Table.Briefing: China

CEO-Talk: Matthias Schroeder + Regulierung von Algorithmen

  • CEO-Talk: Matthias Schroeder zu Justiz und Datenschutz
  • Algorithmen strenger reguliert als in der EU
  • Mögliches Verbot von US-Börsengängen
  • Zulassung von Biontech bewusst verzögert?
  • EU arbeitet an Vorschriften für Beschaffung
  • ARM entwickelt eigenes Computersystem
  • Peking weist US-Bericht zu Corona zurück
  • Standpunkt: Krieg zwischen USA und China ist vermeidbar
Liebe Leserin, lieber Leser,

das Verhältnis des Einzelnen zur Justiz ist eine wesentliche Dimension jeder Gesellschaft. Der Anwalt Matthias Schroeder blickt hier als Insider auf die Lage in China. Er ist in Peking geboren und praktiziert dort heute Recht. Schroeder sieht ein System, das die meisten chinesischen Bürgerinnen und Bürger als völlig ausreichend empfinden. Der Kanzleigründer erkennt zwar auch die Schwächen der aktuellen Rechtsordnung. Doch die politische Einflussnahme ist in den meisten Streitfragen minimal. Von der gefürchteten Unrechtsjustiz sind vor allem die wenigen politisch Engagierten betroffen. In unserem CEO-Talk beschreibt Schroeder, warum die in China sozialisierte Mehrheit daher grundsätzlich zufrieden ist mit der Justiz, die sie vorfindet. Das Rechtswesen ist auch bereits viel höher entwickelt als eine Generation zuvor.

Doch die ständige Fortentwicklung des Rechts bringt der Kommunistischen Partei auch neue Herausforderungen. Sie verändert das Denken und schraubt die Ansprüche herauf. Ein Beispiel ist hier das neue Datenschutzgesetz. Es schreibt im Detail vor, was die Industrie mit den Daten der Kunden machen darf, oder besser: nicht mehr machen darf. Es ist von hier jedoch nur ein kleiner Schritt zu der Frage, was der Staat eigentlich mit Daten der Bürger und Bürgerinnen macht. “Der Geist ist aus der Flasche”, sagt Schroeder.

Chinas Datenschutz überholt in der kommerziellen Sphäre nun nach Ansicht vieler Experten sogar den in der EU und USA. Die Regierung scheut sich eben nicht, hart reinzugrätschen. In einer Analyse sehen wir uns heute die laufende Regulierung der Algorithmen an. In China sollen Bürger künftig abrufen können, welche Datenpunkte und Einschätzungen zu ihren Vorlieben bei den Dienstleistern vorliegen. Dieses Recht würde sich so mancher auch in Deutschland gegenüber Google, Amazon und Facebook wünschen.

Einen guten Start in die Woche wünscht

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

CEO-Talk

“Beim Datenschutz ist der Geist aus der Flasche”

Anwalt Matthias Schoeder über Chinesisches Recht

Matthias Schroeder ist Drilling und dennoch ziemlich einmalig: Ein deutscher Anwalt, der in Peking geboren und überwiegend dort aufgewachsen ist. Der Grund dafür ist einfach. Die Eltern des 46-Jährigen waren ostdeutsche Diplomaten. Sie haben in den 70er-Jahren mit George Bush und seiner Frau Barbara in Peking Tennis gespielt. Denn der ehemalige US-Präsident war damals inoffizieller US-Botschafter dort. Schroeder ist sein ganzes Leben lang geblieben – als einziger der drei Brüder.

Der 1,97 Meter große, sportliche Anwalt hat in Kapstadt und Berlin Jura studiert und sich nach der einen oder anderen Zwischenstation in China mit einer eigenen Kanzlei in Peking als Experte für chinesisches Recht selbstständig gemacht: Ding Schroeder & Partner. Auch die Website Law-China.de gehört ihm. Außerhalb des Berufs engagiert er sich im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schnelllesen, außerdem ist er Fitness-Trainer. Schroeder ist auch der einzige deutsche Anwalt in China, der vor Gericht auftritt. Kurz: Schroeder weiß, wie Recht in China geht.

Herr Schroeder, ist China ein Rechtsstaat?

Das kommt darauf an, was man unter einem Rechtsstaat versteht. Ich verstehe unter einem Rechtsstaat einen Staat, in dem das Recht herrscht und nicht einzelne Personen. So ähnlich würden es chinesische Führer auch formulieren. Ich wäre etwas vorsichtiger. Aber immerhin, China wandelt sich. Die Herrschaft der Kader wird schrittweise abgelöst durch die Herrschaft des Rechts, also in die Richtung des Verständnisses von einem Rechtsstaat, zu dem wir als Europäer eher neigen.

Chinesisches Rechtssystem: KP steht an oberster Stelle

Was fehlt noch auf dem Weg in die Richtung?

Bei uns ist der Gesetzgeber selbst an das Gesetz gebunden. In China noch nicht in dem Maße. Auch die Partei ist nicht sklavisch an die Gesetze gebunden. Da kann man noch Überraschungen erleben, weil die Richter das Gesetz im Alltag noch nicht so frei auslegen können, wie bei uns in Deutschland. Ein wesentlicher Unterschied: Richter können in Deutschland dem Gesetzgeber durchaus Paroli bieten mit ihrer Auslegung des Rechts, die dem möglicherweise gar nicht gefällt. Das ist in China noch selten.

In China wartet der Richter, bis ihm die Partei sagt, wie er das Gesetz auslegen soll.

Jedenfalls prescht er nicht mit einer Lösung vor, ohne sich vorher rückversichert zu haben. Wir hatten auch Fälle, wo das Ausgangs-Gericht den Fall noch vor der Entscheidung dem Berufungsgericht vorgelegt hat, um nicht eine Entscheidung zu erlassen, mit der die nächsthöhere Instanz nicht einverstanden ist. Das ist zwar pragmatisch, hat den Prozess aber um fast ein Jahr verzögert. 

Als Anwalt schaut man also zuerst auf die Partei beziehungsweise die nächste Instanz?

Ja. Das ist so, weil die Richterschaft das auch so macht. Und doch ist gleichzeitig in anderer Hinsicht der Spielraum sogar größer als in Deutschland. Während dort in einer umfangreichen Kommentarliteratur sozusagen jedes Detail ausgeleuchtet ist, das BGB ist ja über 100 Jahre alt, sind in China die meisten Gesetze viel neuer und die Literatur nicht so umfangreich.

Chinesische Richter fordern deshalb die Anwälte auf, Präzedenzfälle zu sammeln und der Richterschaft vorzulegen, damit die sich orientieren kann. Da kann man auf das ein oder andere hinweisen und trifft durchaus auf Offenheit, ja sogar Dankbarkeit. Denn auch die chinesischen Richter sind eben am Ende doch Juristen und keine Politiker. Sie wollen im Grunde juristisch diskutieren, nicht politisch, zumal das Niveau der Gesetzestexte immer verlässlicher wird.

Gibt es diese Entwicklung zu mehr Verlässlichkeit, weil die Menschen Druck machen, mehr Rechtssicherheit wollen.

Ich würde es so formulieren: Der Staat sagt, er hat das Streitschlichtungsmonopol, wenn Menschen sich nicht mehr untereinander einigen können. Wenn der Staat das nicht so recht hinbekommt, werden die Menschen unzufrieden. Das schafft soziale Unruhe, die der Staat nicht will. Also entsteht ein Entwicklungsdruck, zu Gesetzen und Verfahren, von denen die Bürger sagen, sie fühlen sich ungerecht behandelt.  

Oft haben der Staat und die Partei andere Interessen als die Menschen. Wie geht das zusammen?

Es ist ein ständiges Austarieren zwischen dem Wunsch der Partei, ihre Ziele durchzusetzen, und dem Wunsch der Menschen nach Gerechtigkeit. Keine der beiden Interessen kann sich ungehindert durchsetzen.

Aber werden der Staat und die KP nicht wieder mächtiger?

Ja und Nein. In den zivilrechtlichen Streitigkeiten zum Beispiel zwischen Nachbarn ist das längst nicht mehr so. In anderen Bereichen, dem Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum schaut der Staat wieder genauer hin.

Wie reagieren die Menschen darauf?

Es stört sie erst dann, wenn sie persönlich betroffen sind. Ein abstraktes Betroffensein begegnet einem in China eher selten. Hier gibt es keinen Aufschrei bei generellen Maßnahmen. Die Steuerung des Informationsflusses, aber vor allem die wirtschaftliche Prosperität spielen dabei eine große Rolle. Wenn die Menschen im Großen und Ganzen das machen können, was sie machen wollen, dann sind sie weniger an rechtsstaatlichen Themen interessiert und stecken die ein oder andere Zumutung durch den Staat leichter weg. Was wir beim Blick von außen unterschätzen: Für den Alltag ist der zivilrechtliche Bereich viel wichtiger. Und der ist viel weniger politisch durchsetzt als wir glauben. 

Haben Chinesen ein anderes Gerechtigkeitsgefühl als Deutsche? 

Im Westen, das ist zumindest meine Erfahrung, ist das Gerechtigkeitsempfinden des Einzelnen stärker. Man ruft schneller: “Das ist aber unfair!” In China habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Frage, ob etwas fair ist, an den Anwalt delegiert wird, weil das Gespür für Fairness nicht so entwickelt ist. So wie man den Arzt entscheiden lässt, wie krank man ist. Oder den Mechaniker, ob der Motor kaputt ist.

Die Bedeutung einer Rolle für die eigene Persönlichkeit

Woran liegt das?

Die Menschen in China leben noch mehr in Rollen. Sie sind Sohn oder Vater. Lehrer oder Schüler. Manager oder Assistent. Sie werden auch so angesprochen und verhalten sich dann so. Das geht so weit, dass selbst erwachsene Menschen ihren Eltern nur das erzählen, was Kinder ihren Eltern erzählen. Es geht um die Rolle, nicht um Gefühle.  

Das war bei uns früher ähnlich.

Und wenn man gefragt wird, was Fairness ist, wird man ja gefragt, wer man selber ist, was man von der Welt erwartet und was man möchte. Das ist viel mehr als eine Rolle. In familienrechtlichen Fällen sind wir dazu übergegangen, solche Verhandlungen dann eher von Anwalt zu Anwalt zu führen, weil die natürlichen Personen zu dem Thema Fairness und gerechte Lösung gar nicht viel beitragen konnten.

Wird man dieses Rollenspiel mit zunehmender Modernisierung ablegen oder ist das zu tief in der Kultur verankert?

Das ist eine schwierige Frage. Was ist kulturell, sitzt also tiefer und was ist gesellschaftliche Entwicklung, wandelt sich leichter. Es lässt sich kaum trennen. Vielleicht hilft eine Beobachtung: Früher hat man sich mehr über die Rolle definiert, heute definieren sich immer mehr Chinesen über den Konsum, also welche Kleidung oder Uhr sie tragen und welches Auto sie fahren.

Die Rolle wird also schwächer.

Ja oder es werden Konsumrollen. Im Westen jedenfalls ist das bereits anders. Dort wollen die Menschen Rollenklischees aktiv vermeiden. Ich sage nicht: Ich bin Anwalt, sondern ich arbeite als Anwalt, will sagen: Ich bin viel mehr, vielfältiger. Ich bin auch noch Fitness-Trainer. Ich habe auch Kunstgeschmack. Aber ich bin nicht so sehr in der Konsumrolle wie in China. Das Ziel ist es geradezu eine Rolle zu vermeiden. So weit ist die chinesische Mittelschicht noch nicht. Das sieht man eher in Japan oder Südkorea. Mit seltsamen Auswüchsen: Viele tragen dann Hello Kitty, um nicht konform zu sein, obwohl dadurch wieder neue Konformität entsteht.

Die Partei jedoch braucht Menschen, die eine Rolle spielen.

Jedenfalls ist es einfacher, Ameisen zu steuern, als einen Sack Flöhe. Oder auf Menschen bezogen: Sie können Atheisten schlechter steuern als glühende Anhänger einer Religion. Deshalb braucht die KP den geistigen Überbau.

Die KP China als Steuermann der Bevölkerung

Gleichzeitig basiert der Erfolg Chinas auf Trial-and-Error. Auf einem Pragmatismus, den vor allem Deng Xiaoping etabliert hat. Wie geht das zusammen?

Die Schnittmenge besteht darin, dass es bei allem Pragmatismus oder politischem Glauben einen Steuermann braucht, damit das Schiff nicht auf die Klippen läuft. Für China ist das Russland der neunziger Jahre ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn ein Land aus dem Ruder läuft. 

Dass die Partei so denkt, ist klar. Aber denkt so auch die Bevölkerung?

Es ist nicht so, dass man das will und sich danach sehnt. Aber es macht das Leben einfacher. Man schläft ruhiger, braucht weniger Energie, wenn einem gesagt wird, wie man die Welt sehen soll. Deswegen haben viele, wahrscheinlich sogar die Mehrheit, nichts dagegen, wenn die Partei sagt: Hier geht’s lang.

Aber viele wollen auch mehr selbst bestimmen. Viele Menschen in Hongkong oder in Xinjiang zum Beispiel.

Sicherlich. Das ist wichtig. Aber es sind dennoch Minderheiten. Die Mehrheitsgesellschaft schaut dort nicht hin, weil es sie nicht betrifft. Im Gegenteil, die Minderheiten stören provokativ gesagt sogar den Fluss des Stromes der Mehrheit. Diesen Blickwinkel kann man kritisieren. Aber man darf ihn nicht unterschätzen, wenn man die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong betrachtet. Die Mehrheit will sich nicht damit beschäftigen, empfindet das sogar als störend. Konfuzius hat einmal gesagt: Was geht mich das Schicksal des Kindes einer fremden Mutter an? Solche Sätze gehen gegen unser westliches Verständnis von Mitgefühl, beschreiben möglicherweise aber die chinesische Gesellschaft.

