartet, dass China 2023 erstmals Auto-Exportweltmeister wird. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sei dies der Volksrepublik bereits gelungen. In vielen Absatzmärkten kann China demnach zunehmend mit seinen E-Autos punkten. ck

  • Autoindustrie

Geely und Renault gründen Joint Venture

Geely und der französische Autokonzern Renault haben offiziell eine Joint-Venture-Vereinbarung unterzeichnet, um ein neues Unternehmen für die Herstellung von Antrieben zu gründen. Renault soll demnach 50 Prozent halten, Geely über zwei seiner Töchter die restlichen Anteile, wie Geely am Dienstag mitteilte. 

Die Transaktion werde voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2023 über die Bühne gehen, vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden und der Behörden für ausländische Direktinvestitionen. Der Hauptsitz wird in Großbritannien liegen, in Planung sind 17 Werke und 19.000 Mitarbeiter, die jährlich mehr als fünf Millionen Verbrennungs-, Hybrid- und Plug-in-Hybridmotoren liefern können.

Im März hatten die drei Parteien bereits Absichtserklärungen unterzeichnet. Die Autobauer versuchen zudem, Saudi Aramco als Investor und Partner für die Entwicklung und Lieferung von Benzinmotoren und Hybridtechnologien zu gewinnen. Aramco prüfe eine strategische Investition, erklärte Renault. rtr/jul

  • Autoindustrie

Angebliche Spionin verklagt MI5


Die vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 als chinesische Agentin verdächtigte Christine Lee hat den Dienst nun dafür verklagt. Das berichtet die South China Morning Post. Der MI5 hatte im Januar 2022 eine Warnung vor Christine Lee herausgegeben. Darin hieß es, sie sei im Auftrag der KP Chinas “in politische Einmischungsaktivitäten im Vereinigten Königreich verwickelt”. Der Sprecher des Unterhauses, Lindsay Hoyle, erklärte damals, der MI5 habe herausgefunden, dass Lee “Geldspenden an amtierende und angehende Parlamentarier im Namen ausländischer Staatsangehöriger mit Sitz in Hongkong und China ermöglicht hat”.

Lee bestreitet die Vorwürfe und verklagte den Inlandsgeheimdienst vor einem Londoner Gericht nun wegen Verletzung ihrer Menschenrechte auf Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Ihrem Anwalt
zufolge soll die vom MI5 herausgegebene sogenannte Störungswarnung (“interference alert”) die erste derartige Warnung seit “mindestens 80 Jahren” gewesen sein. Lee habe nichts von der Warnung gewusst, bis sie aus Medienberichten erfahren habe, dass sie als “Staatsfeindin” gebrandmarkt worden sei. cyb

  • Großbritannien
  • KP Chinas

Polizei verhört Familie von Nathan Law

Die Sicherheitspolizei hat die Familie des Hongkonger Demokratie-Aktivisten Nathan Law befragt und unter Druck gesetzt. Die Beamten haben zudem die Wohnungen von Laws Eltern und seinem älteren Bruder im Stadtviertel Tung Chung gegen sechs Uhr morgens durchsucht, berichten lokale Medien.

Law lebt inzwischen in London und gehört zu den acht Aktivisten, auf die Hongkong vergangene Woche ein Kopfgeld von einer Million Hongkong-Dollar (rund 120.000 Euro) ausgesetzt hat. Der Vorwurf gegen die betroffenen Ex-Parlamentarier, Juristen, Publizisten, Ex-Studentenführer und Gewerkschafter lautet: Verstoß gegen das vor drei Jahren auf Druck Pekings erlassene Nationale Sicherheitsgesetz (NSL).

Nach Angaben der Sing Tao Daily wurden Laws Angehörige im Laufe des Tages wieder freigelassen. Die Befragung der Familie Laws ist ein Hinweis, dass die Kopfgelder keine leere Drohung sind. “Wir werden sie für den Rest ihres Lebens verfolgen, auch wenn sie bis ans Ende der Welt laufen”, hatte Regierungschef John Lee über die Aktivisten gesagt. Auch in Festlandchina werden exilierte Dissidenten durch Druck auf im Land gebliebene Familien eingeschüchtert. ck

  • Nationales Sicherheitsgesetz

Presseschau

China and Taiwan loom large behind Ukraine at NATO summit CNN
Stoltenberg: Chinas nukleare Aufrüstung “beispiellos” ORF
Bundesregierung: China-Strategie kurz vor Verabschiedung HANDELSBLATT
China’s response on joint climate action was positive , EU climate chief says REUTERS
China’s Xi Calls for Greater Economic Opening in Charm Offensive BLOOMBERG
“Liebe Grüße” von Putin: Russische Delegation sucht mehr Annäherung zu China BERLINER-ZEITUNG
Indien wird immer selbstbewußter – Indien und China: Bruchlinien zwischen den Verbündeten FINANZMARKTWELT
The Long Game: China’s Online Influence Campaign in Latin America TIME
Chinesischer Außenminister seit über zwei Wochen nicht gesehen DERSTANDARD
China is teetering on the brink of deflation. That’s a huge red flag for the global economy BUSINESSINSIDER
Auch “Waffenstillstand” half nicht – Nur die Stärksten überleben: der brutale Preiskampf auf Chinas Elektroautomarkt RND
Andere Länder rücken in den Fokus: Das Hoch der deutschen Maschinenbauer in China ist vorüber RND
Automarkt in China: Wenn Musk auf Sozialismus schwört TAZ
Gold: China kauft – schon wieder DERAKTIONAER
Aktien New York: China-Konjunkturmaßnahmen stützen den Dow BOERSE
China to lay down AI rules with emphasis on content control, Financial Times reports REUTERS
Apple opens store on China’s WeChat platform REUTERS
Hongkong droht Japan wegen AKW-Kühlwasser mit Fischerei-Importverbot ZEIT
Taiwan und UK unterzeichnen Absichtserklärung im Gesundheitsbereich RTI
Frauenfußball: Chinas mutige Kämpferinnen ZDF
China und die UN: Wie die Chinesen die Vereinten Nationen unterwandern ZEIT

