China spielt bei der Europameisterschaft prominent mit – zumindest auf der Bandenwerbung und als offizieller Partner der ausrichtenden UEFA. Christiane Kühl hat nicht nur bei den vier Toren der deutschen Mannschaft gegen Portugal genau hingeschaut, sondern nimmt auch die sogenannte “Sponsoring Soft Power” unter die Lupe. Chinesische Unternehmen nutzen die EM geschickt als Plattform, um sich international den Fans zu präsentieren – inklusive eines kölschen Werbebotschafters.
So eng die Wirtschaftswelt hier schon verflochten ist, so fragil erscheint derzeit die globale Logistik. Erst im März blockierte ein Schiff sechs Tage lang das Nadelöhr Sueskanal. Auf Satellitenbildern konnten wir den quergestellten Koloss und die sich am Nord- und Südende des Kanals stauenden Schiffe beobachten. Finn Mayer-Kuckuk analysiert nun die Auswirkungen von Corona-Infektionen unter Arbeitern des südchinesischen Hafens Yantian bei Shenzhen auf die Warenströme, und wieder bieten Satellitenbilder wichtige Anhaltspunkte. Es stauen sich erneut Container-Riesen, Frachtraten steigen, Güter verspäten sich, Lieferketten sind unterbrochen. Die globale Logistik ist auf Kante genäht.
Eine andere Brücke zwischen Ost und West zahlt derweil einen hohen Preis für ihre Entschlossenheit, in beiden Welten vertreten zu sein. Nutzer auf LinkedIn werden unsichtbar, wenn sie China-kritische Inhalte in ihre Profile aufnehmen, berichtet Marcel Grzanna. Die Profile zweier Nutzer werden sich zukünftig von China aus nicht mehr abrufen lassen, teilte ihnen die Plattform mit. LinkedIn reagiert damit auf Zensuranforderungen der chinesischen Regierung. Es ist nicht das erste Unternehmen, das sich den Wünschen der KP Chinas beugt. Ihr Arm reicht heute weit.
Als Kai Havertz den Ball aus kurzer Distanz zum 3:1 gegen Portugal ins Tor lenkt, leuchtete auf den Werbebanden in der Münchner Allianz-Arena weiß der Name “Vivo” auf knallblauem Grund. Beim 4:1 für Deutschland durch Robin Gosens ist die Bande dunkelgrau mit weißem Tiktok-Schriftzug. Beim Lattenknaller des Portugiesen Renato Sanches kurz vor Schluss dann flimmern chinesische Schriftzeichen über die Bande: 支付宝 – international bekannt als Alipay, die Bezahlplattform des Onlinehändlers Alibaba.
Chinesische Firmen sind bei der Euro 2020 (der Name ist trotz der coronabedingten Verschiebung auf 2021 gleich geblieben) präsent wie nie bei einer Fußball-Europameisterschaft. Alipay und der TV-Hersteller Hisense sind neben VW, Gazprom, Booking.com und Fedex offizielle Partner aller Uefa-Länderspiele. Beide bleiben an Bord bis nach der Europameisterschaft 2024. Die chinesische Marke Vivo ist offizieller Smartphone-Partner der beiden Turniere 2020 und 2024. Als Turniersponsoren treten auf den Werbebanden neben der Kurzvideo-App Tiktok auch Alibabas Blockchain-Tochter Antchain sowie die auf die Abwicklung internationaler Zahlungen spezialisierte Plattform World First auf. Gegründet 2004 in Australien, gehört sie seit 2019 ebenfalls zu Alibaba.
Experten zufolge kommt die chinesische Wirtschaft dadurch auch einfach dort an, wo sie mit ihrer Exportmacht inzwischen hingehört. “Durch diese Sponsorings werden die Firmen weltweit sichtbar und Teil eines globalen Austauschs, an dem ihr Land früher nicht teilgenommen hat“, sagt Simon Chadwick vom Centre for the Eurasian Sport Industry mit Sitz in Paris, Shanghai und anderen Städten. “Dieser Austausch hat unmittelbare positive Auswirkungen, da es dazu führt, dass die Menschen sich mit dem Land selbst und seinen Unternehmen befassen.” Chadwick nennt dies “Sponsoring-Soft Power”. China soll nach dem Willen der Regierung möglichst bald eine Größe im internationalen Fußball werden. Der große Traum ist die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft. “Doch natürlich sind diese Firmen auch zunehmend global aufgestellt und zielen auf Kunden weltweit ab, vor allem Vivo und Hisense”, so Chadwick zu China.Table.
Hisense war 2016 China-Pionier bei einer Europameisterschaft. Doch schon 2010 trat bei der für China noch interessanteren Weltmeisterschaft in Südafrika mit Yingli Solar erstmals ein chinesisches Unternehmen als Sponsorpartner der Fifa auf. Auch 2014 war Yingli Solar Werbepartner der WM in Brasilien – wo die Fotovoltaikzellen des Unternehmens beim Finale den Strom lieferten. Bei der WM 2018 in Russland war Yingli nicht mehr dabei, dafür aber Hisense, Vivo, der in China auch als Clubsponsor auftretende Konzern Wanda, sowie das Milchunternehmen Mengniu.
Doch nun ist auch die Sichtbarkeit bei der Euro den Firmen offenbar einiges wert. Alipay unterschrieb bereits 2018 einen Achtjahresvertrag mit der Uefa. Nach verschiedenen Berichten zahlte der Konzern dafür rund 200 Millionen Euro. Über die Summen der anderen ist nichts bekannt, doch laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin sind Firmen aus China die größte Quelle für Sponsoren-Einnahmen des diesjährigen Turniers.
Neben der globalen Bühne aber präsentieren sich die Firmen auch den chinesischen Fans zuhause, von denen viele sich die Spiele trotz der ungünstigen Uhrzeiten anschauen – Anpfiff ist meist mitten in der Pekinger Nacht. Ganze 424 Millionen Chinesen hingen nach Marktforschungsdaten während der Euro 2016 an den Fernsehern.
Lohnen kann sich das Sponsoring durchaus, wie das Beispiel Hisense zeigt. Das Unternehmen wirbt bei der Euro 2020 mit einer maßgeschneiderten Fernseher-Produktreihe namens U7, die es eigens für das Turnier entwickelte, inklusive Fan-Gimmicks wie einem intelligenten Viewing-Modus mit verschiedenen Perspektiven und farblich optimiertem Fußballrasen. Im Rahmen des Sponsorings machte Hisense auf Millionen Geräten zudem die uefa.tv-App mit video-on-demand-Funktionen kostenlos zugänglich. Das zieht offenbar: Drei verschiedene Modelle der U7-Serie seien in den letzten zwei Monaten unter den zehn meistverkauften neuen Fernsehern in China gewesen, teilte Hisense kurz nach Turnierstart mit. Auf seiner Deutschland-Website wirbt Hisense derweil mit dem populären Fußballstar Lukas Podolski aus der deutschen Weltmeister-Elf von 2014. Neben Fernsehern wie dem U7 verkauft die Marke hierzulande auch Kühlgeräte und Waschmaschinen.
Vivo ist gerade erst dabei, seine Smartphones in Europa auszurollen. Da ist das Timing also ideal: Das vivo X60 Pro ist offizielles Smartphone des laufenden Turniers. Erst im Oktober 2020 – also nach der coronabedingten Verschiebung – hatte Vivo einen Vierjahresvertrag als offizieller Partner für die Europameisterschaften 2020 und 2024 unterschrieben. Im Februar 2021 ging es in Rumänien und Tschechien an den Start. In Deutschland ist die 5G-Version des Euro-Handys X60 Pro mit einer Zeiss-Kamera seit Anfang Juni ab 800 Euro zu bekommen. Vivo gehört zum weltgrößten Smartphone-Hersteller BKK Electronics, der auch die Marke Oppo vertreibt – und hat global bereits rund zehn Prozent Marktanteil (China.Table berichtete).
Die Dienste von Uefa-Partner Alipay allerdings sind bisher nur in China verfügbar. So bietet Alipay chinesischen Fans laut Uefa auf seiner App einen sogenannten Lifestyle-Account als Content-Hub für europäische Länderspiele an. Außerdem gibt es ein Miniprogramm, mit dem Chinesen bequem Tickets beantragen können – eine Funktion, die wegen der Corona-Pandemie notgedrungen erstmal hinfällig ist. Die Alibaba-Tochter Antchain stieg kurzfristig ein und ist seit Mai 2021 nun für fünf Jahre offizieller Blockchain-Partner der Uefa. Blockchains sind sichere, dezentral angelegte Datenverzeichnisse, die auf nachvollziehbare Weise immer aktuell gehalten und von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzt werden. Bei der Euro 2020 speichere Antchain unter anderem die Torschützenliste dauerhaft ab – und sponsere die Trophäe für den Torschützenkönig, so die Uefa.