Das Thema Datenschutz in China

Gilt diese Gleichgültigkeit auch für den Datenschutz?

Das Bewusstsein, dass der Staat zu viele Daten sammelt, ist noch nicht sonderlich ausgeprägt. Das liegt auch an der Zensur, aber noch viel mehr daran, dass die Meisten solche Entwicklungen erst hinterfragen, wenn sie persönlich die Nachteile erleben. Nachteile spüren in China derzeit vor allem Dissidenten, NGOs, Journalisten oder auch Juristen. Der normale Bürger weniger.

Aber werden nicht dem Social Scoring System, das gerade aufgebaut wird, die Nachteile sichtbar?

Möglich. Aber es ist noch kaum entwickelt. Es spielt im Alltag der meisten Chinesen noch keine Rolle. Und es kann auch den umgekehrten Effekt haben. Es kann passieren, dass das Punktesystem ein Wettrennen um Konformität auslöst, darum, der Musterschüler zu sein. Darauf spekuliert jedenfalls die Partei und sie liegt damit nicht völlig falsch. Das größte Problem beim Datensammeln besteht ja darin, dass ich mit den Daten Menschen manipulieren kann. Das gilt für den Westen ebenso wie für China.

In China ist es politisch motiviert, im Westen wirtschaftlich. Dort geht es nicht um Werte, sondern um Gewinnmaximierung. Wenn man sieht, dass Amazon bessere Vorschläge für Geschenke macht als die Frau oder der Ehemann, dann sieht man, wohin die Reise geht – auch in China. Es geht darum, die Menschen in eine bestimmte Richtung zu führen ohne, dass man selbst es merkt. Social Scoring ist dagegen sehr transparent.

Werden sich die Menschen nicht doch früher dagegen wehren, als es jetzt scheint? Wie lange noch kann der Staat den Deckel draufhalten?

Ich habe in Südafrika Recht im Systemwechsel studiert und Feldforschungen in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften durchgeführt. Die Frage war, wie müssen starke demokratische Institutionen aussehen? Die Antwort war überraschend: Es kommt nicht so sehr darauf an, wie die Institutionen strukturiert sind, sondern darauf, dass die Menschen damit etwas anfangen wollen. Es bringt nichts Demokratie einzuführen in einem Land, in dem die Menschen gar nicht entscheiden wollen oder können über Entwicklungen, die sie nicht konkret betreffen. Das ist aber das Wesen der Demokratie.

Über das Ergebnis dieser Studie freut sich natürlich jeder Diktator und sagt “Seht ihr, wir müssen nochmal 30 Jahre regieren”.

Das mag sein. Ein Forschungsergebnis kann jedoch nicht verwerflich sein, nur, weil es jemand missbrauchen kann. Wichtiger ist: Es kommt zuerst auf die Sozialisation der Menschen an, dann erst auf die Struktur der Institutionen. Die Verantwortung liegt also bei den Menschen selbst. Diese Verantwortung ist sehr eng damit verknüpft, welches Verständnis sie davon haben, was ein Mensch ist.

Ist das neue chinesische Datenschutzgesetz, das gerade in Kraft getreten ist, ein Zeichen dafür, dass das Verständnis davon, was ein Mensch ist, sich in China wandelt?

Wenn es dafür kein Bedürfnis in der Bevölkerung gäbe, hätte der Gesetzgeber sich nicht die Mühe gemacht. Aber man muss das differenzierter sehen. Es geht noch nicht um Daten insgesamt. Was die Menschen derzeit stört, ist die Frage, wie Privatunternehmen mit den Daten umgehen, weniger, wie der Staat damit umgeht. Aber das ist dennoch ein wichtiger Schritt: Der Staat will verhindern, dass der Umgang mit Daten in der Wirtschaft den Konsumenten verunsichert; mehr nicht.

Der neue Gedanke dabei, und der hat durchaus Sprengkraft: Die Menschen sollen grundsätzlich selbst bestimmen dürfen, wer wie mit ihren Daten Geld verdient. Wie gesagt, das bezieht sich erstmal auf den Konsum, aber der Geist ist aus der Flasche. Auch, wenn der Staat sagt, im Falle der nationalen Sicherheit darf er die Daten benutzen.

China und Deutschland im Vergleich

Wie ist das in Deutschland?

Im deutschen Grundgesetz steht, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung durch kein Gesetz und auch keine Verfassungsänderung abgeschafft werden kann. Das gibt es in China nicht. Ein großer Unterschied.

Es herrscht also im Verhältnis zwischen Individuum Gemeinschaft eine andere Balance in China als im Westen?

Ja. Es tendiert mehr in Richtung Gemeinschaft. Das kommt allerdings nicht allein von oben, von den Diktatoren, sondern das hängt auch damit zusammen, dass man sich in China möglicherweise auch selbst ganz anders wahrnimmt, mehr als Teil einer Gemeinschaft. In Europa hingegen sieht man sich gerade nicht als Teil einer Gemeinschaft, sondern eher als Individuum oder als Teil einer anderen Minimal-Gemeinschaft, einer kleineren einzigartigeren Gruppe, aber nicht mehr so sehr als Teil eines Volkes.

Spielte dieses Thema bei der Corona-Bekämpfung auch eine Rolle?

Viele behaupten das. Aber eigentlich ist es komplexer. Grundsätzlich interessiert sich ein Chinese möglicherweise nicht so sehr dafür, ob er einen anderen Chinesen ansteckt oder nicht. Vor Corona haben Chinesen vielleicht Masken getragen, um sich selbst zu schützen, nicht um andere zu schützen. Aber wenn es angeordnet wird, also eine Frage der Gemeinschaft ist, fällt es dem Einzelnen viel leichter sich unterzuordnen. Es wird weniger als Zwang empfunden denn als Pflicht. Es geht dabei gar nicht so sehr um Empathie.

Das macht es dem Staat einfacher, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen.

Ja. Weil Chinesen weniger fragen: Warum denn ausgerechnet ich? Sondern sie tun eben ihrer Rolle als Staatsbürger Genüge, wenn es verlangt wird – mit einer Selbstverständlichkeit, die Menschen im Westen erstaunt.

Was sind unter diesen Bedingungen in den nächsten Jahren die großen juristischen Herausforderungen?

China hat in den vergangenen Jahren eine enorme Menge an Gesetzen geschaffen. Sie haben ein komplett neues Gesellschaftsrecht. Sie haben ein komplett neues Zivilgesetzbuch, ein neues Steuerrecht. Nun wird die Datenschutzgesetzgebung aufgebaut. Die größte Herausforderung liegt nun in der unglaublich schnellen technologischen Entwicklung.

Wie gehe ich zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz oder einem Teilbereich, dem autonomen Fahren rechtlich um? Das muss geregelt werden und dafür gibt es jedoch kaum Vorbilder im Westen. Das ist Neuland, welches sich täglich verändert. Auch viele Fragen der digitalen Wirtschaft sind neu. Unser juristisches Denken ist geprägt von der Denkweise, dass ein Produkt hergestellt wird und dann mit einem Mehrwert verkauft werden kann. Wie ein Auto zum Beispiel.

Und heute?

Wir stellen heute digitale Produkte her, die einmal entwickelt werden und dann millionenfach fast kostenlos vervielfältigt werden und verkauft werden können. Dadurch werden Menschen oder Firmen plötzlich unglaublich reich, ohne dafür entsprechend arbeiten beziehungsweise Lebenszeit opfern zu müssen. Bill Gates ist der Pionier dieser Entwicklung. Ist das gerecht? Ist das im Sinne der Gemeinschaft? Mit diesen Fragen beschäftigen sich derzeit chinesische und westliche Juristen parallel. Der Tech-Crackdown in China hat sehr viel mit dieser Frage zu tun. Es wird sehr spannend, zu welchen unterschiedlichen oder auch gemeinsamen Ergebnissen die Juristen kommen. Und eines ist schon klar: Die Vielfalt der Lösungen wird durch den neuen Spieler China größer.

Was macht China anders?

Die chinesische Regierung sieht ganz deutlich, dass in westlichen Demokratien die Großkonzerne immer mehr auch politische Macht haben und die existierende Rechtsprechung unterlaufen können. Der chinesische Staat möchte den Konzernen diese Macht nicht zugestehen. Im Westen ist man da phlegmatischer.

Also setzt China auf Planwirtschaft?

Mit Planwirtschaft hat das nichts zu tun. Es geht darum, die Verträglichkeit der Ökonomie mit der Allgemeinheit zu regeln. Das ist nicht nur Neuland für China, sondern auch Neuland für die Welt. Da helfen auch Marx und Engels wenig. Sondern da kann man nur Schritt für Schritt tastend durch den Fluss gehen. Alte Begriffe wie Planwirtschaft sind dabei eher bremsend.

Was will die chinesische Führung?

Sie will steuerbare Prosperität in einer Gesellschaft mit möglich wenig Ungleichgewichten. Da tastet sich China ran und ist vor Rückschlägen nicht gefeit. Es ist ein Blindflug, für den es keine Theorie gibt.  

Fasziniert Sie das an China?

Mich interessieren die Unterschiede zwischen Kulturen. Man lernt im Austausch mit Menschen, die kulturell und gesellschaftlich entfernt sind, viel mehr über sich selbst, als wenn man sich immer mit den eigenen Leuten über die eigenen Dinge unterhält.

Sie können sich das vollständige Gespräch hier im Video ansehen.

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Analyse

Regeln zu Algorithmen übertreffen EU-Pläne

Die Manipulation unserer eher simpel gestrickten menschlichen Hirne durch Künstliche Intelligenz ist unter Zukunftsforschern und Regulierern derzeit das ganz große Thema. Jetzt setzt China im Rahmen seiner Datenschutz-Offensive neue Maßstäbe. Ein neuer Gesetzentwurf sieht eine enorme Stärkung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber manipulativen Algorithmen vor. Die Bestimmungen gelten allerdings – wie immer – nur für die Wirtschaft, nicht für den Staat. Das erklärte Ziel des Gesetzentwurfs ist es, “etablierte Werte aufrechtzuerhalten”. Digitale Dienste sollen “positive Energie verbreiten und Algorithmen für wünschenswerte Ziele einspannen”.

Am Freitag haben die Cyberspace Affairs Commission und das Justizministerium einen entsprechenden Gesetzesentwurf online gestellt. Das Ministerium ruft die Öffentlichkeit bis zum 26. September dazu auf, Stellung zu nehmen. Eine englische Übersetzung durch die Initiative DigiChina an der Universität Stanford findet sich hier.

Die Datenschutz-Spezialistin Kendra Schaefer von dem Forschungsdienst Trivium hält die vorgeschlagenen Regeln sogar für strenger als die in Europa. “Dieser Gesetzentwurf markiert den Augenblick, in dem Chinas Technik-Regulierung nicht nur mit den Datenregeln der EU Schritt hält, sondern über sie hinausgeht”, schreibt sie auf Twitter.

Konkret sieht der Entwurf folgende Regeln vor, die allesamt harte Nüsse für Internetdienste sein werden:

  • Transparenz: Webseiten und Apps müssen anzeigen, wenn sie Algorithmen für den Vorschlag neuer Inhalte oder Produkte nutzen.
  • Abschalten: Internetnutzer sollen solche Vorschläge für Inhalte, die auf Basis von Algorithmen erstellt werden, dann auch abschalten können. Wer beispielsweise auf einer Video-Plattform ist, bekommt dann keine Videos mehr auf Basis seiner Vorlieben vorgeschlagen. Wer auf Taobao shoppt, sieht keine Leiste mehr mit anderen Waren, die einem gefallen könnten. Es gibt also nur noch nicht-personalisierte Inhalte.
  • Einsicht: Die Kundinnen und Kunden sollen auf einfache Weise abrufen können, was ein Internetdienst über sie denkt und weiß. Dazu sollen sie Einblick in die Schlagworte erhalten, die mit ihnen verknüpft sind. Es ist jedoch nicht ganz klar, wie schlagkräftig diese Vorgabe ist. Video-Portale wie Netflix arbeiten zwar tatsächlich viel mit solchen verbalen Begriffen, um die Vorlieben der Nutzer zu erfassen. Andere Dienste verwenden jedoch numerische Kategorien oder generell sehr kompliziertere Verfahren. Das erlaubt dann keine für Menschen lesbare Auflistung der Vorlieben. Vielleicht werden die Firmen auch gezwungen, hier verständliche Kategorien einzuziehen, um die Datenpunkte sichtbar machen zu können.
  • Suchtprävention: Das Trommelfeuer der präsentierten Vorschläge darf nicht mehr so maßgeschneidert sein, dass die Nutzerin oder der Nutzer von einem Inhalt zum anderen springt und nicht mehr aufhören kann. Das lässt einerseits an Dienste wie Tiktok oder Youtube denken, die immer ein noch interessanteres Video parat haben und die Zuschauer nicht loslassen. Ein anderer Anwendungsfall für die Regel sind Sozialmedien. Diese halten Nutzer durch gezieltes Anzeigen von Inhalten bei der Stange. Sie zeigen Botschaften, mit denen eine Interaktion zu erwarten ist. Damit lösen sie immer neue Diskussionen aus. Die eigenen Beiträge erhalten dann immer neue Likes oder Kritik – die wiederum neue Aufmerksamkeit wecken. Das zieht das Gehirn in eine Schleife.
  • Verbot der Abzocke: Den Firmen ist künftig die “Daten-Abzocke unter Freunden” 大数据杀熟 ausdrücklich verboten. Der Begriff war im Netz aufgekommen, weil die Dienste sich einerseits freundlich und sympathisch geben, ihren Kunden andererseits aber doch nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen.

Schlag gegen Tiktok, den Meister der Empfehlungen

Ein Algorithmus ist eigentlich ein Rechenweg in Einzelschritten. In der Informatik wird das Wort für Programmabläufe verwendet. Davon abgeleitet steht der Begriff derzeit in der Welt der Datenregulierung für ein neues Konzept. Computerprogramme werten Daten aus und verwenden Entscheidungswege, um Nutzern maßgeschneiderte Inhalte zu präsentieren. Es ist also ein Algorithmus, der uns auf Amazon das nächste Buch zum Lesen empfiehlt. Oft trifft er den Geschmack der Leser ganz gut.

