Table.Briefing: China

CDU: China-Check + Datenschutzgesetz + Sinovac + Decoupling + VW + WHO-Mission

  • CDU: Der China-Kandidatencheck
  • Technologie-Sektoren treiben 2021 das Wachstum
  • Neues Datenschutzgesetz
  • Misstrauen gegen Sinovac-Impfstoff
  • Grenzen des Decoupling
  • China rettet VW-Absatzbilanz
  • WHO-Mission ohne Deutsche
  • Im Portrait: Alexander Görlach
Liebe Leserin, lieber Leser,

das Superwahljahr 2021 startet heute Abend mit dem digitalen CDU-Parteitag in Berlin – und an tausenden Monitoren. 1001 Delegierte werden am Samstagmorgen virtuell einen neuen Parteichef wählen. Dass China kein Randthema für sie ist, haben die Anwärter Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen schon deutlich gemacht. China.Table unterzieht sie vor der Wahl einem Kandidaten-Check. Und wenn Sie morgen ab 9.30 Uhr live die Wahl verfolgen wollen, hier geht es zum Streaming der CDU.

Wie halten es die Chinesen mit dem Datenschutz? Sie werden sensibler, beobachtet Frank Sieren in Peking. Mit Juristen hat er über das neue Datenschutzgesetz gesprochen, das im Detail den europäischen Regelungen sehr ähnlich ist.

Chinas Impfstoffhersteller Sinovac kommt in Erklärungsnot. Forscher haben Zweifel an der Wirksamkeit des Anti-Corona-Mittels, das vor allem in Schwellenländern geimpft werden soll. Nun mehrt sich der Unmut der Bevölkerung in Brasilien und Pakistan, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben sich den nächsten Fünfjahresplan der chinesischen Regierung genauer angesehen. Ihr Befund: Chinas will zum technologischen Sprung ansetzen und bietet für Anleger und Investoren neue Chancen. Vom zuletzt vielbesprochenen Decoupling spüren denn auch die europäischen Unternehmer in China wenig. Amelie Richter hat die Details der Studie des Merics-Instituts und der EU-Handelskammer in China.

Eine informative und anregende Lektüre dieser Ausgabe von China.Table wünsche ich Ihnen.

Ihre
Antje Sirleschtov
Bild von Antje  Sirleschtov

Presseschau

Paypal übernimmt chinesischen Bezahldienst “Gopay” komplett FAZ
“Alibaba könnte gut für Anleger sein”, sagt Investor Mark Mobius FAZ
Hongkonger Polizei nimmt elf angebliche Fluchthelfer fest TAGESSPIEGEL
China sieht rot SZ
Chinas Präsident bittet Ex-Starbucks-Chef Schultz um Hilfe SPIEGEL
A Year After Covid Began, China’s Economy Is Beating the World BLOOMBERG
Analysis: The trillion dollar weapon in the U.S.-China tech stock war REUTERS
US to block cotton from China region targeted in crackdown INDEPENDENT
China records first Covid death since May as WHO team arrives in Wuhan THE GUARDIAN
China Takes the Lead in Demand for Swiss Watches NEW YORK TIMES
China and India dig in at Himalayan border, with an eye on Washington SOUTH CHINA MORNING POST
China’s foreign trade defies virus odds, ends 2020 on record highs XINHUA

Analyse

CDU: Der China-Kandidatencheck

CDU-Kandidatencheck: Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen
Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen

Wenn es um die Haltung der CDU zu China geht, sprechen Beobachter der Regierungspartei gern vom ewigen Ying und Yang, einem immerfort währenden Ringen zwischen Ablehnung und Abgrenzung von der autoritären Staatsmacht in Peking einerseits und dem Willen zur Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht auf der anderen Seite.

Erinnert wird dabei gern an den November 2019, als sich die CDU zum Leipziger Parteitag traf. Im öffentlichen Fokus stand seinerzeit die Huawei-Frage: Soll sich Deutschland der amerikanischen Forderung beugen und den chinesischen Netzwerkausrüster vom Bau des 5G-Netzes ausschließen? “Ausgeschlossen werden sollen alle Anbieter, die unter dem Einfluss undemokratischer Staaten stehen”, lautete der Kernsatz eines Antrages der Unerbittlichen um den Außenpolitiker Norbert Röttgen, der die China-Frage ein für alle Mal entscheiden sollte und um ein Haar zum großen Krach zwischen dem innen- und menschenrechtspolitischen Flügel der Partei und den Wirtschaftspolitikern – und sogar zum Zerwürfnis mit der eigenen Kanzlerin – geführt hätte. Am Ende, auch durch den aktiven Eingriff Angela Merkels, die einen solchen Bann befürchtete, einigten sich die Delegierten schließlich auf eine abgeschwächte Formel, die keinen Ausschluss der Chinesen bedeuten sollte, sondern die Forderung nach Einhaltung eines Sicherheitskataloges für alle, die das 5G-Netz mit aufbauen wollen. Man könnte das einen pragmatischen Kompromiss nennen. Für viele in der CDU fühlte sich das aber eher wie ein Pflaster an, das die offene Wunde nur notdürftig verschließt. Der Konflikt besteht weiter, bis heute. Und glaubt man Friedrich Merz (“Das Verhältnis zu China ist das transatlantische Top-Thema.”), dann wird sich die CDU in den nächsten Jahren noch intensiver mit der Frage befassen müssen: Wie halten wir es mit China?

Röttgen: Zu viel Rücksicht auf Wirtschaftsinteressen

Wird Norbert Röttgen CDU-Chef und danach womöglich auch Kanzlerkandidat der Union, können sich die innerparteilichen Wirtschaftspolitiker auf härtere Zeiten einstellen. “Deutschland muss begreifen, dass China mehr ist als nur ein großer Marktplatz”, twitterte der Außenpolitiker Röttgen vor kurzem und macht keinen Hehl daraus, dass er das kurz vor der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden zwischen China und der EU geschlossene Investitionsabkommen CAI für einen Fehler hält. Weil es für ihn “unvorstellbar” ist, dass die EU einen Vertrag schließt, in dem implizit Zwangsarbeit in China akzeptiert wird. Vor allem aber, weil er auf eine Wiederbelebung des transatlantischen Verhältnisses der Europäer mit den Amerikanern setzt und den Abschluss des Abkommens kurz vor Bidens Inauguration als Störfaktor sieht.

Für Röttgen stehen sicherheitspolitische Fragen, die Stabilität der internationalen Weltordnung und die Einhaltung multilateraler Regeln im Vordergrund. Rechtsverletzungen, wie etwa das Sicherheitsgesetz der chinesischen Regierung in Hongkong, gefährden aus seiner Sicht Stabilität und Sicherheit, sind Ausdruck eines Machtstrebens der Kommunistischen Partei in Peking und “widersprechen letztlich den politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands”. Als Peking das Sicherheitsgesetz erließ, kritisierte Röttgen scharf, dass die Bundesregierung zu leise dagegen protestierte. Es werde zu viel Rücksicht auf die Wirtschaftsinteressen genommen, das Gesetz ist in seinen Augen eine “Waffe gegen die Demokratie”.

Strebt Röttgen aber nach Abschottung? Mitnichten. Aus seiner Sicht geht es um klare Haltungen und eine gemeinsame Position der Europäer, die nach seiner Auffassung viel zu oft ihre nationalen wirtschaftlichen Interessen gegeneinander ausspielten. In einem von ihm mitinitiierten Brief riefen rund 70 Mitglieder nationaler Parlamente und des EU-Parlaments ihre Staats- und Regierungschefs dazu auf, dem Verhalten der Volksrepublik gemeinsam und beherzt entgegenzutreten. Reputationskosten statt Wirtschaftssanktionen oder ökonomische Abkopplung – so könnte man den Plan von Norbert Röttgen für den Umgang mit China beschreiben. Weil China besorgt um sein internationales Image ist, sei dessen Regierung dort auch angreifbar, weshalb die westliche Welt lauter und deutlicher Rechtsbrüche anprangern müsse.

Friedrich Merz: Mehr Souveränität der Europäer

Friedrich Merz ist so sehr ein Außenpolitiker wie er Wirtschaftspolitiker ist. Was Demokratie, Offenheit und Freiheit angehe, stehe Europa klar an der Seite der USA, sagte er unlängst in einen Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Gleichzeitig seien Deutschland und China als Handelsnationen zu abhängig voneinander, als das Deutschland “eine gegensätzliche Entscheidung für den einen oder gegen den anderen” treffen könne. Für Merz ist daher eine der wichtigsten Fragen der kommenden Jahre, wie es Deutschland gelingen kann, seine Interessen in einer ökonomisch immer verflochteneren Welt durchzusetzen. Und der Schlüssel liegt für ihn dabei klar in Europa. In seinem Buch “Neue Zeit. Neue Verantwortung” schreibt Merz, Europa werde der Frage nach der eigenen Souveränität nicht länger ausweichen können. Souveränität sei dabei im umfassenden Sinne gemeint, außen- und sicherheitspolitisch ebenso wie technologisch und wirtschaftspolitisch. Die Abhängigkeiten, die die großen Wirtschaftsräume Europa, die USA und China in den letzten Jahrzehnten eingegangen sind, seien zwar gegenseitig, aber die jeweils schwächere Position habe zumeist die Europäische Union, sicherheitspolitisch gegenüber den Vereinigten Staaten, wirtschaftlich gegenüber China.

Von einer “konsistenten China-Strategie” spricht Friedrich Merz und meint damit eine klare gemeinsame Haltung des Westens in völkerrechtlichen Fragen genauso wie eine gemeinsame Linie der Europäer hinsichtlich der Wirtschaftsverflechtungen. Die Abhängigkeit von China dürfe nicht zu weit gehen, warnt Merz. Zuletzt in der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass diese etwa im Pharmabereich zu Engpässen bei der Arzneimittelversorgung geführt habe.

Armin Laschet: Pragmatische Interessenabwägung

Wenn es um China geht, dann ist Armin Laschet wohl der Kandidat für das Amt des CDU-Vorsitzenden und mögliche Kanzlerkandidat, der Angela Merkels pragmatischem Credo vom “Wandel durch Handel” am nächsten steht. Als im Herbst 2019 Chinas Botschafter Wu Ken zum Antrittsbesuch in Düsseldorf den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet traf, notierte dessen Staatskanzlei, dass die “Partner” über wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch gesprochen hätten und im Zentrum des gemeinsamen Strebens die Lösung globaler Herausforderungen, etwa in der Klimapolitik, stünden. Über Menschenrechtsverletzungen, Chinas autoritären Auftritt auf der Weltbühne oder die Auseinandersetzung um die Krise in Hongkong erfuhr man hingegen kaum etwas aus dem Gespräch.

Nun muss man wissen: Armin Laschet regiert gewissermaßen Klein-China in Deutschland. In keinem anderen Bundesland leben und studieren mehr Chinesen, gibt es mehr chinesische Unternehmen und mehr deutsche Unternehmen mit chinesischen Beteiligungen als in Nordrhein-Westfalen. In der innerparteilichen Auseinandersetzung um eine Beteiligung des chinesischen Unternehmens Huawei am 5G-Netzausbau steht Armin Laschet klar auf der Seite der wirtschaftspolitischen Pragmatiker. Die Konsequenz eines Ausschlusses, argumentiert er, wären Rückschritte beim Ausbau des so wichtigen Netzes – und das könne sich Deutschland nicht leisten. Zumal das Land klare Interessen im freien Welthandel habe und die deutsche Wirtschaft vom Export lebe, auch nach China. Die Deutschlandzentrale von Huawei ist übrigens in Düsseldorf. Nico Beckert/Antje Sirleschtov

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Technologien werden Wachstumstreiber 2021

Wenn das Pekinger Statistikamt am kommenden Montag um 10 Uhr das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das zurückliegende Jahr offiziell bilanziert, werden nur Sekunden später Eilmeldungen um die Welt gehen. Aller Voraussicht nach werden die Berichte der chinesischen Führung gefallen. Tritt ein, was etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner jüngsten Prognose vorhersagt, ist Chinas Wirtschaft 2020 um 1,9 Prozent gewachsen

Das ist zwar ein schlechteres Ergebnis als man das aus den Vorjahren kennt. China wäre damit aber noch immer die einzige große Volkswirtschaft mit einem positiven Wachstum im Corona-Chaos-Jahr. Voraussichtlich wird die Volksrepublik, die Corona mit autokratischen Werkzeugen schneller in den Griff bekommen hat als große Teile des Westens, nun laut einer Vorhersage die USA noch früher als gedacht, nämlich schon 2028, als größte Volkswirtschaft ablösen.