Nachruf

Coco Lee – Trauer um Asiens Pop-Ikone

Coco Lee im Dezember 2020 in Sanya, Hainan.

In unzähligen Nachrufen und Trauerbekundungen nimmt Asien Abschied von Coco Lee, einer der bekanntesten Sängerinnen der Region. Anfang Juli verstarb sie im Alter von 48 Jahren. Ihre Schwester Nancy erinnert auf Instagram daran, wie Lee “unermüdlich daran arbeitete”, chinesischen Stars internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen und “für die Chinesen zu glänzen”. Lees Schauspieler- und Sängerkollege Jackie Chan postete ein Foto von sich und Lee auf seiner Weibo-Seite und schrieb: “Deine Stimme, dein Tanz und dein sonniges Lächeln haben bei so vielen Menschen Eindruck hinterlassen. Du hast so viel in diese Welt gebracht.” Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh verabschiedete sich ebenfalls mit einem Selfie und den Worten: “Wir haben einen hell strahlenden Stern verloren.”

Lee wurde am 17. Januar 1975 in Hongkong geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend jedoch in den USA. Ihr Leben im Rampenlicht begann, nachdem sie 1992 während eines Sommeraufenthalts in Hongkong einen Gesangswettbewerb gewonnen hatte. Ihr Debütalbum “Coco Lee” erschien 1996 und wurde das meistverkaufte Album des Jahres in Asien. Damals war die Sängerin gerade einmal 19 Jahre alt.

Ihre Lieder sang Lee auf Mandarin, Kantonesisch und Englisch. Sie war auch als Schauspielerin aktiv und lieh unter anderem Mulan, der Heldin aus dem gleichnamigen Disney-Film, ihre Stimme. Im Westen erlangte Lee vor allem mit “A Love Before Time” Bekanntheit, dem Titelsong aus dem Film “Tiger and Dragon”, der ihr auch eine Oscar-Nominierung einbrachte. Bei der Verleihung im Jahr 2001 sang sie das Stück in einem roten Seidenkleid, begleitet von einer Choreografie waghalsiger Kung-Fu-Kämpfer. Es war der erste Auftritt einer chinesischen Sängerin bei den Academy Awards. Ein legendärer Moment, an den sich viele Menschen der chinesischstämmigen Diaspora bis heute erinnern.

Depression gewann die Oberhand

Bis zu ihrem Tod hat Lee 18 Alben veröffentlicht. Ihre größten Erfolge feierte sie damit in China, ihrem Geburtsort Hongkong, Taiwan, Singapur, und bei den vielen Auslandschinesen, die in der mehrsprachig aufgewachsenen Sängerin eine Identifikationsfigur fanden. Neben ihrem Leben als Popstar war Lee auch als Botschafterin mehrerer karitativer Organisationen wie Unicef aktiv. In China war sie zuletzt vor allem ein gern gesehener Gast als Jury-Mitglied in Castingshows.

In Chinas Sozialmedien hat ihr früher Tod Trauer und Nostalgie ausgelöst. Für viele Chinesen stehen Lieder wie “宝贝对不起” (Baby, I’m sorry) für bessere, unbekümmertere Zeiten. Lee war jenseits des strahlenden Bildes einer international erfolgreichen Sängerin jedoch innerlich zerrissen. Über viele Jahre litt sie an Depressionen, 2022 musste sie sich mehreren Operationen an Bein und Becken unterziehen und erholte sich gerade erst von einer Brustkrebserkrankung. Noch im Dezember hatte Lee einen optimistischen Neujahrsgruß auf Instagram gepostet. Es sei ein herausforderndes Jahr für sie gewesen, schrieb sie, aber “wie die Chinesische Mauer” werde sie niemals fallen. An ihre Fans richtete sie die Bitte, die Hoffnung nicht aufzugeben: “Du bist nicht allein, egal, wie hart das Leben ist, ich bin bei dir.”

Ihre Schwester Nancy schreibt in ihrem persönlichen Nachruf, dass Lees Depression zuletzt immer stärker geworden sei. Trotz professioneller Hilfe hätte die Krankheit am Ende die Oberhand gewonnen. Anfang Juli wurde die Sängerin nach einem Selbstmordversuch ins Hongkonger Queen Mary Hospital eingeliefert. Drei Tage lag sie dort im Koma, aus dem sie nicht wieder erwachte. Fabian Peltsch

Personalien

Hannah Ha ist im Juni zur Asien-Chair der US-amerikanischen Kanzlei Mayer Brown ernannt worden. Ha arbeitet seit über 17 Jahren für die Firma und ist seit 2006 Partnerin im Bereich Gesellschaftsrecht und Wertpapiere. Ha folgt auf Duncan Abate.