Chinas Internetdienste haben die Anwendung der Algorithmen allerdings zu einer hohen Kunst vorangetrieben. “Wie sein internationales Gegenstück Tiktok ist Douyin für seinen mächtigen Empfehlungs-Algorithmus berühmt“, schreibt Expertin Helen Toner vom Center for Security and Emerging Technology der Georgetown University. Tatsächlich beruht das Geschäftsmodell der Internetriesen zu einem guten Teil auf geschickter Datenauswertung. Die Neuregelung wird ihnen definitiv das Geschäft erschweren.

Handy-Games von Anbietern wie Tencent lassen die Spielerinnen und Spieler in vorgesehenen Mustern gewinnen und verlieren. Damit schaffen sie die größtmögliche Motivation zum Dranbleiben. Dabei gehen sie nicht bei allen gleich vor, sondern passen die Motivationskurve an die individuellen Reaktionen an. Der eine wird vielleicht vom häufigen Gewinnen zum Dranbleiben gebracht, für die andere wäre das langweilig, weil sie eine größere Herausforderung sucht. Auch Sonderangebote für “wertvolle” Gegenstände in den Spielen wie “Juwelen”, mit denen sich Vorteile kaufen lassen, kommen oft genau dann, wenn die Verkaufschance am größten ist.

Auch die Angebote und Sonderangebote auf Shopping-Seiten wie Tmall erscheinen nicht zufällig. Sondern dann, wenn der Algorithmus hofft, den Kunden besonders wirksam ködern zu können. Für digitale Inhalte ohne Fixkosten wiederum loten die Algorithmen systematisch die Zahlungsbereitschaft des einzelnen Kunden aus. Die Könige der Datensammelei sind allerdings Suchmaschinen wie Baidu und Google. Über die Suchanfragen kennen sie genau die Interessen der Nutzer, sie wissen lange vor der konkreten Bestellung um Kaufwünsche. Sie wissen schon im Frühjahr die geplanten Reiseziele im Sommer. Daran richten sie dann die Werbung aus. Der Philosoph Noah Yuval Harari nennt die Organisationsform der künftigen Welt “Datismus”.

China könnte Vorbild für die EU werden

Auch die EU und die USA wollen den Umgang mit Daten und die Algorithmen regulieren. Sie tun sich derzeit in der Praxis jedoch schwerer als China, die Privatwirtschaft an die kurze Leine zu nehmen. Auch in der EU ist die Regulierung “manipulativer Künstlicher Intelligenz” zwar im Gespräch. Doch ein so tiefer Einblick in das Innenleben der Plattformen wie in China ist hier noch nicht vorgesehen.

Im Gesamtbild des Datenschutzes hat die EU allerdings immer noch die Nase vorn. Denn die chinesischen Regeln betreffen wie immer nur die freie Wirtschaft. Der Staat kann mit den Daten der Bürger machen, was er will. Der EU-Entwurf für die KI-Regulierung sieht dagegen sogar vor, ein Sozialpunktesystem explizit illegal zu machen. Für Chinas Regierung ist die Einführung genau so eines Systems sogar eines der wichtigsten laufenden Projekte. Um die Bürgerinnen und Bürger mit KI zu braven Staatsbürgern zu machen. Kurz gesagt, um sie zu manipulieren.

Während China also dabei ist, seinen Bürgerinnen und Bürgern scharfe Instrumente gegen datensammelnde Firmen in die Hand zu geben, behält sich der Staat die Nutzung dieser Möglichkeiten ausdrücklich – und immer exklusiver – vor. Die Herrschaftsinstrumente sollen in den Händen der Partei liegen. Forscherin Toner hält die weitreichenden chinesischen Regeln dennoch für einen gewaltigen Fortschritt. “Es wird faszinierend sein zu sehen, wie sie sich in der Praxis bewähren.” Das, was davon funktioniere, werde vermutlich vielfach übernommen werden.

Der renommierte Social-Scoring-Experte Rogier Creemers von der Universität Leiden zeigt sich derweil enttäuscht, dass der Entwurf einen bekannten Schwachpunkt der chinesischen Regulierungen nicht abstellt. Die Bußgelder für Verstöße sind viel zu niedrig angesetzt. Die Höchststrafe liegt bei 30.000 Yuan (4000 Euro). Darüber lachen die Internetriesen nur. Tencent hat beispielsweise im vergangenen Jahr 123 Milliarden Yuan Gewinn ausgewiesen (16 Milliarden Euro).

Die Obergrenze geht auf eine Regel aus dem Jahr 1996 zurück. Damals hat der Gesetzgeber sie für Bußgelder gegenüber Firmen eingezogen. Doch unabhängig von diesem leicht reparierbaren Konstruktionsfehler setzt das Gesetz erstmals einen strikten Rechtsrahmen für Algorithmen und leistet damit auch weltweit Pionierarbeit.

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News

Behörde will US-Börsengänge untersagen

Peking will einem Bericht zufolge neue Vorschriften erlassen, um Unternehmen mit großen Mengen sensibler Verbraucherdaten einen Börsengang in den USA zu verbieten. Chinas Börsenaufsicht habe Unternehmen und Investoren mitgeteilt, dass die vorgesehenen Regeln eine Erstnotiz im Ausland blockieren soll, wie Bloomberg unter Berufung auf Informationen des Finanznachrichtendienstleisters Dow Jones berichtet. Das Verbot soll demnach vor allem für Unternehmen gelten, die den Börsengang über im Ausland eingetragene Unternehmen anstreben. Sektoren mit weniger sensiblen Informationen, wie beispielsweise Pharma-Firmen, sollen dem Bericht zufolge weiterhin die Genehmigungen für US-Börsengänge erhalten können.

Die Vorschriften könnten demnach erst im vierten Quartal des laufenden Jahres fertiggestellt und umgesetzt werden. Die zuständige Behörde habe deshalb einige Unternehmen aufgefordert, Börsengänge bis dahin auszusetzen. Chinas Börsenaufsicht hat ihr Durchgreifen gegen Aktienausgabe im Ausland beschleunigt, nachdem Didi Chuxing seinen Börsengang im Juni vorangetrieben haben soll, obwohl das Unternehmen aufgefordert worden sei, die Pläne zu verschieben (China.Table berichtete). Es ist unklar, ob von den neuen Vorschriften Unternehmen ausgenommen werden könnten: Derzeit prüft dem Bericht zufolge beispielsweise Aichi Automobile, ein Start-up für Elektrofahrzeuge, besser bekannt als Aiways, einen US-Börsengang, der noch in diesem Jahr erfolgen könnte. ari

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Bericht: Verzögerte Zulassung von Biontech

Anscheinend möchte China doch einem selbst entwickelten mRNA-Impfstoff den Vorzug geben, statt das deutsche Produkt von Biontech zuzulassen. Das Wall Street Journal zitiert informierte Kreise mit der Aussage, das Zulassungsverfahren für das Biontech-Präparat werde derzeit bewusst verzögert. Grund sei Sorge um das Vertrauen in die einheimischen Impfstoffe. Eine beschleunigte Zulassung des hochtechnischen Wirkstoffs aus dem Westen könnte demnach den Eindruck schaffen, die Produkte von Sinopharm und Sinovac seien Impfstoffe zweiter Klasse.

Biontech will sein Präparat in China über die Pharmasparte des Pekinger Mischkonzerns Fosun vertreiben lassen. Fosun will es auch im Inland herstellen lassen. China steht unter Druck, eine Auffrischungsimpfung vorzubereiten. Die Schutzwirkung der einheimischen Mittel nimmt offenbar noch schneller als die der westlichen Konkurrenz ab. Studien zufolge halbiert sich die Zahl der Antikörper nach einer Impfung mit Sinovac alle 40 Tage. Die Wirkung des deutschen Impfstoffs nimmt bei gesunden mittelalten Impflingen alle zwei Monate um sechs Prozent ab. fin

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Öffentliche Aufträge: EU-Parlament debattiert über Entwurf

Die Europäische Union will mit neuen Vorschriften China von öffentlichen Aufträgen aussperren und dafür das entsprechende Instrument für das internationale Beschaffungswesen nun zügig vorantreiben. Im Laufe der kommenden Woche soll der entsprechende Berichtsentwurf im zuständigen Handelsausschuss des EU-Parlaments besprochen werden, wie das Europaparlament in seiner Wochenagenda ankündigte. Am Mittwoch werden sich die EU-Abgeordneten mit dem Entwurf für die Vorschriften des “International Procurement Instrument”, kurz IPI genannt, befassen. Diese sollen Unternehmen der EU vor unfairer Behandlung bei internationalen öffentlichen Ausschreibungen schützen. IPI soll auch ein Druckmittel sein, um die Beschaffungsmärkte in Drittländern zu öffnen. Die Vorstellung des Berichts kann am Mittwoch im Livestream des Ausschusses verfolgt (ab 09.30 Uhr) werden.

Das entsprechende Instrument ist bereits lange in Planung – zuletzt ging aber über Jahre nichts voran, weil der Rat der Mitgliedsstaaten geblockt hatte. Der ursprüngliche Standpunkt des Parlaments von 2014 muss jetzt nochmals aktualisiert werden, nachdem sich die EU-Staaten im Rat im Juni nach neun Jahren Stillstand auf eine Position geeinigt hatten. Beide Seiten müssen am Ende auf eine gemeinsame Position einigen, damit das Instrument in Kraft treten kann. Das Europaparlament vertritt jedoch generell eine härtere Linie des IPI als die Mitgliedsstaaten, weshalb noch einige Verhandlungen zwischen den beiden Seiten erwartet werden.

Knackpunkt dabei wird zum Beispiel sein, in welchem Umfang und wann das IPI angewandt werden soll. Die Mitgliedsstaaten wollen beispielsweise mit Preisaufschlägen arbeiten. Das EU-Parlament hingegen tendiert zu einem vollständigen Ausschluss bei unfairen Wettbewerbsbedingungen. Außerdem möchte das Europaparlament, dass die Entscheidung für Ausnahmen von dem Verbot in Brüssel bei der EU-Kommission liegt. Bisher wurde von den Staaten beschlossen, dass sie selbst dafür zuständig seien. ari

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Arm China plant eigene Computerplattform

Arm Technology China will mit der Herstellung einer All-in-One-Recheneinheit für selbstfahrende Systeme beginnen. Auf einer Plattform wird Arm dafür verschiedene Arten von Recheneinheiten mit Künstlicher Intelligenz (KI), Bild- und Videoverarbeitung integrieren. Diese Technologie wird beim autonomen Fahren verwendet, um die sich verändernden Verkehrsbedingungen besser einordnen zu können. Arm China ist ein Joint Venture der Softbank-Gruppe und des gleichnamigen britischen Anbieters von IP-Lösungen im Bereich Mikroprozessoren.

Allen Wu, CEO von Arm China, sagte bei der Ankündigung, dass sich das Unternehmen durch die Zusammenführung aller Prozessoren von seinen Lieferanten unabhängiger macht. Bislang musste das chinesische Joint Venture die Recheneinheiten von verschiedenen Quellen beziehen, um sie dann in ihre Produkte einbauen zu können.

Darüber hinaus hat sich Arm China verpflichtet, seine Technologien mit Drittunternehmen zu teilen. Im vergangenen Monat hatte Arm China sich mit mehr als 50 Unternehmen und Institutionen zusammengetan, um die Open NPU Innovation Alliance ins Leben zu rufen. Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin wird dieser Schritt von Analysten als Versuch von Arm China gesehen, potenzielle Kunden zu gewinnen. Diese Ankündigung stellt eine Abweichung von der vom Arm-Mutterhaus verfolgten Praxis dar. Diese ist auf die Zentralisierung der Befehlssatzinfrastruktur seiner Prozessoren ausgerichtet, die nach Ansicht von Analysten für den Einsatz in Computern, Smartphones und Rechenzentren besser geeignet ist. niw

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Peking nennt US-Bericht zu Corona “verlogen”


Peking hat den Bericht der US-amerikanischen Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus als “verlogen” bezeichnet. Der Bericht sei für “politische Zwecke” erstellt worden, hieß es in einer am Sonntag vom chinesischen Außenministerium veröffentlichten Mitteilung. “Ohne Beweise zu liefern, haben die USA eine Geschichte nach der nächsten erfunden, um China zu diffamieren und zu beschuldigen”, wird Chinas Vize-Außenminister Ma Zhaoxu zitiert. Auch die chinesische Botschaft in Washington wies den Bericht in einer Mitteilung zurück und warf den USA “politische Manipulation” vor. Das Papier diene dazu, “China zum Sündenbock zu machen.”

Der am Freitag veröffentlichte Bericht der amerikanischen Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus hatte keine eindeutigen Feststellungen geliefert. Darüber, ob das Virus aus einem Labor stamme oder von einem Tier auf den Menschen übergesprungen sei, herrschte demnach unter den Diensten Uneinigkeit. Beides seien “plausible Hypothesen”. Solange keine weiteren Informationen zur Verfügung stehen, seien keine weiteren Schlussfolgerungen möglich, hieß es weiter. “Peking behindert jedoch weiterhin die globalen Ermittlungen, weigert sich, Informationen auszutauschen und beschuldigt andere Länder, darunter auch die Vereinigten Staaten”, hieß es in dem Papier. US-Präsident Joe Biden hatte die Untersuchung im Mai in Auftrag gegeben. ari

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Presseschau

China überspringt Marke von einer Milliarde Internetnutzer BR
EU will China von öffentlichen Aufträgen aussperren FAZ
Chinese foreign minister tells top U.S. diplomat world must ‘positively guide’ Taliban REUTERS
Umfrage: Große Mehrheit der Deutschen für härteren Kurs gegenüber China RND
Corona-Bericht: China bezichtigt US-Geheimdienste der Lüge FAZ
Chinas Konzerne zahlen Ablass FAZ
China’s anti-corruption watchdog slams entertainment industry FT
Personenkult in China: Grundschüler müssen Xi Jinpings Lehren pauken SPIEGEL
“Dringender Bedarf”: China will Raumstationen in Kilometergröße bauen T3N
Where China’s wealthy travelers are going during the pandemic CNN

Standpunkt

Es muss nicht zum Krieg zwischen den USA und China kommen

Von Charles C. Krulak und Alexander Friedman
Alexander Friedman Krieg USA China
Alexander Friedman ist Mitgründer der Forschungsfirma Jackson Hole Economics

Im Jahr 2034 sind die Vereinigten Staaten und China in eine Reihe militärischer Konflikte verwickelt, die zu einem verheerenden taktischen Atomkrieg eskalieren. Andere Länder – darunter Russland, Iran und Indien – werden hineingezogen. Plötzlich steht die Welt am Rande des Dritten Weltkriegs.