Es ist eine Comeback-Story, die zu denken gibt. Noch im Frühjahr 2020 wurde von der “Financial Times” ein sogenannter “Tschernobyl-Moment” erwartet. Wie beim damals sowjetischen Atommeilers würde die Katastrophe auch in China den Niedergang des Politischen Systems und der KP Chinas nach sich ziehen. Stattdessen wurde Chinas sich erholende Wirtschaft – wie schon bei der Finanzkrise 2008 – ein Stabilisator der Weltwirtschaft.

IWF: BIP-Zunahme um 7,9 Prozent möglich

Und wie 2020 endete, wird 2021 nach Meinung der meisten Analysten weitergehen. “Die zügige Erholung unserer Wirtschaft wird der Weltwirtschaft  noch mehr helfen als es während der Finanzkrise der Fall war”, ist der chinesische Ökonom Wang Huiyao überzeugt. Zwar gibt es wieder kleinere Coronavirus-Ausbrüche in China. Insgesamt ist die Lage aber unter Kontrolle, was die wichtigste Voraussetzung für eine Fortsetzung der Erholung ist. Der IWF sagt für 2021 ein sattes Wachstum von 7,9 Prozent voraus

Neue Impulse soll vor allem der neue Fünfjahresplan bringen, der ab dem 5. März vom Pekinger Volkskongress verabschiedet werden wird. Der Plan setzt dort an, wo China in den vergangenen Jahren die größten Rückschläge hinnehmen musste. Der Handels- und Technologiekrieg der USA mit China hat die Abhängigkeit vom Ausland schmerzlich bewusst gemacht. Wie aus ersten Mitteilungen der Führungselite der Kommunistischen Partei zum neuen Plan hervorgeht, soll nun ein neuer Wirtschaftskurs eingeschlagen werden, der mit dem Schlagwort der “zwei Kreisläufe” beschrieben wird. 

Die Strategie von Staats- und Parteichef Xi Jinping soll die “innere Zirkulation” fördern, also heimische Nachfrage und eigene Innovation. China will sich unabhängiger von den USA und dem Rest der Welt machen. Der “äußere Kreislauf” – Handel und ausländische Investitionen – sollen diesen Hauptmotor unterstützen. 

Der Plan ist der 2006 eingeführten Politik der “einheimischen Innovation” und vor allem der Marschrichtung “Made in China 2025” von 2015 nicht unähnlich. Die großspurige Rhetorik der “technologischen Führerschaft” Chinas wird dabei zwar stark zurück gefahren, Investitionen und Forschungskooperationen mit dem Ausland bleiben aber zentrale Schwerpunkte und bieten dahingehend auch Chancen für deutsche Unternehmen

Internetindustrie als Wachstumstreiber im Zentrum

Anleger sollten laut einer Analyse der US-Investmentgesellschaft Pimco vor allem Sektoren im Auge behalten, die sich mit Technologie, Infrastruktur, moderner Fertigung und erneuerbaren Energien befassen. Der Bildungssektor und das Gesundheitswesen können ebenfalls von staatlicher Unterstützung profitieren.

Technologie steht im Zentrum des Fünfjahresplans, da China hier weniger von Importen abhängig sein will“, schreiben die Pimco-Analysten. Autohersteller mit starker Ausrichtung auf  Elektrofahrzeuge und Hersteller von Elektrofahrzeugbatterien würden daher zu den großen Gewinnern zählen. Schwierig könnte sich jedoch das Ziel erweisen, bei Computerchips die Lücke zu den USA zu schließen. Der Sektor, so glaubt man bei Pimco, könnte kurzfristig weiterem Gegenwind ausgesetzt sein. Weitere Einschränkungen und Sanktionen der USA seien unter US-Präsident Joe Biden nicht auszuschließen. 

Ein sicherer Gewinner der nächsten Jahre sei jedoch Chinas Internet-Industrie. Trotz der strengeren Datenschutzregelung, an der Peking derzeit arbeitet, seien die Internet-Firmen “Hauptnutznießer im neuen wirtschaftlichen Rahmen”. Die Online-Verbreitung sei aufgrund von Covid-19 unerwartet beschleunigt worden, insbesondere bei Dienstleistungen wie der Lieferung frischer Lebensmittel, Online-Bildung und im Gesundheitswesen. 

Bedeutende Investitionen in Bereichen wie Cloud, Big Data, Künstliche Intelligenz und Smart Manufacturing werden eine größere Rolle spielen, da die chinesische Regierung ihre industriellen Aktivitäten auf eine Fertigung mit höherer Wertschöpfung ausweiten werde. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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  • Künstliche Intelligenz
  • Made in China 2025
  • Wachstum

Sinovac: Zweifel am Corona-Impfstoff

Während der chinesische Pharmahersteller Sinovac den Ausstoß seines Coronavirus-Impfstoffs auf eine Milliarde Dosen pro Jahr hochfährt, mehren sich Zweifel an der Gültigkeit der veröffentlichten Wirksamkeitsdaten. Das brasilianische Butantan-Institut sprach in der vergangenen Woche noch von einer 78-prozentigen Schutzwirkung, vor Weihnachten war davon die Rede, dass er “in 97 Prozent der Fälle eine Immunantwort erzeugt”. Diese Woche musste es diesen Wert nun auf enttäuschende 50,4 Prozent zurücknehmen. Sinovac verweist derweil darauf, dass eine weitere Fortführung der Studien nötig ist, um eindeutige Werte zu gewinnen.

Das Butantan-Institut in São Paulo hat die Hauptlast der Tests übernommen, die der Sinovac-Impfstoff zu absolvieren hat. Es handelt sich um eine angesehene Institution mit langer Erfahrung in der Immunologie. Sinovac Biotech wiederum hat sich als wichtiger Impfstoff-Lieferant für Schwellenländer positioniert. Der Wirkstoff des Unternehmens aus Peking wird derzeit bereits in Indonesien gespritzt. Weitere wichtige Abnehmer sind die Philippinen, die Türkei und Brasilien. Das Präparat gilt generell als sicher und war in allen Studien insofern wirksam, als die Testpersonen Antikörper gegen Sars-CoV-2 entwickelt haben.

Anders, als sonst bei der Errechnung von Wirksamkeitsraten üblich, haben die Forscher des Butantan-Instituts jedoch zwischen verschieden schweren Verläufen der Covid-Erkrankungen unterschieden und schon dann Wirksamkeit bescheinigt, wenn die Substanz bereits das Schlimmste verhindert. Die 78 Prozent bezogen sich auf die Schutzwirkung vor mittelschweren und schweren Verläufen. Dennoch seien in der geimpften Gruppe durchaus milde Verläufe aufgetreten, gab das Institut jetzt zu. Diese eingerechnet betrage die Wirksamkeit nur noch 50,4 Prozent, sagten die Forscher auf einer Pressekonferenz. Erst diese Zahl lässt sich nun mit den Werten vergleichen, die Unternehmen wie Biontech, Moderna und Astrazeneca veröffentlicht haben. Hier zählt jede registrierte Infektion, egal, ob die Symptome stark oder schwach sind. Biontech und Moderna kommen auf rund 95 Prozent, Astrazeneca erreicht 70 Prozent.

Von der Wirksamkeitsrate hängt ab, ob ein Impfstoff die Pandemie stoppen kann. Denn auch wer nur leicht erkrankt, kann den Erreger trotzdem weitergeben. Am Ende sollen jedoch nicht nur die Geimpften vor schweren Symptomen geschützt sein, sondern die Infektionsketten idealerweise vollständig enden. Noch ist unklar, ob nicht auch unter Biontech-Impfschutz symptomlose Verläufe auftreten. Angesichts der insgesamt hohen Schutzwirkung gilt das jedoch als unwahrscheinlich.

Indonesien will Sinovac weiter impfen

Auch ein Impfstoff mit nur 50 Prozent Wirksamkeit macht jedoch in der Pandemie einen riesigen Unterschied, so dass Indonesien und die andren Abnehmerländer nichts an ihren Plänen ändern wollen.

Der Sinovac-Impfstoff unterscheidet sich von der Wirkungsweise her erheblich von denen, die derzeit im Westen zum Einsatz kommen. Biontech, Moderna und Astrazeneca setzen Gentechnik ein, um Virusmoleküle in Körperzellen herstellen zu lassen. Sinovac ist dagegen einen traditionellen Weg gegangen. Das Unternehmen züchtet Corona-Viren und nimmt ihnen die Vermehrungsfähigkeit. Es handelt sich also weniger um High-Tech und mehr um das Wirkprinzip der ersten Impfstoffe, die im vergangenen Jahrhundert auf den Markt kamen.

Mit den widersprüchlichen Daten des Butantan-Instituts liegen nun vier stark abweichende Wirksamkeitswerte vor. Die Türkei berichtet in einer eigenen Studie von 91,25 Prozent, Indonesien ist auf 65,30 Prozent gekommen. Die Nachkommastellen suggerieren hier jedoch eine Genauigkeit, die beide Studien gar nicht erreichen konnten. Sie haben das Sinovac-Produkt nur an je rund 1500 Personen getestet. Der Chef  des Unternehmens, Yin Weidong, verteidigte sein Produkt: Die geringe Wirksamkeitsrate in der brasilianischen Studie liege daran, dass sich viel medizinisches Personal unter den Testpersonen befand. Warum das die Werte verzerren sollte, wurde aber nicht klar. Im Gegenteil: Wo viele Infektionen stattfinden, lässt sich die Wirksamkeitsrate besonders genau bestimmen.

Die widersprüchlichen Angaben tragen nun zu einem gewissen Misstrauen gegenüber dem chinesischen Produkt bei. In Indonesien begann am Mittwoch zwar die Impfkampagne mit einer live übertragenen Spritze für Präsident Joko Widodo. Doch in der überwiegend muslimischen Bevölkerung verbreitet sich bereits die Theorie, der Impfstoff enthalte Produkte vom Schwein und sei damit inakzeptabel, berichtet die Nachrichtenagentur AP.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hatte in seiner typisch populistischen Art bereits erklärt: “Wir kaufen es nicht von China, das ist meine Entscheidung.” Das Land akzeptiert jetzt doch eine Lieferung aus China – aber nur 10,8 Millionen Sinovac-Dosen für eine Bevölkerung von 200 Millionen Menschen. In einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Datafolha gab die Hälfte der Befragten nun an, den chinesischen Impfstoff abzulehnen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte auch Bürger aus Pakistan, denen das Mittel unheimlich ist.

China hat drei große Impfstoffhersteller. Neben Sinovac sind das Sinopharm und CanSino Biologics. Die Regierung in Peking punktet derzeit in Schwellenländern durch unbürokratische Impfstofflieferungen.

