Table.Briefing: China

China verliert an Attraktivität + Wahl in Hongkong

  • Unmut unter europäischen Firmen wächst
  • Hongkong wählt neuen Regierungschef
  • Termine der kommenden Woche
  • SEC droht chinesischen Unternehmen
  • Hikvision im Fokus der USA
  • BMW profitiert von Übernahme
  • Aktivisten fordern Verschiebung von Bachelet-Besuch
  • Im Portrait: Kristin Shi-Kupfer – China-Beobachterin der Universität Trier
Liebe Leserin, lieber Leser,

über Jahre bis gar Jahrzehnte war das China-Geschäft für deutsche Manager fast zu gut, um wahr zu sein. Die Volksrepublik hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Top-Absatzmarkt und Produktionsstandorte deutscher Industrie-Unternehmen entwickelt. Die Bilanzen sähen ohne die satten Gewinne aus dem Fernen Osten oft mager aus.

Doch der China-Traum droht sich zum China-Trauma zu entwickeln. Besonders die Null-Covid-Politik macht den Firmen zu schaffen. Für drei von vier befragten Unternehmen hat Chinas Attraktivität als Investitionsziel abgenommen, berichtet Christiane Kühl über eine neue Umfrage der EU-Handelskammer in China. Jedes vierte Unternehmen überlegt laut eigenen Angaben, Investitionen aus China abzuziehen. Doch ist ein großer Exodus wirklich realistisch, wenn teilweise 30 bis 40 Prozent der Umsätze in der Volksrepublik erwirtschaftet werden?

In Hongkong wird am Wochenende ein neuer Regierungschef gewählt. Der Sieg des Peking-freundlichen Kandidaten John Lee gilt als sicher. Schließlich gibt es keinen Gegenkandidaten und es sind auch nicht die Bürger, die wählen dürfen. Marcel Grzanna stellt den ehemaligen Polizisten vor: Er gilt als “emotionslose Maschine”, als Technokrat, der Effizienz schaffen möchte und Hongkong weiter in einen Polizeistaat verwandeln wird.

Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Analyse

Null-Covid: Europas Firmen drohen mit Abwanderung

Internationale Wirtschaftszusammenarbeit mit China: Für europäische Firmen wegen Null-Covid immer schwieriger
Internationale Wirtschaftszusammenarbeit mit China: Wegen Null-Covid immer schwieriger

Im Jahr 2021 litt der Rest der Welt unter der Corona-Pandemie, während China sich bereits erholte. Doch nun ist es umgekehrt. In vielen Staaten gibt es Lockerungen, während China gerade in der Omikron-Welle versinkt. Die Wirtschaft leidet unter den Lockdowns, die Ungewissheit ist groß. Es sei gut möglich, dass China als letztes Land der Welt aus der Corona-Pandemie herausfindet, sagte Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China (EUCCC), am Donnerstag in Peking bei der Präsentation einer Blitzumfrage zur chinesischen Covid-Politik.

Pessimismus: Firmen erwarten wegen der Null-Covid-Strategie Chinas geringeren Umsatz

Es ist eine ernüchternde Erkenntnis. Wuttke betonte, dass er vorerst nicht mit einem Ende der chinesischen Null-Covid-Politik rechnet. Die Umfrage zeigt, dass praktisch alle europäischen Unternehmen von dieser betroffen sind – und das in einem enormen Ausmaß:

  • Für drei Viertel der Befragten haben sich die Corona-Maßnahmen negativ auf ihren Gesamtbetrieb ausgewirkt.
  • 92 Prozent melden gestörte Lieferketten. 85 Prozent haben Schwierigkeiten beim Zugang zu Rohstoffen oder Komponenten.
  • 89 Prozent haben Schwierigkeiten, erworbene Rohstoffe oder Komponenten zu ihren Werken zu transportieren. Beim Vertrieb ein ähnliches Bild: 87 Prozent haben Schwierigkeiten, ihre fertigen Produkte innerhalb Chinas auszuliefern, und 83 Prozent haben Schwierigkeiten beim Export in den Rest der Welt.
  • Auch auf die Logistik und Lagerhaltung, Geschäftsreisen sowie bei Geschäftskontakten haben mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen negative Folgen der Covid-Politik ausgemacht.

Da ist es kein Wunder, dass für 77 Prozent Chinas Attraktivität als Investitionsziel abgenommen hat. In den Branchen Bildung, Luftfahrt, Primärenergie oder Rohstoffe waren es sogar volle 100 Prozent – also alle Unternehmen, die auf die Umfrage geantwortet haben.

Null-Covid: Fast alle europäischen Firmen betroffen

Viele Unternehmen kämpfen laut der Umfrage mit den einfachsten Aufgaben. Sie wissen an einem Tag nicht, ob sie am nächsten noch genug Personal zur Verfügung haben, um den Betrieb aufrechtzuerhalten – oder ob ihre Räumlichkeiten vielleicht plötzlich ganz geschlossen werden.

Bei der Präsentation der Umfrage wurde deutlich, dass diese Unsicherheit über die Zukunft für die Unternehmen am schwersten wiegt. Immer wieder kamen die Kammer-Repräsentanten darauf zu sprechen. “Wir wissen noch nicht, welchen Schäden Null-Covid der Wirtschaft zufügen wird”, sagte Wuttke. “Die Vorhersagbarkeit des chinesischen Marktes ist verschwunden.” Damit habe China eine seiner größten Stärken verloren. “Wir sind erstaunt darüber. Und wir glauben, dass die chinesische Regierung es besser kann”, so Wuttke.

Die EUCCC will die Umfrage-Ergebnisse an die Regierung weiterleiten. Wuttke befindet sich zudem im engen Austausch mit den offiziellen Stellen, etwa mit dem Handelsministerium. Dort nehme man sich durchaus Zeit für einen Dialog. Wie groß ihr Einfluss wirklich ist, das wissen die Firmenvertreter nicht. Doch klar ist laut Wuttke: “Es muss etwas passieren.” 91 Prozent der Firmen wünschen sich laut der Umfrage mehr Fokus auf eine Impfkampagne statt auf endlose Testreihen. 75 Prozent gaben an, sie wollten generell eine andere Corona-Politik.

2022: Firmen schrauben Erwartungen herunter

Viele Ökonomen haben ihre Wachstumserwartungen für China in 2022 wegen des Coronavirus – und auch dem Ukraine-Krieg – bereits heruntergeschraubt. Die Schweizer Bank UBS geht nun von 4,2 Prozent aus – und nicht mehr wie zu Jahresanfang von fünf Prozent. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) lag im April bei 36,2 – und damit weit unter dem Wert von März und weit unterhalb der Schwelle von 50, die eine Expansion signalisiert. 58 Prozent der befragten Unternehmen reduzierten ihre Umsatzprognosen für 2022. 15 Prozent prognostizieren dabei sogar einen Rückgang von mehr als 20 Prozent.

Der Optimismus früherer Jahre ist dahin. Und daher steigt auch eine Zahl, die bislang trotz aller Schwierigkeiten des Wirtschaftsumfeldes in den vergangenen Jahren bislang immer stabil im einstelligen Prozentbereich gelegen hatte: Der Anteil jener Firmen, die erwägen, Investitionen abzuziehen oder diese einfach gar nicht mehr in China zu tätigen. Jedes vierte Unternehmen gab nun an, sich mit solchen Gedanken zu tragen. “Das ist ein deutlicher Kontrast zu früheren Jahren”, betonte Wuttke – und eben genau der Unsicherheit auch über die mittelfristige Zukunft geschuldet. Denn bisher hat die Regierung keinerlei Ausweg aus der Null-Covid-Politik erkennen lassen. Die Ungeduld der Firmen aber nehme zu, so Wuttke.

