Table.Briefing: China

China-Debatte beantragt + Empörte Filmfans

  • Resolution wegen Xinjiang frühestens 2023
  • Zensoren beschneiden tiefgründiges Sozialdrama
  • Chinas Reputation immer weiter im Keller
  • Meta zerschlägt chinesisches Fake-News-Netzwerk
  • Anwalt Zhou nach sieben Jahren Haft zurück in Freiheit
  • Bundestags-Ausschuss lädt IOC-Präsident Bach ein
  • Weshalb Weina Zhaos Opa immer nur kalt duscht
Liebe Leserin, lieber Leser,

der von Michelle Bachelet vor Monatsfrist vorgelegte Xinjiang-Bericht müsste eigentlich substantielle Konsequenzen mit sich bringen. Schließlich lieferte er detaillierte Indizien, die auf “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” der chinesischen Regierung schließen lassen. Doch der UN-Menschenrechtsrat ist gespalten. Bestenfalls beschließt er gegen Ende nächster Woche eine ausführliche Debatte zu dem Bericht für das kommende Jahr.

Doch immerhin: Würde dieser Antrag angenommen, könnte er den Weg ebnen zur ersten Resolution gegen China in der Geschichte des Menschenrechtsrates. Scheitert der Antrag, hätte China den ersten Sturm weltweiter Entrüstung nach der UN-Anklage erstmal überstanden – zumindest auf UN-Ebene. Doch die Initiatoren sind zuversichtlich, hat China.Table erfahrenn.

Dennoch grenzt es an Absurdität, dass Menschenrechtsverbrechen in dieser Größenordnung möglicherweise von jenem Gremium nicht geahndet werden, das als welthöchste Instanz für die Gerechtigkeit der Opfer kämpfen sollte. Und es ist zutiefst bedauerlich, dass Menschenrechte heutzutage derart weit entfernt davon sind, als universell zu gelten.

Diktaturen im Allgemeinen, aber die chinesische im Besonderen gehören zu den treibenden Kräften dieser tragischen Entwicklung. Die Bevölkerungen in vielen westlichen Staaten nehmen das zunehmend zur Kenntnis. Das Image der Volksrepublik China hat sich dort in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Sonderberichterstatter für China?

Am Mittwochvormittag waren die Antragsteller von Dokument A/HRC/51/L.6 zu einer letzten informellen Beratung zusammengekommen. In den Räumlichkeiten der Vereinten Nationen in Genf hatte Großbritannien zur abschließenden Diskussion über einen Beschlussentwurf geladen, der als Lackmustest für die Kräfteverhältnisse im Menschenrechtsrat gilt. Die zentrale Frage lautet: Ist das UN-Gremium grundsätzlich bereit, dem vor Monatsfrist veröffentlichten Xinjiang-Bericht des Hochkommissariats Taten folgen zu lassen?

In der Theorie scheint nichts logischer zu sein als das. Schließlich lieferte der Bericht detaillierte Beweise und Indizien, die auf “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” schließen lassen. Doch in der Praxis ist der Menschenrechtsrat in der Frage gespalten, ob es sich bei Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Millionen Uiguren in Xinjiang um eine rein chinesische Angelegenheit handelt.

Das Papier, das sich dieser Frage widmet, bleibt inhaltlich hinter der Forderung konkreter Maßnahmen zurück. Es formuliert stattdessen den Beschluss “auf seiner zweiundfünfzigsten Tagung unter Punkt 2 eine Aussprache über die Lage der Menschenrechte in der autonomen uigurischen Region Xinjiang abzuhalten.” Die 52. Session beginnt im Februar 2023. Die Befürworter des Papiers versuchen, Zeit zu gewinnen, um dann eine mögliche Abstimmung über substanzielle Konsequenzen gewinnen zu können.

Hochkommissarin sieht Zeit für Handeln gekommen

Die betroffenen Uiguren, Menschenrechtsorganisationen und Mitglieder der unabhängigen Experten-Kommission hatten schon jetzt auf eine Resolution gehofft. “Jetzt ist dieser Bericht aktuell. Deswegen besteht jetzt die größte Chance, dass Entscheidungen getroffen werden, die den Uiguren in Xinjiang sofort helfen können”, sagt Zumretay Arkin, die als Sprecherin und Lobbyistin des Weltkongresses der Uiguren (WUC) nach Genf gereist ist.

Doch die Initiatoren betonen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Eskalation im Rat vermeiden und stattdessen allen Mitgliedsländern Zeit verschaffen wollen, sich intensiv mit dem UN-Bericht auseinanderzusetzen. Denn der war weniger als zwei Wochen vor Beginn der 51. Session veröffentlicht worden. Bis zum kommenden Jahr wird also definitiv keine Entscheidung gefällt, welche Konsequenzen der Xinjiang-Bericht haben wird.

Diskutiert wird ein sogenannter China-Mechanismus. Dieser würde beinhalten, dass die UN einen eigenen Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverbrechen in der Volksrepublik installieren würde. Davon gibt es bislang elf, beispielsweise für Syrien, Afghanistan, Nordkorea oder Eritrea. Zudem gibt es 44 Themenbereiche, die von Sonderberichterstattern abgedeckt werden, aber nicht länderspezifisch begrenzt sind.

Dass der Zeitpunkt günstig ist, erkennt auch das Hochkommissariat. Die amtierende Leiterin, Nada Al-Nashif, hatte vergangene Woche im Gespräch mit einer Delegation des gastierenden Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag dem Vernehmen nach betont, dass sie ein entschlossenes Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft für zwingend nötig hält. Allerdings ist Al-Nashif nur kommissarisch im Amt, nachdem ihre Vorgängerin Michelle Bachelet relativ kurzfristig entschieden hatte, für keine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der designierte Nachfolger Volker Türk tritt seinen Posten erst Mitte Oktober an.

Deutschland und Frankreich haben noch nicht unterschrieben

Die EU schloss sich in einer Stellungnahme der Forderung an, “dem Menschenrechtsrat Bericht zu erstatten, die Menschenrechtslage in China genau zu beobachten, zu berichten und zu bewerten.” Die jüngsten Dokumente bestätigten den Ernst der Menschenrechtslage in China, insbesondere in Xinjiang, Tibet und der Inneren Mongolei, hieß es seitens der EU-Vertretung.

Eine Abstimmung über die beantragte Entscheidung wird es frühestens am kommenden Donnerstag geben, ehe die Session nach vier Wochen am 7. Oktober schließen wird. Würde der Antrag angenommen, könnte es bei der 52. Session erstmals in der 16-jährigen Geschichte des Gremiums dazu kommen, dass die Volksrepublik China als Mitglied des UN-Sicherheitsrates Bestandteil einer Menschenrechts-Resolution wäre.