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Termine

15.01.2021, 14:00 – 15:00 Uhr
Botschaftergespräch: US-China Beziehungen – Europa im Spannungsfeld zwischen Entkopplung und Kooperation OAV Mehr

15.01.2021, 15:00 – 17:00 Uhr
Buchvorstellung Fakultät Sinologie der Universität Tübingen
Migration Management in East Asia Mehr

18.01.2021, 8.30 – 9.30 Uhr
Stakeholder Briefing Merics-EUCCC
Bericht zur Entkoppelung von China für Interessenvertreter Mehr

19.01.2021, 9 AM (EST)
Diskussion Asia Times
America, China, and the struggle for gloabal leadership Mehr

  • Merics

China regelt Datenschutz neu

In Europa dominiert die Vorstellung, dass die Chinesen kaum Interesse am Datenschutz haben und ihnen Informationen darüber aufgrund der Zensur vorenthalten werden. Das Datenschutzverständnis ist in China tatsächlich geringer entwickelt als im Westen. “Doch, wenn man es bei dieser Vorstellung belässt, läuft man Gefahr, die durchaus vorhandenen Sorgen der chinesischen Bevölkerung zu übersehen”, stellt Matthias Schroeder von der Pekinger Kanzlei Ding, Schroeder & Partner fest.

In einer Studie des Pekinger Nandu Personal Information Protection Research Centre, die 2019 zu dem Thema in China durchgeführt wurde, gaben 30 Prozent der Befragten an, bereits Opfer von Datenmissbrauch geworden zu sein, zum Beispiel indem ihre Telefonnummern, Adressen und Bankverbindungen ohne ihr Wissen weitergegeben oder sogar verkauft wurden. Und immerhin die Hälfte der Befragten hat die Sorge, dass sie Opfer von Unternehmen werden können. Die größte Sorge der Menschen sei nicht so sehr der Missbrauch von Daten durch den Staat, sondern durch Unternehmen, sagt Schroeder.

Weil der Unmut in der Bevölkerung immer größer wird, wurde bereits im Dezember 2017 auf einer Sitzung des Politbüros beschlossen, das Datenschutzrecht auszubauen. Im September 2018 wurde das Gesetz daraufhin auf die Liste der auszuarbeitenden Gesetzesprojekte gesetzt. Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor. Das Personal Information Protection Law (PIPL) folgt auf das Cybersecurity Law von 2017 und das E-Commerce Law von 2019.

Erstaunlich ist vor allem: Der chinesische Gesetzesentwurf gleicht bis ins Detail dem Europäischen Datenschutzgesetz. Man würde eigentlich annehmen, dass Peking schon aus Nationalstolz ein eigenes Gesetz mit eigenen Schwerpunkten entwickelt. Aber offensichtlich hat unter Zeitdruck der Pragmatismus gesiegt.

Den Konsum sicherer machen

Die Entwicklung in diesem Bereich ist vergleichbar mit der des Umweltschutzes: Zunächst wollten die Menschen in China vor allem Geld verdienen. Mit dem wachsenden Wohlstand wuchs dann auch das Bewusstsein für die Nachteile des Booms. Probleme wie Smog oder verseuchtes Grundwasser machten den Menschen immer größere Sorgen. Entsprechende Gesetze wurden erlassen. Mit dem rasanten Fortschritt von Zukunftstechnologien wie Gesichtserkennung oder Künstlicher Intelligenz rücken nun auch deren (Datenschutz-)Risiken in den Fokus.

Die Regierung muss nun den Konsum sicherer machen und gleichzeitig die Offenheit gegenüber neuen Technologien in der Bevölkerung aufrechterhalten. Ohne Vertrauen der Bevölkerung geht das nicht. Davon zeugt auch, dass das neue Gesetz vor der Verabschiedung öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Eine Praxis, die Peking erstmals 2008 mit dem Arbeitsvertragsgesetz ausprobiert und dabei festgestellt hat, dass Bürger, Akademiker, Anwälte und Wirtschaftsexperten viel brauchbaren Input liefern. Zwar kann der chinesische Staat anders als im Westen kaum gezwungen werden, auf die Vorschläge einzugehen. Aber die Zeiten, in denen die chinesische Regierung komplett über die Köpfe der Bürger hinwegregieren kann, sind vorbei.

So stellt im Geist des EU-Datenschutzgesetzes auch die chinesische Version klar, dass die eigenen Daten jedem selbst gehören. Und beide Verordnungen balancieren zwei Ziele aus: Die Daten des Einzelnen mit Strafmaßnahmen zu schützen und gleichzeitig den geordneten Verkehr von Daten in der Wirtschaft zu ermöglichen. Beide Gesetze fordern zudem, dass der Dateninhaber zustimmen muss, bevor seine Daten genutzt werden dürfen.

Im chinesischen Gesetz gibt es jedoch einen wichtigen Unterschied zum europäischen Text: Der chinesische Staat behält sich vor, Daten zu erheben, die ihm für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit, und des Eigentums natürlicher Personen, sowie zur öffentlichen Meinungsbeobachtung im öffentlichen Interesse wichtig erscheinen. “Das ist ein sehr weites, wenig definiertes Feld”, sagt der Jurist Schroeder.

Neue Pflichten für Unternehmen

Auch in Europa balancieren die Regierungen Datenschutz und Sicherheitsbedürfnisse unterschiedlich aus. In Großbritannien ist im Vergleich zu Deutschland das Bedürfnis nach Schutz vor Terrorismus ausgeprägter als der Wunsch nach Datenschutz. Deshalb hat London weltweit einen Spitzenplatz (Platz 3) bei der Anzahl der Überwachungskameras, während auf den ersten zehn Plätzen sonst nur chinesische Städte stehen.

In China neigt die Waage noch sehr viel stärker in Richtung Sicherheit. Das nutzt der Staat. “Wir dürfen uns hier sicher keiner Illusion hingeben. Der Staat wird durch dieses Gesetz kein demokratischer Verfassungsstaat, wie wir ihn kennen“, sagt Schröder. Es sei so verfasst, dass der Staat weiter regieren kann, wie er möchte. “Und er möchte viele Daten erheben, speichern und analysieren, sowohl um zu wissen, wie die Stimmung im Land ist, als auch, um das Verhalten seiner Bürger zu steuern und um damit Propaganda machen zu können”. Das Gesetz selbst gebe dem Staat aber hierfür nicht mehr Möglichkeiten als er vorher hatte, sondern tendenziell weniger und bewirke einen Rechtfertigungsdruck, den es vorher nicht gab, sagt Schroeder.

Die deutschen Firmen müssen sich nun auf die neuen Anforderungen einstellen. Wie im europäischen Gesetz müssen sie eine Sicherheitsabteilung aufbauen, die die Risiken überwacht, die Datensicherheit analysiert und den Behörden berichtet. Ein Datentransfer aus China heraus muss vorher genehmigt werden. “Es wäre keine Überraschung, wenn die chinesischen Regulatoren den gleichen Weg einschlagen würden, wie im europäischen Datenschutzgesetz”, meint Gil Zhang, Anwalt in Shanghai bei Fangda Partners, einer der großen chinesischen Kanzleien. Kurz: Für die Rechte der Konsumenten gegenüber den Unternehmen ist das Gesetz ein großer Fortschritt. Und für die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat ist es kein Rückschritt. Allerdings würde man sich in dieser Richtung mehr wünschen.

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Grenzen des Decoupling

Als im Frühjahr 2020 in Frankreich in kaum einer Apotheke Schutzmasken zu kaufen waren, gingen Gerüchte um, dass die für die Franzosen bestimmte Lieferung aus China direkt auf dem Rollfeld von einem anderen Land aufgekauft wurde. Französische Politiker waren empört, Frankreich hatte eine Milliarde Masken in der Volksrepublik bestellt – die dringend benötigt wurden. Nicht nur angesichts der Lieferengpässe machte Staatschef Emmanuel Macron eine ehrgeizige Ansage: Wichtige Güter müssten wieder im eigenen Land hergestellt werden können – und das nicht nur im Kampf gegen die Pandemie. Die Eigenständigkeit Frankreichs und Europas müsse wiederhergestellt und die Abhängigkeit von globalen – und vor allem chinesischen – Lieferketten verringert werden, so Macron. Das kam politisch an.

Das Coronavirus hat die Nachteile der Globalisierung so sichtbar werden lassen wie noch nie. Doch schnell zeigt sich: Trotz aller politischen Beteuerungen werden weder Europäer noch Amerikaner die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten schnell los. Trotz oder gerade wegen Corona verzeichnete die USA im November vergangenen Jahres das höchste Handelsbilanzdefizit mit China in 14 Jahren. In der EU der gleiche Trend: In den ersten zehn  Monaten des Jahres 2020 ist das EU-Defizit mit China um 3,5 Prozent gestiegen. 

Keine Sorge bei EU-Wirtschaft wegen Decoupling

Große Sorgen darüber macht sich die europäische Wirtschaft offenbar aber derzeit nicht, wie eine am Donnerstag vorgestellte Studie der EU-Handelskammer in China und dem Berliner Merics-Institut zeigt, in der Mitglieder der Handelskammer im Herbst 2020 befragt wurden. Nur elf Prozent gaben an, dass sie dem Thema Entkopplung in hohem Maße ausgesetzt sind. Die meisten Befragten (48 Prozent) sind Entkopplungstendenzen nur in “moderater” Form ausgesetzt, 37 Prozent sogar nur in “geringer” Form. Kleinere Unternehmen seien davon allerdings härter getroffen als Konzerne.

“Im Gegensatz zu dem, was fast schon Konsens in Washington geworden ist, gibt es in Europa noch die starke Überzeugung, dass die Entkopplung von China nicht der zukunftsweisende Weg ist”, fassen die Autoren die Studie zusammen. Die öffentliche Debatte darüber habe nur “beschränkten Einfluss auf den wirtschaftlichen Alltag”. Politische Forderungen, wie die jüngsten deutschen Richtlinien für den Indopazifik, “bleiben auf rhetorischer Ebene.” Zwar gäbe es viele Probleme, die europäische Wirtschaft bewege sich jedoch insgesamt nicht von China weg, vielmehr hätten, “viele europäische Unternehmen das Verlangen mehr in China zu investieren”. Die meisten europäischen Unternehmen würden vor Ort “expandieren und ihre Lieferketten weiter ausbauen”, so die Autoren. 

“Die Globalisierung so zu organisieren, dass alles dort gemacht wird, wo die Produktion am effizientesten ist – das ist vorbei”, meinte etwa Jörg Wuttke, Vorsitzender der EU-Handelskammer in China noch Anfang vergangenen Jahres, zu Beginn der Coronakrise. Dass das US- Wirtschaftsmagazin Forbes in dem Virus gar Chinas “Schwanengesang” als größter und kostengünstigster Produzent der Welt sieht, erwies sich mehr als frommer Wunsch. 

Verlagerung aus China bedeutet Kostensteigerung

Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Je schlechter die wirtschaftlichen Zeiten sind, desto mehr achten die Kunden auf den Preis und deshalb wird dort produziert, wo es am billigsten geht. Wenn in dieser Situation Produktion verlagert wird, um Abhängigkeit von Zulieferungen aus China zu reduzieren, dann nicht etwa zurück nach Deutschland, sondern in ein anderes aufstrebendes Land Asiens, etwa nach Bangladesch oder Vietnam. 

Die neue asiatische Freihandelszone RCEP öffnet dafür den Weg. Die Abhängigkeit von China mag dadurch geringer werden, die Komplexität der Lieferketten wird im Zweifel sogar höher. Die Studie konnte diese Frage nicht mehr berücksichtigen, weil sie vor der Einigung auf das Abkommen durchgeführt wurde. Allerdings sind selbst diesem Trend der Diversifizierung der Lieferketten Grenzen gesetzt. Denn Pekings Maxime lautet: Wer in China verkaufen will, muss auch in China produzieren. Und die europäischen Hersteller brauchen den chinesischen Absatzmarkt in der Coronakrise mehr denn je. 

Die Lage ändern könnte etwa die Umweltkosten der in China hergestellten Produkte stärker einzupreisen. Zum Beispiel die Umweltverschmutzung der Schiffe oder die Kosten, um die Produktion in China auf den gleichen Umweltstandard zu bringen wie in Deutschland. Das würde die Chancen erhöhen mehr in der eigenen Region zu vernünftigen Preisen herstellen zu können.  Doch das lässt sich in Krisenzeiten politisch kaum durchsetzen. Denn es bedeutet praktisch, die Produkte werden teurer. 