Mehr Firmen erwägen China-Alternative

Und auch wenn Chinas Produktionsumfeld mit seinen vielen Industrie-Clustern, guter Infrastruktur und großen Zulieferer-Netzwerken anderswo nicht ersetzbar sei – Alternativen in Südostasien haben eben andere Vorteile. “Unsere Vorstände können völlig problemlos nach Indonesien oder in andere Märkte reisen.” Das bedeutet: Sie können mögliche neue Standorte persönlich begutachten. Die Folge: Wenn Investitionen für China auf Eis gelegt werden, während Pläne für andere Länder weitergehen, wird so manche China-Fabrik unter Umständen eben gar nicht mehr gebaut.

Ein großer Teil der deutschen Unternehmen arbeitet gerade an Alternativen zum China-Geschäft, sagte auch Karl Haeusgen, Präsident des Verbandes Deutscher Anlagen- und Maschinenbau (VDMA), in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag. Noch sind das reine Überlegungen, räumte Wuttke ein. “Aber wir sagen: Wenn es keine Veränderungen gibt, dann stimmen wir mit den Füßen ab.”

  • Coronavirus
  • Gesundheit
  • Handel
  • Lieferketten

Wahl in Hongkong: Ein Regierungschef wie für Peking gemacht

Wahlen in Hongkong: John Lee, 64, wird am Sonntag aller Voraussicht nach zum neuen Regierungschef in Hongkong gewählt
John Lee, 64, wird am Sonntag aller Voraussicht nach zum neuen Regierungschef in Hongkong gewählt

Ted Hui erinnert sich noch gut an John Lee und dessen Lageberichte vor dem Parlament in Hongkong. Die Atmosphäre sei angespannt gewesen, “fast feindlich”. Damals, im zweiten Halbjahr 2019, sprach Lee als Sicherheitschef der Metropole zu den Abgeordneten, zu denen auch Hui gehörte, der heute im Exil in Australien lebt. Millionen Menschen waren damals auf die Straße gegangen, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das die Auslieferung von Hongkonger Bürger:innen an chinesische Strafverfolgungsbehörden ermöglichen sollte.

Aber das geplante Gesetz war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Kern ging es den Menschen um die Verteidigung ihrer Bürgerrechte. Sie protestierten gegen den wachsenden Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas auf die lokale Politik. “Wir Demokraten forderten Lee lautstark dazu auf, Stellung zu beziehen zu den Vorwürfen und den Forderungen der Demonstranten. Aber Lee ist jeder verbalen Auseinandersetzung mit uns aus dem Weg gegangen, hat seinen Text verlesen und ist wieder gegangen”, sagt Hui gegenüber China.Table.

Alles spricht dafür, dass dieser John Lee am kommenden Sonntag zum neuen Hongkonger Regierungschef gewählt wird. Er ist zum einen der einzige Kandidat, der sich auf die Nachfolge der scheidenden Carrie Lam beworben hat und genießt die offizielle Unterstützung Pekings. Zum anderen haben sich bereits mehr als die Hälfte der 1.454 Wahlberechtigten öffentlich für Lee ausgesprochen. Die absolute Mehrheit von 728 Stimmen benötigt er zum Sieg.

Es ist das erste Mal, dass der Wahlausschuss in dieser Größe zusammentritt. Und nie zuvor vertraten seine Mitglieder so eindeutig die Interessen der Pekinger Zentralregierung. Das liegt auch an der neuen Besetzung des Wahlausschusses mit Vertretern Hongkongs beim Nationalen Volkskongress und dessen Konsultativ-Konferenz der Volksrepublik China. Es handelt sich dabei um eine streng Peking-konforme Fraktion. Alle 300 Wahlberechtigte dieses neuen Sektors haben dem Kandidaten Lee ihre Unterstützung zugesagt.

Ein loyaler Technokrat, der Effizienz schaffen möchte

Pekings Interessen sind seit den Massenprotesten 2019 mehr denn je auf das Ersticken jeglichen Widerstandes in der Stadt ausgerichtet. Die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes schuf vor zwei Jahren den juristischen Rahmen, um die demokratische Bewegung in Hongkong zu kriminalisieren und zu lähmen. Eine Wahl Lees würde diese Entwicklung politisch untermauern.

Lee gilt nicht als intellektueller Polit-Visionär, sondern als loyaler Technokrat, der Effizienz schaffen möchte. “Die chinesische Regierung will für Hongkong eine Herrschaft der Sicherheitskräfte und benötigt jemanden, der die Sicherheitskräfte im Griff hat. Das hat er”, sagt Ex-Parlamentarier Hui. “Lee ist eine emotionslose Maschine. Er ist genau das, was Peking benötigt.”

Auch Samuel Chu von der Campaign for Hongkong mit Sitz in den USA sieht in Lee den idealen Vertreter für Pekings Anliegen: “Die Rolle des Chief Executive repräsentiert in keiner Weise mehr die Interessen und das Wohlergehen der Hongkonger Bürger. Es ergibt durchaus Sinn, einen ehemaligen Polizisten an die Spitze eines Polizeistaates zu stellen”, sagte Chu der Voice of America.

Tatsächlich scheint Lee dafür wie geschaffen zu sein. Schon 1977 trat er in den Staatsdienst ein und kletterte vor allem nach 1997 die Karriereleiter nach oben. Im Jahr 2010 wurde er zum stellvertretenden Polizeipräsidenten ernannt und zwei Jahre später zum Staatssekretär des Sicherheitsbüros. 2017 ernannte ihn die scheidende Regierungschefin Carrie Lam zum Sicherheitsminister. Im vergangenen Jahr machte ihn Lam auch zum Generalsekretär ihrer Regierung und damit zur Nummer zwei in der Hongkonger Verwaltungshierarchie.

Maya Wang von Human Rights Watch rechnet deshalb mit der Fortsetzung von Freiheitseinschränkungen der Bürger:innen unter Lees Regierung. Es ist offensichtlich, dass Peking von Lee erwartet, dass er “die Menschen in Hongkong für deren Ungehorsam” bestraft, schrieb sie in einer Stellungnahme an Voice of America. “Lees Amtszeit als zweithöchster politischer Beamter Hongkongs war geprägt von Polizeibrutalität und mangelnder Rechenschaftspflicht für die ausufernde Gewalt der Polizei während der Proteste von 2019.”

Stadtentwicklung und Sanierung des Bildungssektors

Am vergangenen Freitag hatte der 64-Jährige gemäß Artikel 23 des Basic Law, Hongkongs Mini-Verfassung, formell gelobt, “die verfassungsmäßige Verantwortung der Gesetzgebung zu erfüllen”, sollte er gewählt werden. Artikel 23 schreibt vor, dass “jeder Akt des Verrats, der Sezession, des Aufruhrs und der Subversion gegen die zentrale Volksregierung zu verbieten” ist.

In einem 44-seitigen Manifest offenbart Lee die Pläne für seine Amtszeit. Er strebe nach einem “ergebnisorientierten Ansatz”, um “die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu steigern” und “ihre Stärken zu behaupten”. Kritiker vermissen Konkretes, halten Lee aber zugute, dass er wenig Zeit hatte seit seiner Bewerbung Anfang April, ein umfangreiches politisches Programm zu entwerfen. Als Regierungschef wird Lee auch die Entwicklung der Stadt vorantreiben müssen. Pläne zur Umstrukturierung der Verwaltung und zum Bau der Northern Metropolis mit Millionen neuer Wohnungen vererbt ihm seine Vorgängerin.