Scheitert der Antrag, hätte die Volksrepublik den ersten Sturm weltweiter Entrüstung nach der UN-Anklage schadlos ausgehalten – zumindest auf UN-Ebene. Nationalen Regierungen und Parlamenten, aber auch der EU bliebe es weiterhin vorbehalten, politische Konsequenzen zu ziehen. Man sei jedoch sehr zuversichtlich, dass die Entscheidung durch den Rat gehe, andernfalls würde man sie nicht einbringen, kommentierte eine europäische Diplomatin im Gespräch mit China.Table.

Als zweitgrößte Volkswirtschaft erarbeitet sich China zunehmend Einfluss auf einzelne Staaten und deren Abstimmungsverhalten in UN-Gremien. Auch in Genf werde seit Beginn der Session hinter den Kulissen verhandelt, um Mehrheiten zu organisieren, heißt es. Auch Deutschland ist aktuell Mitglied im Rat und gleichzeitig Befürworter des Antrags.

Funktionäre aus Xinjiang sprechen vor dem Rat

Neben Großbritannien und den Vereinigten Staaten hatten anfänglich jedoch nur Kanada, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden das Dokument unterzeichnet. Allerdings blieb die Liste zwei Tage lang geöffnet und wurde vor Ablauf der Deadline am MIttwochmittag auch noch von der deutschen Vertretung unterzeichnet.

Die US-Regierung bezeichnet die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang offiziell als Genozid. “Wir fordern die Volksrepublik China auf, diese Gräueltaten unverzüglich einzustellen, die zu Unrecht Inhaftierten freizulassen, über das Schicksal der Verschwundenen Rechenschaft abzulegen und unabhängigen Experten ungehinderten Zugang nach Xinjiang zu gewähren”, heißt es seitens der USA.

Laut UN-Konventionen leitet sich aus der Feststellung eines Genozids eine völkerrechtliche Verpflichtung ab. Darauf wies der frühere Richter Sir Geoffrey Nice hin, der dem unabhängigen Uiguren-Tribunal in Großbritannien zwischen 2020 und Ende 2021 vorgesessen hatte. “Der Internationale Gerichtshof sagt, dass der Anerkennung eines Genozids unmittelbare Taten folgen müssen, um die Verbrechen zu beenden. Die Amerikaner könnten noch viel mehr tun”, sagte Nice bei einer Pressekonferenz in Genf in der Vorwoche.

Zur Generaldebatte der 51. Session am vergangenen Montag hatte die Volksrepublik allen Null-Covid-Maßnahmen zum Trotz gleich drei Funktionäre aus Xinjiang eingeflogen, um sie vor dem Rat sprechen zu lassen. Gleich mehrere Mitglieder des Rates stießen ins selbe Horn. Malaysia, Indonesien oder Indien beispielsweise unterstützten die chinesischen Haltung und vermittelten nachdrücklich, dass eine mögliche Zulassung von Antrag A/HRC/51/L.6 bestenfalls eine hauchdünne Angelegenheit wird.

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Kinoerfolg “Return to Dust”: Zu authentisch für Peking

Unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer körperlich behinderten Frau: Filmstill aus "Return to Dust" - der Film ist nun der Zensur in China zum Opfer gefallen
Unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer körperlich behinderten Frau: Filmstill aus “Return to Dust”

Dass “Return to Dust” (隐入尘烟, zu deutsch in etwa “Versteckt in Staub und Rauch”, d.Red.) überhaupt jemals auf chinesischen Kinoleinwänden projiziert würde, ist bereits ein kleines Wunder. Denn der sperrige Film, der die unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer Frau mit körperlicher Behinderung erzählt, wartet mit all jenen Eigenschaften auf, die in der Volksrepublik das Mainstream-Publikum verschrecken und die Zensurbehörden auf den Plan rufen: ein niedriges Budget, statische Kameraeinstellungen und eine schwer zu verdauende Gesellschaftskritik.

Weniger überraschend begeisterte das Werk von Regisseur Li Ruijun zunächst internationale Cineasten, unter anderem während seiner Weltpremiere im Februar auf der Berlinale. Doch entgegen aller Prognosen setzte sich “Return to Dust” schließlich auch auf dem chinesischen Publikumsmarkt durch, wo sonst kommerzielle Blockbuster und Propaganda dominieren: Bis Mitte September spielte der Film über 100 Millionen RMB ein, umgerechnet immerhin fast 15 Millionen Euro.

Sperre auf sämtlichen Streaming-Diensten

Doch dann wurden die Zensoren nervös: Zunächst zogen sie “Return to Dust” aus dem offiziellen Kinoprogramm. Und als ob das nicht genug wäre, löschten sie den Film am Montag aus sämtlichen Streaming-Diensten – ohne jegliche Begründung. Das ist insofern besonders zynisch, als der Film einst selbst von der “Volkszeitung” – immerhin offizielles Organ der Kommunistischen Partei – mit einer wohlmeinenden Kritik versehen und als “Hommage an das einfache Landleben” angepriesen wurde.

Und genau jene dokumentarische Authentizität war es auch, die einen Nerv des chinesischen Kinopublikums traf. Regisseur Li ließ seinen gesamten Cast ein ganzes Jahr lang auf einem Bauernhof in der nordwestchinesischen Einöde von Gansu arbeiten, um sich dort an die Dialekte, den wirtschaftlich rückständigen Alltag und das harsche Klima zu gewöhnen. Alles andere, so sagte der Filmemacher vor wenigen Monaten in einem Interview, hätte er als Verrat an jener Gemeinschaft empfunden, in der er selbst aufgewachsen ist.

Der 39-Jährige kennt die Armut nämlich aus eigener Erfahrung. Sein Heimatdorf war bis in die 1990-er Jahre nicht einmal am Stromnetz angeschlossen. Doch mit der Elektrizität kam auch die Liebe zu den Fernsehfilmen, die seinen Wunsch zur Flucht aus der Einöde des chinesischen Nordwestens nährten.

Und aufgrund seines früh erkannten künstlerischen Talents ergatterte Li tatsächlich einen Ausbildungsplatz bei der nationalen Rundfunkbehörde in Peking, wo der junge Chinese plötzlich mit einer ganz neuen Welt konfrontiert war. Er sog die Filme der französischen “Nouvelle Vague” auf und begeisterte sich für den “Neorealismus” der italienischen Regisseure. Ein Meisterwerk von Vittorio de Sica sollte ihn ganz besonders prägen: “Fahrraddiebe” von 1948, welcher in den Straßen Roms gedreht wurde, von einfachen Leuten handelte und teils ohne professionelle Schauspieler auskam.