Wohl auch deshalb ist Frankreichs Präsident Macron nicht einmal in der Frage der Masken im vergangenen Jahr vorangekommen. Kauft man derzeit in Pariser Apotheken Schutzmasken, fliegt dem Käufer erstmal ein Zettel mit dem Aufdruck “Made in China” entgegen. Frank Sieren/Amelie Richter

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News

WHO-Mission ohne Deutsche

Das internationale Expertenteam zur Erforschung der Quellen des Coronavirus im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist am Donnerstag in China eingereist – allerdings ohne deutsche Beteiligung, wie das Robert-Koch-Institut RKI auf Nachfrage bestätigte. Der einzige deutsche Teilnehmer, der Epidemiologe Fabian Leendertz, habe aus familiären Gründen kurzfristig absagen müssen, hieß es im RKI. Für Ersatz aus dem RKI wurde nicht gesorgt.

Nach monatelanger Überzeugungsarbeit gegenüber der chinesischen Regierung und Verhandlungen, unter welchen Bedingungen geforscht werden kann, suchen die internationalen Experten des WHO-Teams nun gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern nach dem Ursprung von Covid-19. Details zum Ablauf der Forschungsarbeiten waren von der chinesischen Gesundheitskommission nicht in Erfahrung zu bringen.

Als politisch aufgeladen sieht RKI-Mann Leendertz die WHO-Mission. Der Epidemiologe des RKI sollte ursprünglich schon Anfang Januar mit einem zehnköpfigen Team nach China reisen. Ob das Expertenteam überhaupt Daten erheben könne und welche Qualität sie haben werden, sieht Leendertz als offen an. Für die WHO gehe es “vor allem darum, die Phase 2-Studien” zu planen, in denen der Fokus auf geografischen Schwerpunkten, zu betrachtenden Tierarten und wissenschaftlichen Ansätzen liegt, mit denen Pläne für die globale Herkunftsverfolgung aufgestellt werden.

Kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar soll das WHO-Team zurückkehren. Klare Erkenntnisse der Reise werden auch deshalb nicht erwartet, weil chinesische Behörden den Wildtiermarkt in Wuhan, der als Ursprungsort des Virus gilt, nach dem Ausbruch der Viruskrankheit umgehend geschlossen und gründlich desinfiziert haben. “Wann Daten vorliegen, kann leider keiner sagen”, sagte Leendertz dem China.Table. “Es kann sein, dass es Jahre dauert, bis wir verstehen, wie die Übertragung stattgefunden hat.”

WHO-Erkenntnisse werden kaum erwartet

Peking hat die WHO-Mission in den vergangenen Wochen mehrmals verzögert. Erst gestern wurden zwei Wissenschaftler aufgehalten, die aus Singapur nach Wuhan reisen wollten. Beide wurden positiv auf IgM-Antikörper getestet, was darauf hindeuten könnte, dass sie erst kürzlich infiziert waren. Vergangene Woche wurde WHO-Experten wegen Visafragen die Einreise versagt.

Die Kritik dazu von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus fiel vor einer Woche überraschend scharf aus: “Ich bin sehr enttäuscht über die Nachricht, da zwei Mitglieder ihre Reise bereits angetreten hatten und andere in letzter Minute nicht mehr anreisen konnten”. Bisher hielt sich der WHO-Chef mit offener Kritik an China zurück.

Sehr früh hat Peking angezweifelt, dass das Virus in China seinen Ausgangspunkt hat. Vielmehr bemühten sich hochrangige Funktionäre seit Monaten unablässig zu betonen, dass es auch in anderen Ländern schon vorher Fälle von Infektionen gab. Besonders Chinas Außenminister Wang Yi spricht beharrlich immer wieder davon, dass die Pandemie an mehreren Orten in der Welt ihren Anfang nahm.

Dass nun die “Patientin Null” in Europa womöglich schon im November 2019 mit Sars-CoV-2 infiziert war, wie jüngst ein britisches Fachmagazin berichtet, wird in den sozialen Medien in China teils als Bestätigung gesehen, dass der scheidende US-Präsident Donald Trump mit seiner Bezeichnung “China-Virus” nur polarisieren wollte. niw

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China rettet VW-Absatzbilanz

China ist auch für Volkswagen zum Rettungsanker im abgelaufenen Corona-Jahr geworden. Zwar verkaufte VW 2020 in Festlandchina und Hongkong mit rund 3,85 Millionen Autos der verschiedenen Konzernmarken um 9,1 Prozent weniger Fahrzeuge als 2019. Doch dieser Rückgang fiel weit glimpflicher aus als anderswo: Global lag VW mit 15,2 Prozent im Minus, in Westeuropa sogar mit 23,4 Prozent.

Die internationalen Autohersteller profitieren davon, dass Chinas Wirtschaft sich bereits seit dem Frühsommer von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholt. Waren im Winter und Frühjahr noch alle Autoverkaufshäuser ausgestorben oder geschlossen, verzeichnete der Automarkt überraschend im Mai 2020 schon wieder ein Plus; 95 Prozent der Händler hatten die Tore wieder geöffnet. Dies sorgte aufgrund der dramatischen Einbrüche des Winters zwar nicht für ein positives Jahreswachstum, aber milderte den Fall zumindest ab: Chinas Pkw-Markt sank für das Gesamtjahr 2020 nur um sechs Prozent.

Leicht geschönt wird diese Zahl dadurch, dass die Basiszahlen der letzten Jahre ebenfalls niedrig lagen. Seit 2018 wurden in China jedes Jahr weniger Autos – einschließlich Nutzfahrzeuge – verkauft. Der Wegfall finanzieller Anreize zum Autokauf, Restriktionen für Autos in vielen Städten, Lagerabbau bei Händlern sowie die wirtschaftliche Unsicherheit aufgrund des Handelsstreits mit den USA ließen viele Menschen zögern. Und dann kam die Pandemie. Der Gesamtmarkt ist also immer noch kleiner als im bereits schwierigen Jahr 2018.

VW ist mit dem Negativwachstum nicht allein

Volkswagen ist daher mit seinem Negativwachstum nicht allein. Auch General Motors musste einen Rückgang um 6,1 Prozent vermelden. VW bleibt nach eigenen Angaben Marktführer, mit einem Anteil von 19,3 Prozent. Der Konzern habe verstärkt auf “einen digitalen Ansatz bei Marketing und der Reise zum Autokauf” gesetzt und unter anderem damit trotz der schwierigen Lage operative Fortschritte erzählt, teilte VW-Chinachef Stephan Wöllenstein mit. Auch lokale Marken setzen seit 2020 verstärkt auf Online-Verkäufe.

Positiv entwickelte sich seit 2018 nur das Premiumsegment. Die Dynamik ab Sommer 2020 war daher sogar stark genug, um den traditionell starken deutschen Premium-Marken in China ein positives Jahreswachstum zu bescheren. BMW/MINI und Daimler lagen mit rund 775.000 Autos in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz Eins – dank Zuwächsen von 7,4 beziehungsweise 12 Prozent. Weltweit lagen beide Konzerne ebenfalls im Minus.

Beliebt waren auch Autos von Audi. Die VW-Tochter verkaufte 727.000 Autos im vergangenen Jahr, 5,4 Prozent mehr als 2019.

China wird immer wichtiger als Absatzmarkt für die deutschen Autobauer. Daimler etwa verkaufte jedes dritte Modell der Marke Mercedes-Benz in der Volksrepublik. Auch für die VW-Sportwagentochter Porsche ist China der wichtigste Markt der Welt – vor Deutschland. CK

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Portrait

Alexander Görlach

Alexander Görlach - Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs
Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs

Alexander Görlach ist ein Tausendsassa. Der einstige Journalist und Gründungsherausgeber des Debattenmagazins “The European” hat sich seit einigen Jahren der Wissenschaft verschrieben. Görlach, ausgestattet mit zwei Doktortiteln in Katholischer Theologie und Linguistik, geht in Harvard und Cambridge ein und aus. Sein Forschungsfeld: Die Zukunft der liberalen Demokratie. Zwangsläufig begann er sich deshalb auch intensiver mit China sowie Taiwan und Hongkong zu beschäftigen. Ein Aufenthalt im Jahr 2017/18 führte Görlach an die National Taiwan University und die City University of Hong Kong.

Im September 2020 erschien von Alexander Görlach das Buch “Brennpunkt Hongkong: Warum sich in China die Zukunft der freien Welt entscheidet”. Ein weiteres zum Vergleich zwischen dem demokratischen Taiwan und der autokratischen Volksrepublik China ist bereits in Planung. Besonders Taiwan hat es dem 43-Jährigen angetan. “Wenn Sie mal in solch eine junge Demokratie reisen, erleben Sie viele interessante Dinge”, erzählt Görlach. Aus seiner Sicht verbinde einen Taiwanesen mehr mit einem Deutschen als mit einem Festlandchinesen. “Uns verbinden die gleichen Werte, eine Ordnung, die auf der Achtung der Menschenrechte fußt”, sagt er.

Nach Alexander Görlach trifft China “hegemonial” auf

Für Alexander Görlach entscheidet sich die Zukunft der freien Welt in China. Peking habe der Demokratiebewegung in Hongkong während der Pandemie “den Garaus gemacht”. Görlach befürchtet, dass Präsident Xi Jinping sich als nächstes das unabhängige Nachbarland Taiwan einverleiben werde. “China tritt heute hegemonial auf”, sagt Görlach sorgenvoll. “Das bekommen Länder überall auf der Welt zu spüren.”

Deutschland dürfe deshalb nicht klein beigeben, auch wenn wirtschaftliche Interessen am Verhältnis mit China hingen. “Es gibt keine Rechtssicherheit für Unternehmen. Das geht Hand in Hand mit anderen Rechtsverletzungen”, so Alexander Görlach. Mit Blick auf 2021 prognostiziert Görlach, dass sich westeuropäische Staaten wie Frankreich und Großbritannien in ihren Beziehungen zu China am Kurs Joe Bidens orientieren und auf einen “menschenrechtlich-transatlantischen Wertekonsens” berufen werden.

Deutschland könnte sich derweil, trotz aller Einigkeit mit Biden, auf einen Sonderweg begeben: “Der chinesische Markt ist für die deutsche Wirtschaft extrem wichtig”, sagt Alexander Görlach. Es gebe zudem viele Gemeinsamkeiten mit der Volksrepublik, von der Arbeitsmoral bis hin zum Staat als Akteur, der investiert und sich in die Wirtschaft einbringt. Etwas, was in den USA bis heute mit Skepsis gesehen wird. “Aber aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen in dem Land kann man im Moment mit China keine normale Politik verfolgen”, sagt Görlach.

Sein Interesse an der Entwicklung in China wird ihn in Zukunft auch wieder in die Region führen. Nach Taiwan möchte Alexander Görlach unbedingt zurückkehren, nach Honkong allerdings nicht. “Dorthin kann ich nicht mehr zurück nach den zig Artikeln, die ich zum Vorgehen Chinas in Hongkong geschrieben habe”, sagt er. Constantin Eckner

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Dessert

Der Handelsberater von Donald Trump, Peter Navarro, verlässt das Weiße Haus mit einem gerahmten Bild eines Meetings zwischen Xi und Trump.

CHINA.TABLE Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • CDU: Der China-Kandidatencheck
    • Technologie-Sektoren treiben 2021 das Wachstum
    • Neues Datenschutzgesetz
    • Misstrauen gegen Sinovac-Impfstoff
    • Grenzen des Decoupling
    • China rettet VW-Absatzbilanz
    • WHO-Mission ohne Deutsche
    • Im Portrait: Alexander Görlach
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    das Superwahljahr 2021 startet heute Abend mit dem digitalen CDU-Parteitag in Berlin – und an tausenden Monitoren. 1001 Delegierte werden am Samstagmorgen virtuell einen neuen Parteichef wählen. Dass China kein Randthema für sie ist, haben die Anwärter Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen schon deutlich gemacht. China.Table unterzieht sie vor der Wahl einem Kandidaten-Check. Und wenn Sie morgen ab 9.30 Uhr live die Wahl verfolgen wollen, hier geht es zum Streaming der CDU.