Arwed Schwarz ist seit Juli als Chief Financial Officer der BMW Group Region China für BMW China in Peking tätig. Zuvor hatte er seit Herbst 2020 die Funktion des Vice President Finance, Controlling & Risk Management bei BMW Brilliance Automotive, ebenfalls in Peking, inne.

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Dessert

Um neue Vorschriften für E-Bikes zu umgehen, sind junge Menschen in der südchinesischen Stadt Guangzhou auf ein ungewöhnliches Verkehrsmittel umgestiegen: auf elektrische Rollstühle. Zum neuen Trend trage bei, dass E-Bikes in vielen Gegenden verboten seien und Autofahrer oft im Stau stünden, schreibt die Singapurer Zeitung Straits Times. Außerdem erspare das flexible Gefährt Anstrengungen und man müsse für E-Rollis keinen Parkplatz suchen, wird ein praktisch veranlagter, aber namenlos bleibender junger Mensch zitiert. Für E-Bikes sind seit neuestem Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgeschrieben. Überdies dürfen Zebrastreifen nur noch schiebend, nicht radelnd überquert werden. Medienberichten zufolge soll der Absatz von Elektrorollstühlen in der ersten Jahreshälfte um 60 Prozent gestiegen sein.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Auch die Kernfusion gehört für Peking zu den zukunftsfähigen Technologien. Nach einigen Erfolgen mit einem Testreaktor möchte man nun so schnell wie möglich die Vorstufe eines echten Fusionskraftwerks bauen, berichtet Frank Sieren. Auch sammelt China mehr Fusionspatente als alle anderen Staaten. Der multinationale Fusionsreaktor Iter in Frankreich kommt hingegen weiterhin nur langsam voran. Auch dürfte es in China kaum politischen Widerstand gegen die Technologie geben.

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    Der Betreiberkonzern China National Offshore Oil Corporation (CNOOC) will auf diese Weise während der Lebensdauer des Projekts bis zu 1,5 Millionen Tonnen CO₂ auffangen. Demnach pumpen die neuen CNOOC-Anlagen das bei der Erdölförderung entstehende CO₂ mit einer Geschwindigkeit von neun Tonnen pro Stunde zurück in eine Salzschicht, die sich drei Kilometer unter der Plattform befinde. Pro Jahr können bei dieser Geschwindigkeit bis zu 78.000 Tonnen CO₂ gespeichert werden.

    Projekt in Jiangsu: CO₂ zum Weiterverkauf

    Ziel solcher CO₂-Speicher ist es, das klimaschädliche Gas direkt an der Quelle abzufangen, bevor es überhaupt in die Atmosphäre gelangt. China will ab spätestens 2030 seinen CO₂-Ausstoß senken. Bis 2060 will das Land Klimaeutralität erreichen. Beides zusammen ist bekannt als 30/60-Ziel. Dafür ist die Speicherung ein Baustein.

    Während die Anlage im Südchinesischen Meer das Gas nur speichert, geht ein Projekt in der Provinz Jiangsu einen Schritt weiter. Auch dort fängt das Kohlekraftwerk Taizhou seit Juni gezielt CO₂ auf. Allerdings hat sich der Betreiber China Energy für eine Anlage entschieden, die das Treibhausgas nicht unterirdisch, sondern in speziellen Tanks speichert. Ziel ist es, 500.000 Tonnen CO₂ einzufangen und weiterzuverkaufen. Kunden aus der Schweißindustrie und der Lebensmittelbranche seien bereits gefunden.

    Die größte chinesische CO₂-Speicheranlage steht in der Provinz Shandong. Dort fängt der chinesische Staatskonzern Sinopec in einer seiner Ölraffinerien jährlich eine Million Tonnen Kohlenstoffdioxid ab. Hinzu kommen landesweit zahlreiche kleinere Projekte.

    CO₂-Speicherung in Deutschland umstritten

    In Deutschland kommt die Entwicklung der CO₂-Speicherung dagegen nur zögerlich voran, was vor allem an den bisherigen gesetzlichen Rahmenbedingungen liegt. Das Kohlenstoffdioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) erlaubt seit 2012 lediglich die Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO₂-Speicherung in begrenztem Umfang. Kritiker sehen die Technologie als Ablenkungsmanöver, damit ansonsten weiterhin Emissionen in die Atmosphäre geblasen werden können. Umweltschützer lehnen die Technologie zudem wegen ihrer Umweltgefahren ab. Andere Experten gehen wiederum davon aus, dass zur Klimaneutralität sowohl radikale Emissionssenkungen, als auch CO₂-Abscheidung und Speicherung notwendig sind.

    Im Dezember 2022 kündigte Wirtschaftsminister Robert Habeck daher an, ein neues Gesetz auf den Weg bringen zu wollen. Sein Ministerium betont, dass es trotz aller Anstrengungen “selbst nach 2045 noch Emissionen geben wird, die nicht durch die bislang verfügbaren oder sich in Entwicklung befindlichen Technologien vermieden werden können”. Um das Ziel der Netto-Treibhausgasneutralität bis dahin zu erreichen, müsse daher auch die CO₂-Speicherung vorangetrieben werden.