Diese Arbeitsweise adaptierte Li künftig auch bei seinen eigenen Filmen, die allesamt von den Sorgen und Nöten, aber auch Wünschen und Leidenschaften einfacher Leute erzählen.

Chinesische Filmfans üben Kritik

Dass seine künstlerische Stimme nun in seiner Heimat verstummt, macht viele Chinesen traurig. “Es ist eine wirkliche Schande”, meint ein User auf der Online-Plattform Weibo. Ein anderer schreibt resigniert: “Dass solch ein einfühlsamer Film einfach gelöscht werden kann…. Es scheint, als ob es hier wirklich keine Hoffnung mehr gibt”. Auch Carlo Chatrian, künstlerischer Leiter der Berlinale, zeigte sich auf seinem Twitter-Account “sehr traurig” über die Zensurmaßnahme.

Doch in der verqueren Logik der chinesischen Regierung ist diese durchaus konsequent. Denn Staatschef Xi Jinping geriert sich zwar als Mann des einfachen Volks, der sich der Armutsbekämpfung in den Provinzen verschrieben hat. Doch gleichzeitig verlangt er, dass sein Volk möglichst wenig von ebenjenen sozialen Problemen zu sehen bekommt: Die Künste sollen laut Xi “positive Energien” verbreiten und die Leute “harmonisieren”. In der offiziellen Propaganda gilt die “extreme Armut” in China dank der Regierungsmaßnahmen bereits seit Anfang 2021 als “besiegt”. Dementsprechend darf sie auch nicht in Werken wie “Return to Dust” porträtiert werden.

Wie wenig Respekt die Zensurbehörden vor der Kunstfreiheit haben, zeigten sie bereits vor mehreren Monaten: Denn noch ehe “Return to Dust” vollständig verboten wurde, änderten sie bereits das deprimierende Ende des Films in ein klassisches “Happy End”. So hieß es in einem nachträglich eingefügten Abspann-Text, dass der verarmte Protagonist nun – mit Hilfe der Regierung – es geschafft habe, von seinem heruntergekommenen Bauernhaus in eine moderne Wohnung zu ziehen. Fabian Kretschmer

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News

Chinas Image verschlechtert sich rapide

China hat in vielen Ländern mittlerweile einen deutlich schlechteren Ruf als noch vor wenigen Jahren. Das hat eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center ergeben. Die Untersuchungen bilden den Zeitraum von 2002 bis 2022 ab. Demnach verschlechterte sich das Image der Volksrepublik in vielen der befragten Länder stetig zwischen 2002 und 2017. Ab 2019 und 2020 ist dann ein sehr deutliches Ansteigen der negativen Einschätzung zu beobachten.

Besonders deutlich ist die Veränderung in Südkorea, Japan und Australien. 2002 blickten in Südkorea 31 Prozent der Befragten negativ auf China. 2022 sind es bereits 80 Prozent. In Japan stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von 42 Prozent auf 87 Prozent. In Australien verschlechterte sich Chinas Image ab 2017 rapide, inzwischen blicken 86 Prozent negativ auf das Land.

In Deutschland gaben im Jahr 2005 insgesamt 37 Prozent der Befragten an, eine schlechte Meinung von China zu haben. 2022 sind es mit 74 Prozent doppelt so viele. In den USA nahm die negative Sicht von 79 Prozent im Jahr 2020 auf 82 Prozent im Jahr 2022 zu. 

Die Forscher führen Ihre Ergebnisse unter anderem auf politische Ereignisse wie Chinas Umgang mit Covid-19, den Handelskrieg mit den USA und den Aufbau einer verstärkten Militärpräsenz im südchinesischen Meer zurück.

Untersucht wurde auch, wie die Länder die Politik von Xi Jinping einschätzen. In entwickelten Ländern besteht demnach aktuell ein sehr geringes Vertrauen in Chinas Staatsführer. Für Entwicklungsländer liegen kaum aktuelle Daten vor. Der Pew Research Center begründet dies mit schwierigen Bedingungen für die Erhebungen aufgrund von Corona. jul

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Meta zerschlägt Fake-News-Netzwerk aus China

Der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms hat nach eigenen Angaben ein chinesisches Netzwerk zerschlagen. Dieses habe gefälschte Konten auf Metas Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram sowie auf dem konkurrierenden Dienst Twitter unterhalten, teilte Meta am Dienstag mit. Es sei das erste Mal, das man eine chinesische Operation entdeckt habe, die sich gezielt darauf konzentriere, vor den Zwischenwahlen in den USA im November Nutzer anzusprechen. Zwar sei das Netzwerk klein und habe nicht viele Anhänger. Dennoch sei die Entdeckung bedeutsam, da sie auf eine direktere Einmischung in die US-Innenpolitik hindeute – wie sie bisher vor allem aus Russland bekannt ist.

Die gefälschten Konten gaben sich laut Meta als liberale und konservative Amerikaner in verschiedenen Staaten aus, posteten Memes und lauerten seit November 2021 in den Kommentaren unter Beiträgen öffentlicher Personen. Ein Beispiel-Screenshot zeigt ein Konto, das einen Facebook-Post des republikanischen Senators Marco Rubio kommentierte und ihn aufforderte, Waffengewalt zu stoppen. Dasselbe Netzwerk richtete auch gefälschte Konten ein, die sich als Personen in der Tschechischen Republik ausgaben – und die tschechische Regierung wegen ihrer China-Politik kritisierten, heißt es in dem Bericht. Kürzlich hatte zum Beispiel eine Delegation aus Tschechien Taiwan besucht. Meta hatte zugleich ein großes Netzwerk aus gefälschten russischen Konten ausgehoben, das vor allem Deutschland und andere europäische Staaten im Visier gehabt haben soll. rtr/ck

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709-Rechtsanwalt freigelassen

Zhou Shifeng ist frei. Nach sieben Jahren im Gefängnis wurde der chinesische Rechtsanwalt am Wochenende freigelassen. Zhou wurde 2015 beim sogenannten 709-Crackdown festgenommen, einem landesweiten Vorgehen gegen Anwälte und Aktivisten. Unter dem damals gerade mal zwei Wochen alten “Gesetz zum Schutz der Nationalen Sicherheit” wurden mehr als 300 Personen festgenommen und verhört. Sieben von ihnen wurden anschließend wegen Subversion zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt. Zhou war einer von ihnen. Ihm wurde in Tianjin der Prozess gemacht und er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt.

“Vielen Dank, dass Sie sich um meine Situation kümmern. Ich glaube, das zeigt die Sorge um die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in China”, sagte Zhou telefonisch der Zeitung South China Morning Post am Montag. Dem Zeitungsbericht zufolge habe Zhous Stimme am Telefon lebhaft geklungen. Er habe gegenüber dem Reporter jedoch sofort angemerkt, dass es kein guter Zeitpunkt für ihn sei, um über seine Situation zu sprechen.