Ebenfalls Euro-Spätzünder sind Tiktok und dessen chinesische Version Douyin des Internet-Konzerns Bytedance. Tiktok unterschrieb im Februar, Douyin im Mai 2021. Beide wollen sich mithilfe des Sponsorings laut Caixin als Plattformen für Fußballfans etablieren – getrennt nach den jeweiligen Märkten. Nur Tiktok ist öffentlich bei Fernsehübertragungen sichtbar. Douyin hat dafür für die chinesischen Nutzer exklusive Augmented-Reality-Effekte und Hashtag-Challenges in der App für die Euro 2020 entwickelt. Die Uefa eröffnete zudem einen Douyin-Account.
Die Euro ist derzeit übrigens nicht das einzige Spielfeld. Bei der zeitgleich stattfindenden Südamerika-Meisterschaft Copa America seien drei von vier Hauptsponsoren aus China, sagt Chadwick. Die anderen haben sich aus Protest zurückgezogen, da das Turnier in der Corona-Hochburg Brasilien stattfindet. Wichtig sei zudem die alle zwei Jahre ausgetragene Afrika-Meisterschaft, so Chadwick: “China möchte die Voraussetzungen schaffen für eine Ausrichtung der Weltmeisterschaft.” Dafür braucht es Kontakte und gute Beziehungen in aller Welt.
Die Container-Berge sind sogar vom Weltraum aus sichtbar. Satellitenbilder zeigen auf der Pier des südchinesischen Hafens Yantian einen lückenlosen, hochgestapelten Teppich der überwiegend rötlichen Boxen. Besorgniserregend ist aber vor allem die geringe Zahl der Schiffe, die an den Kränen angelegt haben. Normalerweise liegen hier zwölf der Frachtriesen gleichzeitig und werden be- und entladen. Derzeit sind es nur zwei. Grund des Staus: Corona-Ausbrüche unter Hafenarbeitern, die in Isolation mussten.
Die Welt der Logistik hatte gehofft, dass sich die Störungen in den Lieferketten durch Corona bis jetzt, zum Sommer, wieder auflösen. Stattdessen folgt nun der nächste Akt in dem Drama um feststeckende Fracht. “Der Rückstau in Yantian wird erhebliche Auswirkungen auf die Container-Warenflüsse haben”, sagt Peter Tirschwell, Analyst für Seehandel bei dem Forschungshaus IHS Markit. “Die Auswirkungen werden mehrere Wochen anhalten.”
Einerseits wird der Transport von Gütern teuer bleiben oder sogar noch teurer werden, sagt Tischwell dem China.Table. Andererseits könnte es, wie vor Weihnachten, zu Engpässen bei der Nachlieferung von Industriewaren kommen, die sich bis zum Jahresende hinziehen. Zugleich zeigt die neue Störung, wie anfällig die eng durchkalkulierten Lieferwege sind, von denen die globalisierte Wirtschaft abhängt.
In Yantian stecken derzeit rund 160.000 Container der 40-Fuß-Klasse fest. Der Hafen liegt nordöstlich von Hongkong und ist der drittproduktivste Containerknotenpunkt der Welt. Es handelt sich um den Hafen, über den die Waren aus dem Industriezentrum Shenzhen in die Welt verschifft werden. Auf die Stadt entfallen zehn Prozent der chinesischen Exporte. Das Chaos hier gilt daher bereits als schlimmer als das Debakel um die Ever Given, die im März sechs Tage den Sueskanal blockierte.
Die Probleme in Yantian haben mit positiven Corona-Tests bei Hafenarbeitern angefangen. Am 27. Mai gaben die Hafenbehörden bekannt, den Betrieb zum Teil einzustellen, um eine Isolation der Mitarbeiter sicherstellen zu können. Das lief noch als Randnotiz in einer Corona-geplagten Wirtschaftswelt. Die Erwartung lautete, dass innerhalb weniger Tage wieder alles rund laufe. Doch die Schließung zog sich hin, während sich landseitig die Waren stauten und seeseitig die Schiffe in Wartestellung vor Anker lagen.
Nun ist davon die Rede, dass Yantian erst Ende Juni in den Normalbetrieb zurückkehrt. Doch der Schaden für die weltweite Logistik ist bereits angerichtet. In dem Tanz der Ozeanriesen greift ein Teil ins andere; Computer platzieren Container wochenlang in der Zukunft auf Schiffe, die noch am anderen Ende der Welt im Hafen liegen.
Diese fein gesponnene Planung kann recht gut mit einzelnen Störungen umgehen, beispielsweise der Verspätung eines Frachters. Doch wenn massenhaft Schiffe ausfallen, gerät das System in eine Krise. Die Vorausberechnungen und Planungen stimmen immer weniger mit der Realität überein, und ein Container kann nicht einfach auf ein anderes Schiff gebucht werden, wenn dieses ebenfalls ausfällt.
Die Häfen in Südchina laufen zudem auf voller Kapazität und konnten die Last von Yantian nicht einfach abfangen. Die benachbarten Standorte Shekou, Nansha und Hongkong als die logischsten Ausweichplätze zeigen nun ebenfalls Anzeichen von Überlastung, die Umschlagzeiten dort werden ebenfalls länger. Auf den Meeren und Flüssen im ganzen Großraum des Perlflussdelta tummeln sich Schiffe in Warteposition.
Die Reaktion der Reeder: Sie müssen die Frachtraten erhöhen. Wenn Schiff und Container für den Transport von Asien in die Abnehmerländer in Europa und Amerika knapp werden, steigen entsprechend die Preise. Der Index FBX für globale Frachtraten ist von einem Niveau von 1.300 Dollar vor der Pandemie in diesem Jahr zunächst auf über 4.000 Dollar gestiegen. Seit Anfang Mai ist er über 6.000 Dollar hochgegangen. Analyst Tirschwell erwartet für die nahe Zukunft “historische Hochstände” bei den Frachtkosten. Da viele Waren aus Ostasien kommen, treibt das die Preise insgesamt in die Höhe. Der coronabedingte Inflationsdruck steigt dadurch weiter.
Die Containerschifffahrt erlebt sich seit Beginn der Corona-Krise eine Folge von Pleiten, Pech und Pannen. Im Frühjahr 2020 kamen die ersten Schocks, als Hafenarbeiter nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten. Die Folgen sind bis heute zu spüren (China.Table berichtete). Im März blieb ein Schiff im viel befahrenen Sueskanal stecken und erzeugte weitere Turbulenzen. Als sich diese Staus auflösten, entstanden neue Warteschlangen von Riesen-Schiffen an den Zielhäfen. Da sie dort wiederum nicht zügig ent- und beladen werden konnten, setzen sich die Störungen wellenartig fort.
Die Probleme der Schifffahrt führen zu weiterreichenden Diskussionen in der Industrie. Globale Lieferketten wirkten vernünftig und besonders kostengünstig, solange alles glattlief. Jetzt zeigen sich die Nachteile dieses Vorgehens. Es geht schließlich nicht nur um Endprodukte. Ein fehlendes Kleinteil aus Shenzhen kann die Herstellung von Produkten in Deutschland lahmlegen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo fragt bereits: “Sollten die Unternehmen angesichts der Coronakrise ihr Geschäftsmodell globaler Lieferketten neu überdenken und ihre Abhängigkeit von globalen Produktionsnetzwerken verringern?”
Ökonomen geben eine vorläufige Antwort: Die Unsicherheiten führen dazu, dass Unternehmen die Produktion in Fernost zumindest überdenken. “Verstärkt werden die Anreize zur Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland und die reichen Industrieländer noch dadurch, dass die Verwendung von Robotern heute billiger ist als jemals zuvor”, schreiben die Professorin Dalia Marin von der Technischen Universität München und ihre Mitarbeiter. Sie macht einen Trend zum “Reshoring” aus, der das “Offshoring”, also die Verlagerung der Wirtschaftsaktivität nach Übersee, zumindest bremsen könnte. In Deutschland zeigen vor allem die Chemie, die Metall- und die Elektroindustrie die deutlichsten Tendenzen in diese Richtung.
Auch der Industrie-Verband BDI warnte bereits während der Verstopfung des Sueskanals vor weiteren Versorgungsengpässen. Derzeit seien allerdings keine Alternativen in Sicht, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Das Ifo-Institut schlägt derweil eine marktwirtschaftliche Lösung zum Gegensteuern vor. Wenn künftig die Risiken im Frachtpreis besser widergespiegelt sind, dann lohnt sich automatisch für mehr Produkte die Herstellung im EU-Inland. Statt einer teuren “Deglobalisierung” können solche Mechanismen zu einer ausgewogeneren Globalisierung führen.
Der schwedische Autor und Fotograf Jojje Olsson staunte nicht schlecht über die persönliche Nachricht vom Online-Berufsnetzwerk LinkedIn in seinem digitalen Postfach. Der Anbieter teilte ihm mit, dass ein “verbotener Inhalt” in der Untersektion Bildung entdeckt wurde. Dies sei der Grund dafür, sein Profil in der Volksrepublik China fortan zu sperren.