    CO₂-Speicherung birgt auch Risiken

    Der Umweltverband BUND kündigte sofortigen Widerstand gegen Habecks Pläne an. “Anstatt die CO₂-Emissionen zu reduzieren, möchte die Industrie sie einfach unter dem Meer lagern”, kritisierte BUND-Chef Olaf Bandt. “Aber die Meere sind nicht die Müllhalde der Menschheit oder eine Deponie für Klimamüll.” Das Verpressen von CO₂ dort sei zwar profitabel für die Gasindustrie. Doch diese rechne bereits selbst mit Lecks, die gefährlich für den Lebensraum dort sein könnten.

    Während Befürworter also von einer wichtigen Brückentechnologie sprechen, besteht bei Kritikern zudem die Sorge, dass der Fokus auf die CO₂-Speicherung den Übergang zu nachhaltigeren Lösungen, wie erneuerbaren Energien und Energieeffizienz, verzögern könnte. China hat diese Frage für sich entschieden.

    • Klima
    • Klimaschutz
    • Nachhaltigkeit

    Anwendung der Kernfusion rückt näher

    Der Fusionsreaktor HL-2M Tokamak in Chengdu.

    China baut seinen globalen Vorsprung in der Kernfusionsforschung schnell aus. Mit dem Experimental Advanced Superconducting Tokamak (EAST) gelang es Forschern des Instituts für Plasmaphysik der Chinesischen Akademie der Wissenschaften (CAS) bereits im April, einen neuen Rekord aufzustellen: Sie konnten eine Plasmatemperatur von 100 Millionen Grad Celsius für 403 Sekunden aufrechterhalten.

    Um zu verstehen, was das bedeutet, muss man sehen, in welch langsamen Schritten die Fusionsforschung vorankommt. Im Jahr 2007 war es EAST gelungen, für 101 Sekunden eine Plasmatemperatur von 50 Millionen Grad Celsius aufrechtzuerhalten. 2017 gelang es dann, diese Temperatur über 400 Sekunden zu halten. Nun ist man im Institute of Plasma Physics der Chinese Academy of Sciences (ASIPP) in Hefei, Provinz Anhui, bei der doppelten Temperatur angekommen.

    Erste Kernfusions-Demonstration

    Fusionsenergie entsteht, wenn leichte Atomkerne verschmelzen. Das war lange nur unter Bedingungen möglich, wie sie in der Sonne herrschen. Diese Voraussetzungen versuchen Wissenschaftlerinnen und Ingenieure seit Jahrzehnten auch technisch zu erreichen. Es ging bei den ASIPP-Versuchen vor allem darum, “die Effizienz der Energieherstellung zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu senken”, sagt ASIPP Direktor Song Yuntao.

    Einer seiner Forscher, der aus Sicherheitsgründen nur Wang genannt werden will und etwa 30 Jahre alt ist, erläutert, dass die “Menschen am Ende nur den Erfolg sehen. Die vielen Niederlagen dahinter werden nicht bekannt”. Bereits seit neun Jahren forscht er am ASIPP. Für die Versuche gab es weder in China noch weltweit Vorbilder: “Ich habe immer wieder daran gedacht, aufzugeben.”

    Erster Kraftwerks-Prototyp bis 2035 geplant

    Jetzt erreicht die “künstliche Sonne”, wie der Reaktor mit seinen supraleitenden Magnetspulen auch genannt wird, ihre Limits. Es ist zwar eine noch längere Entladung möglich, doch als Nächstes soll bereits die Vorstufe eines funktionierenden Fusionskraftwerkes gebaut werden.

    Der China Fusion Engineering Test Reactor (CFETR) soll erstmals die Praxistauglichkeit der Idee beweisen. Betriebsbereit soll der CFETR allerdings erst 2035 sein. Denn es sind noch einige technische Hürden zu überwinden. Seine Maximalleistung soll bei zwei Gigawatt liegen. Das ist beachtlich: Das größte Atomkraftwerk Chinas hat eine Leistung von 1,75 Gigawatt.

    Die USA forschen ebenfalls an Fusion

    Auch die westliche Forschung vermeldet Erfolge. Im Dezember 2022 gelang es einem US-amerikanischen Forscherteam, erstmals eine Kernfusion durchzuführen, die zumindest während der Reaktion mehr Energie erzeugte als sie verbrauchte. Um die Fusion in Gang zu bringen, musste man allerdings große Energiemengen vorschießen.

    Das Experiment fand an der National Ignition Facility im kalifornischen Livermore statt. Bisher hat vor allem die Kühlung der großen Magnetspulen sowie die Heizung des Plasmas noch zu viel Energie verschlungen. “Ein monumentaler Durchbruch”, sagt der Physik-Professor Gilbert Collin von der University of Rochester in New York, der nicht an den Forschungen beteiligt ist. Wie weit die Chinesen in dieser Frage sind, ist nicht bekannt.

    Signifikante Entdeckung in Deutschland

    Auch die Deutschen erringen in Teilbereichen Durchbrüche. So ist es Forschern des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching bei München kürzlich gelungen, einen Weg zu finden, um die Distanz zwischen Plasma und der Wand des Behälters zu verringern. Im herkömmlichen Tokamak ist die Wechselwirkung zwischen Reaktorwand und Plasma problematisch. Den Forschern ist es gelungen, die Distanz auf weniger als fünf Zentimeter zu verringern.

    Das Prinzip Tokamak: Magnetfelder halten das heiße Plasma in einer Donut-Form gefangen.