Auch die Sanierung des Bildungssektors muss Lee vorantreiben. Ihre Anziehungskraft auf Talente aus aller Welt dürfte die Stadt mit der Aushöhlung der Bürgerrechte zu großen Teilen eingebüßt haben. Binnen weniger Jahre purzelte die Stadt im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen aus der Top 20 auf Rang 148 von 180 (China.Table berichtete).

Manche namhafte Unternehmer Hongkongs fürchten auch das erneute Aufflammen von Protesten. Victor Li gehört dazu, Chef der milliardenschweren CK Asset Holding und Sohn von Tycoon-Legende Li Ka-Shing, dem viele Jahre lang reichsten Mensch Asiens. Er wünsche sich vor allem Stabilität und ein Umfeld, in dem sich das Leben aller Hongkonger weiter verbessere. Seine Stimme bei der Wahl am Sonntag hat Li dem designierten Regierungschef John Lee bereits zugesagt.

  • Carrie Lam
  • Geopolitik
  • Hongkong
  • Nationales Sicherheitsgesetz

Termine

09.05.2022, 08:30-09:30 Uhr (MEZ) / 14:30-15:30 Uhr (CST)
CNBW, Business Talk: Live aus China: Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown Mehr

10.05.2022, 04:00 Uhr (MEZ) / 10:00 Uhr (CST)
Dezan Shira, Workshop: Market Diversification – Growing your business networks in China and beyond Mehr

11.05.2022, 09:00 Uhr (MEZ) / 15:00 Uhr (CST)
Dezan Shira, Lecture: Master of Global Management for China – Tax, Accounting and Audit Module Mehr

11.05.2022, 10:00-11:00 Uhr (MEZ) / 16:00-17:00 Uhr (CST)
China.Table.Briefing, Webinar: China und das Weltsystem der Impfstoffnutzung Anmeldung:

12.05.2022, 10:00 Uhr (MEZ) / 16:00 Uhr (CST)
Dezan Shira, Webinar: Managing IP Protection When Selling to China via Cross-Border E-Commerce Mehr

12.05.2022, 10:00-11:30 Uhr (MEZ) / 17:00-18:30 Uhr (CST)
AHK Stuttgart, Webinar: China im Lockdown – ein Überblick über die aktuelle Lage Anmeldung:

12.05.2022, 12:00-13:00 Uhr (MEZ) / 18:00-19:00 Uhr (CST)
China.Table Buchvorstellung, Webinar: “Hongkong: Umkämpfte Metropole – von 1841 bis heute” mit Julia Haes und Klaus Mühlhahn Anmeldung:

12.05.2022, 18:30 Uhr (MEZ) vor Ort: Historisches Kaufhaus, Freiburg
Konfuzius Institut Freiburg, Vortrag: Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenheit Mehr

News

SEC droht chinesischen Firmen mit Börsen-Ausschluss

Die US-amerikanische Börsenaufsicht (SEC) hat mehr als 80 chinesischen Firmen mit dem Ausschluss von US-amerikanischen Börsen gedroht. Unter den Unternehmen befinden sich Schwergewichte wie JD.com, Jinkosolar, China Petroleum & Chemical, Pinduoduo, Nio und Bilibili. Hintergrund ist ein jahrelanger Streit zwischen den USA und China um die Offenlegungspflichten, denen an US-Börsen notierte Unternehmen nachkommen müssen. Die Unternehmen müssen den US-Behörden ihre Jahresabschlüsse zur Überprüfung offenlegen. Das Ersuchen wurde bisher von China aus Gründen der nationalen Sicherheit abgelehnt. Die Regulierungsbehörden beider Länder sprechen derzeit über eine Vereinbarung zu dem Thema.

Erst im März war Weibo von der SEC gewarnt worden. Allerdings droht den chinesischen Unternehmen kein kurzfristiger Ausschluss von den US-Börsen. Die US-Gesetzgebung sieht einen Ausschluss erst vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihre Bilanzen in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht offenlegen (China.Table berichtete). Das Gesetz stammt aus dem Jahr 2020. Dementsprechend haben die USA und China noch bis mindestens zum Jahr 2024 Zeit für eine Einigung. Laut Bloomberg-Informationen ist die chinesische Seite bereit, den US-Behörden demnächst den gewünschten Zugang zu den Jahresabschlüssen zu gewähren. nib

  • Börse
  • Finanzen
  • USA

USA erwägen Sanktionen gegen Hikvision

Die USA ziehen einem Medienbericht zufolge scharfe Sanktionen gegen das chinesische Videoüberwachungsunternehmen Hikvision in Betracht. Das US-Finanzministerium denke darüber nach, den weltweit größten Hersteller von Überwachungsgeräten und Gesichtserkennungssoftware auf eine Embargo-Liste zu setzen. Die Eintragung auf der sogenannten Liste der Specially Designated Nationals and Blocked Persons (kurz SDN) würde US-Unternehmen und Bürgern den Handel und Finanztransaktionen mit Hikvision verbieten. Außerdem könnte Vermögen des Unternehmens in den USA eingefroren werden. Das berichtete die Financial Times am Mittwoch unter Berufung auf vier nicht näher genannte Regierungsquellen.

Hikvision wäre der erste chinesische Technologiekonzern auf der SDN-Liste – die Sanktionen wären damit noch weitreichender als die US-Strafmaßnahmen gegen Huawei. Dem Bericht zufolge hat Washington bereits damit begonnen, andere Hauptstädte zu informieren, da Hikvision Kunden in mehr als 180 Ländern hat. Das chinesische Unternehmen erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die “potenziellen Maßnahmen der US-Regierung” noch geprüft werden müssen.

Hikvision und seine Produkte sind hochgradig umstritten. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen ermöglicht zu haben, indem es der chinesischen Regierung Kameras verkauft hat, die in Lagern in Xinjiang eingesetzt werden. Die Sanktionen könnten das Verhältnis zwischen Peking und Washington weiter verschlechtern. ari

  • Handel
  • Menschenrechte
  • USA
  • Xinjiang
  • Zivilgesellschaft

China-Geschäft beflügelt BMW

Die Vollkonsolidierung des China-Geschäfts hat dem Münchner Autobauer BMW zum Jahresauftakt ein deutliches Plus bei Umsatz und Gewinn beschert. Die Erlöse verbesserten sich im ersten Quartal um 16 Prozent auf 31 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Der Betriebsgewinn stieg um zwölf Prozent auf 3,4 Milliarden Euro.

BMW hatte im Februar grünes Licht für die seit längerem geplante Übernahme der Mehrheit am chinesischen Gemeinschaftsunternehmen mit Brilliance erhalten (China.Table berichtete). Dadurch kommt es zu einem Buchgewinn in Milliardenhöhe. BMW kann nach der Übernahme die Zahlen in China voll konsolidieren. Neben der Übernahme der Mehrheit an BMW Brilliance habe der Konzern von der weiterhin starken Nachfrage nach Autos profitiert. rtr/nib

  • Autoindustrie

Aktivisten fordern Verschiebung von UN-Besuch

Mehrere Aktivistengruppen haben eine Verschiebung des Besuchs der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in China gefordert. Michelle Bachelet begebe sich in ein “Minenfeld der Propaganda” der Kommunistischen Partei Chinas, schrieben die mehr als 200 Organisationen in einem öffentlichen Aufruf. Der offene Brief, der unter anderem von Free Tibet, Hong Kong Watch und der Tibet Initiative Deutschland unterzeichnet wurde, kreidete an, dass Bachelet bisher alle Anfragen abgelehnt habe, sich mit betroffenen Gemeinschaften zu treffen. Zudem seien vonseiten der UN-Hochkommissarin “alle Angebote ignoriert, sich mit Überlebenden aus den uigurischen Lagern, tibetischen ehemaligen politischen Gefangenen oder chinesischen Demokratieaktivisten zu treffen, die mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Verbindung stehen”, hieß es in dem Schreiben. Die Organisationen forderten mehr Transparenz über den geplanten China-Besuch und dass Bachelet einem Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusagt. ari