Olsson hatte angegeben, dass er sich im Rahmen seines Studiums in einem Essay ausführlich mit dem “Tiananmen-Massaker” beschäftigt hatte. Die Reaktion von LinkedIn: “Ihr Profil, sonstige Aktivitäten wie Kommentare oder Inhalte, die sie mit ihrem Netzwerk teilen, werden in China nicht mehr sichtbar sein.” Der Auftritt in allen anderen Ländern sei davon aber unberührt. Man stelle es Olsson frei, ob er die nötigen Änderungen vornehmen wolle oder nicht.
Olsson zeigt sich empört. “Das ist absolut unglaublich”, twittert der Medienschaffende. Er entschied sich dazu, das Profil nicht zu ändern. In China bleibt er damit unsichtbar. Ein anderer Nutzer machte daraufhin einen Selbstversuch und ergänzte sein Profil um das Synonym für die tragischen Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989. “Es hat vier Tage gedauert”, meldete er sich schließlich zurück und veröffentlichte eine nahezu identische Nachricht von LinkedIn. Auch er müsse das Profil justieren, um wieder Teil des chinesischen Netzwerkes werden zu können.
Die Plattform stellt den Vorgang als Teil seiner üblichen Geschäftspraktiken dar. “Wir haben schon vor einer Weile anerkannt, dass das Angebot einer lokalisierten Version von LinkedIn in China wahrscheinlich zur Einhaltung von Zensuranforderungen der chinesischen Regierung auf Internetplattformen führen würde”, teilt LinkedIn auf Anfrage von China.Table mit. Zwar unterstütze man “nachdrücklich” die Meinungsfreiheit, aber “uns ist klar, dass wir die Beschränkungen der chinesischen Regierung bezüglich Inhalten, wenn nötig, im erforderlichen Umfang umsetzen müssen, um einen Mehrwert für unsere Mitglieder in China und weltweit zu schaffen.” LinkedIn glaubt also, keine Wahl zu haben, wenn es dort präsent bleiben will.
Es ist nicht das erste Mal, dass LinkedIn Einträge zum 4. Juni zensiert. Vor einigen Jahren machte das Netzwerk Inhalte unzugänglich, die sich mit dem Tiananmen-Massaker befassten. Wenn aber nicht einmal mehr der Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit beim Namen genannt werden darf, ist das Ausdruck für die Entschlossenheit Pekings, unangenehme Themen aus dem Diskurs zu verbannen. Wenn das Massaker schon thematisiert wird, dann am besten nicht da, wo chinesischer Staatsbürger:innen mitlesen können. Umgehen lässt sich die Zensur allerdings mit einem kleinen Trick, wie weitere Nutzer bestätigten. Beispielsweise müsse man nur nach jedem Buchstaben des Wortes Tiananmen einen Punkt setzen. Ob es weitere Schlüsselworte gibt, die den offenbar automatisierten Prozess der Zensur in Gang setzen, beantwortete LinkedIn nicht.
LinkedIns Zugeständnis ist aber auch ein Zeichen für die wachsende Bereitschaft der Anbieter, alles dafür zu tun, was ihnen entgegen ihrer propagierten demokratischen Überzeugung in China abverlangt wird. Facebook beispielsweise ist zwar in China gesperrt, aber Firmenchef Mark Zuckerberg hatte sich jahrelang regelrecht angebiedert und signalisiert, die Zensoren um jeden Preis zufrieden stellen zu wollen. Facebook hat es indessen immer noch nicht nach China geschafft. Das liegt in der Sorge der chinesischen Behörden begründet, dass die Plattform von Oppositionellen genutzt werden könne. Diese könnten dort die breite Masse zum Aufruhr anstiften.
Bei LinkedIn sieht die Zensurbehörde dieses Problem offenbar nicht in diesem Umfang. Die Zielgruppe ist eine völlig andere, und auch die Profile sind formeller. Privates und politischer Aktivismus halten sich im Vergleich zu Facebook oder dem ebenfalls gesperrten Kurznachrichtendienst Twitter in Grenzen. Viele Inhalte befassen sich dagegen mit wirtschaftlichen Hintergründen und Zusammenhängen sowie beruflichen Aktivitäten. Auch erkennt das Land durchaus Vorteile zur eigenen Wirtschaftsförderung. Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern und Talenten ist ein globaler Wettbewerb, in dem auch chinesische Unternehmen alle Mittel ausschöpfen, um nicht den Anschluss zu verlieren. LinkedIn, das sowohl im Westen als auch in China präsent ist, gilt als wichtiges Bindeglied zwischen beiden Welten (China.Table berichtete).
Seit 2014 ist das Berufsnetzwerk in China aktiv. Von weltweit 756 Millionen Nutzern sind 53 Millionen in der Volksrepublik registriert. Nach den USA (178 Millionen) und Indien (76 Millionen) ist China der drittgrößte Einzelmarkt von LinkedIn weitweit. In Europa zählt das Netzwerk 198 Millionen Konten, 16 Millionen davon im deutschsprachigen Raum.
Ein Gericht in Stockholm hat am Dienstag das Verbot gegen den Verkauf von 5G-Ausrüstung durch Huawei in Schweden bestätigt. Ein früheres, erstinstanzliches Urteil wurde damit bekräftigt. Eine schwedische Regulierungsbehörde hatte Huawei Ende vergangenen Jahres die Lieferung von 5G-Antennen an schwedische Mobilfunkunternehmen wegen Sicherheitsbedenken untersagt. Das Technologieunternehmen und sein ebenfalls chinesischer Wettbewerber ZTE wurden in der Vergangenheit von immer mehr Staaten vom Auf- und Ausbau ihrer 5G-Netze ausgeschlossen (China.Table berichtete). nib
Mehr als 40 Staaten haben China am Dienstag dazu aufgerufen, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang unabhängig aufklären zu lassen (mehr im China.Table). Sie fordern, dem UN-Menschenrechtsbeauftragten, Michelle Bachelet Zugang zu der Region zu gewähren. Diese könne sich dann vor Ort ein Bild über die Lage machen. China wird vorgeworfen, circa einer Million Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten zu Unrecht inhaftiert zu haben.
Unter den 40 Staaten befinden sich Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich, Australien und Japan. Sie äußerten die Forderung in einer gemeinsamen Erklärung während der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats. Bis auf Griechenland, Malta, Zypern und Ungar schlossen sich alle EU-Staaten der Erklärung an. “Es gibt auch Berichte über Folter und Zwangssterilisation, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt und die erzwungene Trennung von Kindern von ihren Eltern”, so die Erklärung. Auch die Verschlechterung der Grundfreiheiten in Hongkong unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz und die Menschenrechtssituation in Tibet beklagten die Unterzeichner.
Die Vorsitzende der EU-Delegation bei der UN, Lotte Knudsen, forderte China im UN-Menschenrechtsausschuss im Namen der EU ebenfalls auf, die Menschenrechte “insbesondere in Xinjiang und Tibet” zu achten und Zugang nach Xinjiang zu gewähren. Am Montag hatte Bachelet Zugang zu China und insbesondere die Region Xinjiang gefordert (China.Table berichtete). nib
Seit den Protesten gegen das “Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen” zwischen Hongkong und Festland-China im Sommer 2019 haben 470 Hongkonger Asyl in sechs westlichen Staaten gestellt, wie aus einer Recherche der South China Morning Post hervorgeht. Der Großteil der Anträge entfällt auf Australien (305) und Großbritannien (121). In Deutschland haben im vergangenen Jahr laut Angaben der Bundesregierung drei Hongkonger einen Asylantrag gestellt. Zwei Anträge wurden gewährt und einer abgelehnt. Steve Tsang, Direktor des China-Instituts an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London sagte der SCMP, die Tatsache, dass diese Länder so viele Anträge bearbeiten, spiegelt eine bedeutende Veränderung in der Wahrnehmung der Menschenrechtssituation in Hongkong durch führende westliche Demokratien wider. Allerdings sind die Asylanträge mit langwierigen bürokratischen Hürden verbunden. Von den 100 Hongkongern, die in den letzten zwei Jahren in Großbritannien Asyl beantragt haben, waren bisher nur drei erfolgreich. Sieben wurden abgelehnt und 20 zogen ihre Anträge zurück. Der Rest warte noch immer, berichtet die SCMP. nib
China und die Republik Kongo haben sich auf eine Umschuldung der Verbindlichkeiten des zentralafrikanischen Staates geeinigt, wie Nikkei Asia berichtet. Präsident Xi Jinping hat seinem Kollegen Denis Sassou Nguesso am Montag telefonisch auf einen weiteren Aufschub der Schuldenrückzahlung gewährt. Die Republik Kongo ist mit 2,4 Milliarden US-Dollar bei chinesischen Gläubigern verschuldet. Die Einigung mit China würde auch blockierte Kredite des IWF freigeben, so der Finanzminister der Republik Kongo, Rigobert Roger Andely. Der IWF hatte die Freigabe von 449 Millionen US-Dollar an die Sicherstellung der langfristigen Tragfähigkeit der Schulden der Republik Kongo geknüpft.