    Damit kann das Volumen des Behälters besser genutzt werden. Am Standort in Garching experimentieren die Forschenden mit dem Asdex Upgrade, der wie EAST ein Tokamak ist. Ein Tokamak ist ein Donut-förmiges Gefäß, in dem ein starkes Magnetfeld die elektrisch geladenen Teilchen des Plasmas einschließt. “Das ist eine signifikante Entdeckung in der Fusionsforschung”, sagt IPP-Abteilungsdirektor Ulrich Stroth.

    Iter bleibt das Sorgenkind des Forschungszweigs

    Der von 35 Staaten betriebene International Thermonuclear Experimental Reactor (Iter) in Frankreich kommt dagegen langsamer voran. Mit geschätzten Kosten von 18 bis 22 Milliarden Euro ist er das teuerste Fusionsprojekt weltweit und ein Forschungsprojekt von EU, USA, China, Indien, Südkorea, Japan und Russland. Auch das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik ist daran beteiligt. Das Problem der Kooperation ist die langsame politische Abstimmung unter den Partnerländern. “Die Einzelkomponenten des Reaktors werden in den verschiedenen Ländern hergestellt, mit dem Ergebnis, dass am Ende nicht alles wie geplant zusammenpasst”, sagt Sibylle Günter, Direktorin am IPP.

    Dieses Problem haben die Chinesen nicht. Zwischen 2011 und September 2020 lag China bei den Kernfusions-Patenten vorne, wie aus einer Untersuchung des japanischen Medienhauses Nikkei hervorgeht, gefolgt von den USA, Großbritannien und Japan. Als wichtigstes Patent Chinas gilt die Zusammensetzung der Keramikwand des Reaktors. Die Institution mit den meisten Patenten ist das Southwestern Institute of Physics in Peking, eine Tochter der China National Nuclear Corp, gefolgt von der Chinese Academy of Sciences (CAS).

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    Gallium und Germanium: Steigende Nachfrage trifft auf Export-Beschränkung

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    • China ist der weltweit größte Produzent der Industriemetalle Gallium und Germanium: Es kontrolliert 98 Prozent der globalen Galliumproduktion und mehr als die Hälfte der globalen Germaniumproduktion.
    • Die Europäische Union ist ein wichtiger Abnehmer der beiden Metalle. 71 Prozent des europäischen Bedarfs an Gallium und 45 Prozent des Bedarfs an Germanium werden aus China gedeckt.
    • Trotz weltweiter Bedenken, dass China seine Marktposition ausnutzen könnte, haben die größten Wirtschaftsnationen ihre Importe aus China entlang der Halbleiter- und Solarwertschöpfungsketten in den letzten Jahren drastisch erhöht.
    • Zum Beispiel verdoppelten die Niederlande ihre Importe aus China 2022 im Vergleich zu 2021. Der sprunghafte Anstieg der Nachfrage hängt zum Teil mit der beschleunigten Entwicklung von Gallium-Nitrid-Halbleitern zusammen. Diese weisen eine wesentlich höhere Energieeffizienz auf als herkömmliche Silizium-Leistungschips.
    • Die Ankündigung der Volksrepublik bedeutet keinen Exportstopp. Doch die neuen Bestimmungen eröffnen der Regierung in Peking einen größeren Ermessensspielraum bei der Verweigerung von Lizenzen für die Lieferung in bestimmte Länder oder an bestimmte Unternehmen. Sie schaffen außerdem die Möglichkeit, Beschränkungen in Form von Quoten oder Steuern auszuweiten.
    • Auch wenn unmittelbar nur geringfügige Auswirkungen drohen, sollten Unternehmen entlang der betroffenen Wertschöpfungsketten einen gründlichen Blick auf ihre Lieferketten werfen. Sie sollten sich auf eine Phase wachsender Unsicherheit vorzubereiten und daher möglichst nicht nur auf Tier-1-Lieferanten beschränken.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

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    Gesundheitliche Gründe: Qin Gang verpasst Gipfeltreffen

    Der chinesische Außenminister Qin Gang nimmt diese Woche aufgrund seines “körperlichen Zustands” nicht am Außenministertreffen der Association of Southeast Asian Nations (ASEAN) in Indonesien teil. Chinas Spitzendiplomat Wang Yi vertrete ihn dort, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Dienstag bei einer regulären Pressekonferenz. Der Sprecher lehnte es ab, nähere Angaben Qins Gesundheit zu machen.

    Bei dem Spitzentreffen, das am Dienstag in Jakarta begann, wären Qin und US-Außenminister Antony Blinken nach ihrem Treffen in Peking im vergangenen Monat erneut zusammengetroffen. Auch der russische Außenminister Sergej Lawrow nimmt an der Veranstaltung teil.

    Qin ist seit 16 Tagen nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen worden. Seine Abwesenheit hat in den letzten Tagen für Aufsehen gesorgt. Anfang des Monats hätte der chinesische Außenminister mit dem EU-Spitzendiplomaten Josep Borrell zusammentreffen sollen, doch China verschob die Reise abrupt, ohne Einzelheiten zu nennen. rtr/cyb

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    Hongkong will Fisch-Import aus Japan beschränken

    Hongkong droht mit einem weitreichenden Einfuhrstopp für japanischen Fisch. Sobald Japan mit der Einleitung radioaktiven Wassers in den Pazifik beginne, werde der Bann wirksam, sagte Verwaltungschef John Lee am Dienstag. Der Betreiber des havarierten Atomkraftwerks Fukushima will in den kommenden Jahren nach und nach Wasser im Ozean verklappen, das mit dem strahlenden Wasserstoffisotop Tritium belastet ist. Japanische Wissenschaftler versichern, dass das Isotop in der entsprechenden Konzentration ungefährlich ist.