    Wie halten es die Chinesen mit dem Datenschutz? Sie werden sensibler, beobachtet Frank Sieren in Peking. Mit Juristen hat er über das neue Datenschutzgesetz gesprochen, das im Detail den europäischen Regelungen sehr ähnlich ist.

    Chinas Impfstoffhersteller Sinovac kommt in Erklärungsnot. Forscher haben Zweifel an der Wirksamkeit des Anti-Corona-Mittels, das vor allem in Schwellenländern geimpft werden soll. Nun mehrt sich der Unmut der Bevölkerung in Brasilien und Pakistan, schreibt Finn Mayer-Kuckuk.

    Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben sich den nächsten Fünfjahresplan der chinesischen Regierung genauer angesehen. Ihr Befund: Chinas will zum technologischen Sprung ansetzen und bietet für Anleger und Investoren neue Chancen. Vom zuletzt vielbesprochenen Decoupling spüren denn auch die europäischen Unternehmer in China wenig. Amelie Richter hat die Details der Studie des Merics-Instituts und der EU-Handelskammer in China.

    Eine informative und anregende Lektüre dieser Ausgabe von China.Table wünsche ich Ihnen.

    Ihre
    Antje Sirleschtov
    Bild von Antje  Sirleschtov

    Presseschau

    Paypal übernimmt chinesischen Bezahldienst “Gopay” komplett FAZ
    “Alibaba könnte gut für Anleger sein”, sagt Investor Mark Mobius FAZ
    Hongkonger Polizei nimmt elf angebliche Fluchthelfer fest TAGESSPIEGEL
    China sieht rot SZ
    Chinas Präsident bittet Ex-Starbucks-Chef Schultz um Hilfe SPIEGEL
    A Year After Covid Began, China’s Economy Is Beating the World BLOOMBERG
    Analysis: The trillion dollar weapon in the U.S.-China tech stock war REUTERS
    US to block cotton from China region targeted in crackdown INDEPENDENT
    China records first Covid death since May as WHO team arrives in Wuhan THE GUARDIAN
    China Takes the Lead in Demand for Swiss Watches NEW YORK TIMES
    China and India dig in at Himalayan border, with an eye on Washington SOUTH CHINA MORNING POST
    China’s foreign trade defies virus odds, ends 2020 on record highs XINHUA

    Analyse

    CDU: Der China-Kandidatencheck

    CDU-Kandidatencheck: Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen
    Armin Laschet, Friedrich Merz, Norbert Röttgen

    Wenn es um die Haltung der CDU zu China geht, sprechen Beobachter der Regierungspartei gern vom ewigen Ying und Yang, einem immerfort währenden Ringen zwischen Ablehnung und Abgrenzung von der autoritären Staatsmacht in Peking einerseits und dem Willen zur Zusammenarbeit mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht auf der anderen Seite.

    Erinnert wird dabei gern an den November 2019, als sich die CDU zum Leipziger Parteitag traf. Im öffentlichen Fokus stand seinerzeit die Huawei-Frage: Soll sich Deutschland der amerikanischen Forderung beugen und den chinesischen Netzwerkausrüster vom Bau des 5G-Netzes ausschließen? “Ausgeschlossen werden sollen alle Anbieter, die unter dem Einfluss undemokratischer Staaten stehen”, lautete der Kernsatz eines Antrages der Unerbittlichen um den Außenpolitiker Norbert Röttgen, der die China-Frage ein für alle Mal entscheiden sollte und um ein Haar zum großen Krach zwischen dem innen- und menschenrechtspolitischen Flügel der Partei und den Wirtschaftspolitikern – und sogar zum Zerwürfnis mit der eigenen Kanzlerin – geführt hätte. Am Ende, auch durch den aktiven Eingriff Angela Merkels, die einen solchen Bann befürchtete, einigten sich die Delegierten schließlich auf eine abgeschwächte Formel, die keinen Ausschluss der Chinesen bedeuten sollte, sondern die Forderung nach Einhaltung eines Sicherheitskataloges für alle, die das 5G-Netz mit aufbauen wollen. Man könnte das einen pragmatischen Kompromiss nennen. Für viele in der CDU fühlte sich das aber eher wie ein Pflaster an, das die offene Wunde nur notdürftig verschließt. Der Konflikt besteht weiter, bis heute. Und glaubt man Friedrich Merz (“Das Verhältnis zu China ist das transatlantische Top-Thema.”), dann wird sich die CDU in den nächsten Jahren noch intensiver mit der Frage befassen müssen: Wie halten wir es mit China?

    Röttgen: Zu viel Rücksicht auf Wirtschaftsinteressen

    Wird Norbert Röttgen CDU-Chef und danach womöglich auch Kanzlerkandidat der Union, können sich die innerparteilichen Wirtschaftspolitiker auf härtere Zeiten einstellen. “Deutschland muss begreifen, dass China mehr ist als nur ein großer Marktplatz”, twitterte der Außenpolitiker Röttgen vor kurzem und macht keinen Hehl daraus, dass er das kurz vor der Amtsübernahme von US-Präsident Joe Biden zwischen China und der EU geschlossene Investitionsabkommen CAI für einen Fehler hält. Weil es für ihn “unvorstellbar” ist, dass die EU einen Vertrag schließt, in dem implizit Zwangsarbeit in China akzeptiert wird. Vor allem aber, weil er auf eine Wiederbelebung des transatlantischen Verhältnisses der Europäer mit den Amerikanern setzt und den Abschluss des Abkommens kurz vor Bidens Inauguration als Störfaktor sieht.

    Für Röttgen stehen sicherheitspolitische Fragen, die Stabilität der internationalen Weltordnung und die Einhaltung multilateraler Regeln im Vordergrund. Rechtsverletzungen, wie etwa das Sicherheitsgesetz der chinesischen Regierung in Hongkong, gefährden aus seiner Sicht Stabilität und Sicherheit, sind Ausdruck eines Machtstrebens der Kommunistischen Partei in Peking und “widersprechen letztlich den politischen und wirtschaftlichen Interessen Deutschlands”. Als Peking das Sicherheitsgesetz erließ, kritisierte Röttgen scharf, dass die Bundesregierung zu leise dagegen protestierte. Es werde zu viel Rücksicht auf die Wirtschaftsinteressen genommen, das Gesetz ist in seinen Augen eine “Waffe gegen die Demokratie”.

    Strebt Röttgen aber nach Abschottung? Mitnichten. Aus seiner Sicht geht es um klare Haltungen und eine gemeinsame Position der Europäer, die nach seiner Auffassung viel zu oft ihre nationalen wirtschaftlichen Interessen gegeneinander ausspielten. In einem von ihm mitinitiierten Brief riefen rund 70 Mitglieder nationaler Parlamente und des EU-Parlaments ihre Staats- und Regierungschefs dazu auf, dem Verhalten der Volksrepublik gemeinsam und beherzt entgegenzutreten. Reputationskosten statt Wirtschaftssanktionen oder ökonomische Abkopplung – so könnte man den Plan von Norbert Röttgen für den Umgang mit China beschreiben. Weil China besorgt um sein internationales Image ist, sei dessen Regierung dort auch angreifbar, weshalb die westliche Welt lauter und deutlicher Rechtsbrüche anprangern müsse.

    Friedrich Merz: Mehr Souveränität der Europäer

    Friedrich Merz ist so sehr ein Außenpolitiker wie er Wirtschaftspolitiker ist. Was Demokratie, Offenheit und Freiheit angehe, stehe Europa klar an der Seite der USA, sagte er unlängst in einen Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Gleichzeitig seien Deutschland und China als Handelsnationen zu abhängig voneinander, als das Deutschland “eine gegensätzliche Entscheidung für den einen oder gegen den anderen” treffen könne. Für Merz ist daher eine der wichtigsten Fragen der kommenden Jahre, wie es Deutschland gelingen kann, seine Interessen in einer ökonomisch immer verflochteneren Welt durchzusetzen. Und der Schlüssel liegt für ihn dabei klar in Europa. In seinem Buch “Neue Zeit. Neue Verantwortung” schreibt Merz, Europa werde der Frage nach der eigenen Souveränität nicht länger ausweichen können. Souveränität sei dabei im umfassenden Sinne gemeint, außen- und sicherheitspolitisch ebenso wie technologisch und wirtschaftspolitisch. Die Abhängigkeiten, die die großen Wirtschaftsräume Europa, die USA und China in den letzten Jahrzehnten eingegangen sind, seien zwar gegenseitig, aber die jeweils schwächere Position habe zumeist die Europäische Union, sicherheitspolitisch gegenüber den Vereinigten Staaten, wirtschaftlich gegenüber China.

    Von einer “konsistenten China-Strategie” spricht Friedrich Merz und meint damit eine klare gemeinsame Haltung des Westens in völkerrechtlichen Fragen genauso wie eine gemeinsame Linie der Europäer hinsichtlich der Wirtschaftsverflechtungen. Die Abhängigkeit von China dürfe nicht zu weit gehen, warnt Merz. Zuletzt in der Corona-Pandemie habe sich gezeigt, dass diese etwa im Pharmabereich zu Engpässen bei der Arzneimittelversorgung geführt habe.

    Armin Laschet: Pragmatische Interessenabwägung

    Wenn es um China geht, dann ist Armin Laschet wohl der Kandidat für das Amt des CDU-Vorsitzenden und mögliche Kanzlerkandidat, der Angela Merkels pragmatischem Credo vom “Wandel durch Handel” am nächsten steht. Als im Herbst 2019 Chinas Botschafter Wu Ken zum Antrittsbesuch in Düsseldorf den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Laschet traf, notierte dessen Staatskanzlei, dass die “Partner” über wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch gesprochen hätten und im Zentrum des gemeinsamen Strebens die Lösung globaler Herausforderungen, etwa in der Klimapolitik, stünden. Über Menschenrechtsverletzungen, Chinas autoritären Auftritt auf der Weltbühne oder die Auseinandersetzung um die Krise in Hongkong erfuhr man hingegen kaum etwas aus dem Gespräch.

    Nun muss man wissen: Armin Laschet regiert gewissermaßen Klein-China in Deutschland. In keinem anderen Bundesland leben und studieren mehr Chinesen, gibt es mehr chinesische Unternehmen und mehr deutsche Unternehmen mit chinesischen Beteiligungen als in Nordrhein-Westfalen. In der innerparteilichen Auseinandersetzung um eine Beteiligung des chinesischen Unternehmens Huawei am 5G-Netzausbau steht Armin Laschet klar auf der Seite der wirtschaftspolitischen Pragmatiker. Die Konsequenz eines Ausschlusses, argumentiert er, wären Rückschritte beim Ausbau des so wichtigen Netzes – und das könne sich Deutschland nicht leisten. Zumal das Land klare Interessen im freien Welthandel habe und die deutsche Wirtschaft vom Export lebe, auch nach China. Die Deutschlandzentrale von Huawei ist übrigens in Düsseldorf. Nico Beckert/Antje Sirleschtov

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    Technologien werden Wachstumstreiber 2021

    Wenn das Pekinger Statistikamt am kommenden Montag um 10 Uhr das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für das zurückliegende Jahr offiziell bilanziert, werden nur Sekunden später Eilmeldungen um die Welt gehen. Aller Voraussicht nach werden die Berichte der chinesischen Führung gefallen. Tritt ein, was etwa der Internationale Währungsfonds (IWF) in seiner jüngsten Prognose vorhersagt, ist Chinas Wirtschaft 2020 um 1,9 Prozent gewachsen

    Das ist zwar ein schlechteres Ergebnis als man das aus den Vorjahren kennt. China wäre damit aber noch immer die einzige große Volkswirtschaft mit einem positiven Wachstum im Corona-Chaos-Jahr. Voraussichtlich wird die Volksrepublik, die Corona mit autokratischen Werkzeugen schneller in den Griff bekommen hat als große Teile des Westens, nun laut einer Vorhersage die USA noch früher als gedacht, nämlich schon 2028, als größte Volkswirtschaft ablösen.