Dieses Szenario wird in 2034: A Novel of the Next World War geschildert, einem fesselnden dystopischen Roman, den der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber, Admiral James Stavridis gemeinsam mit Elliot Ackerman verfasst hat. Das Buch reiht sich ein in immer lauter werdende Stimmen, die vor einem nahezu unvermeidlichen Zusammenstoß zwischen der aufstrebenden und der amtierenden Weltmacht warnen. Graham Allison von der Harvard University hat dieses Phänomen als Thukydides-Falle bezeichnet und ruft damit die Aufzeichnungen des gleichnamigen griechischen Historikers der Antike in Erinnerung, demzufolge “der Aufstieg Athens und die Angst, die er Sparta einflößte, den Krieg unausweichlich machten”.

Es stimmt, dass es im Laufe der Geschichte häufig in einem Krieg mündete, wenn eine aufstrebende Macht eine herrschende Macht herausgefordert hat. Es gibt aber bemerkenswerte Ausnahmen. Ein Krieg zwischen den USA und China ist heute ebenso wenig unausweichlich wie ein Krieg zwischen den aufstrebenden USA und dem untergehenden Britischen Empire vor einem Jahrhundert. Ausgehend vom heutigen Umfeld gibt es vier zwingende Gründe zur Annahme, dass ein Krieg zwischen den USA und China vermieden werden kann.

Vier Gründe gegen einen militärischen Konflikt

Vor allen Dingen würde jeder militärische Konflikt zwischen den beiden Staaten schnell zum Atomkrieg führen. Die USA befinden sich damit in der gleichen Situation wie gegenüber der Sowjetunion. Taiwan könnte leicht zum Stolperdraht dieses Jahrhunderts werden, so wie es die strategisch verletzliche “Lücke von Fulda” in Deutschland während des Kalten Krieges war. Aber die gleiche Dynamik des “Gleichgewichts des Schreckens”, die den amerikanisch-sowjetischen Konflikt in Grenzen hielt, gilt auch für die USA und China. Und die internationale Gemeinschaft würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass ein potenzieller Atomkonflikt ausbleibt, da die Folgen grundsätzlich länderübergreifend sind und – anders als beim Klimawandel – unmittelbar eintreten würden.

Ein Konflikt zwischen den USA und China würde mit ziemlicher Sicherheit eher die Form eines Stellvertreterkrieges annehmen als einer Konfrontation zwischen Großmächten. Jede Supermacht könnte sich in einem innerstaatlichen Konflikt in einem Land wie Pakistan, Venezuela, Iran oder Nordkorea auf eine andere Seite schlagen und eine Kombination aus Wirtschafts-, Cyber- und diplomatischen Instrumenten einsetzen. Wir haben diese Art von Konflikten schon oft erlebt: Von Vietnam bis Bosnien hatten es die USA eher mit Stellvertretern als mit ihrem Hauptgegner zu tun.

Militärisch kann China nicht mithalten

Zweitens ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es China historisch gesehen langsam angehen lässt. Die chinesische Militärmacht ist zwar drastisch gewachsen, bleibt aber in fast allen wichtigen Bereichen nach wie vor hinter den USA zurück. Und obwohl China stark in asymmetrische Mittel investiert (Langstreckenraketen gegen Schiffsziele und Hyperschallraketen, die Nutzung von Cyber-Techniken für militärische Zwecke und vieles mehr), um seine Schwächen auszugleichen, wird es mit den USA bei konventionellen Mitteln wie Flugzeugen und großen Schiffen noch Jahrzehnte lang nicht mithalten können, wenn überhaupt.

Aus diesem Grund wäre es für China in seiner derzeitigen Entwicklungsphase zu gefährlich, es zu einem direkten Konflikt mit den USA kommen zu lassen. Käme es zu einem solchen Konflikt, hätte China kaum eine andere Wahl, als den nuklearen Geist aus der Flasche zu lassen. Wenn wir über Ausgangsszenarien nachdenken, sollten wir daher einem Gedankenspiel, in dem die Chinesen bewusst eine militärische Konfrontation mit Amerika herbeiführen, weniger Gewicht beimessen. Das US-Militär neigt jedoch dazu, für den schlimmsten Fall zu planen, und konzentriert sich derzeit auf einen potenziellen direkten Konflikt mit China – eine Fixierung mit Anklän gen an die amerikanisch-sowjetische Dynamik.

Damit steigt das Risiko, von anderen Bedrohungen überrumpelt zu werden. Seit dem Koreakrieg haben sich immer wieder asymmetrische Bedrohungen als die problematischsten für die nationale Sicherheit erwiesen. Der Aufbau von Streitkräften, die für den schlimmsten Fall gerüstet sind, ist kein Erfolgsgarant im gesamten Spektrum der Kriegsführung.

Erfolge im globalen Soft-Power-Krieg

Der dritte Grund für die Annahme, dass ein amerikanisch-chinesischer Konflikt vermieden werden kann, ist die Tatsache, dass China bereits Siege im globalen Soft-Power-Krieg verbuchen kann. Allen Anschuldigungen zum Trotz, Covid-19 sei aus einem Labor in Wuhan entwichen, hat China die Pandemie deutlich besser überstanden als die USA. Und mit seiner Belt-and-Road-Initiative zur Finanzierung der Infrastrukturentwicklung in der ganzen Welt hat es aggressiv die Lücke genutzt, die die Ausgabenkürzungen der USA während der vierjährigen Präsidentschaft von Donald Trump hinterlassen hat. Die chinesische Führung könnte beim Blick auf den aktuellen Status quo durchaus zu dem Schluss kommen, dass sie auf dem richtigen strategischen Weg ist.

Zu guter Letzt sind China und die USA wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Trotz Trumps Handelskrieg belief sich der bilaterale chinesisch-amerikanische Handel im Jahr 2020 auf rund 650 Milliarden US-Dollar, und China war der größte Handelspartner der USA. Die Lieferketten beider Länder sind umfassend miteinander verknüpft, und China hält mehr als eine Billion US-Dollar in US-Staatsanleihen, von denen es die meisten nicht ohne Weiteres abstoßen kann, um nicht deren Wert zu mindern und massive Verluste zu erleiden.

Allerdings kann die Logik durch eine einzige Handlung und deren unbeabsichtigte Folgen untergraben werden. Etwas so Einfaches wie eine Fehlkommunikation kann einen Stellvertreterkrieg zu einem zwischenstaatlichen Flächenbrand eskalieren lassen. Und wie die Situation in Afghanistan und im Irak zeigt, ist Amerikas Erfolgsbilanz in kriegsgeplagten Ländern nicht gerade ermutigend. China hat seine Interventionen im Ausland unterdessen drastisch ausgeweitet. Aufgrund seiner expansionistischen Mentalität, seines wachsenden Entwicklungshilfeprogramms und des zunehmenden Nationalismus im eigenen Land könnte China nur allzu leicht eine Auslandsintervention starten, die die Interessen der USA bedrohen könnte.

Cyberattacken provozieren Fehlgriffe

Vor allem der böswillige Einsatz von Cyber-Taktiken könnte konventionelle militärische Kommando- und Kontrollsysteme untergraben und die politische Führung zu schlechten Entscheidungen zwingen, wenn traditionellere Optionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und die chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen könnten an Bedeutung verlieren, vor allem, wenn China von einem exportorientierten Wachstumsmodell zu einem Modell übergeht, das auf Binnenkonsum basiert, und wenn die Investitionsströme in beide Richtungen angesichts der eskalierenden bilateralen Spannungen zurückgehen.

Ein “Fehlgriff” seitens eines der beiden Länder ist immer möglich. Deshalb ist die Diplomatie so wichtig. Jedes Land muss seine unabdingbaren nationalen Interessen gegenüber dem anderen Land definieren, und beide müssen die gleiche Frage aus der Perspektive des anderen betrachten. Es mag schwer zu akzeptieren (und eine unliebsame Äußerung) sein, aber die Bürgerrechte in China sind vielleicht kein wesentliches nationales Interesse der USA. Umgekehrt sollte China verstehen, dass die USA sehr wohl wesentliches Interesse an Taiwan haben.

Die USA und China werden in vielerlei Hinsicht aneinandergeraten. Aber ein direkter, zwischenstaatlicher Krieg muss nicht dazu gehören.

Charles C. Krulak, Vier-Sterne-General im Ruhestand, ist ehemaliger Kommandant des US Marine Corps und ehemaliger Präsident des Birmingham-Southern College. Alex Friedman ist ehemaliger Chief Financial Officer der Bill & Melinda Gates Foundation. Aus dem Englischen von Sandra Pontow.

Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org

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Personalien

Leo Tsoi wird zum 1. Oktober neuer CEO von Starbucks China. Tsoi hatte als COO der Kaffekette bereits die Expansion in China auf derzeit 5.200 Geschäfte vorangetrieben. Mit Tsois Beförderung rückt Molly Liu als COO nach. Liu ist seit neun Jahren für die Entwicklung des Digital-Ventures-Geschäfts von Starbucks China verantwortlich. Belinda Wong bleibt trotz der zwei Neuernennungen weiterhin Chairwoman von Starbucks China. Sie konzentriert sich künftig mehr auf strategische Planung. Wong soll sich um die Beijing Starbucks Foundation kümmern.

碰瓷 pèngcí – “Porzellan anstoßen”

碰瓷 pèngcí -
碰瓷 pèngcí – “Porzellan anstoßen”

Dass Scherben eben doch nicht immer Glück bringen, belegt der chinesische Begriff 碰瓷 pèngcí – wörtlich “Porzellan anstoßen” (瓷 cí bedeutet “Porzellan” und 碰 pèng “berühren, stoßen, anprallen” oder auch “begegnen, treffen”). In Wirklichkeit geht es bei diesem in der chinesischen Internet- und Umgangssprache beliebten Wort nicht um zerbrechliche Keramikwaren, sondern um delikate Situationen, in denen ein vermeintliches Opfer versucht, durch einen absichtlich provozierten oder nur vorgetäuschten Unfall Geld zu ergaunern. Ein Passant, der sich bewusst in den toten Winkel eines langsam einparkenden Ferraris stellt und dann theatralisch zu Boden fallen lässt? Pèngcí!

Ursprünglich soll der Begriff aus der alten chinesischen Händlersprache stammen und die gewiefte Praxis einiger unlauterer Geschäftemacher beschreiben, besonders zerbrechliche Waren bewusst an prominenten Stellen an der Straße oder in engen Durchgängen zu platzieren. Die perfide Hoffnung: Es wird sich schon ein tollpatschiger Kunde finden, der das Keramikgut versehentlich umreißt und so dafür aufkommen muss. In diesem Falle wurde also wirklich “Porzellan angestoßen”, während sich die Gauner von heute dagegen nur wie Porzellan anstellen.

Einen Unfall vortäuschen, um Schmerzensgeld zu erpressen

Auf das Zeichen 碰 pèng – sinnigerweise eine Kombination aus den Komponenten “Stein” 石 und “gleichzeitig, nebeneinander” 並 (zwei Steine treffen also aufeinander) – trifft man übrigens auch noch in einigen anderen einprägsamen chinesischen Wortkreationen. Etwa in 碰碰车 pèngpèngchē für “Autoscooter” (man hört es schon krachen) oder auch 碰头会 pèngtóuhuì für “kurzes Meeting” (hier werden nur kurz die Köpfe zusammengestoßen).

Ein “Glückstreffer” ist es dagegen, wenn eine “blinde Katze auf eine tote Maus stößt” (瞎猫碰上死耗子 Xiā māo pèngshàng sǐ hàozi), die Geschichte mit dem blinden Huhn und dem Korn, Sie wissen schon. Aber hätten Sie auch gewusst, was der Chinese meint, wenn er sagt, er sei auf einen “Nagel gestoßen” bzw. habe einen “Nagel angetroffen” (碰钉子 pèng dīngzi)?

Nun, in der alten feudalistischen Gesellschaft soll in China über den Eingangstüren der Residenzen einflussreicher Beamtenfamilien meist ein Türnagel gehangen haben. Suchten einfache Leute (老百姓 lǎobǎixìng) solche Familien wegen eines Anliegens auf, stießen sie meist auf verschlossene Türen und bekamen statt des erhofften Gesprächspartners nur den Türnagel zu Gesicht. Daraus hat sich die Redensart “einen Nagel antreffen” entwickelt – auf Deutsch: eine Abfuhr oder einen Korb bekommen.

Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • CEO-Talk: Matthias Schroeder zu Justiz und Datenschutz
    • Algorithmen strenger reguliert als in der EU
    • Mögliches Verbot von US-Börsengängen
    • Zulassung von Biontech bewusst verzögert?
    • EU arbeitet an Vorschriften für Beschaffung
    • ARM entwickelt eigenes Computersystem
    • Peking weist US-Bericht zu Corona zurück
    • Standpunkt: Krieg zwischen USA und China ist vermeidbar
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das Verhältnis des Einzelnen zur Justiz ist eine wesentliche Dimension jeder Gesellschaft. Der Anwalt Matthias Schroeder blickt hier als Insider auf die Lage in China. Er ist in Peking geboren und praktiziert dort heute Recht. Schroeder sieht ein System, das die meisten chinesischen Bürgerinnen und Bürger als völlig ausreichend empfinden. Der Kanzleigründer erkennt zwar auch die Schwächen der aktuellen Rechtsordnung. Doch die politische Einflussnahme ist in den meisten Streitfragen minimal. Von der gefürchteten Unrechtsjustiz sind vor allem die wenigen politisch Engagierten betroffen. In unserem CEO-Talk beschreibt Schroeder, warum die in China sozialisierte Mehrheit daher grundsätzlich zufrieden ist mit der Justiz, die sie vorfindet. Das Rechtswesen ist auch bereits viel höher entwickelt als eine Generation zuvor.

    Doch die ständige Fortentwicklung des Rechts bringt der Kommunistischen Partei auch neue Herausforderungen. Sie verändert das Denken und schraubt die Ansprüche herauf. Ein Beispiel ist hier das neue Datenschutzgesetz. Es schreibt im Detail vor, was die Industrie mit den Daten der Kunden machen darf, oder besser: nicht mehr machen darf. Es ist von hier jedoch nur ein kleiner Schritt zu der Frage, was der Staat eigentlich mit Daten der Bürger und Bürgerinnen macht. “Der Geist ist aus der Flasche”, sagt Schroeder.

    Chinas Datenschutz überholt in der kommerziellen Sphäre nun nach Ansicht vieler Experten sogar den in der EU und USA. Die Regierung scheut sich eben nicht, hart reinzugrätschen. In einer Analyse sehen wir uns heute die laufende Regulierung der Algorithmen an. In China sollen Bürger künftig abrufen können, welche Datenpunkte und Einschätzungen zu ihren Vorlieben bei den Dienstleistern vorliegen. Dieses Recht würde sich so mancher auch in Deutschland gegenüber Google, Amazon und Facebook wünschen.

    Einen guten Start in die Woche wünscht

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    CEO-Talk

    “Beim Datenschutz ist der Geist aus der Flasche”

    Anwalt Matthias Schoeder über Chinesisches Recht

    Matthias Schroeder ist Drilling und dennoch ziemlich einmalig: Ein deutscher Anwalt, der in Peking geboren und überwiegend dort aufgewachsen ist. Der Grund dafür ist einfach. Die Eltern des 46-Jährigen waren ostdeutsche Diplomaten. Sie haben in den 70er-Jahren mit George Bush und seiner Frau Barbara in Peking Tennis gespielt. Denn der ehemalige US-Präsident war damals inoffizieller US-Botschafter dort. Schroeder ist sein ganzes Leben lang geblieben – als einziger der drei Brüder.

    Der 1,97 Meter große, sportliche Anwalt hat in Kapstadt und Berlin Jura studiert und sich nach der einen oder anderen Zwischenstation in China mit einer eigenen Kanzlei in Peking als Experte für chinesisches Recht selbstständig gemacht: Ding Schroeder & Partner. Auch die Website Law-China.de gehört ihm. Außerhalb des Berufs engagiert er sich im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Schnelllesen, außerdem ist er Fitness-Trainer. Schroeder ist auch der einzige deutsche Anwalt in China, der vor Gericht auftritt. Kurz: Schroeder weiß, wie Recht in China geht.

    Herr Schroeder, ist China ein Rechtsstaat?

    Das kommt darauf an, was man unter einem Rechtsstaat versteht. Ich verstehe unter einem Rechtsstaat einen Staat, in dem das Recht herrscht und nicht einzelne Personen. So ähnlich würden es chinesische Führer auch formulieren. Ich wäre etwas vorsichtiger. Aber immerhin, China wandelt sich. Die Herrschaft der Kader wird schrittweise abgelöst durch die Herrschaft des Rechts, also in die Richtung des Verständnisses von einem Rechtsstaat, zu dem wir als Europäer eher neigen.

    Chinesisches Rechtssystem: KP steht an oberster Stelle

    Was fehlt noch auf dem Weg in die Richtung?

    Bei uns ist der Gesetzgeber selbst an das Gesetz gebunden. In China noch nicht in dem Maße. Auch die Partei ist nicht sklavisch an die Gesetze gebunden. Da kann man noch Überraschungen erleben, weil die Richter das Gesetz im Alltag noch nicht so frei auslegen können, wie bei uns in Deutschland. Ein wesentlicher Unterschied: Richter können in Deutschland dem Gesetzgeber durchaus Paroli bieten mit ihrer Auslegung des Rechts, die dem möglicherweise gar nicht gefällt. Das ist in China noch selten.

    In China wartet der Richter, bis ihm die Partei sagt, wie er das Gesetz auslegen soll.

    Jedenfalls prescht er nicht mit einer Lösung vor, ohne sich vorher rückversichert zu haben. Wir hatten auch Fälle, wo das Ausgangs-Gericht den Fall noch vor der Entscheidung dem Berufungsgericht vorgelegt hat, um nicht eine Entscheidung zu erlassen, mit der die nächsthöhere Instanz nicht einverstanden ist. Das ist zwar pragmatisch, hat den Prozess aber um fast ein Jahr verzögert. 

    Als Anwalt schaut man also zuerst auf die Partei beziehungsweise die nächste Instanz?

    Ja. Das ist so, weil die Richterschaft das auch so macht. Und doch ist gleichzeitig in anderer Hinsicht der Spielraum sogar größer als in Deutschland. Während dort in einer umfangreichen Kommentarliteratur sozusagen jedes Detail ausgeleuchtet ist, das BGB ist ja über 100 Jahre alt, sind in China die meisten Gesetze viel neuer und die Literatur nicht so umfangreich.

    Chinesische Richter fordern deshalb die Anwälte auf, Präzedenzfälle zu sammeln und der Richterschaft vorzulegen, damit die sich orientieren kann. Da kann man auf das ein oder andere hinweisen und trifft durchaus auf Offenheit, ja sogar Dankbarkeit. Denn auch die chinesischen Richter sind eben am Ende doch Juristen und keine Politiker. Sie wollen im Grunde juristisch diskutieren, nicht politisch, zumal das Niveau der Gesetzestexte immer verlässlicher wird.

    Gibt es diese Entwicklung zu mehr Verlässlichkeit, weil die Menschen Druck machen, mehr Rechtssicherheit wollen.

    Ich würde es so formulieren: Der Staat sagt, er hat das Streitschlichtungsmonopol, wenn Menschen sich nicht mehr untereinander einigen können. Wenn der Staat das nicht so recht hinbekommt, werden die Menschen unzufrieden. Das schafft soziale Unruhe, die der Staat nicht will. Also entsteht ein Entwicklungsdruck, zu Gesetzen und Verfahren, von denen die Bürger sagen, sie fühlen sich ungerecht behandelt.  

    Oft haben der Staat und die Partei andere Interessen als die Menschen. Wie geht das zusammen?

    Es ist ein ständiges Austarieren zwischen dem Wunsch der Partei, ihre Ziele durchzusetzen, und dem Wunsch der Menschen nach Gerechtigkeit. Keine der beiden Interessen kann sich ungehindert durchsetzen.

    Aber werden der Staat und die KP nicht wieder mächtiger?

    Ja und Nein. In den zivilrechtlichen Streitigkeiten zum Beispiel zwischen Nachbarn ist das längst nicht mehr so. In anderen Bereichen, dem Verhältnis von Gemeinschaft und Individuum schaut der Staat wieder genauer hin.

    Wie reagieren die Menschen darauf?

    Es stört sie erst dann, wenn sie persönlich betroffen sind. Ein abstraktes Betroffensein begegnet einem in China eher selten. Hier gibt es keinen Aufschrei bei generellen Maßnahmen. Die Steuerung des Informationsflusses, aber vor allem die wirtschaftliche Prosperität spielen dabei eine große Rolle. Wenn die Menschen im Großen und Ganzen das machen können, was sie machen wollen, dann sind sie weniger an rechtsstaatlichen Themen interessiert und stecken die ein oder andere Zumutung durch den Staat leichter weg. Was wir beim Blick von außen unterschätzen: Für den Alltag ist der zivilrechtliche Bereich viel wichtiger. Und der ist viel weniger politisch durchsetzt als wir glauben. 

    Haben Chinesen ein anderes Gerechtigkeitsgefühl als Deutsche? 

    Im Westen, das ist zumindest meine Erfahrung, ist das Gerechtigkeitsempfinden des Einzelnen stärker. Man ruft schneller: “Das ist aber unfair!” In China habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Frage, ob etwas fair ist, an den Anwalt delegiert wird, weil das Gespür für Fairness nicht so entwickelt ist. So wie man den Arzt entscheiden lässt, wie krank man ist. Oder den Mechaniker, ob der Motor kaputt ist.

    Die Bedeutung einer Rolle für die eigene Persönlichkeit

    Woran liegt das?

    Die Menschen in China leben noch mehr in Rollen. Sie sind Sohn oder Vater. Lehrer oder Schüler. Manager oder Assistent. Sie werden auch so angesprochen und verhalten sich dann so. Das geht so weit, dass selbst erwachsene Menschen ihren Eltern nur das erzählen, was Kinder ihren Eltern erzählen. Es geht um die Rolle, nicht um Gefühle.  

    Das war bei uns früher ähnlich.

    Und wenn man gefragt wird, was Fairness ist, wird man ja gefragt, wer man selber ist, was man von der Welt erwartet und was man möchte. Das ist viel mehr als eine Rolle. In familienrechtlichen Fällen sind wir dazu übergegangen, solche Verhandlungen dann eher von Anwalt zu Anwalt zu führen, weil die natürlichen Personen zu dem Thema Fairness und gerechte Lösung gar nicht viel beitragen konnten.

    Wird man dieses Rollenspiel mit zunehmender Modernisierung ablegen oder ist das zu tief in der Kultur verankert?

    Das ist eine schwierige Frage. Was ist kulturell, sitzt also tiefer und was ist gesellschaftliche Entwicklung, wandelt sich leichter. Es lässt sich kaum trennen. Vielleicht hilft eine Beobachtung: Früher hat man sich mehr über die Rolle definiert, heute definieren sich immer mehr Chinesen über den Konsum, also welche Kleidung oder Uhr sie tragen und welches Auto sie fahren.

    Die Rolle wird also schwächer.

    Ja oder es werden Konsumrollen. Im Westen jedenfalls ist das bereits anders. Dort wollen die Menschen Rollenklischees aktiv vermeiden. Ich sage nicht: Ich bin Anwalt, sondern ich arbeite als Anwalt, will sagen: Ich bin viel mehr, vielfältiger. Ich bin auch noch Fitness-Trainer. Ich habe auch Kunstgeschmack. Aber ich bin nicht so sehr in der Konsumrolle wie in China. Das Ziel ist es geradezu eine Rolle zu vermeiden. So weit ist die chinesische Mittelschicht noch nicht. Das sieht man eher in Japan oder Südkorea. Mit seltsamen Auswüchsen: Viele tragen dann Hello Kitty, um nicht konform zu sein, obwohl dadurch wieder neue Konformität entsteht.

    Die Partei jedoch braucht Menschen, die eine Rolle spielen.

    Jedenfalls ist es einfacher, Ameisen zu steuern, als einen Sack Flöhe. Oder auf Menschen bezogen: Sie können Atheisten schlechter steuern als glühende Anhänger einer Religion. Deshalb braucht die KP den geistigen Überbau.

    Die KP China als Steuermann der Bevölkerung

    Gleichzeitig basiert der Erfolg Chinas auf Trial-and-Error. Auf einem Pragmatismus, den vor allem Deng Xiaoping etabliert hat. Wie geht das zusammen?

    Die Schnittmenge besteht darin, dass es bei allem Pragmatismus oder politischem Glauben einen Steuermann braucht, damit das Schiff nicht auf die Klippen läuft. Für China ist das Russland der neunziger Jahre ein Beispiel dafür, was passieren kann, wenn ein Land aus dem Ruder läuft. 

    Dass die Partei so denkt, ist klar. Aber denkt so auch die Bevölkerung?

    Es ist nicht so, dass man das will und sich danach sehnt. Aber es macht das Leben einfacher. Man schläft ruhiger, braucht weniger Energie, wenn einem gesagt wird, wie man die Welt sehen soll. Deswegen haben viele, wahrscheinlich sogar die Mehrheit, nichts dagegen, wenn die Partei sagt: Hier geht’s lang.

    Aber viele wollen auch mehr selbst bestimmen. Viele Menschen in Hongkong oder in Xinjiang zum Beispiel.

    Sicherlich. Das ist wichtig. Aber es sind dennoch Minderheiten. Die Mehrheitsgesellschaft schaut dort nicht hin, weil es sie nicht betrifft. Im Gegenteil, die Minderheiten stören provokativ gesagt sogar den Fluss des Stromes der Mehrheit. Diesen Blickwinkel kann man kritisieren. Aber man darf ihn nicht unterschätzen, wenn man die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong betrachtet. Die Mehrheit will sich nicht damit beschäftigen, empfindet das sogar als störend. Konfuzius hat einmal gesagt: Was geht mich das Schicksal des Kindes einer fremden Mutter an? Solche Sätze gehen gegen unser westliches Verständnis von Mitgefühl, beschreiben möglicherweise aber die chinesische Gesellschaft.

    Das Thema Datenschutz in China

    Gilt diese Gleichgültigkeit auch für den Datenschutz?

    Das Bewusstsein, dass der Staat zu viele Daten sammelt, ist noch nicht sonderlich ausgeprägt. Das liegt auch an der Zensur, aber noch viel mehr daran, dass die Meisten solche Entwicklungen erst hinterfragen, wenn sie persönlich die Nachteile erleben. Nachteile spüren in China derzeit vor allem Dissidenten, NGOs, Journalisten oder auch Juristen. Der normale Bürger weniger.