Ob die Schuldenerleichterung jedoch positive Effekte zeitigen wird, bleibt abzuwarten. Die Republik Kongo sieht sich derzeit zwei Investorenklagen von Bergbaukonzernen in Höhe von insgesamt mehr als 35 Milliarden US-Dollar ausgesetzt. Der Staat hatte drei australischen Bergbaukonzernen die Abbaulizenzen entzogen, da die Unternehmen laut Staatsangaben ihren Verpflichtungen zur Entwicklung der Eisenerzvorkommen nicht nachkamen. Die Lizenzen wurden dem Unternehmen Sangha Mining Development Sasu übertragen. Es wird von chinesischen Investitionen gestützten. Das Bergbauprojekt in der Republik Kongo ist die weltweit erste Minenprojekt Sanghas. nib
Ein Agent der US-Bundespolizei FBI musste vor Gericht zugeben, gelogen zu haben, um einen chinesischstämmigen Wissenschaftler zu verleumden. Im Verfahren gegen den Materialwissenschaftler Hu Anming, einen kanadischen Staatsbürger, offenbarte FBI-Ermittler Kujtim Sadiku eine erstaunliche Vorgehensweise. Nach einer Google-Suche sei er zu dem Schluss gekommen, dass Hu in chinesischen Diensten stehe. Daraufhin habe er die University of Tennessee informiert, Hu arbeite für das chinesische Militär. Er ließ den Professor und seinen Sohn überwachen und ordnete gar die Sicherstellung seines Computers an. In den kommenden Tagen wird entweder ein Richter oder eine Jury über die Anklage gegen Hu entscheiden.
Hu wird vorgeworfen, China-Kontakte geheim gehalten zu haben. Das Gerichtsverfahren geht auf ein Gesetz aus der Ära Donald Trump zurück. Dieses stellt es unter Strafe, in den USA Fördergeld für Forschung anzunehmen, wenn der Antragsteller parallel Verbindungen zu thematisch verwandten Projekten in China hat. Die besondere Aufmerksamkeit des FBI gilt hier dem “Tausend-Talente-Programm”, das die chinesische Regierung seit 2008 betreibt. Es gilt Kritikern als Instrument, um Wissen aus dem Westen abzusaugen. Trump wollte mit seinem Gesetz verhindern, dass US-Forschungsleistung nahtlos der chinesischen Konkurrenz zugutekommt.
Das FBI konnte jedoch im Verfahren gegen Hu augenscheinlich keinen Beleg dafür erbringen, dass dieser nennenswerte China-Kontakte unterhielt, die er der Universität nicht offengelegt hatte. Die Hochschule konnte wiederum nicht klar sagen, in welcher Form dieser die angeblichen Kontakte hätte melden sollen. Ein brisantes Detail: FBI-Mann Sadiku gab örtlichen Medien zufolge zu, Druck auf Hu ausgeübt zu haben, um ihn umgekehrt als Spion für die USA anzuwerben.
Die Welle von Anklagen gegen Forscher in den USA hat zum Teil auch Erfolg. Andere Wissenschaftler wurden bereits überführt: Sie hatten parallel chinesische Forschungsmittel erhalten, ohne dies rechtzeitig anzugeben. Seit das FBI die Häuser von international vernetzten Professoren stürmt, als seien sie Terroristen, setzt sich jedoch eine andere Lesart durch: Die Trump-Gesetze haben zu einem antichinesischen Klima beigetragen. Die entfesselten Polizisten stürzen sich zu oft auf die Falschen. Es ist schließlich in der Welt der Wissenschaft völlig üblich, Verbindungen zu mehreren Institutionen aufrechtzuerhalten. fin
Beim Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) hat sich Katharina Dröge klar positioniert. Die 36-Jährige ist wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Bundesregierung spreche sich zu wenig mit ihren europäischen Partner ab, wenn es um die Handelspolitik mit China geht: “Das Abkommen war wieder einmal ein Beispiel dafür, dass Deutschland vorangeht, mit Frankreich Rücksprache hält und den Rest von Europa vor vollendete Tatsachen stellt.” Dabei sei der Kanzlerin der Abschluss des Abkommens zum Ende der Ratspräsidentschaft wichtiger als die Menschenrechtslage in China. Ihrer Meinung nach sollte die EU die Einfuhr von Produkten, die durch Zwangsarbeit entstanden sind, grundsätzlich verbieten. “Die Beweispflicht müsste umgekehrt werden. Chinesische Unternehmen müssten transparent machen, wie ihre Produkte hergestellt werden, wenn sie nach Deutschland oder die EU exportieren wollen”, sagt Dröge.
Dieser Wunsch nach einer gerechteren Globalisierung hat die gebürtige Westfälin überhaupt erst in die Politik gebracht. Seit 2000 ist Katharina Dröge Mitglied bei den Grünen, davor hatte sie eine Grüne Jugendgruppe in ihrem Heimatdorf gegründet. Mit 16 Jahren wurde Dröge bereits Landesvorsitzende der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen, seit 2013 sitzt sie im Bundestag. “Das Thema China hat in den letzten Jahren im Bundestag natürlich eindeutig an Wichtigkeit zugenommen”, sagt Dröge. Persönlich war sie noch nicht in der Volksrepublik, doch durch die Arbeit im Wirtschaftsausschuss weiß sie, wie schwierig die Kommunikation mit der chinesischen Führung sein kann. “Gerade beim Thema Menschenrechte habe ich gemerkt, wie scharf die chinesische Regierung reagieren kann”, sagt Katharina Dröge. Das gelte allerdings nicht für alle Themen: “Beim Klimaschutz sind die Chinesen zu Verhandlungen bereit und hören sich Kritik genau an”.
Die Grünen wollen gerne stärker mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden zusammenarbeiten, der an der Wiederbelebung der unter seinem Vorgänger beschädigten transatlantischen Beziehungen arbeitet. Dafür benötige es aber eine geeinte Europäischen Union. “Dass diese aber, wenn es um das Thema China geht, keine gemeinsame Stimme findet, ist ja ein Stück weit ein hausgemachtes Problem”, sagt Katharina Dröge. “Der Kern des Problems liegt in den Folgen der Finanzkrise in der die Kanzlerin Merkel Staaten wie Italien und Griechenland ihre strikte Sparpolitik aufgezwungen hat.” Wenn jetzt chinesische Investoren mit Geld auftauchen, falle es ihnen schwer, Nein zu sagen.
Einige Staaten haben sich dadurch zu einem gewissen Grad in eine Abhängigkeit von China begeben, meint Dröge. Aber auch auf nationalstaatlicher Ebene gebe es das Problem, dass es Deutschland nicht schaffe, mit einer Stimme zu sprechen. Dies zeigte sich zuletzt auch beim Ausbau des 5G-Netzes. “China zeigt ja, dass es in der Lage ist, aggressiver zu spielen. Da war die Kanzlerin in der Vergangenheit zu nachgiebig. Dabei könnte eine klare Ansage sicherlich für mehr Respekt auf der Gegenseite sorgen.” David Renke
Pekings US-Botschafter Cui Tiankai kehrt nach acht Jahren in Washington zurück nach China. Er gilt als moderate Stimme und ist nicht dem Lager der “Wolfskrieger” zuzuordnen. Seine Amtszeit war außergewöhnlich lang. Mit 68 Jahren hat er das traditionelle Rentenalter weit überschritten.
Es wird erwartet, dass der Vize-Außenminister Qin Gang, 55, auf Cui nachfolgt. Bisher war er für europäische Angelegenheiten verantwortlich und hat wenig Erfahrung in den Beziehungen zwischen den USA und China. Bisher ist die Nachfolge jedoch nicht bestätigt.
Als neuer Botschafter in Großbritannien wurde kürzlich Zheng Zeguang vorgestellt. Auch er ist ein ehemaliger Vize-Außenminister Pekings. Zheng löst Liu Xiaoming ab.
Das Geflirre in der Luft sieht unwirklich aus, mehr wie ein Videofehler als ein reales Objekt. Der Künstler Ai Weiwei hat seine Installation “Forever Bicycle” für eine Ausstellung in Lissabon wieder neu aufgelegt. Ursprünglich 2011 für ein Event in Taipeh geschaffen, war sie – in immer neuen Variationen – schon in mehreren Städten zu sehen. Jetzt ist sie der Blickfang vor der Ausstellungsstätte Cordoaria Nacional. Dort findet bis 28. November die bisher größte Ai-Ausstellung statt. Der Künstler bedankt sich damit auch bei seiner neuen Heimat Portugal. Er war dort im Frühjahr in die Kleinstadt Montemor-o-Novo gezogen, nachdem er erst von Berlin und dann von Cambridge genervt war. Der Ort ist vor allem für die Produktion von Korken bekannt. Wie lange hält es der rastlose Geist dort wohl aus?
China spielt bei der Europameisterschaft prominent mit – zumindest auf der Bandenwerbung und als offizieller Partner der ausrichtenden UEFA. Christiane Kühl hat nicht nur bei den vier Toren der deutschen Mannschaft gegen Portugal genau hingeschaut, sondern nimmt auch die sogenannte “Sponsoring Soft Power” unter die Lupe. Chinesische Unternehmen nutzen die EM geschickt als Plattform, um sich international den Fans zu präsentieren – inklusive eines kölschen Werbebotschafters.