    Es ist eine Comeback-Story, die zu denken gibt. Noch im Frühjahr 2020 wurde von der “Financial Times” ein sogenannter “Tschernobyl-Moment” erwartet. Wie beim damals sowjetischen Atommeilers würde die Katastrophe auch in China den Niedergang des Politischen Systems und der KP Chinas nach sich ziehen. Stattdessen wurde Chinas sich erholende Wirtschaft – wie schon bei der Finanzkrise 2008 – ein Stabilisator der Weltwirtschaft.

    IWF: BIP-Zunahme um 7,9 Prozent möglich

    Und wie 2020 endete, wird 2021 nach Meinung der meisten Analysten weitergehen. “Die zügige Erholung unserer Wirtschaft wird der Weltwirtschaft  noch mehr helfen als es während der Finanzkrise der Fall war”, ist der chinesische Ökonom Wang Huiyao überzeugt. Zwar gibt es wieder kleinere Coronavirus-Ausbrüche in China. Insgesamt ist die Lage aber unter Kontrolle, was die wichtigste Voraussetzung für eine Fortsetzung der Erholung ist. Der IWF sagt für 2021 ein sattes Wachstum von 7,9 Prozent voraus

    Neue Impulse soll vor allem der neue Fünfjahresplan bringen, der ab dem 5. März vom Pekinger Volkskongress verabschiedet werden wird. Der Plan setzt dort an, wo China in den vergangenen Jahren die größten Rückschläge hinnehmen musste. Der Handels- und Technologiekrieg der USA mit China hat die Abhängigkeit vom Ausland schmerzlich bewusst gemacht. Wie aus ersten Mitteilungen der Führungselite der Kommunistischen Partei zum neuen Plan hervorgeht, soll nun ein neuer Wirtschaftskurs eingeschlagen werden, der mit dem Schlagwort der “zwei Kreisläufe” beschrieben wird. 

    Die Strategie von Staats- und Parteichef Xi Jinping soll die “innere Zirkulation” fördern, also heimische Nachfrage und eigene Innovation. China will sich unabhängiger von den USA und dem Rest der Welt machen. Der “äußere Kreislauf” – Handel und ausländische Investitionen – sollen diesen Hauptmotor unterstützen. 

    Der Plan ist der 2006 eingeführten Politik der “einheimischen Innovation” und vor allem der Marschrichtung “Made in China 2025” von 2015 nicht unähnlich. Die großspurige Rhetorik der “technologischen Führerschaft” Chinas wird dabei zwar stark zurück gefahren, Investitionen und Forschungskooperationen mit dem Ausland bleiben aber zentrale Schwerpunkte und bieten dahingehend auch Chancen für deutsche Unternehmen

    Internetindustrie als Wachstumstreiber im Zentrum

    Anleger sollten laut einer Analyse der US-Investmentgesellschaft Pimco vor allem Sektoren im Auge behalten, die sich mit Technologie, Infrastruktur, moderner Fertigung und erneuerbaren Energien befassen. Der Bildungssektor und das Gesundheitswesen können ebenfalls von staatlicher Unterstützung profitieren.

    Technologie steht im Zentrum des Fünfjahresplans, da China hier weniger von Importen abhängig sein will“, schreiben die Pimco-Analysten. Autohersteller mit starker Ausrichtung auf  Elektrofahrzeuge und Hersteller von Elektrofahrzeugbatterien würden daher zu den großen Gewinnern zählen. Schwierig könnte sich jedoch das Ziel erweisen, bei Computerchips die Lücke zu den USA zu schließen. Der Sektor, so glaubt man bei Pimco, könnte kurzfristig weiterem Gegenwind ausgesetzt sein. Weitere Einschränkungen und Sanktionen der USA seien unter US-Präsident Joe Biden nicht auszuschließen. 

    Ein sicherer Gewinner der nächsten Jahre sei jedoch Chinas Internet-Industrie. Trotz der strengeren Datenschutzregelung, an der Peking derzeit arbeitet, seien die Internet-Firmen “Hauptnutznießer im neuen wirtschaftlichen Rahmen”. Die Online-Verbreitung sei aufgrund von Covid-19 unerwartet beschleunigt worden, insbesondere bei Dienstleistungen wie der Lieferung frischer Lebensmittel, Online-Bildung und im Gesundheitswesen. 

    Bedeutende Investitionen in Bereichen wie Cloud, Big Data, Künstliche Intelligenz und Smart Manufacturing werden eine größere Rolle spielen, da die chinesische Regierung ihre industriellen Aktivitäten auf eine Fertigung mit höherer Wertschöpfung ausweiten werde. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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    Sinovac: Zweifel am Corona-Impfstoff

    Während der chinesische Pharmahersteller Sinovac den Ausstoß seines Coronavirus-Impfstoffs auf eine Milliarde Dosen pro Jahr hochfährt, mehren sich Zweifel an der Gültigkeit der veröffentlichten Wirksamkeitsdaten. Das brasilianische Butantan-Institut sprach in der vergangenen Woche noch von einer 78-prozentigen Schutzwirkung, vor Weihnachten war davon die Rede, dass er “in 97 Prozent der Fälle eine Immunantwort erzeugt”. Diese Woche musste es diesen Wert nun auf enttäuschende 50,4 Prozent zurücknehmen. Sinovac verweist derweil darauf, dass eine weitere Fortführung der Studien nötig ist, um eindeutige Werte zu gewinnen.

    Das Butantan-Institut in São Paulo hat die Hauptlast der Tests übernommen, die der Sinovac-Impfstoff zu absolvieren hat. Es handelt sich um eine angesehene Institution mit langer Erfahrung in der Immunologie. Sinovac Biotech wiederum hat sich als wichtiger Impfstoff-Lieferant für Schwellenländer positioniert. Der Wirkstoff des Unternehmens aus Peking wird derzeit bereits in Indonesien gespritzt. Weitere wichtige Abnehmer sind die Philippinen, die Türkei und Brasilien. Das Präparat gilt generell als sicher und war in allen Studien insofern wirksam, als die Testpersonen Antikörper gegen Sars-CoV-2 entwickelt haben.

    Anders, als sonst bei der Errechnung von Wirksamkeitsraten üblich, haben die Forscher des Butantan-Instituts jedoch zwischen verschieden schweren Verläufen der Covid-Erkrankungen unterschieden und schon dann Wirksamkeit bescheinigt, wenn die Substanz bereits das Schlimmste verhindert. Die 78 Prozent bezogen sich auf die Schutzwirkung vor mittelschweren und schweren Verläufen. Dennoch seien in der geimpften Gruppe durchaus milde Verläufe aufgetreten, gab das Institut jetzt zu. Diese eingerechnet betrage die Wirksamkeit nur noch 50,4 Prozent, sagten die Forscher auf einer Pressekonferenz. Erst diese Zahl lässt sich nun mit den Werten vergleichen, die Unternehmen wie Biontech, Moderna und Astrazeneca veröffentlicht haben. Hier zählt jede registrierte Infektion, egal, ob die Symptome stark oder schwach sind. Biontech und Moderna kommen auf rund 95 Prozent, Astrazeneca erreicht 70 Prozent.

    Von der Wirksamkeitsrate hängt ab, ob ein Impfstoff die Pandemie stoppen kann. Denn auch wer nur leicht erkrankt, kann den Erreger trotzdem weitergeben. Am Ende sollen jedoch nicht nur die Geimpften vor schweren Symptomen geschützt sein, sondern die Infektionsketten idealerweise vollständig enden. Noch ist unklar, ob nicht auch unter Biontech-Impfschutz symptomlose Verläufe auftreten. Angesichts der insgesamt hohen Schutzwirkung gilt das jedoch als unwahrscheinlich.

    Indonesien will Sinovac weiter impfen

    Auch ein Impfstoff mit nur 50 Prozent Wirksamkeit macht jedoch in der Pandemie einen riesigen Unterschied, so dass Indonesien und die andren Abnehmerländer nichts an ihren Plänen ändern wollen.

    Der Sinovac-Impfstoff unterscheidet sich von der Wirkungsweise her erheblich von denen, die derzeit im Westen zum Einsatz kommen. Biontech, Moderna und Astrazeneca setzen Gentechnik ein, um Virusmoleküle in Körperzellen herstellen zu lassen. Sinovac ist dagegen einen traditionellen Weg gegangen. Das Unternehmen züchtet Corona-Viren und nimmt ihnen die Vermehrungsfähigkeit. Es handelt sich also weniger um High-Tech und mehr um das Wirkprinzip der ersten Impfstoffe, die im vergangenen Jahrhundert auf den Markt kamen.

    Mit den widersprüchlichen Daten des Butantan-Instituts liegen nun vier stark abweichende Wirksamkeitswerte vor. Die Türkei berichtet in einer eigenen Studie von 91,25 Prozent, Indonesien ist auf 65,30 Prozent gekommen. Die Nachkommastellen suggerieren hier jedoch eine Genauigkeit, die beide Studien gar nicht erreichen konnten. Sie haben das Sinovac-Produkt nur an je rund 1500 Personen getestet. Der Chef  des Unternehmens, Yin Weidong, verteidigte sein Produkt: Die geringe Wirksamkeitsrate in der brasilianischen Studie liege daran, dass sich viel medizinisches Personal unter den Testpersonen befand. Warum das die Werte verzerren sollte, wurde aber nicht klar. Im Gegenteil: Wo viele Infektionen stattfinden, lässt sich die Wirksamkeitsrate besonders genau bestimmen.

    Die widersprüchlichen Angaben tragen nun zu einem gewissen Misstrauen gegenüber dem chinesischen Produkt bei. In Indonesien begann am Mittwoch zwar die Impfkampagne mit einer live übertragenen Spritze für Präsident Joko Widodo. Doch in der überwiegend muslimischen Bevölkerung verbreitet sich bereits die Theorie, der Impfstoff enthalte Produkte vom Schwein und sei damit inakzeptabel, berichtet die Nachrichtenagentur AP.

    Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hatte in seiner typisch populistischen Art bereits erklärt: “Wir kaufen es nicht von China, das ist meine Entscheidung.” Das Land akzeptiert jetzt doch eine Lieferung aus China – aber nur 10,8 Millionen Sinovac-Dosen für eine Bevölkerung von 200 Millionen Menschen. In einer Umfrage des Meinungsforschungs-Instituts Datafolha gab die Hälfte der Befragten nun an, den chinesischen Impfstoff abzulehnen. Die Nachrichtenagentur Bloomberg zitierte auch Bürger aus Pakistan, denen das Mittel unheimlich ist.

    China hat drei große Impfstoffhersteller. Neben Sinovac sind das Sinopharm und CanSino Biologics. Die Regierung in Peking punktet derzeit in Schwellenländern durch unbürokratische Impfstofflieferungen.