  • Menschenrechte
  • Tibet
  • Vereinte Nationen
  • Xinjiang
  • Zivilgesellschaft

Presseschau

Chinese, Russian cenbanks to discuss use of national payment systems REUTERS
Alibaba and the 40 officials: Can Chinese big tech learn to love Big Brother? ECONOMIST
Chinese tech giant NetEase launches first gaming studio in U.S. in international push CNBC
Corona in China: Lockdown soll in Peking vermieden werden FAZ
China’s economy is going backwards CNN
Deutsche Wirtschaft spürt zunehmend Lockdowns in China BR
EU-Firmen kritisieren Chinas harte Lockdown-Politik DW
BMW vertraut weiter auf das Geschäft in China FAZ
Menschenrechtsverletzung: USA prüft Sanktionen gegen Kamera-Hersteller aus China HEISE
Name and shame: Why the Chinese government has embraced morality councils ECONOMIST
U.S. math professor found guilty in latest China Initiative trial SCIENCE.ORG
Nach Anonymous: Auch China attackiert russische Industrie FUTUREZONE
Chinesisches Team errichtet die höchste Wetterstation der Welt in Nepal EURONEWS
Building collapse in China’s Changsha kills 26 REUTERS

Portrait

Kristin Shi-Kupfer – Christin und China-Beobachterin

Kristin Shi-Kupfer ist Professorin an der Universität Trier; sie hat lange in China gelebt.
Kristin Shi-Kupfer

Kristin Shi-Kupfers Faszination für China begann mit einer Folge MacGyver. Diese Folge handelte von der Demokratiebewegung im Jahr 1989 in Peking und dem Massaker am 4. Juni. “Die MacGyver-Folge war natürlich eine fiktive Geschichte, aber der reale Hintergrund des Themas hat mich gepackt”, sagt Shi-Kupfer.

Wenige Jahre später schrieb sich Shi-Kupfer an der Universität Trier in Sinologie und Politikwissenschaften ein. Bis dahin sprach sie noch kein Mandarin und war noch nie in China gewesen. “Für viele hierzulande klingt die Sprache etwas merkwürdig und es braucht Überwindung, die Töne nachzumachen”, sagt sie. Ihr habe es geholfen, die Sprache als eine Art Melodie anzusehen.

Dissertation zu religiösen Gruppen in China

Das Studium mit seinen obligatorischen Auslandsaufenthalten führte sie dann endlich nach China. Zwei Jahre verbrachte sie in Shanghai und Kaifeng. “Manchen war es zu viel; zu viele Menschen, Geräusche, Farben und Gerüche. Aber mich hat das begeistert”, erzählt sie von ihrer ersten Reise nach Shanghai.

Bereits in der Magisterphase beschäftigte sie sich mit traditionellen Geheimgesellschaften in China. Später schrieb sie ihre Doktorarbeit über spirituelle, religiöse Gruppierungen. “Hinter dem Begriff verbergen sich verschiedene Ideen, die teilweise aus dem Buddhismus und dem Christentum stammen”, sagt Shi-Kupfer, die selbst praktizierende Christin ist. Schon damals seien diese Gruppierungen eigentlich verboten gewesen. “Das Thema heute zu bearbeiten, wäre sicher noch deutlich schwieriger”, sagt sie. Denn inzwischen ist es hochgradig riskant, als unregistrierte Gruppe die eigene Religion in China auszuleben.

Während ihrer Promotion begann Shi-Kupfer zudem, journalistisch tätig zu werden. Ab 2008 berichtete sie für verschiedene Medien aus Peking. “Als Journalistin in China hatte ich die Chance, neugierig zu sein und das Land sehr gründlich kennenzulernen.” Doch als die gebürtige Hattingerin 2011 zusehen musste, wie einige ihrer Freunde im Zuge der damaligen Proteste festgenommen wurden und sich die politische Lage im Land zunehmend verschlechterte, beschloss sie China zu verlassen. “Ich bin damals zynisch geworden und musste raus”, sagt sie. Zurück in Deutschland, leitete sie sieben Jahre den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft und Medien am Mercator Institut für Chinastudien (Merics).

Keine Einreiseerlaubnis mehr

Seit 2019 ist Shi-Kupfer nicht mehr nach China gereist. “Mein Mann und ich waren früher traditionell über Silvester in China und haben dort seine Familie und unsere Freunde besucht.” Wann sie und ihr Ehemann – der Journalist Shi Ming – das nächste Mal in die Volksrepublik reisen können, ist noch völlig offen. Sie erhalten derzeit keine Visa. “Wir haben die Visa über eine Agentur beantragt und wissen deshalb nicht, an wem es lag”, sagt sie. Inzwischen vermisst sie die Stadt Peking und, mehr noch, ihre Freunde dort.

Im Oktober 2020 zog es Shi-Kupfer als Professorin für Gegenwartsbezogene China-Studien an die Universität Trier zurück. Beim Mercator Institut habe sie viel Tagesaktuelles und Medienarbeit gemacht, nun habe sie mehr Ruhe, um zu forschen und zu unterrichten. “Es hat mir immer viel Freude bereitet, zu unterrichten. So kann ich etwas weitergeben.”

Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit sozialen Medien und Mediendebatten. Vergangenes Jahr veröffentlichte sie etwa ein Papier, in dem sie Diskussionen über die gesellschaftlichen und ethischen Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf zwei chinesischen Social-Media-Plattformen analysierte.

“Aktuell untersuche ich, wie Chinesen und Chinesinnen außerhalb Chinas ihre Identität auf Twitter darstellen”, erzählt Shi-Kupfer über eines ihrer Forschungsvorhaben. Sie interessierte sich beispielsweise dafür, welche Themen im Ausland lebende Chinesen beschäftigen. “Nach China kann ich leider nicht, aber ich kann mit Chinesen im Ausland sprechen”, sagt sie. Lisa Oder

  • Forschung
  • Gesellschaft
  • Wissenschaft

Personalien

Mario Roland Hässner ist neuer Product Management and Sales Support Director der Stulz GmbH in Shanghai. Das Unternehmen stellt Industriemaschinen im Bereich Klimatechnik her. Zuvor war Hässner in anderer Position bei dem Unternehmen beschäftigt.

Yurii Poita wird Futures Fellow bei Merics. Dort wird er die chinesische Politik gegenüber Russland und der Ukraine für vier Monate analysieren. Poita ist Wissenschaftler und Analyst. Seine Forschungsschwerpunkte sind Chinas Außenpolitik im postsowjetischen Raum und die ukrainisch-chinesischen Beziehungen.

Wu Sheng, Jason Zhang und Wayne Yue verstärken das Management-Team von Nomura in Hongkong. Das Finanzunternehmen will mit den drei neuen Geschäftsführern sein Investment-Banking in China stärken.

Dessert

Über den Wolken müssen meteorologische Messungen wohl grenzenlos sein – chinesische Wissenschaftler richteten eine meteorologische Überwachungsstation am Mount Everest ein.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    • Hongkong wählt neuen Regierungschef
    • Termine der kommenden Woche
    • SEC droht chinesischen Unternehmen
    • Hikvision im Fokus der USA
    • BMW profitiert von Übernahme
    • Aktivisten fordern Verschiebung von Bachelet-Besuch
    • Im Portrait: Kristin Shi-Kupfer – China-Beobachterin der Universität Trier
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    über Jahre bis gar Jahrzehnte war das China-Geschäft für deutsche Manager fast zu gut, um wahr zu sein. Die Volksrepublik hat sich in den letzten Jahrzehnten zum Top-Absatzmarkt und Produktionsstandorte deutscher Industrie-Unternehmen entwickelt. Die Bilanzen sähen ohne die satten Gewinne aus dem Fernen Osten oft mager aus.