Zhou ist Gründer der Pekinger Fengrui-Kanzlei, die prominente Regierungskritiker wie den Künstler Ai Weiwei oder auch die Journalistin und Mitarbeiterin der deutschen Wochenzeitung “ZEIT” Zhang Miao verteidigte. Das damalige Vorgehen ist inzwischen unter dem Begriff 中国709维权律师大抓捕事件 bekannt, wobei “709” auf das Datum zurückgeht: Es war der 9. Juli 2015. rad

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Olympia in Peking: Aufarbeitung mit IOC-Chef Bach gewünscht

Thomas Bach (links) beim Empfang durch Chinas Staatspräsident Xi: Eine Aufarbeitung von Olympia in Peking 2022 soll eventuell mit Thomas Bach  erfolgen.
Thomas Bach (links) beim Empfang durch Chinas Staatspräsident Xi

Der Menschenrechtsausschuss im Deutschen Bundestag will den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, in das Gremium einladen. Die Abgeordneten stimmten am vergangenen Mittwoch für einen entsprechenden Antrag, um mit Bach die Vergabe der Olympischen Winterspiele an die Volksrepublik China aufzuarbeiten.

Vor zwei Wochen hatte eine Delegation des Ausschusses den IOC-Sitz in Lausanne besucht, war dort allerdings nicht mit Bach zusammengetroffen. Stattdessen wurden die deutschen Politiker, die zuvor beim Menschenrechtsrat im benachbarten Genf zahlreiche Gespräche geführt hatten, von Vertretern der Kommunikationsabteilung sowie der Kommission für Menschenrechte im IOC empfangen.

“Der Besuch beim IOC war nicht zufriedenstellend. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Fragen nur ausweichend beantwortet wurden. Die Antworten schienen vor allem die Absicht zu verfolgen, die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking auch nachträglich zu rechtfertigen”, sagte die Ausschussvorsitzende Renata Alt. Das IOC beurteilte den Besuch dagegen positiv. “Es herrschte eine gute Gesprächsatmosphäre, die uns die Chance zu einem konstruktiven Austausch gegeben hat”, betonte ein Sprecher. grz

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Heads

Weina Zhao – Regisseurin auf Spurensuche ihrer Familie

Weina Zhao war als Kind jeden Sommer in ihrem Geburtsort Peking
Weina Zhao war als Kind jeden Sommer in ihrem Geburtsort Peking.

“In unserer Familie gab es immer die lustige Anekdote, dass mein Opa nur kalt duscht”, erzählt Weina Zhao. “Erst in der Recherche zu meinem Film “Weiyena” habe ich erfahren, warum er das tut.” Weina Zhao ist in Peking geboren und im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie nach Wien gezogen. Ihre Eltern benannten sie sogar auf Chinesisch nach dieser Stadt. Während ihres Sinologie-Studiums an der dortigen Universität interessierte sie sich immer mehr für die Filmbranche, nahm kleinere Jobs an und beschloss nach dem Masterabschluss gemeinsam mit Judith Benedikt einen Film über ihre Familiengeschichte zu drehen.

“Eigentlich war der Film eine Ausrede, um endlich die Fragen stellen zu können, die mich interessierten”, sagt die 36-Jährige. Es sei typisch für Kinder von migrierten Eltern, dass sie über die Einwanderungsgeschichte nur wenig wüssten. Sie habe immer gespürt, dass sie danach lieber nicht fragen sollte. “Durch meine Rolle als Regisseurin verändere ich mich als Tochter und Enkeltochter”, sagt Weina als Erzählerin in der Doku. “Intime Fragen werden als Spiel getarnt. Als Fremde in einer professionellen Funktion, ist meine Annäherung auf einmal nicht mehr unangenehm.”

Sieben Jahre für “Weiyena

Weiyena erzählt Chinas Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von Weinas Familie: Ihr Urgroßvater, der Mao Zedong an die Macht verhalf und dann selbst ein Verfolgter der kommunistischen Partei wurde, ihre Großmutter, die während des Zweiten Weltkriegs unter der Besatzung der Japaner litt oder der Großvater, der während der Kulturrevolution verfolgt und in ein Arbeitslager gebracht wurde. Bis heute duscht er kalt, weil seine Haut damals unter der schweren Arbeit in der Sonne verbrannte. “Erst als ich die Geschichte meiner Familie ins Deutsche übersetzte, spürte ich das ganze Leid und die Brutalität ihrer Leben”, sagt Weina. “Vielleicht ist Deutsch die Sprache, in der ich fühle.”

Sieben Jahre vergingen von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung vor zwei Jahren. “Weiyena” hat das jahrelange Schweigen in ihrer Familie gebrochen. Sie wünscht sich, dass der Film auch andere Menschen dazu inspiriert, ihrer Familiengeschichte auf den Grund zu gehen. “Es ist das Schweigen, das transgenerationale Traumata erzeugt. Mein ganzes Leben hat meine Mutter mich vor ihrer Vergangenheit und die unserer Familie beschützt. Aber ich weiß, dass ihre Verletzungen auch in mein Leben hineinreichen. Erst, wenn wir darüber reden, können wir diese Traumata auflösen.”

Ein Magazin von und für die asiatische Diaspora

In ihrer Arbeit beschäftigen Weina die Themen der Identität und der Sprache. Gemeinsam mit Freundinnen hat sie vor zwei Jahren “Perilla” gegründet, ein Magazin von und für die asiatische Diaspora. “Bei Perilla geht es nicht darum, andere über das Asiatisch-sein aufzuklären oder ganz bewusst Stereotype aufzulösen. Wir wollten einfach einen Raum öffnen, in dem asiatisch-diasporische Menschen etwas erschaffen und veröffentlichen können, ein Raum, der Identität ermöglicht.”

Ihre eigene Identität stellt Weina nicht mehr infrage. Sie ist Österreicherin und Chinesin. Nichts von beidem ist sie mehr als das andere. Auch das Dazwischensein hat sie aufgegeben. Svenja Napp

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China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    • Resolution wegen Xinjiang frühestens 2023
    • Zensoren beschneiden tiefgründiges Sozialdrama
    • Chinas Reputation immer weiter im Keller
    • Meta zerschlägt chinesisches Fake-News-Netzwerk
    • Anwalt Zhou nach sieben Jahren Haft zurück in Freiheit
    • Bundestags-Ausschuss lädt IOC-Präsident Bach ein
    • Weshalb Weina Zhaos Opa immer nur kalt duscht
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    der von Michelle Bachelet vor Monatsfrist vorgelegte Xinjiang-Bericht müsste eigentlich substantielle Konsequenzen mit sich bringen. Schließlich lieferte er detaillierte Indizien, die auf “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” der chinesischen Regierung schließen lassen. Doch der UN-Menschenrechtsrat ist gespalten. Bestenfalls beschließt er gegen Ende nächster Woche eine ausführliche Debatte zu dem Bericht für das kommende Jahr.