    Aber werden nicht dem Social Scoring System, das gerade aufgebaut wird, die Nachteile sichtbar?

    Möglich. Aber es ist noch kaum entwickelt. Es spielt im Alltag der meisten Chinesen noch keine Rolle. Und es kann auch den umgekehrten Effekt haben. Es kann passieren, dass das Punktesystem ein Wettrennen um Konformität auslöst, darum, der Musterschüler zu sein. Darauf spekuliert jedenfalls die Partei und sie liegt damit nicht völlig falsch. Das größte Problem beim Datensammeln besteht ja darin, dass ich mit den Daten Menschen manipulieren kann. Das gilt für den Westen ebenso wie für China.

    In China ist es politisch motiviert, im Westen wirtschaftlich. Dort geht es nicht um Werte, sondern um Gewinnmaximierung. Wenn man sieht, dass Amazon bessere Vorschläge für Geschenke macht als die Frau oder der Ehemann, dann sieht man, wohin die Reise geht – auch in China. Es geht darum, die Menschen in eine bestimmte Richtung zu führen ohne, dass man selbst es merkt. Social Scoring ist dagegen sehr transparent.

    Werden sich die Menschen nicht doch früher dagegen wehren, als es jetzt scheint? Wie lange noch kann der Staat den Deckel draufhalten?

    Ich habe in Südafrika Recht im Systemwechsel studiert und Feldforschungen in verschiedenen afrikanischen Gesellschaften durchgeführt. Die Frage war, wie müssen starke demokratische Institutionen aussehen? Die Antwort war überraschend: Es kommt nicht so sehr darauf an, wie die Institutionen strukturiert sind, sondern darauf, dass die Menschen damit etwas anfangen wollen. Es bringt nichts Demokratie einzuführen in einem Land, in dem die Menschen gar nicht entscheiden wollen oder können über Entwicklungen, die sie nicht konkret betreffen. Das ist aber das Wesen der Demokratie.

    Über das Ergebnis dieser Studie freut sich natürlich jeder Diktator und sagt “Seht ihr, wir müssen nochmal 30 Jahre regieren”.

    Das mag sein. Ein Forschungsergebnis kann jedoch nicht verwerflich sein, nur, weil es jemand missbrauchen kann. Wichtiger ist: Es kommt zuerst auf die Sozialisation der Menschen an, dann erst auf die Struktur der Institutionen. Die Verantwortung liegt also bei den Menschen selbst. Diese Verantwortung ist sehr eng damit verknüpft, welches Verständnis sie davon haben, was ein Mensch ist.

    Ist das neue chinesische Datenschutzgesetz, das gerade in Kraft getreten ist, ein Zeichen dafür, dass das Verständnis davon, was ein Mensch ist, sich in China wandelt?

    Wenn es dafür kein Bedürfnis in der Bevölkerung gäbe, hätte der Gesetzgeber sich nicht die Mühe gemacht. Aber man muss das differenzierter sehen. Es geht noch nicht um Daten insgesamt. Was die Menschen derzeit stört, ist die Frage, wie Privatunternehmen mit den Daten umgehen, weniger, wie der Staat damit umgeht. Aber das ist dennoch ein wichtiger Schritt: Der Staat will verhindern, dass der Umgang mit Daten in der Wirtschaft den Konsumenten verunsichert; mehr nicht.

    Der neue Gedanke dabei, und der hat durchaus Sprengkraft: Die Menschen sollen grundsätzlich selbst bestimmen dürfen, wer wie mit ihren Daten Geld verdient. Wie gesagt, das bezieht sich erstmal auf den Konsum, aber der Geist ist aus der Flasche. Auch, wenn der Staat sagt, im Falle der nationalen Sicherheit darf er die Daten benutzen.

    China und Deutschland im Vergleich

    Wie ist das in Deutschland?

    Im deutschen Grundgesetz steht, dass die freiheitlich demokratische Grundordnung durch kein Gesetz und auch keine Verfassungsänderung abgeschafft werden kann. Das gibt es in China nicht. Ein großer Unterschied.

    Es herrscht also im Verhältnis zwischen Individuum Gemeinschaft eine andere Balance in China als im Westen?

    Ja. Es tendiert mehr in Richtung Gemeinschaft. Das kommt allerdings nicht allein von oben, von den Diktatoren, sondern das hängt auch damit zusammen, dass man sich in China möglicherweise auch selbst ganz anders wahrnimmt, mehr als Teil einer Gemeinschaft. In Europa hingegen sieht man sich gerade nicht als Teil einer Gemeinschaft, sondern eher als Individuum oder als Teil einer anderen Minimal-Gemeinschaft, einer kleineren einzigartigeren Gruppe, aber nicht mehr so sehr als Teil eines Volkes.

    Spielte dieses Thema bei der Corona-Bekämpfung auch eine Rolle?

    Viele behaupten das. Aber eigentlich ist es komplexer. Grundsätzlich interessiert sich ein Chinese möglicherweise nicht so sehr dafür, ob er einen anderen Chinesen ansteckt oder nicht. Vor Corona haben Chinesen vielleicht Masken getragen, um sich selbst zu schützen, nicht um andere zu schützen. Aber wenn es angeordnet wird, also eine Frage der Gemeinschaft ist, fällt es dem Einzelnen viel leichter sich unterzuordnen. Es wird weniger als Zwang empfunden denn als Pflicht. Es geht dabei gar nicht so sehr um Empathie.

    Das macht es dem Staat einfacher, auch unpopuläre Maßnahmen durchzusetzen.

    Ja. Weil Chinesen weniger fragen: Warum denn ausgerechnet ich? Sondern sie tun eben ihrer Rolle als Staatsbürger Genüge, wenn es verlangt wird – mit einer Selbstverständlichkeit, die Menschen im Westen erstaunt.

    Was sind unter diesen Bedingungen in den nächsten Jahren die großen juristischen Herausforderungen?

    China hat in den vergangenen Jahren eine enorme Menge an Gesetzen geschaffen. Sie haben ein komplett neues Gesellschaftsrecht. Sie haben ein komplett neues Zivilgesetzbuch, ein neues Steuerrecht. Nun wird die Datenschutzgesetzgebung aufgebaut. Die größte Herausforderung liegt nun in der unglaublich schnellen technologischen Entwicklung.

    Wie gehe ich zum Beispiel mit künstlicher Intelligenz oder einem Teilbereich, dem autonomen Fahren rechtlich um? Das muss geregelt werden und dafür gibt es jedoch kaum Vorbilder im Westen. Das ist Neuland, welches sich täglich verändert. Auch viele Fragen der digitalen Wirtschaft sind neu. Unser juristisches Denken ist geprägt von der Denkweise, dass ein Produkt hergestellt wird und dann mit einem Mehrwert verkauft werden kann. Wie ein Auto zum Beispiel.

    Und heute?

    Wir stellen heute digitale Produkte her, die einmal entwickelt werden und dann millionenfach fast kostenlos vervielfältigt werden und verkauft werden können. Dadurch werden Menschen oder Firmen plötzlich unglaublich reich, ohne dafür entsprechend arbeiten beziehungsweise Lebenszeit opfern zu müssen. Bill Gates ist der Pionier dieser Entwicklung. Ist das gerecht? Ist das im Sinne der Gemeinschaft? Mit diesen Fragen beschäftigen sich derzeit chinesische und westliche Juristen parallel. Der Tech-Crackdown in China hat sehr viel mit dieser Frage zu tun. Es wird sehr spannend, zu welchen unterschiedlichen oder auch gemeinsamen Ergebnissen die Juristen kommen. Und eines ist schon klar: Die Vielfalt der Lösungen wird durch den neuen Spieler China größer.

    Was macht China anders?

    Die chinesische Regierung sieht ganz deutlich, dass in westlichen Demokratien die Großkonzerne immer mehr auch politische Macht haben und die existierende Rechtsprechung unterlaufen können. Der chinesische Staat möchte den Konzernen diese Macht nicht zugestehen. Im Westen ist man da phlegmatischer.

    Also setzt China auf Planwirtschaft?

    Mit Planwirtschaft hat das nichts zu tun. Es geht darum, die Verträglichkeit der Ökonomie mit der Allgemeinheit zu regeln. Das ist nicht nur Neuland für China, sondern auch Neuland für die Welt. Da helfen auch Marx und Engels wenig. Sondern da kann man nur Schritt für Schritt tastend durch den Fluss gehen. Alte Begriffe wie Planwirtschaft sind dabei eher bremsend.

    Was will die chinesische Führung?

    Sie will steuerbare Prosperität in einer Gesellschaft mit möglich wenig Ungleichgewichten. Da tastet sich China ran und ist vor Rückschlägen nicht gefeit. Es ist ein Blindflug, für den es keine Theorie gibt.  

    Fasziniert Sie das an China?

    Mich interessieren die Unterschiede zwischen Kulturen. Man lernt im Austausch mit Menschen, die kulturell und gesellschaftlich entfernt sind, viel mehr über sich selbst, als wenn man sich immer mit den eigenen Leuten über die eigenen Dinge unterhält.

    Sie können sich das vollständige Gespräch hier im Video ansehen.

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    Analyse

    Regeln zu Algorithmen übertreffen EU-Pläne

    Die Manipulation unserer eher simpel gestrickten menschlichen Hirne durch Künstliche Intelligenz ist unter Zukunftsforschern und Regulierern derzeit das ganz große Thema. Jetzt setzt China im Rahmen seiner Datenschutz-Offensive neue Maßstäbe. Ein neuer Gesetzentwurf sieht eine enorme Stärkung der Rechte von Bürgerinnen und Bürgern gegenüber manipulativen Algorithmen vor. Die Bestimmungen gelten allerdings – wie immer – nur für die Wirtschaft, nicht für den Staat. Das erklärte Ziel des Gesetzentwurfs ist es, “etablierte Werte aufrechtzuerhalten”. Digitale Dienste sollen “positive Energie verbreiten und Algorithmen für wünschenswerte Ziele einspannen”.

    Am Freitag haben die Cyberspace Affairs Commission und das Justizministerium einen entsprechenden Gesetzesentwurf online gestellt. Das Ministerium ruft die Öffentlichkeit bis zum 26. September dazu auf, Stellung zu nehmen. Eine englische Übersetzung durch die Initiative DigiChina an der Universität Stanford findet sich hier.

    Die Datenschutz-Spezialistin Kendra Schaefer von dem Forschungsdienst Trivium hält die vorgeschlagenen Regeln sogar für strenger als die in Europa. “Dieser Gesetzentwurf markiert den Augenblick, in dem Chinas Technik-Regulierung nicht nur mit den Datenregeln der EU Schritt hält, sondern über sie hinausgeht”, schreibt sie auf Twitter.

    Konkret sieht der Entwurf folgende Regeln vor, die allesamt harte Nüsse für Internetdienste sein werden:

    • Transparenz: Webseiten und Apps müssen anzeigen, wenn sie Algorithmen für den Vorschlag neuer Inhalte oder Produkte nutzen.
    • Abschalten: Internetnutzer sollen solche Vorschläge für Inhalte, die auf Basis von Algorithmen erstellt werden, dann auch abschalten können. Wer beispielsweise auf einer Video-Plattform ist, bekommt dann keine Videos mehr auf Basis seiner Vorlieben vorgeschlagen. Wer auf Taobao shoppt, sieht keine Leiste mehr mit anderen Waren, die einem gefallen könnten. Es gibt also nur noch nicht-personalisierte Inhalte.
    • Einsicht: Die Kundinnen und Kunden sollen auf einfache Weise abrufen können, was ein Internetdienst über sie denkt und weiß. Dazu sollen sie Einblick in die Schlagworte erhalten, die mit ihnen verknüpft sind. Es ist jedoch nicht ganz klar, wie schlagkräftig diese Vorgabe ist. Video-Portale wie Netflix arbeiten zwar tatsächlich viel mit solchen verbalen Begriffen, um die Vorlieben der Nutzer zu erfassen. Andere Dienste verwenden jedoch numerische Kategorien oder generell sehr kompliziertere Verfahren. Das erlaubt dann keine für Menschen lesbare Auflistung der Vorlieben. Vielleicht werden die Firmen auch gezwungen, hier verständliche Kategorien einzuziehen, um die Datenpunkte sichtbar machen zu können.
    • Suchtprävention: Das Trommelfeuer der präsentierten Vorschläge darf nicht mehr so maßgeschneidert sein, dass die Nutzerin oder der Nutzer von einem Inhalt zum anderen springt und nicht mehr aufhören kann. Das lässt einerseits an Dienste wie Tiktok oder Youtube denken, die immer ein noch interessanteres Video parat haben und die Zuschauer nicht loslassen. Ein anderer Anwendungsfall für die Regel sind Sozialmedien. Diese halten Nutzer durch gezieltes Anzeigen von Inhalten bei der Stange. Sie zeigen Botschaften, mit denen eine Interaktion zu erwarten ist. Damit lösen sie immer neue Diskussionen aus. Die eigenen Beiträge erhalten dann immer neue Likes oder Kritik – die wiederum neue Aufmerksamkeit wecken. Das zieht das Gehirn in eine Schleife.
    • Verbot der Abzocke: Den Firmen ist künftig die “Daten-Abzocke unter Freunden” 大数据杀熟 ausdrücklich verboten. Der Begriff war im Netz aufgekommen, weil die Dienste sich einerseits freundlich und sympathisch geben, ihren Kunden andererseits aber doch nur das Geld aus der Tasche ziehen wollen.

    Schlag gegen Tiktok, den Meister der Empfehlungen

    Ein Algorithmus ist eigentlich ein Rechenweg in Einzelschritten. In der Informatik wird das Wort für Programmabläufe verwendet. Davon abgeleitet steht der Begriff derzeit in der Welt der Datenregulierung für ein neues Konzept. Computerprogramme werten Daten aus und verwenden Entscheidungswege, um Nutzern maßgeschneiderte Inhalte zu präsentieren. Es ist also ein Algorithmus, der uns auf Amazon das nächste Buch zum Lesen empfiehlt. Oft trifft er den Geschmack der Leser ganz gut.