So eng die Wirtschaftswelt hier schon verflochten ist, so fragil erscheint derzeit die globale Logistik. Erst im März blockierte ein Schiff sechs Tage lang das Nadelöhr Sueskanal. Auf Satellitenbildern konnten wir den quergestellten Koloss und die sich am Nord- und Südende des Kanals stauenden Schiffe beobachten. Finn Mayer-Kuckuk analysiert nun die Auswirkungen von Corona-Infektionen unter Arbeitern des südchinesischen Hafens Yantian bei Shenzhen auf die Warenströme, und wieder bieten Satellitenbilder wichtige Anhaltspunkte. Es stauen sich erneut Container-Riesen, Frachtraten steigen, Güter verspäten sich, Lieferketten sind unterbrochen. Die globale Logistik ist auf Kante genäht.
Eine andere Brücke zwischen Ost und West zahlt derweil einen hohen Preis für ihre Entschlossenheit, in beiden Welten vertreten zu sein. Nutzer auf LinkedIn werden unsichtbar, wenn sie China-kritische Inhalte in ihre Profile aufnehmen, berichtet Marcel Grzanna. Die Profile zweier Nutzer werden sich zukünftig von China aus nicht mehr abrufen lassen, teilte ihnen die Plattform mit. LinkedIn reagiert damit auf Zensuranforderungen der chinesischen Regierung. Es ist nicht das erste Unternehmen, das sich den Wünschen der KP Chinas beugt. Ihr Arm reicht heute weit.
Als Kai Havertz den Ball aus kurzer Distanz zum 3:1 gegen Portugal ins Tor lenkt, leuchtete auf den Werbebanden in der Münchner Allianz-Arena weiß der Name “Vivo” auf knallblauem Grund. Beim 4:1 für Deutschland durch Robin Gosens ist die Bande dunkelgrau mit weißem Tiktok-Schriftzug. Beim Lattenknaller des Portugiesen Renato Sanches kurz vor Schluss dann flimmern chinesische Schriftzeichen über die Bande: 支付宝 – international bekannt als Alipay, die Bezahlplattform des Onlinehändlers Alibaba.
Chinesische Firmen sind bei der Euro 2020 (der Name ist trotz der coronabedingten Verschiebung auf 2021 gleich geblieben) präsent wie nie bei einer Fußball-Europameisterschaft. Alipay und der TV-Hersteller Hisense sind neben VW, Gazprom, Booking.com und Fedex offizielle Partner aller Uefa-Länderspiele. Beide bleiben an Bord bis nach der Europameisterschaft 2024. Die chinesische Marke Vivo ist offizieller Smartphone-Partner der beiden Turniere 2020 und 2024. Als Turniersponsoren treten auf den Werbebanden neben der Kurzvideo-App Tiktok auch Alibabas Blockchain-Tochter Antchain sowie die auf die Abwicklung internationaler Zahlungen spezialisierte Plattform World First auf. Gegründet 2004 in Australien, gehört sie seit 2019 ebenfalls zu Alibaba.
Experten zufolge kommt die chinesische Wirtschaft dadurch auch einfach dort an, wo sie mit ihrer Exportmacht inzwischen hingehört. “Durch diese Sponsorings werden die Firmen weltweit sichtbar und Teil eines globalen Austauschs, an dem ihr Land früher nicht teilgenommen hat“, sagt Simon Chadwick vom Centre for the Eurasian Sport Industry mit Sitz in Paris, Shanghai und anderen Städten. “Dieser Austausch hat unmittelbare positive Auswirkungen, da es dazu führt, dass die Menschen sich mit dem Land selbst und seinen Unternehmen befassen.” Chadwick nennt dies “Sponsoring-Soft Power”. China soll nach dem Willen der Regierung möglichst bald eine Größe im internationalen Fußball werden. Der große Traum ist die Ausrichtung einer Weltmeisterschaft. “Doch natürlich sind diese Firmen auch zunehmend global aufgestellt und zielen auf Kunden weltweit ab, vor allem Vivo und Hisense”, so Chadwick zu China.Table.
Hisense war 2016 China-Pionier bei einer Europameisterschaft. Doch schon 2010 trat bei der für China noch interessanteren Weltmeisterschaft in Südafrika mit Yingli Solar erstmals ein chinesisches Unternehmen als Sponsorpartner der Fifa auf. Auch 2014 war Yingli Solar Werbepartner der WM in Brasilien – wo die Fotovoltaikzellen des Unternehmens beim Finale den Strom lieferten. Bei der WM 2018 in Russland war Yingli nicht mehr dabei, dafür aber Hisense, Vivo, der in China auch als Clubsponsor auftretende Konzern Wanda, sowie das Milchunternehmen Mengniu.
Doch nun ist auch die Sichtbarkeit bei der Euro den Firmen offenbar einiges wert. Alipay unterschrieb bereits 2018 einen Achtjahresvertrag mit der Uefa. Nach verschiedenen Berichten zahlte der Konzern dafür rund 200 Millionen Euro. Über die Summen der anderen ist nichts bekannt, doch laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin sind Firmen aus China die größte Quelle für Sponsoren-Einnahmen des diesjährigen Turniers.
Neben der globalen Bühne aber präsentieren sich die Firmen auch den chinesischen Fans zuhause, von denen viele sich die Spiele trotz der ungünstigen Uhrzeiten anschauen – Anpfiff ist meist mitten in der Pekinger Nacht. Ganze 424 Millionen Chinesen hingen nach Marktforschungsdaten während der Euro 2016 an den Fernsehern.
Lohnen kann sich das Sponsoring durchaus, wie das Beispiel Hisense zeigt. Das Unternehmen wirbt bei der Euro 2020 mit einer maßgeschneiderten Fernseher-Produktreihe namens U7, die es eigens für das Turnier entwickelte, inklusive Fan-Gimmicks wie einem intelligenten Viewing-Modus mit verschiedenen Perspektiven und farblich optimiertem Fußballrasen. Im Rahmen des Sponsorings machte Hisense auf Millionen Geräten zudem die uefa.tv-App mit video-on-demand-Funktionen kostenlos zugänglich. Das zieht offenbar: Drei verschiedene Modelle der U7-Serie seien in den letzten zwei Monaten unter den zehn meistverkauften neuen Fernsehern in China gewesen, teilte Hisense kurz nach Turnierstart mit. Auf seiner Deutschland-Website wirbt Hisense derweil mit dem populären Fußballstar Lukas Podolski aus der deutschen Weltmeister-Elf von 2014. Neben Fernsehern wie dem U7 verkauft die Marke hierzulande auch Kühlgeräte und Waschmaschinen.
Vivo ist gerade erst dabei, seine Smartphones in Europa auszurollen. Da ist das Timing also ideal: Das vivo X60 Pro ist offizielles Smartphone des laufenden Turniers. Erst im Oktober 2020 – also nach der coronabedingten Verschiebung – hatte Vivo einen Vierjahresvertrag als offizieller Partner für die Europameisterschaften 2020 und 2024 unterschrieben. Im Februar 2021 ging es in Rumänien und Tschechien an den Start. In Deutschland ist die 5G-Version des Euro-Handys X60 Pro mit einer Zeiss-Kamera seit Anfang Juni ab 800 Euro zu bekommen. Vivo gehört zum weltgrößten Smartphone-Hersteller BKK Electronics, der auch die Marke Oppo vertreibt – und hat global bereits rund zehn Prozent Marktanteil (China.Table berichtete).
Die Dienste von Uefa-Partner Alipay allerdings sind bisher nur in China verfügbar. So bietet Alipay chinesischen Fans laut Uefa auf seiner App einen sogenannten Lifestyle-Account als Content-Hub für europäische Länderspiele an. Außerdem gibt es ein Miniprogramm, mit dem Chinesen bequem Tickets beantragen können – eine Funktion, die wegen der Corona-Pandemie notgedrungen erstmal hinfällig ist. Die Alibaba-Tochter Antchain stieg kurzfristig ein und ist seit Mai 2021 nun für fünf Jahre offizieller Blockchain-Partner der Uefa. Blockchains sind sichere, dezentral angelegte Datenverzeichnisse, die auf nachvollziehbare Weise immer aktuell gehalten und von vielen Teilnehmern gemeinsam genutzt werden. Bei der Euro 2020 speichere Antchain unter anderem die Torschützenliste dauerhaft ab – und sponsere die Trophäe für den Torschützenkönig, so die Uefa.
Ebenfalls Euro-Spätzünder sind Tiktok und dessen chinesische Version Douyin des Internet-Konzerns Bytedance. Tiktok unterschrieb im Februar, Douyin im Mai 2021. Beide wollen sich mithilfe des Sponsorings laut Caixin als Plattformen für Fußballfans etablieren – getrennt nach den jeweiligen Märkten. Nur Tiktok ist öffentlich bei Fernsehübertragungen sichtbar. Douyin hat dafür für die chinesischen Nutzer exklusive Augmented-Reality-Effekte und Hashtag-Challenges in der App für die Euro 2020 entwickelt. Die Uefa eröffnete zudem einen Douyin-Account.