    China hat die Einfuhr von Meeresfrüchten aus Japan bereits beschränkt. Die neuen Importbeschränkungen sollen deutlich darüber hinausgehen. China, und insbesondere Hongkong, sind wichtige Märkte für die japanische Fischereiindustrie. China hat bereits eine Fortsetzung bestehender Einfuhrrestriktionen bekanntgebeben. Auch im benachbarten Südkorea gibt es öffentlichen Unmut über die Einleitungspläne Japans. fin

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    Foxconn gibt Halbleiter-Produktion in Indien auf

    Der taiwanische Elektronikkonzern Foxconn zieht sich aus einem Halbleiter-Joint Venture in Indien zurück. Foxconn und der indische Bergbau-Konzern Vedanta hätten sich geeinigt, das Vorhaben aufzugeben, berichtet das Wirtschaftsmagazin Caixin. Erst 2022 hatten beide Partner eine Investition in Höhe von 19,5 Milliarden US-Dollar für die Herstellung von Halbleitern und Bildschirmen im Bundesstaat Gujarat angekündigt.

    Während Foxconn keine Gründe für seinen Ausstieg angab, erklärte Vedanta ohne Angabe weiterer Details, man habe “andere Partner gefunden”. Laut Caixin hatte sich das Joint Venture ebenso wie zwei weitere neue Chip-Joint Ventures vergeblich um Fördermittel zur Halbleiterproduktion beworben. Stattdessen hätten die Behörden eine neue Ausschreibung für die Fördermittel gestartet. Warum die existierenden Projekte durchfielen, blieb offen.

    Indien hofft darauf, davon zu profitieren, dass internationale Konzerne sich um Produktionsstandorte außerhalb Chinas bemühen. Erfolg hatte Neu-Delhi mit dem US-Chiphersteller Micron. Dieser kündigte im Juni an, umgerechnet 750 Millionen Euro in Indien zu investieren, um ein Montage- und Testwerk für Halbleiter zu bauen. Peking hatte Micron kurz zuvor wegen angeblicher Sicherheitsbedenken aus kritischen Netzen Chinas verbannt. Nichtsdestotrotz investiert Micron aber weiterhin in der Volksrepublik. ck

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    Auto-Exportboom nach Russland

    Russland ist in den ersten fünf Monaten dieses Jahres zu Chinas größtem Auto-Exportmarkt aufgestiegen. Chinesische Autobauer führen von Januar bis Mai rund 287.000 Fahrzeuge nach Russland aus, wie der Verband der Autohersteller, CAAM, unter Berufung auf Zolldaten mitteilte. Das sind laut Bloomberg annähernd doppelt so viele wie im gesamten letzten Jahr, als China rund 162.000 Fahrzeuge nach Russland exportierte.

    Mit dieser gewaltigen Zunahme überholt Russland als Absatzmarkt Mexiko, den bisherigen Spitzenreiter. Dorthin verschiffte China im gleichen Zeitraum rund 159.000 Fahrzeuge. Drittgrößter Markt war Belgien mit 120.000 Autos, gefolgt von Australien mit 101.000 Fahrzeugen.

    Der Boom lässt sich mit den westlichen Sanktionen gegen Russland infolge des Ukraine-Krieges erklären. Chinesische Autos füllen die Lücke, die durch den Marktaustritt globaler Hersteller entstanden ist. Generell sind Chinas Autoexporte im Aufwind, auch weil frühere Logistikprobleme behoben werden konnten. Die Unternehmensberatung AlixPartners erwartet, dass China 2023 erstmals Auto-Exportweltmeister wird. Im ersten Quartal des laufenden Jahres sei dies der Volksrepublik bereits gelungen. In vielen Absatzmärkten kann China demnach zunehmend mit seinen E-Autos punkten. ck

    • Autoindustrie

    Geely und Renault gründen Joint Venture

    Geely und der französische Autokonzern Renault haben offiziell eine Joint-Venture-Vereinbarung unterzeichnet, um ein neues Unternehmen für die Herstellung von Antrieben zu gründen. Renault soll demnach 50 Prozent halten, Geely über zwei seiner Töchter die restlichen Anteile, wie Geely am Dienstag mitteilte. 

    Die Transaktion werde voraussichtlich im zweiten Halbjahr 2023 über die Bühne gehen, vorbehaltlich der Zustimmung der Kartellbehörden und der Behörden für ausländische Direktinvestitionen. Der Hauptsitz wird in Großbritannien liegen, in Planung sind 17 Werke und 19.000 Mitarbeiter, die jährlich mehr als fünf Millionen Verbrennungs-, Hybrid- und Plug-in-Hybridmotoren liefern können.