    Doch der China-Traum droht sich zum China-Trauma zu entwickeln. Besonders die Null-Covid-Politik macht den Firmen zu schaffen. Für drei von vier befragten Unternehmen hat Chinas Attraktivität als Investitionsziel abgenommen, berichtet Christiane Kühl über eine neue Umfrage der EU-Handelskammer in China. Jedes vierte Unternehmen überlegt laut eigenen Angaben, Investitionen aus China abzuziehen. Doch ist ein großer Exodus wirklich realistisch, wenn teilweise 30 bis 40 Prozent der Umsätze in der Volksrepublik erwirtschaftet werden?

    In Hongkong wird am Wochenende ein neuer Regierungschef gewählt. Der Sieg des Peking-freundlichen Kandidaten John Lee gilt als sicher. Schließlich gibt es keinen Gegenkandidaten und es sind auch nicht die Bürger, die wählen dürfen. Marcel Grzanna stellt den ehemaligen Polizisten vor: Er gilt als “emotionslose Maschine”, als Technokrat, der Effizienz schaffen möchte und Hongkong weiter in einen Polizeistaat verwandeln wird.

    Wir wünschen Ihnen ein entspanntes Wochenende!

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    Nico Beckert
    Bild von Nico  Beckert

    Analyse

    Null-Covid: Europas Firmen drohen mit Abwanderung

    Internationale Wirtschaftszusammenarbeit mit China: Für europäische Firmen wegen Null-Covid immer schwieriger
    Internationale Wirtschaftszusammenarbeit mit China: Wegen Null-Covid immer schwieriger

    Im Jahr 2021 litt der Rest der Welt unter der Corona-Pandemie, während China sich bereits erholte. Doch nun ist es umgekehrt. In vielen Staaten gibt es Lockerungen, während China gerade in der Omikron-Welle versinkt. Die Wirtschaft leidet unter den Lockdowns, die Ungewissheit ist groß. Es sei gut möglich, dass China als letztes Land der Welt aus der Corona-Pandemie herausfindet, sagte Jörg Wuttke, Präsident der EU-Handelskammer in China (EUCCC), am Donnerstag in Peking bei der Präsentation einer Blitzumfrage zur chinesischen Covid-Politik.

    Pessimismus: Firmen erwarten wegen der Null-Covid-Strategie Chinas geringeren Umsatz

    Es ist eine ernüchternde Erkenntnis. Wuttke betonte, dass er vorerst nicht mit einem Ende der chinesischen Null-Covid-Politik rechnet. Die Umfrage zeigt, dass praktisch alle europäischen Unternehmen von dieser betroffen sind – und das in einem enormen Ausmaß:

    • Für drei Viertel der Befragten haben sich die Corona-Maßnahmen negativ auf ihren Gesamtbetrieb ausgewirkt.
    • 92 Prozent melden gestörte Lieferketten. 85 Prozent haben Schwierigkeiten beim Zugang zu Rohstoffen oder Komponenten.
    • 89 Prozent haben Schwierigkeiten, erworbene Rohstoffe oder Komponenten zu ihren Werken zu transportieren. Beim Vertrieb ein ähnliches Bild: 87 Prozent haben Schwierigkeiten, ihre fertigen Produkte innerhalb Chinas auszuliefern, und 83 Prozent haben Schwierigkeiten beim Export in den Rest der Welt.
    • Auch auf die Logistik und Lagerhaltung, Geschäftsreisen sowie bei Geschäftskontakten haben mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen negative Folgen der Covid-Politik ausgemacht.

    Da ist es kein Wunder, dass für 77 Prozent Chinas Attraktivität als Investitionsziel abgenommen hat. In den Branchen Bildung, Luftfahrt, Primärenergie oder Rohstoffe waren es sogar volle 100 Prozent – also alle Unternehmen, die auf die Umfrage geantwortet haben.

    Null-Covid: Fast alle europäischen Firmen betroffen

    Viele Unternehmen kämpfen laut der Umfrage mit den einfachsten Aufgaben. Sie wissen an einem Tag nicht, ob sie am nächsten noch genug Personal zur Verfügung haben, um den Betrieb aufrechtzuerhalten – oder ob ihre Räumlichkeiten vielleicht plötzlich ganz geschlossen werden.

    Bei der Präsentation der Umfrage wurde deutlich, dass diese Unsicherheit über die Zukunft für die Unternehmen am schwersten wiegt. Immer wieder kamen die Kammer-Repräsentanten darauf zu sprechen. “Wir wissen noch nicht, welchen Schäden Null-Covid der Wirtschaft zufügen wird”, sagte Wuttke. “Die Vorhersagbarkeit des chinesischen Marktes ist verschwunden.” Damit habe China eine seiner größten Stärken verloren. “Wir sind erstaunt darüber. Und wir glauben, dass die chinesische Regierung es besser kann”, so Wuttke.

    Die EUCCC will die Umfrage-Ergebnisse an die Regierung weiterleiten. Wuttke befindet sich zudem im engen Austausch mit den offiziellen Stellen, etwa mit dem Handelsministerium. Dort nehme man sich durchaus Zeit für einen Dialog. Wie groß ihr Einfluss wirklich ist, das wissen die Firmenvertreter nicht. Doch klar ist laut Wuttke: “Es muss etwas passieren.” 91 Prozent der Firmen wünschen sich laut der Umfrage mehr Fokus auf eine Impfkampagne statt auf endlose Testreihen. 75 Prozent gaben an, sie wollten generell eine andere Corona-Politik.

    2022: Firmen schrauben Erwartungen herunter

    Viele Ökonomen haben ihre Wachstumserwartungen für China in 2022 wegen des Coronavirus – und auch dem Ukraine-Krieg – bereits heruntergeschraubt. Die Schweizer Bank UBS geht nun von 4,2 Prozent aus – und nicht mehr wie zu Jahresanfang von fünf Prozent. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) lag im April bei 36,2 – und damit weit unter dem Wert von März und weit unterhalb der Schwelle von 50, die eine Expansion signalisiert. 58 Prozent der befragten Unternehmen reduzierten ihre Umsatzprognosen für 2022. 15 Prozent prognostizieren dabei sogar einen Rückgang von mehr als 20 Prozent.

    Der Optimismus früherer Jahre ist dahin. Und daher steigt auch eine Zahl, die bislang trotz aller Schwierigkeiten des Wirtschaftsumfeldes in den vergangenen Jahren bislang immer stabil im einstelligen Prozentbereich gelegen hatte: Der Anteil jener Firmen, die erwägen, Investitionen abzuziehen oder diese einfach gar nicht mehr in China zu tätigen. Jedes vierte Unternehmen gab nun an, sich mit solchen Gedanken zu tragen. “Das ist ein deutlicher Kontrast zu früheren Jahren”, betonte Wuttke – und eben genau der Unsicherheit auch über die mittelfristige Zukunft geschuldet. Denn bisher hat die Regierung keinerlei Ausweg aus der Null-Covid-Politik erkennen lassen. Die Ungeduld der Firmen aber nehme zu, so Wuttke.