    Chinas Internetdienste haben die Anwendung der Algorithmen allerdings zu einer hohen Kunst vorangetrieben. “Wie sein internationales Gegenstück Tiktok ist Douyin für seinen mächtigen Empfehlungs-Algorithmus berühmt“, schreibt Expertin Helen Toner vom Center for Security and Emerging Technology der Georgetown University. Tatsächlich beruht das Geschäftsmodell der Internetriesen zu einem guten Teil auf geschickter Datenauswertung. Die Neuregelung wird ihnen definitiv das Geschäft erschweren.

    Handy-Games von Anbietern wie Tencent lassen die Spielerinnen und Spieler in vorgesehenen Mustern gewinnen und verlieren. Damit schaffen sie die größtmögliche Motivation zum Dranbleiben. Dabei gehen sie nicht bei allen gleich vor, sondern passen die Motivationskurve an die individuellen Reaktionen an. Der eine wird vielleicht vom häufigen Gewinnen zum Dranbleiben gebracht, für die andere wäre das langweilig, weil sie eine größere Herausforderung sucht. Auch Sonderangebote für “wertvolle” Gegenstände in den Spielen wie “Juwelen”, mit denen sich Vorteile kaufen lassen, kommen oft genau dann, wenn die Verkaufschance am größten ist.

    Auch die Angebote und Sonderangebote auf Shopping-Seiten wie Tmall erscheinen nicht zufällig. Sondern dann, wenn der Algorithmus hofft, den Kunden besonders wirksam ködern zu können. Für digitale Inhalte ohne Fixkosten wiederum loten die Algorithmen systematisch die Zahlungsbereitschaft des einzelnen Kunden aus. Die Könige der Datensammelei sind allerdings Suchmaschinen wie Baidu und Google. Über die Suchanfragen kennen sie genau die Interessen der Nutzer, sie wissen lange vor der konkreten Bestellung um Kaufwünsche. Sie wissen schon im Frühjahr die geplanten Reiseziele im Sommer. Daran richten sie dann die Werbung aus. Der Philosoph Noah Yuval Harari nennt die Organisationsform der künftigen Welt “Datismus”.

    China könnte Vorbild für die EU werden

    Auch die EU und die USA wollen den Umgang mit Daten und die Algorithmen regulieren. Sie tun sich derzeit in der Praxis jedoch schwerer als China, die Privatwirtschaft an die kurze Leine zu nehmen. Auch in der EU ist die Regulierung “manipulativer Künstlicher Intelligenz” zwar im Gespräch. Doch ein so tiefer Einblick in das Innenleben der Plattformen wie in China ist hier noch nicht vorgesehen.

    Im Gesamtbild des Datenschutzes hat die EU allerdings immer noch die Nase vorn. Denn die chinesischen Regeln betreffen wie immer nur die freie Wirtschaft. Der Staat kann mit den Daten der Bürger machen, was er will. Der EU-Entwurf für die KI-Regulierung sieht dagegen sogar vor, ein Sozialpunktesystem explizit illegal zu machen. Für Chinas Regierung ist die Einführung genau so eines Systems sogar eines der wichtigsten laufenden Projekte. Um die Bürgerinnen und Bürger mit KI zu braven Staatsbürgern zu machen. Kurz gesagt, um sie zu manipulieren.

    Während China also dabei ist, seinen Bürgerinnen und Bürgern scharfe Instrumente gegen datensammelnde Firmen in die Hand zu geben, behält sich der Staat die Nutzung dieser Möglichkeiten ausdrücklich – und immer exklusiver – vor. Die Herrschaftsinstrumente sollen in den Händen der Partei liegen. Forscherin Toner hält die weitreichenden chinesischen Regeln dennoch für einen gewaltigen Fortschritt. “Es wird faszinierend sein zu sehen, wie sie sich in der Praxis bewähren.” Das, was davon funktioniere, werde vermutlich vielfach übernommen werden.

    Der renommierte Social-Scoring-Experte Rogier Creemers von der Universität Leiden zeigt sich derweil enttäuscht, dass der Entwurf einen bekannten Schwachpunkt der chinesischen Regulierungen nicht abstellt. Die Bußgelder für Verstöße sind viel zu niedrig angesetzt. Die Höchststrafe liegt bei 30.000 Yuan (4000 Euro). Darüber lachen die Internetriesen nur. Tencent hat beispielsweise im vergangenen Jahr 123 Milliarden Yuan Gewinn ausgewiesen (16 Milliarden Euro).

    Die Obergrenze geht auf eine Regel aus dem Jahr 1996 zurück. Damals hat der Gesetzgeber sie für Bußgelder gegenüber Firmen eingezogen. Doch unabhängig von diesem leicht reparierbaren Konstruktionsfehler setzt das Gesetz erstmals einen strikten Rechtsrahmen für Algorithmen und leistet damit auch weltweit Pionierarbeit.

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    News

    Behörde will US-Börsengänge untersagen

    Peking will einem Bericht zufolge neue Vorschriften erlassen, um Unternehmen mit großen Mengen sensibler Verbraucherdaten einen Börsengang in den USA zu verbieten. Chinas Börsenaufsicht habe Unternehmen und Investoren mitgeteilt, dass die vorgesehenen Regeln eine Erstnotiz im Ausland blockieren soll, wie Bloomberg unter Berufung auf Informationen des Finanznachrichtendienstleisters Dow Jones berichtet. Das Verbot soll demnach vor allem für Unternehmen gelten, die den Börsengang über im Ausland eingetragene Unternehmen anstreben. Sektoren mit weniger sensiblen Informationen, wie beispielsweise Pharma-Firmen, sollen dem Bericht zufolge weiterhin die Genehmigungen für US-Börsengänge erhalten können.

    Die Vorschriften könnten demnach erst im vierten Quartal des laufenden Jahres fertiggestellt und umgesetzt werden. Die zuständige Behörde habe deshalb einige Unternehmen aufgefordert, Börsengänge bis dahin auszusetzen. Chinas Börsenaufsicht hat ihr Durchgreifen gegen Aktienausgabe im Ausland beschleunigt, nachdem Didi Chuxing seinen Börsengang im Juni vorangetrieben haben soll, obwohl das Unternehmen aufgefordert worden sei, die Pläne zu verschieben (China.Table berichtete). Es ist unklar, ob von den neuen Vorschriften Unternehmen ausgenommen werden könnten: Derzeit prüft dem Bericht zufolge beispielsweise Aichi Automobile, ein Start-up für Elektrofahrzeuge, besser bekannt als Aiways, einen US-Börsengang, der noch in diesem Jahr erfolgen könnte. ari

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    Bericht: Verzögerte Zulassung von Biontech

    Anscheinend möchte China doch einem selbst entwickelten mRNA-Impfstoff den Vorzug geben, statt das deutsche Produkt von Biontech zuzulassen. Das Wall Street Journal zitiert informierte Kreise mit der Aussage, das Zulassungsverfahren für das Biontech-Präparat werde derzeit bewusst verzögert. Grund sei Sorge um das Vertrauen in die einheimischen Impfstoffe. Eine beschleunigte Zulassung des hochtechnischen Wirkstoffs aus dem Westen könnte demnach den Eindruck schaffen, die Produkte von Sinopharm und Sinovac seien Impfstoffe zweiter Klasse.

    Biontech will sein Präparat in China über die Pharmasparte des Pekinger Mischkonzerns Fosun vertreiben lassen. Fosun will es auch im Inland herstellen lassen. China steht unter Druck, eine Auffrischungsimpfung vorzubereiten. Die Schutzwirkung der einheimischen Mittel nimmt offenbar noch schneller als die der westlichen Konkurrenz ab. Studien zufolge halbiert sich die Zahl der Antikörper nach einer Impfung mit Sinovac alle 40 Tage. Die Wirkung des deutschen Impfstoffs nimmt bei gesunden mittelalten Impflingen alle zwei Monate um sechs Prozent ab. fin

    • Fosun

    Öffentliche Aufträge: EU-Parlament debattiert über Entwurf

    Die Europäische Union will mit neuen Vorschriften China von öffentlichen Aufträgen aussperren und dafür das entsprechende Instrument für das internationale Beschaffungswesen nun zügig vorantreiben. Im Laufe der kommenden Woche soll der entsprechende Berichtsentwurf im zuständigen Handelsausschuss des EU-Parlaments besprochen werden, wie das Europaparlament in seiner Wochenagenda ankündigte. Am Mittwoch werden sich die EU-Abgeordneten mit dem Entwurf für die Vorschriften des “International Procurement Instrument”, kurz IPI genannt, befassen. Diese sollen Unternehmen der EU vor unfairer Behandlung bei internationalen öffentlichen Ausschreibungen schützen. IPI soll auch ein Druckmittel sein, um die Beschaffungsmärkte in Drittländern zu öffnen. Die Vorstellung des Berichts kann am Mittwoch im Livestream des Ausschusses verfolgt (ab 09.30 Uhr) werden.

    Das entsprechende Instrument ist bereits lange in Planung – zuletzt ging aber über Jahre nichts voran, weil der Rat der Mitgliedsstaaten geblockt hatte. Der ursprüngliche Standpunkt des Parlaments von 2014 muss jetzt nochmals aktualisiert werden, nachdem sich die EU-Staaten im Rat im Juni nach neun Jahren Stillstand auf eine Position geeinigt hatten. Beide Seiten müssen am Ende auf eine gemeinsame Position einigen, damit das Instrument in Kraft treten kann. Das Europaparlament vertritt jedoch generell eine härtere Linie des IPI als die Mitgliedsstaaten, weshalb noch einige Verhandlungen zwischen den beiden Seiten erwartet werden.

    Knackpunkt dabei wird zum Beispiel sein, in welchem Umfang und wann das IPI angewandt werden soll. Die Mitgliedsstaaten wollen beispielsweise mit Preisaufschlägen arbeiten. Das EU-Parlament hingegen tendiert zu einem vollständigen Ausschluss bei unfairen Wettbewerbsbedingungen. Außerdem möchte das Europaparlament, dass die Entscheidung für Ausnahmen von dem Verbot in Brüssel bei der EU-Kommission liegt. Bisher wurde von den Staaten beschlossen, dass sie selbst dafür zuständig seien. ari

    • EU
    • Handel
    • IPI

    Arm China plant eigene Computerplattform

    Arm Technology China will mit der Herstellung einer All-in-One-Recheneinheit für selbstfahrende Systeme beginnen. Auf einer Plattform wird Arm dafür verschiedene Arten von Recheneinheiten mit Künstlicher Intelligenz (KI), Bild- und Videoverarbeitung integrieren. Diese Technologie wird beim autonomen Fahren verwendet, um die sich verändernden Verkehrsbedingungen besser einordnen zu können. Arm China ist ein Joint Venture der Softbank-Gruppe und des gleichnamigen britischen Anbieters von IP-Lösungen im Bereich Mikroprozessoren.

    Allen Wu, CEO von Arm China, sagte bei der Ankündigung, dass sich das Unternehmen durch die Zusammenführung aller Prozessoren von seinen Lieferanten unabhängiger macht. Bislang musste das chinesische Joint Venture die Recheneinheiten von verschiedenen Quellen beziehen, um sie dann in ihre Produkte einbauen zu können.

    Darüber hinaus hat sich Arm China verpflichtet, seine Technologien mit Drittunternehmen zu teilen. Im vergangenen Monat hatte Arm China sich mit mehr als 50 Unternehmen und Institutionen zusammengetan, um die Open NPU Innovation Alliance ins Leben zu rufen. Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin wird dieser Schritt von Analysten als Versuch von Arm China gesehen, potenzielle Kunden zu gewinnen. Diese Ankündigung stellt eine Abweichung von der vom Arm-Mutterhaus verfolgten Praxis dar. Diese ist auf die Zentralisierung der Befehlssatzinfrastruktur seiner Prozessoren ausgerichtet, die nach Ansicht von Analysten für den Einsatz in Computern, Smartphones und Rechenzentren besser geeignet ist. niw

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    Peking nennt US-Bericht zu Corona “verlogen”


    Peking hat den Bericht der US-amerikanischen Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus als “verlogen” bezeichnet. Der Bericht sei für “politische Zwecke” erstellt worden, hieß es in einer am Sonntag vom chinesischen Außenministerium veröffentlichten Mitteilung. “Ohne Beweise zu liefern, haben die USA eine Geschichte nach der nächsten erfunden, um China zu diffamieren und zu beschuldigen”, wird Chinas Vize-Außenminister Ma Zhaoxu zitiert. Auch die chinesische Botschaft in Washington wies den Bericht in einer Mitteilung zurück und warf den USA “politische Manipulation” vor. Das Papier diene dazu, “China zum Sündenbock zu machen.”