    • Brasilien
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    Termine

    15.01.2021, 14:00 – 15:00 Uhr
    Botschaftergespräch: US-China Beziehungen – Europa im Spannungsfeld zwischen Entkopplung und Kooperation OAV Mehr

    15.01.2021, 15:00 – 17:00 Uhr
    Buchvorstellung Fakultät Sinologie der Universität Tübingen
    Migration Management in East Asia Mehr

    18.01.2021, 8.30 – 9.30 Uhr
    Stakeholder Briefing Merics-EUCCC
    Bericht zur Entkoppelung von China für Interessenvertreter Mehr

    19.01.2021, 9 AM (EST)
    Diskussion Asia Times
    America, China, and the struggle for gloabal leadership Mehr

    • Merics

    China regelt Datenschutz neu

    In Europa dominiert die Vorstellung, dass die Chinesen kaum Interesse am Datenschutz haben und ihnen Informationen darüber aufgrund der Zensur vorenthalten werden. Das Datenschutzverständnis ist in China tatsächlich geringer entwickelt als im Westen. “Doch, wenn man es bei dieser Vorstellung belässt, läuft man Gefahr, die durchaus vorhandenen Sorgen der chinesischen Bevölkerung zu übersehen”, stellt Matthias Schroeder von der Pekinger Kanzlei Ding, Schroeder & Partner fest.

    In einer Studie des Pekinger Nandu Personal Information Protection Research Centre, die 2019 zu dem Thema in China durchgeführt wurde, gaben 30 Prozent der Befragten an, bereits Opfer von Datenmissbrauch geworden zu sein, zum Beispiel indem ihre Telefonnummern, Adressen und Bankverbindungen ohne ihr Wissen weitergegeben oder sogar verkauft wurden. Und immerhin die Hälfte der Befragten hat die Sorge, dass sie Opfer von Unternehmen werden können. Die größte Sorge der Menschen sei nicht so sehr der Missbrauch von Daten durch den Staat, sondern durch Unternehmen, sagt Schroeder.

    Weil der Unmut in der Bevölkerung immer größer wird, wurde bereits im Dezember 2017 auf einer Sitzung des Politbüros beschlossen, das Datenschutzrecht auszubauen. Im September 2018 wurde das Gesetz daraufhin auf die Liste der auszuarbeitenden Gesetzesprojekte gesetzt. Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor. Das Personal Information Protection Law (PIPL) folgt auf das Cybersecurity Law von 2017 und das E-Commerce Law von 2019.

    Erstaunlich ist vor allem: Der chinesische Gesetzesentwurf gleicht bis ins Detail dem Europäischen Datenschutzgesetz. Man würde eigentlich annehmen, dass Peking schon aus Nationalstolz ein eigenes Gesetz mit eigenen Schwerpunkten entwickelt. Aber offensichtlich hat unter Zeitdruck der Pragmatismus gesiegt.

    Den Konsum sicherer machen

    Die Entwicklung in diesem Bereich ist vergleichbar mit der des Umweltschutzes: Zunächst wollten die Menschen in China vor allem Geld verdienen. Mit dem wachsenden Wohlstand wuchs dann auch das Bewusstsein für die Nachteile des Booms. Probleme wie Smog oder verseuchtes Grundwasser machten den Menschen immer größere Sorgen. Entsprechende Gesetze wurden erlassen. Mit dem rasanten Fortschritt von Zukunftstechnologien wie Gesichtserkennung oder Künstlicher Intelligenz rücken nun auch deren (Datenschutz-)Risiken in den Fokus.

    Die Regierung muss nun den Konsum sicherer machen und gleichzeitig die Offenheit gegenüber neuen Technologien in der Bevölkerung aufrechterhalten. Ohne Vertrauen der Bevölkerung geht das nicht. Davon zeugt auch, dass das neue Gesetz vor der Verabschiedung öffentlich zur Diskussion gestellt wurde. Eine Praxis, die Peking erstmals 2008 mit dem Arbeitsvertragsgesetz ausprobiert und dabei festgestellt hat, dass Bürger, Akademiker, Anwälte und Wirtschaftsexperten viel brauchbaren Input liefern. Zwar kann der chinesische Staat anders als im Westen kaum gezwungen werden, auf die Vorschläge einzugehen. Aber die Zeiten, in denen die chinesische Regierung komplett über die Köpfe der Bürger hinwegregieren kann, sind vorbei.

    So stellt im Geist des EU-Datenschutzgesetzes auch die chinesische Version klar, dass die eigenen Daten jedem selbst gehören. Und beide Verordnungen balancieren zwei Ziele aus: Die Daten des Einzelnen mit Strafmaßnahmen zu schützen und gleichzeitig den geordneten Verkehr von Daten in der Wirtschaft zu ermöglichen. Beide Gesetze fordern zudem, dass der Dateninhaber zustimmen muss, bevor seine Daten genutzt werden dürfen.

    Im chinesischen Gesetz gibt es jedoch einen wichtigen Unterschied zum europäischen Text: Der chinesische Staat behält sich vor, Daten zu erheben, die ihm für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit, zum Schutz der Gesundheit, und des Eigentums natürlicher Personen, sowie zur öffentlichen Meinungsbeobachtung im öffentlichen Interesse wichtig erscheinen. “Das ist ein sehr weites, wenig definiertes Feld”, sagt der Jurist Schroeder.

    Neue Pflichten für Unternehmen

    Auch in Europa balancieren die Regierungen Datenschutz und Sicherheitsbedürfnisse unterschiedlich aus. In Großbritannien ist im Vergleich zu Deutschland das Bedürfnis nach Schutz vor Terrorismus ausgeprägter als der Wunsch nach Datenschutz. Deshalb hat London weltweit einen Spitzenplatz (Platz 3) bei der Anzahl der Überwachungskameras, während auf den ersten zehn Plätzen sonst nur chinesische Städte stehen.

    In China neigt die Waage noch sehr viel stärker in Richtung Sicherheit. Das nutzt der Staat. “Wir dürfen uns hier sicher keiner Illusion hingeben. Der Staat wird durch dieses Gesetz kein demokratischer Verfassungsstaat, wie wir ihn kennen“, sagt Schröder. Es sei so verfasst, dass der Staat weiter regieren kann, wie er möchte. “Und er möchte viele Daten erheben, speichern und analysieren, sowohl um zu wissen, wie die Stimmung im Land ist, als auch, um das Verhalten seiner Bürger zu steuern und um damit Propaganda machen zu können”. Das Gesetz selbst gebe dem Staat aber hierfür nicht mehr Möglichkeiten als er vorher hatte, sondern tendenziell weniger und bewirke einen Rechtfertigungsdruck, den es vorher nicht gab, sagt Schroeder.

    Die deutschen Firmen müssen sich nun auf die neuen Anforderungen einstellen. Wie im europäischen Gesetz müssen sie eine Sicherheitsabteilung aufbauen, die die Risiken überwacht, die Datensicherheit analysiert und den Behörden berichtet. Ein Datentransfer aus China heraus muss vorher genehmigt werden. “Es wäre keine Überraschung, wenn die chinesischen Regulatoren den gleichen Weg einschlagen würden, wie im europäischen Datenschutzgesetz”, meint Gil Zhang, Anwalt in Shanghai bei Fangda Partners, einer der großen chinesischen Kanzleien. Kurz: Für die Rechte der Konsumenten gegenüber den Unternehmen ist das Gesetz ein großer Fortschritt. Und für die Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat ist es kein Rückschritt. Allerdings würde man sich in dieser Richtung mehr wünschen.

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    Grenzen des Decoupling

    Als im Frühjahr 2020 in Frankreich in kaum einer Apotheke Schutzmasken zu kaufen waren, gingen Gerüchte um, dass die für die Franzosen bestimmte Lieferung aus China direkt auf dem Rollfeld von einem anderen Land aufgekauft wurde. Französische Politiker waren empört, Frankreich hatte eine Milliarde Masken in der Volksrepublik bestellt – die dringend benötigt wurden. Nicht nur angesichts der Lieferengpässe machte Staatschef Emmanuel Macron eine ehrgeizige Ansage: Wichtige Güter müssten wieder im eigenen Land hergestellt werden können – und das nicht nur im Kampf gegen die Pandemie. Die Eigenständigkeit Frankreichs und Europas müsse wiederhergestellt und die Abhängigkeit von globalen – und vor allem chinesischen – Lieferketten verringert werden, so Macron. Das kam politisch an.

    Das Coronavirus hat die Nachteile der Globalisierung so sichtbar werden lassen wie noch nie. Doch schnell zeigt sich: Trotz aller politischen Beteuerungen werden weder Europäer noch Amerikaner die Abhängigkeit von chinesischen Lieferketten schnell los. Trotz oder gerade wegen Corona verzeichnete die USA im November vergangenen Jahres das höchste Handelsbilanzdefizit mit China in 14 Jahren. In der EU der gleiche Trend: In den ersten zehn  Monaten des Jahres 2020 ist das EU-Defizit mit China um 3,5 Prozent gestiegen. 

    Keine Sorge bei EU-Wirtschaft wegen Decoupling

    Große Sorgen darüber macht sich die europäische Wirtschaft offenbar aber derzeit nicht, wie eine am Donnerstag vorgestellte Studie der EU-Handelskammer in China und dem Berliner Merics-Institut zeigt, in der Mitglieder der Handelskammer im Herbst 2020 befragt wurden. Nur elf Prozent gaben an, dass sie dem Thema Entkopplung in hohem Maße ausgesetzt sind. Die meisten Befragten (48 Prozent) sind Entkopplungstendenzen nur in “moderater” Form ausgesetzt, 37 Prozent sogar nur in “geringer” Form. Kleinere Unternehmen seien davon allerdings härter getroffen als Konzerne.

    “Im Gegensatz zu dem, was fast schon Konsens in Washington geworden ist, gibt es in Europa noch die starke Überzeugung, dass die Entkopplung von China nicht der zukunftsweisende Weg ist”, fassen die Autoren die Studie zusammen. Die öffentliche Debatte darüber habe nur “beschränkten Einfluss auf den wirtschaftlichen Alltag”. Politische Forderungen, wie die jüngsten deutschen Richtlinien für den Indopazifik, “bleiben auf rhetorischer Ebene.” Zwar gäbe es viele Probleme, die europäische Wirtschaft bewege sich jedoch insgesamt nicht von China weg, vielmehr hätten, “viele europäische Unternehmen das Verlangen mehr in China zu investieren”. Die meisten europäischen Unternehmen würden vor Ort “expandieren und ihre Lieferketten weiter ausbauen”, so die Autoren. 

    “Die Globalisierung so zu organisieren, dass alles dort gemacht wird, wo die Produktion am effizientesten ist – das ist vorbei”, meinte etwa Jörg Wuttke, Vorsitzender der EU-Handelskammer in China noch Anfang vergangenen Jahres, zu Beginn der Coronakrise. Dass das US- Wirtschaftsmagazin Forbes in dem Virus gar Chinas “Schwanengesang” als größter und kostengünstigster Produzent der Welt sieht, erwies sich mehr als frommer Wunsch. 

    Verlagerung aus China bedeutet Kostensteigerung

    Die Gründe dafür liegen auf der Hand. Je schlechter die wirtschaftlichen Zeiten sind, desto mehr achten die Kunden auf den Preis und deshalb wird dort produziert, wo es am billigsten geht. Wenn in dieser Situation Produktion verlagert wird, um Abhängigkeit von Zulieferungen aus China zu reduzieren, dann nicht etwa zurück nach Deutschland, sondern in ein anderes aufstrebendes Land Asiens, etwa nach Bangladesch oder Vietnam. 

    Die neue asiatische Freihandelszone RCEP öffnet dafür den Weg. Die Abhängigkeit von China mag dadurch geringer werden, die Komplexität der Lieferketten wird im Zweifel sogar höher. Die Studie konnte diese Frage nicht mehr berücksichtigen, weil sie vor der Einigung auf das Abkommen durchgeführt wurde. Allerdings sind selbst diesem Trend der Diversifizierung der Lieferketten Grenzen gesetzt. Denn Pekings Maxime lautet: Wer in China verkaufen will, muss auch in China produzieren. Und die europäischen Hersteller brauchen den chinesischen Absatzmarkt in der Coronakrise mehr denn je. 