    Im März hatten die drei Parteien bereits Absichtserklärungen unterzeichnet. Die Autobauer versuchen zudem, Saudi Aramco als Investor und Partner für die Entwicklung und Lieferung von Benzinmotoren und Hybridtechnologien zu gewinnen. Aramco prüfe eine strategische Investition, erklärte Renault. rtr/jul

    • Autoindustrie

    Angebliche Spionin verklagt MI5


    Die vom britischen Inlandsgeheimdienst MI5 als chinesische Agentin verdächtigte Christine Lee hat den Dienst nun dafür verklagt. Das berichtet die South China Morning Post. Der MI5 hatte im Januar 2022 eine Warnung vor Christine Lee herausgegeben. Darin hieß es, sie sei im Auftrag der KP Chinas “in politische Einmischungsaktivitäten im Vereinigten Königreich verwickelt”. Der Sprecher des Unterhauses, Lindsay Hoyle, erklärte damals, der MI5 habe herausgefunden, dass Lee “Geldspenden an amtierende und angehende Parlamentarier im Namen ausländischer Staatsangehöriger mit Sitz in Hongkong und China ermöglicht hat”.

    Lee bestreitet die Vorwürfe und verklagte den Inlandsgeheimdienst vor einem Londoner Gericht nun wegen Verletzung ihrer Menschenrechte auf Schadenersatz in nicht genannter Höhe. Ihrem Anwalt
    zufolge soll die vom MI5 herausgegebene sogenannte Störungswarnung (“interference alert”) die erste derartige Warnung seit “mindestens 80 Jahren” gewesen sein. Lee habe nichts von der Warnung gewusst, bis sie aus Medienberichten erfahren habe, dass sie als “Staatsfeindin” gebrandmarkt worden sei. cyb

    • Großbritannien
    • KP Chinas

    Polizei verhört Familie von Nathan Law

    Die Sicherheitspolizei hat die Familie des Hongkonger Demokratie-Aktivisten Nathan Law befragt und unter Druck gesetzt. Die Beamten haben zudem die Wohnungen von Laws Eltern und seinem älteren Bruder im Stadtviertel Tung Chung gegen sechs Uhr morgens durchsucht, berichten lokale Medien.

    Law lebt inzwischen in London und gehört zu den acht Aktivisten, auf die Hongkong vergangene Woche ein Kopfgeld von einer Million Hongkong-Dollar (rund 120.000 Euro) ausgesetzt hat. Der Vorwurf gegen die betroffenen Ex-Parlamentarier, Juristen, Publizisten, Ex-Studentenführer und Gewerkschafter lautet: Verstoß gegen das vor drei Jahren auf Druck Pekings erlassene Nationale Sicherheitsgesetz (NSL).

    Nach Angaben der Sing Tao Daily wurden Laws Angehörige im Laufe des Tages wieder freigelassen. Die Befragung der Familie Laws ist ein Hinweis, dass die Kopfgelder keine leere Drohung sind. “Wir werden sie für den Rest ihres Lebens verfolgen, auch wenn sie bis ans Ende der Welt laufen”, hatte Regierungschef John Lee über die Aktivisten gesagt. Auch in Festlandchina werden exilierte Dissidenten durch Druck auf im Land gebliebene Familien eingeschüchtert. ck

    • Nationales Sicherheitsgesetz

    Presseschau

    China and Taiwan loom large behind Ukraine at NATO summit CNN
    Stoltenberg: Chinas nukleare Aufrüstung “beispiellos” ORF
    Bundesregierung: China-Strategie kurz vor Verabschiedung HANDELSBLATT
    China’s response on joint climate action was positive , EU climate chief says REUTERS
    China’s Xi Calls for Greater Economic Opening in Charm Offensive BLOOMBERG
    “Liebe Grüße” von Putin: Russische Delegation sucht mehr Annäherung zu China BERLINER-ZEITUNG
    Indien wird immer selbstbewußter – Indien und China: Bruchlinien zwischen den Verbündeten FINANZMARKTWELT
    The Long Game: China’s Online Influence Campaign in Latin America TIME
    Chinesischer Außenminister seit über zwei Wochen nicht gesehen DERSTANDARD
    China is teetering on the brink of deflation. That’s a huge red flag for the global economy BUSINESSINSIDER
    Auch “Waffenstillstand” half nicht – Nur die Stärksten überleben: der brutale Preiskampf auf Chinas Elektroautomarkt RND
    Andere Länder rücken in den Fokus: Das Hoch der deutschen Maschinenbauer in China ist vorüber RND
    Automarkt in China: Wenn Musk auf Sozialismus schwört TAZ
    Gold: China kauft – schon wieder DERAKTIONAER
    Aktien New York: China-Konjunkturmaßnahmen stützen den Dow BOERSE
    China to lay down AI rules with emphasis on content control, Financial Times reports REUTERS
    Apple opens store on China’s WeChat platform REUTERS
    Hongkong droht Japan wegen AKW-Kühlwasser mit Fischerei-Importverbot ZEIT
    Taiwan und UK unterzeichnen Absichtserklärung im Gesundheitsbereich RTI
    Frauenfußball: Chinas mutige Kämpferinnen ZDF
    China und die UN: Wie die Chinesen die Vereinten Nationen unterwandern ZEIT

    Nachruf

    Coco Lee – Trauer um Asiens Pop-Ikone

    Coco Lee im Dezember 2020 in Sanya, Hainan.

    In unzähligen Nachrufen und Trauerbekundungen nimmt Asien Abschied von Coco Lee, einer der bekanntesten Sängerinnen der Region. Anfang Juli verstarb sie im Alter von 48 Jahren. Ihre Schwester Nancy erinnert auf Instagram daran, wie Lee “unermüdlich daran arbeitete”, chinesischen Stars internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen und “für die Chinesen zu glänzen”. Lees Schauspieler- und Sängerkollege Jackie Chan postete ein Foto von sich und Lee auf seiner Weibo-Seite und schrieb: “Deine Stimme, dein Tanz und dein sonniges Lächeln haben bei so vielen Menschen Eindruck hinterlassen. Du hast so viel in diese Welt gebracht.” Oscar-Preisträgerin Michelle Yeoh verabschiedete sich ebenfalls mit einem Selfie und den Worten: “Wir haben einen hell strahlenden Stern verloren.”