Die Euro ist derzeit übrigens nicht das einzige Spielfeld. Bei der zeitgleich stattfindenden Südamerika-Meisterschaft Copa America seien drei von vier Hauptsponsoren aus China, sagt Chadwick. Die anderen haben sich aus Protest zurückgezogen, da das Turnier in der Corona-Hochburg Brasilien stattfindet. Wichtig sei zudem die alle zwei Jahre ausgetragene Afrika-Meisterschaft, so Chadwick: “China möchte die Voraussetzungen schaffen für eine Ausrichtung der Weltmeisterschaft.” Dafür braucht es Kontakte und gute Beziehungen in aller Welt.
Die Container-Berge sind sogar vom Weltraum aus sichtbar. Satellitenbilder zeigen auf der Pier des südchinesischen Hafens Yantian einen lückenlosen, hochgestapelten Teppich der überwiegend rötlichen Boxen. Besorgniserregend ist aber vor allem die geringe Zahl der Schiffe, die an den Kränen angelegt haben. Normalerweise liegen hier zwölf der Frachtriesen gleichzeitig und werden be- und entladen. Derzeit sind es nur zwei. Grund des Staus: Corona-Ausbrüche unter Hafenarbeitern, die in Isolation mussten.
Die Welt der Logistik hatte gehofft, dass sich die Störungen in den Lieferketten durch Corona bis jetzt, zum Sommer, wieder auflösen. Stattdessen folgt nun der nächste Akt in dem Drama um feststeckende Fracht. “Der Rückstau in Yantian wird erhebliche Auswirkungen auf die Container-Warenflüsse haben”, sagt Peter Tirschwell, Analyst für Seehandel bei dem Forschungshaus IHS Markit. “Die Auswirkungen werden mehrere Wochen anhalten.”
Einerseits wird der Transport von Gütern teuer bleiben oder sogar noch teurer werden, sagt Tischwell dem China.Table. Andererseits könnte es, wie vor Weihnachten, zu Engpässen bei der Nachlieferung von Industriewaren kommen, die sich bis zum Jahresende hinziehen. Zugleich zeigt die neue Störung, wie anfällig die eng durchkalkulierten Lieferwege sind, von denen die globalisierte Wirtschaft abhängt.
In Yantian stecken derzeit rund 160.000 Container der 40-Fuß-Klasse fest. Der Hafen liegt nordöstlich von Hongkong und ist der drittproduktivste Containerknotenpunkt der Welt. Es handelt sich um den Hafen, über den die Waren aus dem Industriezentrum Shenzhen in die Welt verschifft werden. Auf die Stadt entfallen zehn Prozent der chinesischen Exporte. Das Chaos hier gilt daher bereits als schlimmer als das Debakel um die Ever Given, die im März sechs Tage den Sueskanal blockierte.
Die Probleme in Yantian haben mit positiven Corona-Tests bei Hafenarbeitern angefangen. Am 27. Mai gaben die Hafenbehörden bekannt, den Betrieb zum Teil einzustellen, um eine Isolation der Mitarbeiter sicherstellen zu können. Das lief noch als Randnotiz in einer Corona-geplagten Wirtschaftswelt. Die Erwartung lautete, dass innerhalb weniger Tage wieder alles rund laufe. Doch die Schließung zog sich hin, während sich landseitig die Waren stauten und seeseitig die Schiffe in Wartestellung vor Anker lagen.
Nun ist davon die Rede, dass Yantian erst Ende Juni in den Normalbetrieb zurückkehrt. Doch der Schaden für die weltweite Logistik ist bereits angerichtet. In dem Tanz der Ozeanriesen greift ein Teil ins andere; Computer platzieren Container wochenlang in der Zukunft auf Schiffe, die noch am anderen Ende der Welt im Hafen liegen.
Diese fein gesponnene Planung kann recht gut mit einzelnen Störungen umgehen, beispielsweise der Verspätung eines Frachters. Doch wenn massenhaft Schiffe ausfallen, gerät das System in eine Krise. Die Vorausberechnungen und Planungen stimmen immer weniger mit der Realität überein, und ein Container kann nicht einfach auf ein anderes Schiff gebucht werden, wenn dieses ebenfalls ausfällt.
Die Häfen in Südchina laufen zudem auf voller Kapazität und konnten die Last von Yantian nicht einfach abfangen. Die benachbarten Standorte Shekou, Nansha und Hongkong als die logischsten Ausweichplätze zeigen nun ebenfalls Anzeichen von Überlastung, die Umschlagzeiten dort werden ebenfalls länger. Auf den Meeren und Flüssen im ganzen Großraum des Perlflussdelta tummeln sich Schiffe in Warteposition.
Die Reaktion der Reeder: Sie müssen die Frachtraten erhöhen. Wenn Schiff und Container für den Transport von Asien in die Abnehmerländer in Europa und Amerika knapp werden, steigen entsprechend die Preise. Der Index FBX für globale Frachtraten ist von einem Niveau von 1.300 Dollar vor der Pandemie in diesem Jahr zunächst auf über 4.000 Dollar gestiegen. Seit Anfang Mai ist er über 6.000 Dollar hochgegangen. Analyst Tirschwell erwartet für die nahe Zukunft “historische Hochstände” bei den Frachtkosten. Da viele Waren aus Ostasien kommen, treibt das die Preise insgesamt in die Höhe. Der coronabedingte Inflationsdruck steigt dadurch weiter.
Die Containerschifffahrt erlebt sich seit Beginn der Corona-Krise eine Folge von Pleiten, Pech und Pannen. Im Frühjahr 2020 kamen die ersten Schocks, als Hafenarbeiter nicht an ihre Arbeitsplätze zurückkehrten. Die Folgen sind bis heute zu spüren (China.Table berichtete). Im März blieb ein Schiff im viel befahrenen Sueskanal stecken und erzeugte weitere Turbulenzen. Als sich diese Staus auflösten, entstanden neue Warteschlangen von Riesen-Schiffen an den Zielhäfen. Da sie dort wiederum nicht zügig ent- und beladen werden konnten, setzen sich die Störungen wellenartig fort.
Die Probleme der Schifffahrt führen zu weiterreichenden Diskussionen in der Industrie. Globale Lieferketten wirkten vernünftig und besonders kostengünstig, solange alles glattlief. Jetzt zeigen sich die Nachteile dieses Vorgehens. Es geht schließlich nicht nur um Endprodukte. Ein fehlendes Kleinteil aus Shenzhen kann die Herstellung von Produkten in Deutschland lahmlegen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo fragt bereits: “Sollten die Unternehmen angesichts der Coronakrise ihr Geschäftsmodell globaler Lieferketten neu überdenken und ihre Abhängigkeit von globalen Produktionsnetzwerken verringern?”
Ökonomen geben eine vorläufige Antwort: Die Unsicherheiten führen dazu, dass Unternehmen die Produktion in Fernost zumindest überdenken. “Verstärkt werden die Anreize zur Rückverlagerung der Produktion nach Deutschland und die reichen Industrieländer noch dadurch, dass die Verwendung von Robotern heute billiger ist als jemals zuvor”, schreiben die Professorin Dalia Marin von der Technischen Universität München und ihre Mitarbeiter. Sie macht einen Trend zum “Reshoring” aus, der das “Offshoring”, also die Verlagerung der Wirtschaftsaktivität nach Übersee, zumindest bremsen könnte. In Deutschland zeigen vor allem die Chemie, die Metall- und die Elektroindustrie die deutlichsten Tendenzen in diese Richtung.
Auch der Industrie-Verband BDI warnte bereits während der Verstopfung des Sueskanals vor weiteren Versorgungsengpässen. Derzeit seien allerdings keine Alternativen in Sicht, sagte Holger Lösch, stellvertretender BDI-Hauptgeschäftsführer. Das Ifo-Institut schlägt derweil eine marktwirtschaftliche Lösung zum Gegensteuern vor. Wenn künftig die Risiken im Frachtpreis besser widergespiegelt sind, dann lohnt sich automatisch für mehr Produkte die Herstellung im EU-Inland. Statt einer teuren “Deglobalisierung” können solche Mechanismen zu einer ausgewogeneren Globalisierung führen.
Der schwedische Autor und Fotograf Jojje Olsson staunte nicht schlecht über die persönliche Nachricht vom Online-Berufsnetzwerk LinkedIn in seinem digitalen Postfach. Der Anbieter teilte ihm mit, dass ein “verbotener Inhalt” in der Untersektion Bildung entdeckt wurde. Dies sei der Grund dafür, sein Profil in der Volksrepublik China fortan zu sperren.
Olsson hatte angegeben, dass er sich im Rahmen seines Studiums in einem Essay ausführlich mit dem “Tiananmen-Massaker” beschäftigt hatte. Die Reaktion von LinkedIn: “Ihr Profil, sonstige Aktivitäten wie Kommentare oder Inhalte, die sie mit ihrem Netzwerk teilen, werden in China nicht mehr sichtbar sein.” Der Auftritt in allen anderen Ländern sei davon aber unberührt. Man stelle es Olsson frei, ob er die nötigen Änderungen vornehmen wolle oder nicht.