    Die Lage ändern könnte etwa die Umweltkosten der in China hergestellten Produkte stärker einzupreisen. Zum Beispiel die Umweltverschmutzung der Schiffe oder die Kosten, um die Produktion in China auf den gleichen Umweltstandard zu bringen wie in Deutschland. Das würde die Chancen erhöhen mehr in der eigenen Region zu vernünftigen Preisen herstellen zu können.  Doch das lässt sich in Krisenzeiten politisch kaum durchsetzen. Denn es bedeutet praktisch, die Produkte werden teurer. 

    Wohl auch deshalb ist Frankreichs Präsident Macron nicht einmal in der Frage der Masken im vergangenen Jahr vorangekommen. Kauft man derzeit in Pariser Apotheken Schutzmasken, fliegt dem Käufer erstmal ein Zettel mit dem Aufdruck “Made in China” entgegen. Frank Sieren/Amelie Richter

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    WHO-Mission ohne Deutsche

    Das internationale Expertenteam zur Erforschung der Quellen des Coronavirus im Auftrag der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist am Donnerstag in China eingereist – allerdings ohne deutsche Beteiligung, wie das Robert-Koch-Institut RKI auf Nachfrage bestätigte. Der einzige deutsche Teilnehmer, der Epidemiologe Fabian Leendertz, habe aus familiären Gründen kurzfristig absagen müssen, hieß es im RKI. Für Ersatz aus dem RKI wurde nicht gesorgt.

    Nach monatelanger Überzeugungsarbeit gegenüber der chinesischen Regierung und Verhandlungen, unter welchen Bedingungen geforscht werden kann, suchen die internationalen Experten des WHO-Teams nun gemeinsam mit chinesischen Wissenschaftlern nach dem Ursprung von Covid-19. Details zum Ablauf der Forschungsarbeiten waren von der chinesischen Gesundheitskommission nicht in Erfahrung zu bringen.

    Als politisch aufgeladen sieht RKI-Mann Leendertz die WHO-Mission. Der Epidemiologe des RKI sollte ursprünglich schon Anfang Januar mit einem zehnköpfigen Team nach China reisen. Ob das Expertenteam überhaupt Daten erheben könne und welche Qualität sie haben werden, sieht Leendertz als offen an. Für die WHO gehe es “vor allem darum, die Phase 2-Studien” zu planen, in denen der Fokus auf geografischen Schwerpunkten, zu betrachtenden Tierarten und wissenschaftlichen Ansätzen liegt, mit denen Pläne für die globale Herkunftsverfolgung aufgestellt werden.

    Kurz vor dem chinesischen Neujahrsfest am 12. Februar soll das WHO-Team zurückkehren. Klare Erkenntnisse der Reise werden auch deshalb nicht erwartet, weil chinesische Behörden den Wildtiermarkt in Wuhan, der als Ursprungsort des Virus gilt, nach dem Ausbruch der Viruskrankheit umgehend geschlossen und gründlich desinfiziert haben. “Wann Daten vorliegen, kann leider keiner sagen”, sagte Leendertz dem China.Table. “Es kann sein, dass es Jahre dauert, bis wir verstehen, wie die Übertragung stattgefunden hat.”

    WHO-Erkenntnisse werden kaum erwartet

    Peking hat die WHO-Mission in den vergangenen Wochen mehrmals verzögert. Erst gestern wurden zwei Wissenschaftler aufgehalten, die aus Singapur nach Wuhan reisen wollten. Beide wurden positiv auf IgM-Antikörper getestet, was darauf hindeuten könnte, dass sie erst kürzlich infiziert waren. Vergangene Woche wurde WHO-Experten wegen Visafragen die Einreise versagt.

    Die Kritik dazu von WHO-Generaldirektor Tedros Adhanom Ghebreyesus fiel vor einer Woche überraschend scharf aus: “Ich bin sehr enttäuscht über die Nachricht, da zwei Mitglieder ihre Reise bereits angetreten hatten und andere in letzter Minute nicht mehr anreisen konnten”. Bisher hielt sich der WHO-Chef mit offener Kritik an China zurück.

    Sehr früh hat Peking angezweifelt, dass das Virus in China seinen Ausgangspunkt hat. Vielmehr bemühten sich hochrangige Funktionäre seit Monaten unablässig zu betonen, dass es auch in anderen Ländern schon vorher Fälle von Infektionen gab. Besonders Chinas Außenminister Wang Yi spricht beharrlich immer wieder davon, dass die Pandemie an mehreren Orten in der Welt ihren Anfang nahm.

    Dass nun die “Patientin Null” in Europa womöglich schon im November 2019 mit Sars-CoV-2 infiziert war, wie jüngst ein britisches Fachmagazin berichtet, wird in den sozialen Medien in China teils als Bestätigung gesehen, dass der scheidende US-Präsident Donald Trump mit seiner Bezeichnung “China-Virus” nur polarisieren wollte. niw

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    China rettet VW-Absatzbilanz

    China ist auch für Volkswagen zum Rettungsanker im abgelaufenen Corona-Jahr geworden. Zwar verkaufte VW 2020 in Festlandchina und Hongkong mit rund 3,85 Millionen Autos der verschiedenen Konzernmarken um 9,1 Prozent weniger Fahrzeuge als 2019. Doch dieser Rückgang fiel weit glimpflicher aus als anderswo: Global lag VW mit 15,2 Prozent im Minus, in Westeuropa sogar mit 23,4 Prozent.

    Die internationalen Autohersteller profitieren davon, dass Chinas Wirtschaft sich bereits seit dem Frühsommer von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholt. Waren im Winter und Frühjahr noch alle Autoverkaufshäuser ausgestorben oder geschlossen, verzeichnete der Automarkt überraschend im Mai 2020 schon wieder ein Plus; 95 Prozent der Händler hatten die Tore wieder geöffnet. Dies sorgte aufgrund der dramatischen Einbrüche des Winters zwar nicht für ein positives Jahreswachstum, aber milderte den Fall zumindest ab: Chinas Pkw-Markt sank für das Gesamtjahr 2020 nur um sechs Prozent.

    Leicht geschönt wird diese Zahl dadurch, dass die Basiszahlen der letzten Jahre ebenfalls niedrig lagen. Seit 2018 wurden in China jedes Jahr weniger Autos – einschließlich Nutzfahrzeuge – verkauft. Der Wegfall finanzieller Anreize zum Autokauf, Restriktionen für Autos in vielen Städten, Lagerabbau bei Händlern sowie die wirtschaftliche Unsicherheit aufgrund des Handelsstreits mit den USA ließen viele Menschen zögern. Und dann kam die Pandemie. Der Gesamtmarkt ist also immer noch kleiner als im bereits schwierigen Jahr 2018.

    VW ist mit dem Negativwachstum nicht allein

    Volkswagen ist daher mit seinem Negativwachstum nicht allein. Auch General Motors musste einen Rückgang um 6,1 Prozent vermelden. VW bleibt nach eigenen Angaben Marktführer, mit einem Anteil von 19,3 Prozent. Der Konzern habe verstärkt auf “einen digitalen Ansatz bei Marketing und der Reise zum Autokauf” gesetzt und unter anderem damit trotz der schwierigen Lage operative Fortschritte erzählt, teilte VW-Chinachef Stephan Wöllenstein mit. Auch lokale Marken setzen seit 2020 verstärkt auf Online-Verkäufe.

    Positiv entwickelte sich seit 2018 nur das Premiumsegment. Die Dynamik ab Sommer 2020 war daher sogar stark genug, um den traditionell starken deutschen Premium-Marken in China ein positives Jahreswachstum zu bescheren. BMW/MINI und Daimler lagen mit rund 775.000 Autos in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um Platz Eins – dank Zuwächsen von 7,4 beziehungsweise 12 Prozent. Weltweit lagen beide Konzerne ebenfalls im Minus.

    Beliebt waren auch Autos von Audi. Die VW-Tochter verkaufte 727.000 Autos im vergangenen Jahr, 5,4 Prozent mehr als 2019.

    China wird immer wichtiger als Absatzmarkt für die deutschen Autobauer. Daimler etwa verkaufte jedes dritte Modell der Marke Mercedes-Benz in der Volksrepublik. Auch für die VW-Sportwagentochter Porsche ist China der wichtigste Markt der Welt – vor Deutschland. CK

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    Alexander Görlach

    Alexander Görlach - Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs
    Senior Fellow am Carnegie Council for Ethics in International Affairs

    Alexander Görlach ist ein Tausendsassa. Der einstige Journalist und Gründungsherausgeber des Debattenmagazins “The European” hat sich seit einigen Jahren der Wissenschaft verschrieben. Görlach, ausgestattet mit zwei Doktortiteln in Katholischer Theologie und Linguistik, geht in Harvard und Cambridge ein und aus. Sein Forschungsfeld: Die Zukunft der liberalen Demokratie. Zwangsläufig begann er sich deshalb auch intensiver mit China sowie Taiwan und Hongkong zu beschäftigen. Ein Aufenthalt im Jahr 2017/18 führte Görlach an die National Taiwan University und die City University of Hong Kong.

    Im September 2020 erschien von Alexander Görlach das Buch “Brennpunkt Hongkong: Warum sich in China die Zukunft der freien Welt entscheidet”. Ein weiteres zum Vergleich zwischen dem demokratischen Taiwan und der autokratischen Volksrepublik China ist bereits in Planung. Besonders Taiwan hat es dem 43-Jährigen angetan. “Wenn Sie mal in solch eine junge Demokratie reisen, erleben Sie viele interessante Dinge”, erzählt Görlach. Aus seiner Sicht verbinde einen Taiwanesen mehr mit einem Deutschen als mit einem Festlandchinesen. “Uns verbinden die gleichen Werte, eine Ordnung, die auf der Achtung der Menschenrechte fußt”, sagt er.

    Nach Alexander Görlach trifft China “hegemonial” auf

    Für Alexander Görlach entscheidet sich die Zukunft der freien Welt in China. Peking habe der Demokratiebewegung in Hongkong während der Pandemie “den Garaus gemacht”. Görlach befürchtet, dass Präsident Xi Jinping sich als nächstes das unabhängige Nachbarland Taiwan einverleiben werde. “China tritt heute hegemonial auf”, sagt Görlach sorgenvoll. “Das bekommen Länder überall auf der Welt zu spüren.”

    Deutschland dürfe deshalb nicht klein beigeben, auch wenn wirtschaftliche Interessen am Verhältnis mit China hingen. “Es gibt keine Rechtssicherheit für Unternehmen. Das geht Hand in Hand mit anderen Rechtsverletzungen”, so Alexander Görlach. Mit Blick auf 2021 prognostiziert Görlach, dass sich westeuropäische Staaten wie Frankreich und Großbritannien in ihren Beziehungen zu China am Kurs Joe Bidens orientieren und auf einen “menschenrechtlich-transatlantischen Wertekonsens” berufen werden.

    Deutschland könnte sich derweil, trotz aller Einigkeit mit Biden, auf einen Sonderweg begeben: “Der chinesische Markt ist für die deutsche Wirtschaft extrem wichtig”, sagt Alexander Görlach. Es gebe zudem viele Gemeinsamkeiten mit der Volksrepublik, von der Arbeitsmoral bis hin zum Staat als Akteur, der investiert und sich in die Wirtschaft einbringt. Etwas, was in den USA bis heute mit Skepsis gesehen wird. “Aber aufgrund der massiven Menschenrechtsverletzungen in dem Land kann man im Moment mit China keine normale Politik verfolgen”, sagt Görlach.

    Sein Interesse an der Entwicklung in China wird ihn in Zukunft auch wieder in die Region führen. Nach Taiwan möchte Alexander Görlach unbedingt zurückkehren, nach Honkong allerdings nicht. “Dorthin kann ich nicht mehr zurück nach den zig Artikeln, die ich zum Vorgehen Chinas in Hongkong geschrieben habe”, sagt er. Constantin Eckner

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    Dessert

    Der Handelsberater von Donald Trump, Peter Navarro, verlässt das Weiße Haus mit einem gerahmten Bild eines Meetings zwischen Xi und Trump.

    CHINA.TABLE Redaktion

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