    Mehr Firmen erwägen China-Alternative

    Und auch wenn Chinas Produktionsumfeld mit seinen vielen Industrie-Clustern, guter Infrastruktur und großen Zulieferer-Netzwerken anderswo nicht ersetzbar sei – Alternativen in Südostasien haben eben andere Vorteile. “Unsere Vorstände können völlig problemlos nach Indonesien oder in andere Märkte reisen.” Das bedeutet: Sie können mögliche neue Standorte persönlich begutachten. Die Folge: Wenn Investitionen für China auf Eis gelegt werden, während Pläne für andere Länder weitergehen, wird so manche China-Fabrik unter Umständen eben gar nicht mehr gebaut.

    Ein großer Teil der deutschen Unternehmen arbeitet gerade an Alternativen zum China-Geschäft, sagte auch Karl Haeusgen, Präsident des Verbandes Deutscher Anlagen- und Maschinenbau (VDMA), in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vom Donnerstag. Noch sind das reine Überlegungen, räumte Wuttke ein. “Aber wir sagen: Wenn es keine Veränderungen gibt, dann stimmen wir mit den Füßen ab.”

    • Coronavirus
    • Gesundheit
    • Handel
    • Lieferketten

    Wahl in Hongkong: Ein Regierungschef wie für Peking gemacht

    Wahlen in Hongkong: John Lee, 64, wird am Sonntag aller Voraussicht nach zum neuen Regierungschef in Hongkong gewählt
    John Lee, 64, wird am Sonntag aller Voraussicht nach zum neuen Regierungschef in Hongkong gewählt

    Ted Hui erinnert sich noch gut an John Lee und dessen Lageberichte vor dem Parlament in Hongkong. Die Atmosphäre sei angespannt gewesen, “fast feindlich”. Damals, im zweiten Halbjahr 2019, sprach Lee als Sicherheitschef der Metropole zu den Abgeordneten, zu denen auch Hui gehörte, der heute im Exil in Australien lebt. Millionen Menschen waren damals auf die Straße gegangen, um gegen ein Gesetz zu protestieren, das die Auslieferung von Hongkonger Bürger:innen an chinesische Strafverfolgungsbehörden ermöglichen sollte.

    Aber das geplante Gesetz war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Im Kern ging es den Menschen um die Verteidigung ihrer Bürgerrechte. Sie protestierten gegen den wachsenden Einfluss der Kommunistischen Partei Chinas auf die lokale Politik. “Wir Demokraten forderten Lee lautstark dazu auf, Stellung zu beziehen zu den Vorwürfen und den Forderungen der Demonstranten. Aber Lee ist jeder verbalen Auseinandersetzung mit uns aus dem Weg gegangen, hat seinen Text verlesen und ist wieder gegangen”, sagt Hui gegenüber China.Table.

    Alles spricht dafür, dass dieser John Lee am kommenden Sonntag zum neuen Hongkonger Regierungschef gewählt wird. Er ist zum einen der einzige Kandidat, der sich auf die Nachfolge der scheidenden Carrie Lam beworben hat und genießt die offizielle Unterstützung Pekings. Zum anderen haben sich bereits mehr als die Hälfte der 1.454 Wahlberechtigten öffentlich für Lee ausgesprochen. Die absolute Mehrheit von 728 Stimmen benötigt er zum Sieg.

    Es ist das erste Mal, dass der Wahlausschuss in dieser Größe zusammentritt. Und nie zuvor vertraten seine Mitglieder so eindeutig die Interessen der Pekinger Zentralregierung. Das liegt auch an der neuen Besetzung des Wahlausschusses mit Vertretern Hongkongs beim Nationalen Volkskongress und dessen Konsultativ-Konferenz der Volksrepublik China. Es handelt sich dabei um eine streng Peking-konforme Fraktion. Alle 300 Wahlberechtigte dieses neuen Sektors haben dem Kandidaten Lee ihre Unterstützung zugesagt.

    Ein loyaler Technokrat, der Effizienz schaffen möchte

    Pekings Interessen sind seit den Massenprotesten 2019 mehr denn je auf das Ersticken jeglichen Widerstandes in der Stadt ausgerichtet. Die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes schuf vor zwei Jahren den juristischen Rahmen, um die demokratische Bewegung in Hongkong zu kriminalisieren und zu lähmen. Eine Wahl Lees würde diese Entwicklung politisch untermauern.

    Lee gilt nicht als intellektueller Polit-Visionär, sondern als loyaler Technokrat, der Effizienz schaffen möchte. “Die chinesische Regierung will für Hongkong eine Herrschaft der Sicherheitskräfte und benötigt jemanden, der die Sicherheitskräfte im Griff hat. Das hat er”, sagt Ex-Parlamentarier Hui. “Lee ist eine emotionslose Maschine. Er ist genau das, was Peking benötigt.”

    Auch Samuel Chu von der Campaign for Hongkong mit Sitz in den USA sieht in Lee den idealen Vertreter für Pekings Anliegen: “Die Rolle des Chief Executive repräsentiert in keiner Weise mehr die Interessen und das Wohlergehen der Hongkonger Bürger. Es ergibt durchaus Sinn, einen ehemaligen Polizisten an die Spitze eines Polizeistaates zu stellen”, sagte Chu der Voice of America.

    Tatsächlich scheint Lee dafür wie geschaffen zu sein. Schon 1977 trat er in den Staatsdienst ein und kletterte vor allem nach 1997 die Karriereleiter nach oben. Im Jahr 2010 wurde er zum stellvertretenden Polizeipräsidenten ernannt und zwei Jahre später zum Staatssekretär des Sicherheitsbüros. 2017 ernannte ihn die scheidende Regierungschefin Carrie Lam zum Sicherheitsminister. Im vergangenen Jahr machte ihn Lam auch zum Generalsekretär ihrer Regierung und damit zur Nummer zwei in der Hongkonger Verwaltungshierarchie.

    Maya Wang von Human Rights Watch rechnet deshalb mit der Fortsetzung von Freiheitseinschränkungen der Bürger:innen unter Lees Regierung. Es ist offensichtlich, dass Peking von Lee erwartet, dass er “die Menschen in Hongkong für deren Ungehorsam” bestraft, schrieb sie in einer Stellungnahme an Voice of America. “Lees Amtszeit als zweithöchster politischer Beamter Hongkongs war geprägt von Polizeibrutalität und mangelnder Rechenschaftspflicht für die ausufernde Gewalt der Polizei während der Proteste von 2019.”

    Stadtentwicklung und Sanierung des Bildungssektors

    Am vergangenen Freitag hatte der 64-Jährige gemäß Artikel 23 des Basic Law, Hongkongs Mini-Verfassung, formell gelobt, “die verfassungsmäßige Verantwortung der Gesetzgebung zu erfüllen”, sollte er gewählt werden. Artikel 23 schreibt vor, dass “jeder Akt des Verrats, der Sezession, des Aufruhrs und der Subversion gegen die zentrale Volksregierung zu verbieten” ist.

    In einem 44-seitigen Manifest offenbart Lee die Pläne für seine Amtszeit. Er strebe nach einem “ergebnisorientierten Ansatz”, um “die Wettbewerbsfähigkeit der Stadt zu steigern” und “ihre Stärken zu behaupten”. Kritiker vermissen Konkretes, halten Lee aber zugute, dass er wenig Zeit hatte seit seiner Bewerbung Anfang April, ein umfangreiches politisches Programm zu entwerfen. Als Regierungschef wird Lee auch die Entwicklung der Stadt vorantreiben müssen. Pläne zur Umstrukturierung der Verwaltung und zum Bau der Northern Metropolis mit Millionen neuer Wohnungen vererbt ihm seine Vorgängerin.