Olsson zeigt sich empört. “Das ist absolut unglaublich”, twittert der Medienschaffende. Er entschied sich dazu, das Profil nicht zu ändern. In China bleibt er damit unsichtbar. Ein anderer Nutzer machte daraufhin einen Selbstversuch und ergänzte sein Profil um das Synonym für die tragischen Ereignisse auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989. “Es hat vier Tage gedauert”, meldete er sich schließlich zurück und veröffentlichte eine nahezu identische Nachricht von LinkedIn. Auch er müsse das Profil justieren, um wieder Teil des chinesischen Netzwerkes werden zu können.
Die Plattform stellt den Vorgang als Teil seiner üblichen Geschäftspraktiken dar. “Wir haben schon vor einer Weile anerkannt, dass das Angebot einer lokalisierten Version von LinkedIn in China wahrscheinlich zur Einhaltung von Zensuranforderungen der chinesischen Regierung auf Internetplattformen führen würde”, teilt LinkedIn auf Anfrage von China.Table mit. Zwar unterstütze man “nachdrücklich” die Meinungsfreiheit, aber “uns ist klar, dass wir die Beschränkungen der chinesischen Regierung bezüglich Inhalten, wenn nötig, im erforderlichen Umfang umsetzen müssen, um einen Mehrwert für unsere Mitglieder in China und weltweit zu schaffen.” LinkedIn glaubt also, keine Wahl zu haben, wenn es dort präsent bleiben will.
Es ist nicht das erste Mal, dass LinkedIn Einträge zum 4. Juni zensiert. Vor einigen Jahren machte das Netzwerk Inhalte unzugänglich, die sich mit dem Tiananmen-Massaker befassten. Wenn aber nicht einmal mehr der Inhalt einer wissenschaftlichen Arbeit beim Namen genannt werden darf, ist das Ausdruck für die Entschlossenheit Pekings, unangenehme Themen aus dem Diskurs zu verbannen. Wenn das Massaker schon thematisiert wird, dann am besten nicht da, wo chinesischer Staatsbürger:innen mitlesen können. Umgehen lässt sich die Zensur allerdings mit einem kleinen Trick, wie weitere Nutzer bestätigten. Beispielsweise müsse man nur nach jedem Buchstaben des Wortes Tiananmen einen Punkt setzen. Ob es weitere Schlüsselworte gibt, die den offenbar automatisierten Prozess der Zensur in Gang setzen, beantwortete LinkedIn nicht.
LinkedIns Zugeständnis ist aber auch ein Zeichen für die wachsende Bereitschaft der Anbieter, alles dafür zu tun, was ihnen entgegen ihrer propagierten demokratischen Überzeugung in China abverlangt wird. Facebook beispielsweise ist zwar in China gesperrt, aber Firmenchef Mark Zuckerberg hatte sich jahrelang regelrecht angebiedert und signalisiert, die Zensoren um jeden Preis zufrieden stellen zu wollen. Facebook hat es indessen immer noch nicht nach China geschafft. Das liegt in der Sorge der chinesischen Behörden begründet, dass die Plattform von Oppositionellen genutzt werden könne. Diese könnten dort die breite Masse zum Aufruhr anstiften.
Bei LinkedIn sieht die Zensurbehörde dieses Problem offenbar nicht in diesem Umfang. Die Zielgruppe ist eine völlig andere, und auch die Profile sind formeller. Privates und politischer Aktivismus halten sich im Vergleich zu Facebook oder dem ebenfalls gesperrten Kurznachrichtendienst Twitter in Grenzen. Viele Inhalte befassen sich dagegen mit wirtschaftlichen Hintergründen und Zusammenhängen sowie beruflichen Aktivitäten. Auch erkennt das Land durchaus Vorteile zur eigenen Wirtschaftsförderung. Die Suche nach qualifizierten Mitarbeitern und Talenten ist ein globaler Wettbewerb, in dem auch chinesische Unternehmen alle Mittel ausschöpfen, um nicht den Anschluss zu verlieren. LinkedIn, das sowohl im Westen als auch in China präsent ist, gilt als wichtiges Bindeglied zwischen beiden Welten (China.Table berichtete).
Seit 2014 ist das Berufsnetzwerk in China aktiv. Von weltweit 756 Millionen Nutzern sind 53 Millionen in der Volksrepublik registriert. Nach den USA (178 Millionen) und Indien (76 Millionen) ist China der drittgrößte Einzelmarkt von LinkedIn weitweit. In Europa zählt das Netzwerk 198 Millionen Konten, 16 Millionen davon im deutschsprachigen Raum.
Ein Gericht in Stockholm hat am Dienstag das Verbot gegen den Verkauf von 5G-Ausrüstung durch Huawei in Schweden bestätigt. Ein früheres, erstinstanzliches Urteil wurde damit bekräftigt. Eine schwedische Regulierungsbehörde hatte Huawei Ende vergangenen Jahres die Lieferung von 5G-Antennen an schwedische Mobilfunkunternehmen wegen Sicherheitsbedenken untersagt. Das Technologieunternehmen und sein ebenfalls chinesischer Wettbewerber ZTE wurden in der Vergangenheit von immer mehr Staaten vom Auf- und Ausbau ihrer 5G-Netze ausgeschlossen (China.Table berichtete). nib
Mehr als 40 Staaten haben China am Dienstag dazu aufgerufen, die Vorwürfe von Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang unabhängig aufklären zu lassen (mehr im China.Table). Sie fordern, dem UN-Menschenrechtsbeauftragten, Michelle Bachelet Zugang zu der Region zu gewähren. Diese könne sich dann vor Ort ein Bild über die Lage machen. China wird vorgeworfen, circa einer Million Uiguren und Mitglieder anderer Minderheiten zu Unrecht inhaftiert zu haben.
Unter den 40 Staaten befinden sich Deutschland, die USA, Großbritannien, Frankreich, Australien und Japan. Sie äußerten die Forderung in einer gemeinsamen Erklärung während der Sitzung des UN-Menschenrechtsrats. Bis auf Griechenland, Malta, Zypern und Ungar schlossen sich alle EU-Staaten der Erklärung an. “Es gibt auch Berichte über Folter und Zwangssterilisation, sexuelle und geschlechtsspezifische Gewalt und die erzwungene Trennung von Kindern von ihren Eltern”, so die Erklärung. Auch die Verschlechterung der Grundfreiheiten in Hongkong unter dem Nationalen Sicherheitsgesetz und die Menschenrechtssituation in Tibet beklagten die Unterzeichner.
Die Vorsitzende der EU-Delegation bei der UN, Lotte Knudsen, forderte China im UN-Menschenrechtsausschuss im Namen der EU ebenfalls auf, die Menschenrechte “insbesondere in Xinjiang und Tibet” zu achten und Zugang nach Xinjiang zu gewähren. Am Montag hatte Bachelet Zugang zu China und insbesondere die Region Xinjiang gefordert (China.Table berichtete). nib
Seit den Protesten gegen das “Gesetz über flüchtige Straftäter und Rechtshilfe in Strafsachen” zwischen Hongkong und Festland-China im Sommer 2019 haben 470 Hongkonger Asyl in sechs westlichen Staaten gestellt, wie aus einer Recherche der South China Morning Post hervorgeht. Der Großteil der Anträge entfällt auf Australien (305) und Großbritannien (121). In Deutschland haben im vergangenen Jahr laut Angaben der Bundesregierung drei Hongkonger einen Asylantrag gestellt. Zwei Anträge wurden gewährt und einer abgelehnt. Steve Tsang, Direktor des China-Instituts an der School of Oriental and African Studies (SOAS) in London sagte der SCMP, die Tatsache, dass diese Länder so viele Anträge bearbeiten, spiegelt eine bedeutende Veränderung in der Wahrnehmung der Menschenrechtssituation in Hongkong durch führende westliche Demokratien wider. Allerdings sind die Asylanträge mit langwierigen bürokratischen Hürden verbunden. Von den 100 Hongkongern, die in den letzten zwei Jahren in Großbritannien Asyl beantragt haben, waren bisher nur drei erfolgreich. Sieben wurden abgelehnt und 20 zogen ihre Anträge zurück. Der Rest warte noch immer, berichtet die SCMP. nib
China und die Republik Kongo haben sich auf eine Umschuldung der Verbindlichkeiten des zentralafrikanischen Staates geeinigt, wie Nikkei Asia berichtet. Präsident Xi Jinping hat seinem Kollegen Denis Sassou Nguesso am Montag telefonisch auf einen weiteren Aufschub der Schuldenrückzahlung gewährt. Die Republik Kongo ist mit 2,4 Milliarden US-Dollar bei chinesischen Gläubigern verschuldet. Die Einigung mit China würde auch blockierte Kredite des IWF freigeben, so der Finanzminister der Republik Kongo, Rigobert Roger Andely. Der IWF hatte die Freigabe von 449 Millionen US-Dollar an die Sicherstellung der langfristigen Tragfähigkeit der Schulden der Republik Kongo geknüpft.