    Lee wurde am 17. Januar 1975 in Hongkong geboren, verbrachte ihre Kindheit und Jugend jedoch in den USA. Ihr Leben im Rampenlicht begann, nachdem sie 1992 während eines Sommeraufenthalts in Hongkong einen Gesangswettbewerb gewonnen hatte. Ihr Debütalbum “Coco Lee” erschien 1996 und wurde das meistverkaufte Album des Jahres in Asien. Damals war die Sängerin gerade einmal 19 Jahre alt.

    Ihre Lieder sang Lee auf Mandarin, Kantonesisch und Englisch. Sie war auch als Schauspielerin aktiv und lieh unter anderem Mulan, der Heldin aus dem gleichnamigen Disney-Film, ihre Stimme. Im Westen erlangte Lee vor allem mit “A Love Before Time” Bekanntheit, dem Titelsong aus dem Film “Tiger and Dragon”, der ihr auch eine Oscar-Nominierung einbrachte. Bei der Verleihung im Jahr 2001 sang sie das Stück in einem roten Seidenkleid, begleitet von einer Choreografie waghalsiger Kung-Fu-Kämpfer. Es war der erste Auftritt einer chinesischen Sängerin bei den Academy Awards. Ein legendärer Moment, an den sich viele Menschen der chinesischstämmigen Diaspora bis heute erinnern.

    Depression gewann die Oberhand

    Bis zu ihrem Tod hat Lee 18 Alben veröffentlicht. Ihre größten Erfolge feierte sie damit in China, ihrem Geburtsort Hongkong, Taiwan, Singapur, und bei den vielen Auslandschinesen, die in der mehrsprachig aufgewachsenen Sängerin eine Identifikationsfigur fanden. Neben ihrem Leben als Popstar war Lee auch als Botschafterin mehrerer karitativer Organisationen wie Unicef aktiv. In China war sie zuletzt vor allem ein gern gesehener Gast als Jury-Mitglied in Castingshows.

    In Chinas Sozialmedien hat ihr früher Tod Trauer und Nostalgie ausgelöst. Für viele Chinesen stehen Lieder wie “宝贝对不起” (Baby, I’m sorry) für bessere, unbekümmertere Zeiten. Lee war jenseits des strahlenden Bildes einer international erfolgreichen Sängerin jedoch innerlich zerrissen. Über viele Jahre litt sie an Depressionen, 2022 musste sie sich mehreren Operationen an Bein und Becken unterziehen und erholte sich gerade erst von einer Brustkrebserkrankung. Noch im Dezember hatte Lee einen optimistischen Neujahrsgruß auf Instagram gepostet. Es sei ein herausforderndes Jahr für sie gewesen, schrieb sie, aber “wie die Chinesische Mauer” werde sie niemals fallen. An ihre Fans richtete sie die Bitte, die Hoffnung nicht aufzugeben: “Du bist nicht allein, egal, wie hart das Leben ist, ich bin bei dir.”

    Ihre Schwester Nancy schreibt in ihrem persönlichen Nachruf, dass Lees Depression zuletzt immer stärker geworden sei. Trotz professioneller Hilfe hätte die Krankheit am Ende die Oberhand gewonnen. Anfang Juli wurde die Sängerin nach einem Selbstmordversuch ins Hongkonger Queen Mary Hospital eingeliefert. Drei Tage lag sie dort im Koma, aus dem sie nicht wieder erwachte. Fabian Peltsch

    Personalien

    Hannah Ha ist im Juni zur Asien-Chair der US-amerikanischen Kanzlei Mayer Brown ernannt worden. Ha arbeitet seit über 17 Jahren für die Firma und ist seit 2006 Partnerin im Bereich Gesellschaftsrecht und Wertpapiere. Ha folgt auf Duncan Abate.

    Arwed Schwarz ist seit Juli als Chief Financial Officer der BMW Group Region China für BMW China in Peking tätig. Zuvor hatte er seit Herbst 2020 die Funktion des Vice President Finance, Controlling & Risk Management bei BMW Brilliance Automotive, ebenfalls in Peking, inne.

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    Dessert

    Um neue Vorschriften für E-Bikes zu umgehen, sind junge Menschen in der südchinesischen Stadt Guangzhou auf ein ungewöhnliches Verkehrsmittel umgestiegen: auf elektrische Rollstühle. Zum neuen Trend trage bei, dass E-Bikes in vielen Gegenden verboten seien und Autofahrer oft im Stau stünden, schreibt die Singapurer Zeitung Straits Times. Außerdem erspare das flexible Gefährt Anstrengungen und man müsse für E-Rollis keinen Parkplatz suchen, wird ein praktisch veranlagter, aber namenlos bleibender junger Mensch zitiert. Für E-Bikes sind seit neuestem Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgeschrieben. Überdies dürfen Zebrastreifen nur noch schiebend, nicht radelnd überquert werden. Medienberichten zufolge soll der Absatz von Elektrorollstühlen in der ersten Jahreshälfte um 60 Prozent gestiegen sein.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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