    Auch die Sanierung des Bildungssektors muss Lee vorantreiben. Ihre Anziehungskraft auf Talente aus aller Welt dürfte die Stadt mit der Aushöhlung der Bürgerrechte zu großen Teilen eingebüßt haben. Binnen weniger Jahre purzelte die Stadt im Ranking der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen aus der Top 20 auf Rang 148 von 180 (China.Table berichtete).

    Manche namhafte Unternehmer Hongkongs fürchten auch das erneute Aufflammen von Protesten. Victor Li gehört dazu, Chef der milliardenschweren CK Asset Holding und Sohn von Tycoon-Legende Li Ka-Shing, dem viele Jahre lang reichsten Mensch Asiens. Er wünsche sich vor allem Stabilität und ein Umfeld, in dem sich das Leben aller Hongkonger weiter verbessere. Seine Stimme bei der Wahl am Sonntag hat Li dem designierten Regierungschef John Lee bereits zugesagt.

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    Termine

    09.05.2022, 08:30-09:30 Uhr (MEZ) / 14:30-15:30 Uhr (CST)
    CNBW, Business Talk: Live aus China: Nach dem Lockdown ist vor dem Lockdown Mehr

    10.05.2022, 04:00 Uhr (MEZ) / 10:00 Uhr (CST)
    Dezan Shira, Workshop: Market Diversification – Growing your business networks in China and beyond Mehr

    11.05.2022, 09:00 Uhr (MEZ) / 15:00 Uhr (CST)
    Dezan Shira, Lecture: Master of Global Management for China – Tax, Accounting and Audit Module Mehr

    11.05.2022, 10:00-11:00 Uhr (MEZ) / 16:00-17:00 Uhr (CST)
    China.Table.Briefing, Webinar: China und das Weltsystem der Impfstoffnutzung Anmeldung:

    12.05.2022, 10:00 Uhr (MEZ) / 16:00 Uhr (CST)
    Dezan Shira, Webinar: Managing IP Protection When Selling to China via Cross-Border E-Commerce Mehr

    12.05.2022, 10:00-11:30 Uhr (MEZ) / 17:00-18:30 Uhr (CST)
    AHK Stuttgart, Webinar: China im Lockdown – ein Überblick über die aktuelle Lage Anmeldung:

    12.05.2022, 12:00-13:00 Uhr (MEZ) / 18:00-19:00 Uhr (CST)
    China.Table Buchvorstellung, Webinar: “Hongkong: Umkämpfte Metropole – von 1841 bis heute” mit Julia Haes und Klaus Mühlhahn Anmeldung:

    12.05.2022, 18:30 Uhr (MEZ) vor Ort: Historisches Kaufhaus, Freiburg
    Konfuzius Institut Freiburg, Vortrag: Maos langer Schatten. Chinas Umgang mit der Vergangenheit Mehr

    News

    SEC droht chinesischen Firmen mit Börsen-Ausschluss

    Die US-amerikanische Börsenaufsicht (SEC) hat mehr als 80 chinesischen Firmen mit dem Ausschluss von US-amerikanischen Börsen gedroht. Unter den Unternehmen befinden sich Schwergewichte wie JD.com, Jinkosolar, China Petroleum & Chemical, Pinduoduo, Nio und Bilibili. Hintergrund ist ein jahrelanger Streit zwischen den USA und China um die Offenlegungspflichten, denen an US-Börsen notierte Unternehmen nachkommen müssen. Die Unternehmen müssen den US-Behörden ihre Jahresabschlüsse zur Überprüfung offenlegen. Das Ersuchen wurde bisher von China aus Gründen der nationalen Sicherheit abgelehnt. Die Regulierungsbehörden beider Länder sprechen derzeit über eine Vereinbarung zu dem Thema.

    Erst im März war Weibo von der SEC gewarnt worden. Allerdings droht den chinesischen Unternehmen kein kurzfristiger Ausschluss von den US-Börsen. Die US-Gesetzgebung sieht einen Ausschluss erst vor, wenn die betreffenden Unternehmen ihre Bilanzen in drei aufeinanderfolgenden Jahren nicht offenlegen (China.Table berichtete). Das Gesetz stammt aus dem Jahr 2020. Dementsprechend haben die USA und China noch bis mindestens zum Jahr 2024 Zeit für eine Einigung. Laut Bloomberg-Informationen ist die chinesische Seite bereit, den US-Behörden demnächst den gewünschten Zugang zu den Jahresabschlüssen zu gewähren. nib

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    • Finanzen
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    USA erwägen Sanktionen gegen Hikvision

    Die USA ziehen einem Medienbericht zufolge scharfe Sanktionen gegen das chinesische Videoüberwachungsunternehmen Hikvision in Betracht. Das US-Finanzministerium denke darüber nach, den weltweit größten Hersteller von Überwachungsgeräten und Gesichtserkennungssoftware auf eine Embargo-Liste zu setzen. Die Eintragung auf der sogenannten Liste der Specially Designated Nationals and Blocked Persons (kurz SDN) würde US-Unternehmen und Bürgern den Handel und Finanztransaktionen mit Hikvision verbieten. Außerdem könnte Vermögen des Unternehmens in den USA eingefroren werden. Das berichtete die Financial Times am Mittwoch unter Berufung auf vier nicht näher genannte Regierungsquellen.

    Hikvision wäre der erste chinesische Technologiekonzern auf der SDN-Liste – die Sanktionen wären damit noch weitreichender als die US-Strafmaßnahmen gegen Huawei. Dem Bericht zufolge hat Washington bereits damit begonnen, andere Hauptstädte zu informieren, da Hikvision Kunden in mehr als 180 Ländern hat. Das chinesische Unternehmen erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, dass die “potenziellen Maßnahmen der US-Regierung” noch geprüft werden müssen.

    Hikvision und seine Produkte sind hochgradig umstritten. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, Menschenrechtsverletzungen ermöglicht zu haben, indem es der chinesischen Regierung Kameras verkauft hat, die in Lagern in Xinjiang eingesetzt werden. Die Sanktionen könnten das Verhältnis zwischen Peking und Washington weiter verschlechtern. ari

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    China-Geschäft beflügelt BMW

    Die Vollkonsolidierung des China-Geschäfts hat dem Münchner Autobauer BMW zum Jahresauftakt ein deutliches Plus bei Umsatz und Gewinn beschert. Die Erlöse verbesserten sich im ersten Quartal um 16 Prozent auf 31 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Donnerstag mitteilte. Der Betriebsgewinn stieg um zwölf Prozent auf 3,4 Milliarden Euro.

    BMW hatte im Februar grünes Licht für die seit längerem geplante Übernahme der Mehrheit am chinesischen Gemeinschaftsunternehmen mit Brilliance erhalten (China.Table berichtete). Dadurch kommt es zu einem Buchgewinn in Milliardenhöhe. BMW kann nach der Übernahme die Zahlen in China voll konsolidieren. Neben der Übernahme der Mehrheit an BMW Brilliance habe der Konzern von der weiterhin starken Nachfrage nach Autos profitiert. rtr/nib

    • Autoindustrie

    Aktivisten fordern Verschiebung von UN-Besuch

    Mehrere Aktivistengruppen haben eine Verschiebung des Besuchs der UN-Hochkommissarin für Menschenrechte in China gefordert. Michelle Bachelet begebe sich in ein “Minenfeld der Propaganda” der Kommunistischen Partei Chinas, schrieben die mehr als 200 Organisationen in einem öffentlichen Aufruf. Der offene Brief, der unter anderem von Free Tibet, Hong Kong Watch und der Tibet Initiative Deutschland unterzeichnet wurde, kreidete an, dass Bachelet bisher alle Anfragen abgelehnt habe, sich mit betroffenen Gemeinschaften zu treffen. Zudem seien vonseiten der UN-Hochkommissarin “alle Angebote ignoriert, sich mit Überlebenden aus den uigurischen Lagern, tibetischen ehemaligen politischen Gefangenen oder chinesischen Demokratieaktivisten zu treffen, die mit dem Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens in Verbindung stehen”, hieß es in dem Schreiben. Die Organisationen forderten mehr Transparenz über den geplanten China-Besuch und dass Bachelet einem Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft zusagt. ari