Ob die Schuldenerleichterung jedoch positive Effekte zeitigen wird, bleibt abzuwarten. Die Republik Kongo sieht sich derzeit zwei Investorenklagen von Bergbaukonzernen in Höhe von insgesamt mehr als 35 Milliarden US-Dollar ausgesetzt. Der Staat hatte drei australischen Bergbaukonzernen die Abbaulizenzen entzogen, da die Unternehmen laut Staatsangaben ihren Verpflichtungen zur Entwicklung der Eisenerzvorkommen nicht nachkamen. Die Lizenzen wurden dem Unternehmen Sangha Mining Development Sasu übertragen. Es wird von chinesischen Investitionen gestützten. Das Bergbauprojekt in der Republik Kongo ist die weltweit erste Minenprojekt Sanghas. nib
Ein Agent der US-Bundespolizei FBI musste vor Gericht zugeben, gelogen zu haben, um einen chinesischstämmigen Wissenschaftler zu verleumden. Im Verfahren gegen den Materialwissenschaftler Hu Anming, einen kanadischen Staatsbürger, offenbarte FBI-Ermittler Kujtim Sadiku eine erstaunliche Vorgehensweise. Nach einer Google-Suche sei er zu dem Schluss gekommen, dass Hu in chinesischen Diensten stehe. Daraufhin habe er die University of Tennessee informiert, Hu arbeite für das chinesische Militär. Er ließ den Professor und seinen Sohn überwachen und ordnete gar die Sicherstellung seines Computers an. In den kommenden Tagen wird entweder ein Richter oder eine Jury über die Anklage gegen Hu entscheiden.
Hu wird vorgeworfen, China-Kontakte geheim gehalten zu haben. Das Gerichtsverfahren geht auf ein Gesetz aus der Ära Donald Trump zurück. Dieses stellt es unter Strafe, in den USA Fördergeld für Forschung anzunehmen, wenn der Antragsteller parallel Verbindungen zu thematisch verwandten Projekten in China hat. Die besondere Aufmerksamkeit des FBI gilt hier dem “Tausend-Talente-Programm”, das die chinesische Regierung seit 2008 betreibt. Es gilt Kritikern als Instrument, um Wissen aus dem Westen abzusaugen. Trump wollte mit seinem Gesetz verhindern, dass US-Forschungsleistung nahtlos der chinesischen Konkurrenz zugutekommt.
Das FBI konnte jedoch im Verfahren gegen Hu augenscheinlich keinen Beleg dafür erbringen, dass dieser nennenswerte China-Kontakte unterhielt, die er der Universität nicht offengelegt hatte. Die Hochschule konnte wiederum nicht klar sagen, in welcher Form dieser die angeblichen Kontakte hätte melden sollen. Ein brisantes Detail: FBI-Mann Sadiku gab örtlichen Medien zufolge zu, Druck auf Hu ausgeübt zu haben, um ihn umgekehrt als Spion für die USA anzuwerben.
Die Welle von Anklagen gegen Forscher in den USA hat zum Teil auch Erfolg. Andere Wissenschaftler wurden bereits überführt: Sie hatten parallel chinesische Forschungsmittel erhalten, ohne dies rechtzeitig anzugeben. Seit das FBI die Häuser von international vernetzten Professoren stürmt, als seien sie Terroristen, setzt sich jedoch eine andere Lesart durch: Die Trump-Gesetze haben zu einem antichinesischen Klima beigetragen. Die entfesselten Polizisten stürzen sich zu oft auf die Falschen. Es ist schließlich in der Welt der Wissenschaft völlig üblich, Verbindungen zu mehreren Institutionen aufrechtzuerhalten. fin
Beim Investitionsabkommen zwischen der EU und China (CAI) hat sich Katharina Dröge klar positioniert. Die 36-Jährige ist wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Bundesregierung spreche sich zu wenig mit ihren europäischen Partner ab, wenn es um die Handelspolitik mit China geht: “Das Abkommen war wieder einmal ein Beispiel dafür, dass Deutschland vorangeht, mit Frankreich Rücksprache hält und den Rest von Europa vor vollendete Tatsachen stellt.” Dabei sei der Kanzlerin der Abschluss des Abkommens zum Ende der Ratspräsidentschaft wichtiger als die Menschenrechtslage in China. Ihrer Meinung nach sollte die EU die Einfuhr von Produkten, die durch Zwangsarbeit entstanden sind, grundsätzlich verbieten. “Die Beweispflicht müsste umgekehrt werden. Chinesische Unternehmen müssten transparent machen, wie ihre Produkte hergestellt werden, wenn sie nach Deutschland oder die EU exportieren wollen”, sagt Dröge.
Dieser Wunsch nach einer gerechteren Globalisierung hat die gebürtige Westfälin überhaupt erst in die Politik gebracht. Seit 2000 ist Katharina Dröge Mitglied bei den Grünen, davor hatte sie eine Grüne Jugendgruppe in ihrem Heimatdorf gegründet. Mit 16 Jahren wurde Dröge bereits Landesvorsitzende der Grünen Jugend in Nordrhein-Westfalen, seit 2013 sitzt sie im Bundestag. “Das Thema China hat in den letzten Jahren im Bundestag natürlich eindeutig an Wichtigkeit zugenommen”, sagt Dröge. Persönlich war sie noch nicht in der Volksrepublik, doch durch die Arbeit im Wirtschaftsausschuss weiß sie, wie schwierig die Kommunikation mit der chinesischen Führung sein kann. “Gerade beim Thema Menschenrechte habe ich gemerkt, wie scharf die chinesische Regierung reagieren kann”, sagt Katharina Dröge. Das gelte allerdings nicht für alle Themen: “Beim Klimaschutz sind die Chinesen zu Verhandlungen bereit und hören sich Kritik genau an”.
Die Grünen wollen gerne stärker mit dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden zusammenarbeiten, der an der Wiederbelebung der unter seinem Vorgänger beschädigten transatlantischen Beziehungen arbeitet. Dafür benötige es aber eine geeinte Europäischen Union. “Dass diese aber, wenn es um das Thema China geht, keine gemeinsame Stimme findet, ist ja ein Stück weit ein hausgemachtes Problem”, sagt Katharina Dröge. “Der Kern des Problems liegt in den Folgen der Finanzkrise in der die Kanzlerin Merkel Staaten wie Italien und Griechenland ihre strikte Sparpolitik aufgezwungen hat.” Wenn jetzt chinesische Investoren mit Geld auftauchen, falle es ihnen schwer, Nein zu sagen.
Einige Staaten haben sich dadurch zu einem gewissen Grad in eine Abhängigkeit von China begeben, meint Dröge. Aber auch auf nationalstaatlicher Ebene gebe es das Problem, dass es Deutschland nicht schaffe, mit einer Stimme zu sprechen. Dies zeigte sich zuletzt auch beim Ausbau des 5G-Netzes. “China zeigt ja, dass es in der Lage ist, aggressiver zu spielen. Da war die Kanzlerin in der Vergangenheit zu nachgiebig. Dabei könnte eine klare Ansage sicherlich für mehr Respekt auf der Gegenseite sorgen.” David Renke
Pekings US-Botschafter Cui Tiankai kehrt nach acht Jahren in Washington zurück nach China. Er gilt als moderate Stimme und ist nicht dem Lager der “Wolfskrieger” zuzuordnen. Seine Amtszeit war außergewöhnlich lang. Mit 68 Jahren hat er das traditionelle Rentenalter weit überschritten.
Es wird erwartet, dass der Vize-Außenminister Qin Gang, 55, auf Cui nachfolgt. Bisher war er für europäische Angelegenheiten verantwortlich und hat wenig Erfahrung in den Beziehungen zwischen den USA und China. Bisher ist die Nachfolge jedoch nicht bestätigt.
Als neuer Botschafter in Großbritannien wurde kürzlich Zheng Zeguang vorgestellt. Auch er ist ein ehemaliger Vize-Außenminister Pekings. Zheng löst Liu Xiaoming ab.
Das Geflirre in der Luft sieht unwirklich aus, mehr wie ein Videofehler als ein reales Objekt. Der Künstler Ai Weiwei hat seine Installation “Forever Bicycle” für eine Ausstellung in Lissabon wieder neu aufgelegt. Ursprünglich 2011 für ein Event in Taipeh geschaffen, war sie – in immer neuen Variationen – schon in mehreren Städten zu sehen. Jetzt ist sie der Blickfang vor der Ausstellungsstätte Cordoaria Nacional. Dort findet bis 28. November die bisher größte Ai-Ausstellung statt. Der Künstler bedankt sich damit auch bei seiner neuen Heimat Portugal. Er war dort im Frühjahr in die Kleinstadt Montemor-o-Novo gezogen, nachdem er erst von Berlin und dann von Cambridge genervt war. Der Ort ist vor allem für die Produktion von Korken bekannt. Wie lange hält es der rastlose Geist dort wohl aus?