    Doch immerhin: Würde dieser Antrag angenommen, könnte er den Weg ebnen zur ersten Resolution gegen China in der Geschichte des Menschenrechtsrates. Scheitert der Antrag, hätte China den ersten Sturm weltweiter Entrüstung nach der UN-Anklage erstmal überstanden – zumindest auf UN-Ebene. Doch die Initiatoren sind zuversichtlich, hat China.Table erfahrenn.

    Dennoch grenzt es an Absurdität, dass Menschenrechtsverbrechen in dieser Größenordnung möglicherweise von jenem Gremium nicht geahndet werden, das als welthöchste Instanz für die Gerechtigkeit der Opfer kämpfen sollte. Und es ist zutiefst bedauerlich, dass Menschenrechte heutzutage derart weit entfernt davon sind, als universell zu gelten.

    Diktaturen im Allgemeinen, aber die chinesische im Besonderen gehören zu den treibenden Kräften dieser tragischen Entwicklung. Die Bevölkerungen in vielen westlichen Staaten nehmen das zunehmend zur Kenntnis. Das Image der Volksrepublik China hat sich dort in den vergangenen Jahren drastisch verschlechtert.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Sonderberichterstatter für China?

    Am Mittwochvormittag waren die Antragsteller von Dokument A/HRC/51/L.6 zu einer letzten informellen Beratung zusammengekommen. In den Räumlichkeiten der Vereinten Nationen in Genf hatte Großbritannien zur abschließenden Diskussion über einen Beschlussentwurf geladen, der als Lackmustest für die Kräfteverhältnisse im Menschenrechtsrat gilt. Die zentrale Frage lautet: Ist das UN-Gremium grundsätzlich bereit, dem vor Monatsfrist veröffentlichten Xinjiang-Bericht des Hochkommissariats Taten folgen zu lassen?

    In der Theorie scheint nichts logischer zu sein als das. Schließlich lieferte der Bericht detaillierte Beweise und Indizien, die auf “Verbrechen gegen die Menschlichkeit” schließen lassen. Doch in der Praxis ist der Menschenrechtsrat in der Frage gespalten, ob es sich bei Folter, Zwangsarbeit und Internierung von Millionen Uiguren in Xinjiang um eine rein chinesische Angelegenheit handelt.

    Das Papier, das sich dieser Frage widmet, bleibt inhaltlich hinter der Forderung konkreter Maßnahmen zurück. Es formuliert stattdessen den Beschluss “auf seiner zweiundfünfzigsten Tagung unter Punkt 2 eine Aussprache über die Lage der Menschenrechte in der autonomen uigurischen Region Xinjiang abzuhalten.” Die 52. Session beginnt im Februar 2023. Die Befürworter des Papiers versuchen, Zeit zu gewinnen, um dann eine mögliche Abstimmung über substanzielle Konsequenzen gewinnen zu können.

    Hochkommissarin sieht Zeit für Handeln gekommen

    Die betroffenen Uiguren, Menschenrechtsorganisationen und Mitglieder der unabhängigen Experten-Kommission hatten schon jetzt auf eine Resolution gehofft. “Jetzt ist dieser Bericht aktuell. Deswegen besteht jetzt die größte Chance, dass Entscheidungen getroffen werden, die den Uiguren in Xinjiang sofort helfen können”, sagt Zumretay Arkin, die als Sprecherin und Lobbyistin des Weltkongresses der Uiguren (WUC) nach Genf gereist ist.

    Doch die Initiatoren betonen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt eine Eskalation im Rat vermeiden und stattdessen allen Mitgliedsländern Zeit verschaffen wollen, sich intensiv mit dem UN-Bericht auseinanderzusetzen. Denn der war weniger als zwei Wochen vor Beginn der 51. Session veröffentlicht worden. Bis zum kommenden Jahr wird also definitiv keine Entscheidung gefällt, welche Konsequenzen der Xinjiang-Bericht haben wird.

    Diskutiert wird ein sogenannter China-Mechanismus. Dieser würde beinhalten, dass die UN einen eigenen Sonderberichterstatter für Menschenrechtsverbrechen in der Volksrepublik installieren würde. Davon gibt es bislang elf, beispielsweise für Syrien, Afghanistan, Nordkorea oder Eritrea. Zudem gibt es 44 Themenbereiche, die von Sonderberichterstattern abgedeckt werden, aber nicht länderspezifisch begrenzt sind.

    Dass der Zeitpunkt günstig ist, erkennt auch das Hochkommissariat. Die amtierende Leiterin, Nada Al-Nashif, hatte vergangene Woche im Gespräch mit einer Delegation des gastierenden Menschenrechtsausschusses im Deutschen Bundestag dem Vernehmen nach betont, dass sie ein entschlossenes Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft für zwingend nötig hält. Allerdings ist Al-Nashif nur kommissarisch im Amt, nachdem ihre Vorgängerin Michelle Bachelet relativ kurzfristig entschieden hatte, für keine weitere Amtszeit zur Verfügung zu stehen. Der designierte Nachfolger Volker Türk tritt seinen Posten erst Mitte Oktober an.

    Deutschland und Frankreich haben noch nicht unterschrieben

    Die EU schloss sich in einer Stellungnahme der Forderung an, “dem Menschenrechtsrat Bericht zu erstatten, die Menschenrechtslage in China genau zu beobachten, zu berichten und zu bewerten.” Die jüngsten Dokumente bestätigten den Ernst der Menschenrechtslage in China, insbesondere in Xinjiang, Tibet und der Inneren Mongolei, hieß es seitens der EU-Vertretung.

    Eine Abstimmung über die beantragte Entscheidung wird es frühestens am kommenden Donnerstag geben, ehe die Session nach vier Wochen am 7. Oktober schließen wird. Würde der Antrag angenommen, könnte es bei der 52. Session erstmals in der 16-jährigen Geschichte des Gremiums dazu kommen, dass die Volksrepublik China als Mitglied des UN-Sicherheitsrates Bestandteil einer Menschenrechts-Resolution wäre.