    Der am Freitag veröffentlichte Bericht der amerikanischen Geheimdienste zum Ursprung des Coronavirus hatte keine eindeutigen Feststellungen geliefert. Darüber, ob das Virus aus einem Labor stamme oder von einem Tier auf den Menschen übergesprungen sei, herrschte demnach unter den Diensten Uneinigkeit. Beides seien “plausible Hypothesen”. Solange keine weiteren Informationen zur Verfügung stehen, seien keine weiteren Schlussfolgerungen möglich, hieß es weiter. “Peking behindert jedoch weiterhin die globalen Ermittlungen, weigert sich, Informationen auszutauschen und beschuldigt andere Länder, darunter auch die Vereinigten Staaten”, hieß es in dem Papier. US-Präsident Joe Biden hatte die Untersuchung im Mai in Auftrag gegeben. ari

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    Presseschau

    China überspringt Marke von einer Milliarde Internetnutzer BR
    EU will China von öffentlichen Aufträgen aussperren FAZ
    Chinese foreign minister tells top U.S. diplomat world must ‘positively guide’ Taliban REUTERS
    Umfrage: Große Mehrheit der Deutschen für härteren Kurs gegenüber China RND
    Corona-Bericht: China bezichtigt US-Geheimdienste der Lüge FAZ
    Chinas Konzerne zahlen Ablass FAZ
    China’s anti-corruption watchdog slams entertainment industry FT
    Personenkult in China: Grundschüler müssen Xi Jinpings Lehren pauken SPIEGEL
    “Dringender Bedarf”: China will Raumstationen in Kilometergröße bauen T3N
    Where China’s wealthy travelers are going during the pandemic CNN

    Standpunkt

    Es muss nicht zum Krieg zwischen den USA und China kommen

    Von Charles C. Krulak und Alexander Friedman
    Alexander Friedman Krieg USA China
    Alexander Friedman ist Mitgründer der Forschungsfirma Jackson Hole Economics

    Im Jahr 2034 sind die Vereinigten Staaten und China in eine Reihe militärischer Konflikte verwickelt, die zu einem verheerenden taktischen Atomkrieg eskalieren. Andere Länder – darunter Russland, Iran und Indien – werden hineingezogen. Plötzlich steht die Welt am Rande des Dritten Weltkriegs.

    Dieses Szenario wird in 2034: A Novel of the Next World War geschildert, einem fesselnden dystopischen Roman, den der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber, Admiral James Stavridis gemeinsam mit Elliot Ackerman verfasst hat. Das Buch reiht sich ein in immer lauter werdende Stimmen, die vor einem nahezu unvermeidlichen Zusammenstoß zwischen der aufstrebenden und der amtierenden Weltmacht warnen. Graham Allison von der Harvard University hat dieses Phänomen als Thukydides-Falle bezeichnet und ruft damit die Aufzeichnungen des gleichnamigen griechischen Historikers der Antike in Erinnerung, demzufolge “der Aufstieg Athens und die Angst, die er Sparta einflößte, den Krieg unausweichlich machten”.

    Es stimmt, dass es im Laufe der Geschichte häufig in einem Krieg mündete, wenn eine aufstrebende Macht eine herrschende Macht herausgefordert hat. Es gibt aber bemerkenswerte Ausnahmen. Ein Krieg zwischen den USA und China ist heute ebenso wenig unausweichlich wie ein Krieg zwischen den aufstrebenden USA und dem untergehenden Britischen Empire vor einem Jahrhundert. Ausgehend vom heutigen Umfeld gibt es vier zwingende Gründe zur Annahme, dass ein Krieg zwischen den USA und China vermieden werden kann.

    Vier Gründe gegen einen militärischen Konflikt

    Vor allen Dingen würde jeder militärische Konflikt zwischen den beiden Staaten schnell zum Atomkrieg führen. Die USA befinden sich damit in der gleichen Situation wie gegenüber der Sowjetunion. Taiwan könnte leicht zum Stolperdraht dieses Jahrhunderts werden, so wie es die strategisch verletzliche “Lücke von Fulda” in Deutschland während des Kalten Krieges war. Aber die gleiche Dynamik des “Gleichgewichts des Schreckens”, die den amerikanisch-sowjetischen Konflikt in Grenzen hielt, gilt auch für die USA und China. Und die internationale Gemeinschaft würde alles in ihrer Macht Stehende tun, um sicherzustellen, dass ein potenzieller Atomkonflikt ausbleibt, da die Folgen grundsätzlich länderübergreifend sind und – anders als beim Klimawandel – unmittelbar eintreten würden.

    Ein Konflikt zwischen den USA und China würde mit ziemlicher Sicherheit eher die Form eines Stellvertreterkrieges annehmen als einer Konfrontation zwischen Großmächten. Jede Supermacht könnte sich in einem innerstaatlichen Konflikt in einem Land wie Pakistan, Venezuela, Iran oder Nordkorea auf eine andere Seite schlagen und eine Kombination aus Wirtschafts-, Cyber- und diplomatischen Instrumenten einsetzen. Wir haben diese Art von Konflikten schon oft erlebt: Von Vietnam bis Bosnien hatten es die USA eher mit Stellvertretern als mit ihrem Hauptgegner zu tun.

    Militärisch kann China nicht mithalten

    Zweitens ist es wichtig, sich vor Augen zu halten, dass es China historisch gesehen langsam angehen lässt. Die chinesische Militärmacht ist zwar drastisch gewachsen, bleibt aber in fast allen wichtigen Bereichen nach wie vor hinter den USA zurück. Und obwohl China stark in asymmetrische Mittel investiert (Langstreckenraketen gegen Schiffsziele und Hyperschallraketen, die Nutzung von Cyber-Techniken für militärische Zwecke und vieles mehr), um seine Schwächen auszugleichen, wird es mit den USA bei konventionellen Mitteln wie Flugzeugen und großen Schiffen noch Jahrzehnte lang nicht mithalten können, wenn überhaupt.

    Aus diesem Grund wäre es für China in seiner derzeitigen Entwicklungsphase zu gefährlich, es zu einem direkten Konflikt mit den USA kommen zu lassen. Käme es zu einem solchen Konflikt, hätte China kaum eine andere Wahl, als den nuklearen Geist aus der Flasche zu lassen. Wenn wir über Ausgangsszenarien nachdenken, sollten wir daher einem Gedankenspiel, in dem die Chinesen bewusst eine militärische Konfrontation mit Amerika herbeiführen, weniger Gewicht beimessen. Das US-Militär neigt jedoch dazu, für den schlimmsten Fall zu planen, und konzentriert sich derzeit auf einen potenziellen direkten Konflikt mit China – eine Fixierung mit Anklän gen an die amerikanisch-sowjetische Dynamik.

    Damit steigt das Risiko, von anderen Bedrohungen überrumpelt zu werden. Seit dem Koreakrieg haben sich immer wieder asymmetrische Bedrohungen als die problematischsten für die nationale Sicherheit erwiesen. Der Aufbau von Streitkräften, die für den schlimmsten Fall gerüstet sind, ist kein Erfolgsgarant im gesamten Spektrum der Kriegsführung.

    Erfolge im globalen Soft-Power-Krieg

    Der dritte Grund für die Annahme, dass ein amerikanisch-chinesischer Konflikt vermieden werden kann, ist die Tatsache, dass China bereits Siege im globalen Soft-Power-Krieg verbuchen kann. Allen Anschuldigungen zum Trotz, Covid-19 sei aus einem Labor in Wuhan entwichen, hat China die Pandemie deutlich besser überstanden als die USA. Und mit seiner Belt-and-Road-Initiative zur Finanzierung der Infrastrukturentwicklung in der ganzen Welt hat es aggressiv die Lücke genutzt, die die Ausgabenkürzungen der USA während der vierjährigen Präsidentschaft von Donald Trump hinterlassen hat. Die chinesische Führung könnte beim Blick auf den aktuellen Status quo durchaus zu dem Schluss kommen, dass sie auf dem richtigen strategischen Weg ist.

    Zu guter Letzt sind China und die USA wirtschaftlich eng miteinander verflochten. Trotz Trumps Handelskrieg belief sich der bilaterale chinesisch-amerikanische Handel im Jahr 2020 auf rund 650 Milliarden US-Dollar, und China war der größte Handelspartner der USA. Die Lieferketten beider Länder sind umfassend miteinander verknüpft, und China hält mehr als eine Billion US-Dollar in US-Staatsanleihen, von denen es die meisten nicht ohne Weiteres abstoßen kann, um nicht deren Wert zu mindern und massive Verluste zu erleiden.

    Allerdings kann die Logik durch eine einzige Handlung und deren unbeabsichtigte Folgen untergraben werden. Etwas so Einfaches wie eine Fehlkommunikation kann einen Stellvertreterkrieg zu einem zwischenstaatlichen Flächenbrand eskalieren lassen. Und wie die Situation in Afghanistan und im Irak zeigt, ist Amerikas Erfolgsbilanz in kriegsgeplagten Ländern nicht gerade ermutigend. China hat seine Interventionen im Ausland unterdessen drastisch ausgeweitet. Aufgrund seiner expansionistischen Mentalität, seines wachsenden Entwicklungshilfeprogramms und des zunehmenden Nationalismus im eigenen Land könnte China nur allzu leicht eine Auslandsintervention starten, die die Interessen der USA bedrohen könnte.

    Cyberattacken provozieren Fehlgriffe

    Vor allem der böswillige Einsatz von Cyber-Taktiken könnte konventionelle militärische Kommando- und Kontrollsysteme untergraben und die politische Führung zu schlechten Entscheidungen zwingen, wenn traditionellere Optionen nicht mehr zur Verfügung stehen. Und die chinesisch-amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen könnten an Bedeutung verlieren, vor allem, wenn China von einem exportorientierten Wachstumsmodell zu einem Modell übergeht, das auf Binnenkonsum basiert, und wenn die Investitionsströme in beide Richtungen angesichts der eskalierenden bilateralen Spannungen zurückgehen.

    Ein “Fehlgriff” seitens eines der beiden Länder ist immer möglich. Deshalb ist die Diplomatie so wichtig. Jedes Land muss seine unabdingbaren nationalen Interessen gegenüber dem anderen Land definieren, und beide müssen die gleiche Frage aus der Perspektive des anderen betrachten. Es mag schwer zu akzeptieren (und eine unliebsame Äußerung) sein, aber die Bürgerrechte in China sind vielleicht kein wesentliches nationales Interesse der USA. Umgekehrt sollte China verstehen, dass die USA sehr wohl wesentliches Interesse an Taiwan haben.

    Die USA und China werden in vielerlei Hinsicht aneinandergeraten. Aber ein direkter, zwischenstaatlicher Krieg muss nicht dazu gehören.

    Charles C. Krulak, Vier-Sterne-General im Ruhestand, ist ehemaliger Kommandant des US Marine Corps und ehemaliger Präsident des Birmingham-Southern College. Alex Friedman ist ehemaliger Chief Financial Officer der Bill & Melinda Gates Foundation. Aus dem Englischen von Sandra Pontow.

    Copyright: Project Syndicate, 2021.
    www.project-syndicate.org

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    Personalien

    Leo Tsoi wird zum 1. Oktober neuer CEO von Starbucks China. Tsoi hatte als COO der Kaffekette bereits die Expansion in China auf derzeit 5.200 Geschäfte vorangetrieben. Mit Tsois Beförderung rückt Molly Liu als COO nach. Liu ist seit neun Jahren für die Entwicklung des Digital-Ventures-Geschäfts von Starbucks China verantwortlich. Belinda Wong bleibt trotz der zwei Neuernennungen weiterhin Chairwoman von Starbucks China. Sie konzentriert sich künftig mehr auf strategische Planung. Wong soll sich um die Beijing Starbucks Foundation kümmern.

    碰瓷 pèngcí – “Porzellan anstoßen”

    碰瓷 pèngcí -
    碰瓷 pèngcí – “Porzellan anstoßen”

    Dass Scherben eben doch nicht immer Glück bringen, belegt der chinesische Begriff 碰瓷 pèngcí – wörtlich “Porzellan anstoßen” (瓷 cí bedeutet “Porzellan” und 碰 pèng “berühren, stoßen, anprallen” oder auch “begegnen, treffen”). In Wirklichkeit geht es bei diesem in der chinesischen Internet- und Umgangssprache beliebten Wort nicht um zerbrechliche Keramikwaren, sondern um delikate Situationen, in denen ein vermeintliches Opfer versucht, durch einen absichtlich provozierten oder nur vorgetäuschten Unfall Geld zu ergaunern. Ein Passant, der sich bewusst in den toten Winkel eines langsam einparkenden Ferraris stellt und dann theatralisch zu Boden fallen lässt? Pèngcí!

    Ursprünglich soll der Begriff aus der alten chinesischen Händlersprache stammen und die gewiefte Praxis einiger unlauterer Geschäftemacher beschreiben, besonders zerbrechliche Waren bewusst an prominenten Stellen an der Straße oder in engen Durchgängen zu platzieren. Die perfide Hoffnung: Es wird sich schon ein tollpatschiger Kunde finden, der das Keramikgut versehentlich umreißt und so dafür aufkommen muss. In diesem Falle wurde also wirklich “Porzellan angestoßen”, während sich die Gauner von heute dagegen nur wie Porzellan anstellen.

    Einen Unfall vortäuschen, um Schmerzensgeld zu erpressen

    Auf das Zeichen 碰 pèng – sinnigerweise eine Kombination aus den Komponenten “Stein” 石 und “gleichzeitig, nebeneinander” 並 (zwei Steine treffen also aufeinander) – trifft man übrigens auch noch in einigen anderen einprägsamen chinesischen Wortkreationen. Etwa in 碰碰车 pèngpèngchē für “Autoscooter” (man hört es schon krachen) oder auch 碰头会 pèngtóuhuì für “kurzes Meeting” (hier werden nur kurz die Köpfe zusammengestoßen).

    Ein “Glückstreffer” ist es dagegen, wenn eine “blinde Katze auf eine tote Maus stößt” (瞎猫碰上死耗子 Xiā māo pèngshàng sǐ hàozi), die Geschichte mit dem blinden Huhn und dem Korn, Sie wissen schon. Aber hätten Sie auch gewusst, was der Chinese meint, wenn er sagt, er sei auf einen “Nagel gestoßen” bzw. habe einen “Nagel angetroffen” (碰钉子 pèng dīngzi)?

    Nun, in der alten feudalistischen Gesellschaft soll in China über den Eingangstüren der Residenzen einflussreicher Beamtenfamilien meist ein Türnagel gehangen haben. Suchten einfache Leute (老百姓 lǎobǎixìng) solche Familien wegen eines Anliegens auf, stießen sie meist auf verschlossene Türen und bekamen statt des erhofften Gesprächspartners nur den Türnagel zu Gesicht. Daraus hat sich die Redensart “einen Nagel antreffen” entwickelt – auf Deutsch: eine Abfuhr oder einen Korb bekommen.

    Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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