    • Menschenrechte
    • Tibet
    • Vereinte Nationen
    • Xinjiang
    • Zivilgesellschaft

    Presseschau

    Chinese, Russian cenbanks to discuss use of national payment systems REUTERS
    Alibaba and the 40 officials: Can Chinese big tech learn to love Big Brother? ECONOMIST
    Chinese tech giant NetEase launches first gaming studio in U.S. in international push CNBC
    Corona in China: Lockdown soll in Peking vermieden werden FAZ
    China’s economy is going backwards CNN
    Deutsche Wirtschaft spürt zunehmend Lockdowns in China BR
    EU-Firmen kritisieren Chinas harte Lockdown-Politik DW
    BMW vertraut weiter auf das Geschäft in China FAZ
    Menschenrechtsverletzung: USA prüft Sanktionen gegen Kamera-Hersteller aus China HEISE
    Name and shame: Why the Chinese government has embraced morality councils ECONOMIST
    U.S. math professor found guilty in latest China Initiative trial SCIENCE.ORG
    Nach Anonymous: Auch China attackiert russische Industrie FUTUREZONE
    Chinesisches Team errichtet die höchste Wetterstation der Welt in Nepal EURONEWS
    Building collapse in China’s Changsha kills 26 REUTERS

    Portrait

    Kristin Shi-Kupfer – Christin und China-Beobachterin

    Kristin Shi-Kupfer ist Professorin an der Universität Trier; sie hat lange in China gelebt.
    Kristin Shi-Kupfer

    Kristin Shi-Kupfers Faszination für China begann mit einer Folge MacGyver. Diese Folge handelte von der Demokratiebewegung im Jahr 1989 in Peking und dem Massaker am 4. Juni. “Die MacGyver-Folge war natürlich eine fiktive Geschichte, aber der reale Hintergrund des Themas hat mich gepackt”, sagt Shi-Kupfer.

    Wenige Jahre später schrieb sich Shi-Kupfer an der Universität Trier in Sinologie und Politikwissenschaften ein. Bis dahin sprach sie noch kein Mandarin und war noch nie in China gewesen. “Für viele hierzulande klingt die Sprache etwas merkwürdig und es braucht Überwindung, die Töne nachzumachen”, sagt sie. Ihr habe es geholfen, die Sprache als eine Art Melodie anzusehen.

    Dissertation zu religiösen Gruppen in China

    Das Studium mit seinen obligatorischen Auslandsaufenthalten führte sie dann endlich nach China. Zwei Jahre verbrachte sie in Shanghai und Kaifeng. “Manchen war es zu viel; zu viele Menschen, Geräusche, Farben und Gerüche. Aber mich hat das begeistert”, erzählt sie von ihrer ersten Reise nach Shanghai.

    Bereits in der Magisterphase beschäftigte sie sich mit traditionellen Geheimgesellschaften in China. Später schrieb sie ihre Doktorarbeit über spirituelle, religiöse Gruppierungen. “Hinter dem Begriff verbergen sich verschiedene Ideen, die teilweise aus dem Buddhismus und dem Christentum stammen”, sagt Shi-Kupfer, die selbst praktizierende Christin ist. Schon damals seien diese Gruppierungen eigentlich verboten gewesen. “Das Thema heute zu bearbeiten, wäre sicher noch deutlich schwieriger”, sagt sie. Denn inzwischen ist es hochgradig riskant, als unregistrierte Gruppe die eigene Religion in China auszuleben.

    Während ihrer Promotion begann Shi-Kupfer zudem, journalistisch tätig zu werden. Ab 2008 berichtete sie für verschiedene Medien aus Peking. “Als Journalistin in China hatte ich die Chance, neugierig zu sein und das Land sehr gründlich kennenzulernen.” Doch als die gebürtige Hattingerin 2011 zusehen musste, wie einige ihrer Freunde im Zuge der damaligen Proteste festgenommen wurden und sich die politische Lage im Land zunehmend verschlechterte, beschloss sie China zu verlassen. “Ich bin damals zynisch geworden und musste raus”, sagt sie. Zurück in Deutschland, leitete sie sieben Jahre den Forschungsbereich Politik, Gesellschaft und Medien am Mercator Institut für Chinastudien (Merics).

    Keine Einreiseerlaubnis mehr

    Seit 2019 ist Shi-Kupfer nicht mehr nach China gereist. “Mein Mann und ich waren früher traditionell über Silvester in China und haben dort seine Familie und unsere Freunde besucht.” Wann sie und ihr Ehemann – der Journalist Shi Ming – das nächste Mal in die Volksrepublik reisen können, ist noch völlig offen. Sie erhalten derzeit keine Visa. “Wir haben die Visa über eine Agentur beantragt und wissen deshalb nicht, an wem es lag”, sagt sie. Inzwischen vermisst sie die Stadt Peking und, mehr noch, ihre Freunde dort.

    Im Oktober 2020 zog es Shi-Kupfer als Professorin für Gegenwartsbezogene China-Studien an die Universität Trier zurück. Beim Mercator Institut habe sie viel Tagesaktuelles und Medienarbeit gemacht, nun habe sie mehr Ruhe, um zu forschen und zu unterrichten. “Es hat mir immer viel Freude bereitet, zu unterrichten. So kann ich etwas weitergeben.”

    Derzeit beschäftigt sie sich vor allem mit sozialen Medien und Mediendebatten. Vergangenes Jahr veröffentlichte sie etwa ein Papier, in dem sie Diskussionen über die gesellschaftlichen und ethischen Auswirkungen der künstlichen Intelligenz auf zwei chinesischen Social-Media-Plattformen analysierte.

    “Aktuell untersuche ich, wie Chinesen und Chinesinnen außerhalb Chinas ihre Identität auf Twitter darstellen”, erzählt Shi-Kupfer über eines ihrer Forschungsvorhaben. Sie interessierte sich beispielsweise dafür, welche Themen im Ausland lebende Chinesen beschäftigen. “Nach China kann ich leider nicht, aber ich kann mit Chinesen im Ausland sprechen”, sagt sie. Lisa Oder

    • Forschung
    • Gesellschaft
    • Wissenschaft

    Personalien

    Mario Roland Hässner ist neuer Product Management and Sales Support Director der Stulz GmbH in Shanghai. Das Unternehmen stellt Industriemaschinen im Bereich Klimatechnik her. Zuvor war Hässner in anderer Position bei dem Unternehmen beschäftigt.

    Yurii Poita wird Futures Fellow bei Merics. Dort wird er die chinesische Politik gegenüber Russland und der Ukraine für vier Monate analysieren. Poita ist Wissenschaftler und Analyst. Seine Forschungsschwerpunkte sind Chinas Außenpolitik im postsowjetischen Raum und die ukrainisch-chinesischen Beziehungen.

    Wu Sheng, Jason Zhang und Wayne Yue verstärken das Management-Team von Nomura in Hongkong. Das Finanzunternehmen will mit den drei neuen Geschäftsführern sein Investment-Banking in China stärken.

    Dessert

    Über den Wolken müssen meteorologische Messungen wohl grenzenlos sein – chinesische Wissenschaftler richteten eine meteorologische Überwachungsstation am Mount Everest ein.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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