    Scheitert der Antrag, hätte die Volksrepublik den ersten Sturm weltweiter Entrüstung nach der UN-Anklage schadlos ausgehalten – zumindest auf UN-Ebene. Nationalen Regierungen und Parlamenten, aber auch der EU bliebe es weiterhin vorbehalten, politische Konsequenzen zu ziehen. Man sei jedoch sehr zuversichtlich, dass die Entscheidung durch den Rat gehe, andernfalls würde man sie nicht einbringen, kommentierte eine europäische Diplomatin im Gespräch mit China.Table.

    Als zweitgrößte Volkswirtschaft erarbeitet sich China zunehmend Einfluss auf einzelne Staaten und deren Abstimmungsverhalten in UN-Gremien. Auch in Genf werde seit Beginn der Session hinter den Kulissen verhandelt, um Mehrheiten zu organisieren, heißt es. Auch Deutschland ist aktuell Mitglied im Rat und gleichzeitig Befürworter des Antrags.

    Funktionäre aus Xinjiang sprechen vor dem Rat

    Neben Großbritannien und den Vereinigten Staaten hatten anfänglich jedoch nur Kanada, Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden das Dokument unterzeichnet. Allerdings blieb die Liste zwei Tage lang geöffnet und wurde vor Ablauf der Deadline am MIttwochmittag auch noch von der deutschen Vertretung unterzeichnet.

    Die US-Regierung bezeichnet die Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang offiziell als Genozid. “Wir fordern die Volksrepublik China auf, diese Gräueltaten unverzüglich einzustellen, die zu Unrecht Inhaftierten freizulassen, über das Schicksal der Verschwundenen Rechenschaft abzulegen und unabhängigen Experten ungehinderten Zugang nach Xinjiang zu gewähren”, heißt es seitens der USA.

    Laut UN-Konventionen leitet sich aus der Feststellung eines Genozids eine völkerrechtliche Verpflichtung ab. Darauf wies der frühere Richter Sir Geoffrey Nice hin, der dem unabhängigen Uiguren-Tribunal in Großbritannien zwischen 2020 und Ende 2021 vorgesessen hatte. “Der Internationale Gerichtshof sagt, dass der Anerkennung eines Genozids unmittelbare Taten folgen müssen, um die Verbrechen zu beenden. Die Amerikaner könnten noch viel mehr tun”, sagte Nice bei einer Pressekonferenz in Genf in der Vorwoche.

    Zur Generaldebatte der 51. Session am vergangenen Montag hatte die Volksrepublik allen Null-Covid-Maßnahmen zum Trotz gleich drei Funktionäre aus Xinjiang eingeflogen, um sie vor dem Rat sprechen zu lassen. Gleich mehrere Mitglieder des Rates stießen ins selbe Horn. Malaysia, Indonesien oder Indien beispielsweise unterstützten die chinesischen Haltung und vermittelten nachdrücklich, dass eine mögliche Zulassung von Antrag A/HRC/51/L.6 bestenfalls eine hauchdünne Angelegenheit wird.

    • EU
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    • Menschenrechte
    • Uiguren
    • Vereinte Nationen
    • Xinjiang
    • Zivilgesellschaft

    Kinoerfolg “Return to Dust”: Zu authentisch für Peking

    Unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer körperlich behinderten Frau: Filmstill aus "Return to Dust" - der Film ist nun der Zensur in China zum Opfer gefallen
    Unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer körperlich behinderten Frau: Filmstill aus “Return to Dust”

    Dass “Return to Dust” (隐入尘烟, zu deutsch in etwa “Versteckt in Staub und Rauch”, d.Red.) überhaupt jemals auf chinesischen Kinoleinwänden projiziert würde, ist bereits ein kleines Wunder. Denn der sperrige Film, der die unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen einem verarmten Bauern und einer Frau mit körperlicher Behinderung erzählt, wartet mit all jenen Eigenschaften auf, die in der Volksrepublik das Mainstream-Publikum verschrecken und die Zensurbehörden auf den Plan rufen: ein niedriges Budget, statische Kameraeinstellungen und eine schwer zu verdauende Gesellschaftskritik.

    Weniger überraschend begeisterte das Werk von Regisseur Li Ruijun zunächst internationale Cineasten, unter anderem während seiner Weltpremiere im Februar auf der Berlinale. Doch entgegen aller Prognosen setzte sich “Return to Dust” schließlich auch auf dem chinesischen Publikumsmarkt durch, wo sonst kommerzielle Blockbuster und Propaganda dominieren: Bis Mitte September spielte der Film über 100 Millionen RMB ein, umgerechnet immerhin fast 15 Millionen Euro.

    Sperre auf sämtlichen Streaming-Diensten

    Doch dann wurden die Zensoren nervös: Zunächst zogen sie “Return to Dust” aus dem offiziellen Kinoprogramm. Und als ob das nicht genug wäre, löschten sie den Film am Montag aus sämtlichen Streaming-Diensten – ohne jegliche Begründung. Das ist insofern besonders zynisch, als der Film einst selbst von der “Volkszeitung” – immerhin offizielles Organ der Kommunistischen Partei – mit einer wohlmeinenden Kritik versehen und als “Hommage an das einfache Landleben” angepriesen wurde.

    Und genau jene dokumentarische Authentizität war es auch, die einen Nerv des chinesischen Kinopublikums traf. Regisseur Li ließ seinen gesamten Cast ein ganzes Jahr lang auf einem Bauernhof in der nordwestchinesischen Einöde von Gansu arbeiten, um sich dort an die Dialekte, den wirtschaftlich rückständigen Alltag und das harsche Klima zu gewöhnen. Alles andere, so sagte der Filmemacher vor wenigen Monaten in einem Interview, hätte er als Verrat an jener Gemeinschaft empfunden, in der er selbst aufgewachsen ist.

    Der 39-Jährige kennt die Armut nämlich aus eigener Erfahrung. Sein Heimatdorf war bis in die 1990-er Jahre nicht einmal am Stromnetz angeschlossen. Doch mit der Elektrizität kam auch die Liebe zu den Fernsehfilmen, die seinen Wunsch zur Flucht aus der Einöde des chinesischen Nordwestens nährten.

    Und aufgrund seines früh erkannten künstlerischen Talents ergatterte Li tatsächlich einen Ausbildungsplatz bei der nationalen Rundfunkbehörde in Peking, wo der junge Chinese plötzlich mit einer ganz neuen Welt konfrontiert war. Er sog die Filme der französischen “Nouvelle Vague” auf und begeisterte sich für den “Neorealismus” der italienischen Regisseure. Ein Meisterwerk von Vittorio de Sica sollte ihn ganz besonders prägen: “Fahrraddiebe” von 1948, welcher in den Straßen Roms gedreht wurde, von einfachen Leuten handelte und teils ohne professionelle Schauspieler auskam.

    Diese Arbeitsweise adaptierte Li künftig auch bei seinen eigenen Filmen, die allesamt von den Sorgen und Nöten, aber auch Wünschen und Leidenschaften einfacher Leute erzählen.

    Chinesische Filmfans üben Kritik

    Dass seine künstlerische Stimme nun in seiner Heimat verstummt, macht viele Chinesen traurig. “Es ist eine wirkliche Schande”, meint ein User auf der Online-Plattform Weibo. Ein anderer schreibt resigniert: “Dass solch ein einfühlsamer Film einfach gelöscht werden kann…. Es scheint, als ob es hier wirklich keine Hoffnung mehr gibt”. Auch Carlo Chatrian, künstlerischer Leiter der Berlinale, zeigte sich auf seinem Twitter-Account “sehr traurig” über die Zensurmaßnahme.

    Doch in der verqueren Logik der chinesischen Regierung ist diese durchaus konsequent. Denn Staatschef Xi Jinping geriert sich zwar als Mann des einfachen Volks, der sich der Armutsbekämpfung in den Provinzen verschrieben hat. Doch gleichzeitig verlangt er, dass sein Volk möglichst wenig von ebenjenen sozialen Problemen zu sehen bekommt: Die Künste sollen laut Xi “positive Energien” verbreiten und die Leute “harmonisieren”. In der offiziellen Propaganda gilt die “extreme Armut” in China dank der Regierungsmaßnahmen bereits seit Anfang 2021 als “besiegt”. Dementsprechend darf sie auch nicht in Werken wie “Return to Dust” porträtiert werden.

    Wie wenig Respekt die Zensurbehörden vor der Kunstfreiheit haben, zeigten sie bereits vor mehreren Monaten: Denn noch ehe “Return to Dust” vollständig verboten wurde, änderten sie bereits das deprimierende Ende des Films in ein klassisches “Happy End”. So hieß es in einem nachträglich eingefügten Abspann-Text, dass der verarmte Protagonist nun – mit Hilfe der Regierung – es geschafft habe, von seinem heruntergekommenen Bauernhaus in eine moderne Wohnung zu ziehen. Fabian Kretschmer

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    Chinas Image verschlechtert sich rapide

    China hat in vielen Ländern mittlerweile einen deutlich schlechteren Ruf als noch vor wenigen Jahren. Das hat eine Studie des US-amerikanischen Meinungsforschungsinstituts Pew Research Center ergeben. Die Untersuchungen bilden den Zeitraum von 2002 bis 2022 ab. Demnach verschlechterte sich das Image der Volksrepublik in vielen der befragten Länder stetig zwischen 2002 und 2017. Ab 2019 und 2020 ist dann ein sehr deutliches Ansteigen der negativen Einschätzung zu beobachten.

    Besonders deutlich ist die Veränderung in Südkorea, Japan und Australien. 2002 blickten in Südkorea 31 Prozent der Befragten negativ auf China. 2022 sind es bereits 80 Prozent. In Japan stieg die Zahl im gleichen Zeitraum von 42 Prozent auf 87 Prozent. In Australien verschlechterte sich Chinas Image ab 2017 rapide, inzwischen blicken 86 Prozent negativ auf das Land.

    In Deutschland gaben im Jahr 2005 insgesamt 37 Prozent der Befragten an, eine schlechte Meinung von China zu haben. 2022 sind es mit 74 Prozent doppelt so viele. In den USA nahm die negative Sicht von 79 Prozent im Jahr 2020 auf 82 Prozent im Jahr 2022 zu. 

    Die Forscher führen Ihre Ergebnisse unter anderem auf politische Ereignisse wie Chinas Umgang mit Covid-19, den Handelskrieg mit den USA und den Aufbau einer verstärkten Militärpräsenz im südchinesischen Meer zurück.

    Untersucht wurde auch, wie die Länder die Politik von Xi Jinping einschätzen. In entwickelten Ländern besteht demnach aktuell ein sehr geringes Vertrauen in Chinas Staatsführer. Für Entwicklungsländer liegen kaum aktuelle Daten vor. Der Pew Research Center begründet dies mit schwierigen Bedingungen für die Erhebungen aufgrund von Corona. jul

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    Meta zerschlägt Fake-News-Netzwerk aus China

    Der Facebook-Mutterkonzern Meta Platforms hat nach eigenen Angaben ein chinesisches Netzwerk zerschlagen. Dieses habe gefälschte Konten auf Metas Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram sowie auf dem konkurrierenden Dienst Twitter unterhalten, teilte Meta am Dienstag mit. Es sei das erste Mal, das man eine chinesische Operation entdeckt habe, die sich gezielt darauf konzentriere, vor den Zwischenwahlen in den USA im November Nutzer anzusprechen. Zwar sei das Netzwerk klein und habe nicht viele Anhänger. Dennoch sei die Entdeckung bedeutsam, da sie auf eine direktere Einmischung in die US-Innenpolitik hindeute – wie sie bisher vor allem aus Russland bekannt ist.

    Die gefälschten Konten gaben sich laut Meta als liberale und konservative Amerikaner in verschiedenen Staaten aus, posteten Memes und lauerten seit November 2021 in den Kommentaren unter Beiträgen öffentlicher Personen. Ein Beispiel-Screenshot zeigt ein Konto, das einen Facebook-Post des republikanischen Senators Marco Rubio kommentierte und ihn aufforderte, Waffengewalt zu stoppen. Dasselbe Netzwerk richtete auch gefälschte Konten ein, die sich als Personen in der Tschechischen Republik ausgaben – und die tschechische Regierung wegen ihrer China-Politik kritisierten, heißt es in dem Bericht. Kürzlich hatte zum Beispiel eine Delegation aus Tschechien Taiwan besucht. Meta hatte zugleich ein großes Netzwerk aus gefälschten russischen Konten ausgehoben, das vor allem Deutschland und andere europäische Staaten im Visier gehabt haben soll. rtr/ck

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    709-Rechtsanwalt freigelassen

    Zhou Shifeng ist frei. Nach sieben Jahren im Gefängnis wurde der chinesische Rechtsanwalt am Wochenende freigelassen. Zhou wurde 2015 beim sogenannten 709-Crackdown festgenommen, einem landesweiten Vorgehen gegen Anwälte und Aktivisten. Unter dem damals gerade mal zwei Wochen alten “Gesetz zum Schutz der Nationalen Sicherheit” wurden mehr als 300 Personen festgenommen und verhört. Sieben von ihnen wurden anschließend wegen Subversion zu Haftstrafen zwischen drei und acht Jahren verurteilt. Zhou war einer von ihnen. Ihm wurde in Tianjin der Prozess gemacht und er wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt.

    “Vielen Dank, dass Sie sich um meine Situation kümmern. Ich glaube, das zeigt die Sorge um die Rechtsstaatlichkeit und die Menschenrechte in China”, sagte Zhou telefonisch der Zeitung South China Morning Post am Montag. Dem Zeitungsbericht zufolge habe Zhous Stimme am Telefon lebhaft geklungen. Er habe gegenüber dem Reporter jedoch sofort angemerkt, dass es kein guter Zeitpunkt für ihn sei, um über seine Situation zu sprechen.

    Zhou ist Gründer der Pekinger Fengrui-Kanzlei, die prominente Regierungskritiker wie den Künstler Ai Weiwei oder auch die Journalistin und Mitarbeiterin der deutschen Wochenzeitung “ZEIT” Zhang Miao verteidigte. Das damalige Vorgehen ist inzwischen unter dem Begriff 中国709维权律师大抓捕事件 bekannt, wobei “709” auf das Datum zurückgeht: Es war der 9. Juli 2015. rad

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    Olympia in Peking: Aufarbeitung mit IOC-Chef Bach gewünscht

    Thomas Bach (links) beim Empfang durch Chinas Staatspräsident Xi: Eine Aufarbeitung von Olympia in Peking 2022 soll eventuell mit Thomas Bach  erfolgen.
    Thomas Bach (links) beim Empfang durch Chinas Staatspräsident Xi

    Der Menschenrechtsausschuss im Deutschen Bundestag will den Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, in das Gremium einladen. Die Abgeordneten stimmten am vergangenen Mittwoch für einen entsprechenden Antrag, um mit Bach die Vergabe der Olympischen Winterspiele an die Volksrepublik China aufzuarbeiten.

    Vor zwei Wochen hatte eine Delegation des Ausschusses den IOC-Sitz in Lausanne besucht, war dort allerdings nicht mit Bach zusammengetroffen. Stattdessen wurden die deutschen Politiker, die zuvor beim Menschenrechtsrat im benachbarten Genf zahlreiche Gespräche geführt hatten, von Vertretern der Kommunikationsabteilung sowie der Kommission für Menschenrechte im IOC empfangen.

    “Der Besuch beim IOC war nicht zufriedenstellend. Ich hatte das Gefühl, dass unsere Fragen nur ausweichend beantwortet wurden. Die Antworten schienen vor allem die Absicht zu verfolgen, die Vergabe der Olympischen Spiele an Peking auch nachträglich zu rechtfertigen”, sagte die Ausschussvorsitzende Renata Alt. Das IOC beurteilte den Besuch dagegen positiv. “Es herrschte eine gute Gesprächsatmosphäre, die uns die Chance zu einem konstruktiven Austausch gegeben hat”, betonte ein Sprecher. grz

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    Weina Zhao – Regisseurin auf Spurensuche ihrer Familie

    Weina Zhao war als Kind jeden Sommer in ihrem Geburtsort Peking
    Weina Zhao war als Kind jeden Sommer in ihrem Geburtsort Peking.

    “In unserer Familie gab es immer die lustige Anekdote, dass mein Opa nur kalt duscht”, erzählt Weina Zhao. “Erst in der Recherche zu meinem Film “Weiyena” habe ich erfahren, warum er das tut.” Weina Zhao ist in Peking geboren und im Alter von drei Jahren mit ihrer Familie nach Wien gezogen. Ihre Eltern benannten sie sogar auf Chinesisch nach dieser Stadt. Während ihres Sinologie-Studiums an der dortigen Universität interessierte sie sich immer mehr für die Filmbranche, nahm kleinere Jobs an und beschloss nach dem Masterabschluss gemeinsam mit Judith Benedikt einen Film über ihre Familiengeschichte zu drehen.

    “Eigentlich war der Film eine Ausrede, um endlich die Fragen stellen zu können, die mich interessierten”, sagt die 36-Jährige. Es sei typisch für Kinder von migrierten Eltern, dass sie über die Einwanderungsgeschichte nur wenig wüssten. Sie habe immer gespürt, dass sie danach lieber nicht fragen sollte. “Durch meine Rolle als Regisseurin verändere ich mich als Tochter und Enkeltochter”, sagt Weina als Erzählerin in der Doku. “Intime Fragen werden als Spiel getarnt. Als Fremde in einer professionellen Funktion, ist meine Annäherung auf einmal nicht mehr unangenehm.”

    Sieben Jahre für “Weiyena

    Weiyena erzählt Chinas Geschichte des 20. Jahrhunderts anhand von Weinas Familie: Ihr Urgroßvater, der Mao Zedong an die Macht verhalf und dann selbst ein Verfolgter der kommunistischen Partei wurde, ihre Großmutter, die während des Zweiten Weltkriegs unter der Besatzung der Japaner litt oder der Großvater, der während der Kulturrevolution verfolgt und in ein Arbeitslager gebracht wurde. Bis heute duscht er kalt, weil seine Haut damals unter der schweren Arbeit in der Sonne verbrannte. “Erst als ich die Geschichte meiner Familie ins Deutsche übersetzte, spürte ich das ganze Leid und die Brutalität ihrer Leben”, sagt Weina. “Vielleicht ist Deutsch die Sprache, in der ich fühle.”

    Sieben Jahre vergingen von der ersten Idee bis zur Veröffentlichung vor zwei Jahren. “Weiyena” hat das jahrelange Schweigen in ihrer Familie gebrochen. Sie wünscht sich, dass der Film auch andere Menschen dazu inspiriert, ihrer Familiengeschichte auf den Grund zu gehen. “Es ist das Schweigen, das transgenerationale Traumata erzeugt. Mein ganzes Leben hat meine Mutter mich vor ihrer Vergangenheit und die unserer Familie beschützt. Aber ich weiß, dass ihre Verletzungen auch in mein Leben hineinreichen. Erst, wenn wir darüber reden, können wir diese Traumata auflösen.”

    Ein Magazin von und für die asiatische Diaspora

    In ihrer Arbeit beschäftigen Weina die Themen der Identität und der Sprache. Gemeinsam mit Freundinnen hat sie vor zwei Jahren “Perilla” gegründet, ein Magazin von und für die asiatische Diaspora. “Bei Perilla geht es nicht darum, andere über das Asiatisch-sein aufzuklären oder ganz bewusst Stereotype aufzulösen. Wir wollten einfach einen Raum öffnen, in dem asiatisch-diasporische Menschen etwas erschaffen und veröffentlichen können, ein Raum, der Identität ermöglicht.”

    Ihre eigene Identität stellt Weina nicht mehr infrage. Sie ist Österreicherin und Chinesin. Nichts von beidem ist sie mehr als das andere. Auch das Dazwischensein hat sie aufgegeben. Svenja Napp

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