Klaus Mühlhahn ist einer der angesehensten Sinologen in Deutschland. Er unterrichtet normalerweise an der FU Berlin, leitet aber derzeit für fünf Jahre die private Zeppelin Universität am Bodensee. Im China.Table erklärt Mühlhahn, warum eine Kommunistische Partei, die fest im Sattel zu sitzen scheint, trotzdem nervös und kleinlich handelt. Der Grund liegt in ihrer Geschichte: Die Spannungen in der Partei und in der Gesellschaft sind nur übertüncht, aber nicht bewältigt. Auch Xi Jinpings Stellung ist nicht so unangreifbar, wie die Propaganda es darstellt. Das Interview von Michael Radunski ist Teil unserer Serie zum hundertsten Gründungstag der Partei.
“Chinesischer Wein“, diese Wortkombination klingt noch ungewohnt. Zwar entwickeln engagierte Winzer schon seit den 1980er-Jahren die Böden und Reben. Doch jetzt erst bringen sie richtig gute Tropfen hervor, die international Preise gewinnen. Frank Sieren gibt uns Tipps, auf welche Lagen wir achten sollten. Die Entwicklung hat jedoch auch eine weiterreichende Bedeutung. Wein ist für Europa ein wichtiges Exportgut. Und je mehr die chinesischen Winzer selber keltern, desto weniger muss der Handel aus dem Ausland beziehen.
Einen guten Start in die Woche wünscht
100 Jahre Kommunistische Partei China. Wie fällt ihre Bilanz zu diesem runden Jahrestag aus?
Die KP Chinas ist in ihren 100 Jahren zur mächtigsten und effizientesten politischen Organisation der Welt geworden – und das war so nicht zu erwarten. Erst nach vielen Jahrzehnten erbittertem Kampf errang die Partei den Sieg. Zudem stand sie auch nach 1949 mehrfach am Abgrund. Oft war der große Sieg wesentlich ferner, die Niederlage hingegen sehr nah. Also eine absolut unerwartete Entwicklung.
Was bedeutet das international?
Es gibt weltweit keine politische Organisation oder Partei, die sich mit der KP Chinas auch nur annähernd messen kann. Sie hat 92 Millionen Mitglieder, ist strikt durchorganisiert, mit einem klaren Wertekanon. Die Partei ist ein Wunderwerk der Organisation.
Welche Brüche sind fundamental, um die heutige KP und ihre heutige Führung zu verstehen?
Zwischen 2010 und 2012 hatten wir einen radikalen Bruch, der zur heutigen Phase führt. Hier beginnt die Kehrtwende hin zu einer autoritären, repressiven Regierungsform, die auch die alten maoistischen Muster wiederbelebt. Der Bruch war im Grunde ein konservativer Staatscoup, mit dem sich die Partei von ihrer Formel “Reform und Öffnung” verabschiedet hat.
In ihrem neuen Buch “The Chinese Communist Party – A Century in Ten Lives” beschreiben Sie die 1980er-Jahre als Zeit des Aufbruchs, der Frische, als Chance für neues Engagement und Ideen. Wo ist dieser Reformschwung hin?
Um diesen großen Unterschied zu verstehen, muss auch 1989 als weiterer großer Bruch hinzukommen. Vor der Niederschlagung auf dem Tiananmen-Platz im Juni ’89 gab es in China intensive Diskussionen über Demokratie und Liberalisierung. Es ist heute kaum mehr vorstellbar, aber die Vokabel Minzhu (Demokratie) war damals überaus populär, es gab eine weit verbreitete Bewunderung für den Liberalismus. Eine große Zeit des Aufbruchs. Doch diese politischen Diskussionen endeten 1989, während nur noch der wirtschaftliche Liberalismus fortgesetzt wurde. Nach 2010/12 wird aber auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalisierung zunehmend zurückgefahren mit Sozialem Kreditsystem und der Renaissance der großen Staatsbetriebe.
Vor wenigen Wochen hat sich die Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz gejährt. In der Rückschau haben die damaligen Proteste politische Reformen auf absehbare Zeit in China unmöglich gemacht. Waren die Protestierenden damals schlicht zu radikal?
Nein, so sehe ich das nicht. Die damaligen Forderungen erscheinen aus heutiger Sicht als radikal, damals jedoch war das eher Mainstream. Es war wie häufig bei Protesten. Wenn eine Protestbewegung auf Widerstand stößt, bleiben zwei Optionen: Marsch durch die Institutionen oder Radikalisierung. Die Studenten auf dem Tiananmen haben sich dann für Radikalisierung des Kampfes entschieden. Aber die ursprünglichen Forderungen waren nicht radikal. Der damalige Premier Zhao Ziyang selbst war überzeugt, dass an politischen Reformen kein Weg vorbeiführe.
1989 fühlte sich die Partei politisch herausgefordert. Was gab 2010 den Ausschlag für den Bruch?
Um 2010 hatte die KP zunehmend das Gefühl, dass sie die Kontrolle über die Gesellschaft verliert, dass ihr die Gesellschaft entgleitet. Unternehmer wurden immer mächtiger, die Konzerne waren erfolgreich, gesellschaftlicher Pluralismus breitete sich aus, so dass die Partei als Machtzentrum in Gefahr war. Da entstand eine Gesellschaft, die materialistisch, konsumorientiert, und auch weiterhin westorientiert war, selbst wenn sie nicht mehr über politische Reformen reden durfte.
Aber China geht es gut, die Wirtschaft brummt, die Menschen werden wohlhabender, international gewinnt das Land an Einfluss.
Ja, alles richtig. Aber der Partei geht es nicht um China. Der Partei geht es zuerst einmal um sich selbst, erst an zweiter Stelle folgt das Land. Trotz allem Erfolg: Die Menschen brachten ihr Geld ins Ausland und schickten ihre Kinder dort auf Schulen und Universitäten. In der KP herrschte das Gefühl, die gesellschaftliche Kontrolle zu verlieren. Das versetzte die Partei in Angst und führte zur Installation von Xi Jinping.
Der neue starke Mann. Macht er alles alleine?
So genau wissen wir das nicht, aber er wird eine Fraktion hinter sich haben, Hintermänner und Unterstützer, die ihm helfen. Denn Xi krempelt alles um: Bo Xilai, ein Mitglied des Politbüros, verlor seine hohen Ämter aufgrund von Korruptionsvorwürfen, die wahrscheinlich auch auf alle anderen zutreffen würden. Der Sicherheitszar Zhou Yongkang wurde auch verhaftet. Alles Gegenspieler von Xi. Es folgt eine gigantische Säuberung der Partei, die es so noch nie gegeben hat. 80 Prozent aller Generäle wurden ausgetauscht. Ersetzt werden sie durch Gefolgsleute, die dieser neuen autoritären Lesart anhängen und loyal zu Xi sind.
Es ist also Angst, was die KP hinter Xi zusammentreibt?
Ja, die größte Sorge ist der Machtverlust. Es erscheint uns wie ein Widerspruch: China wird immer mächtiger, aber die KP durchlebt immer mehr Albträume. Doch das erklärt das Verhalten des Landes: Nur eine Regierung, die glaubt, die eigene Herrschaft ruht auf tönernen Füßen, beginnt eine derartige Eskalation. Die KP ist eine Organisation in Angst, und das macht sie so unberechenbar.
Es geht ja immer auch um die Deutungshoheit. In welchen wichtigen Punkten hat sich die KP-Deutung der chinesischen Geschichte verändert?
Auch das ist ein Punkt, der sich zuletzt noch verschärft hat. Nach 1989 war die große Marschrichtung Patriotismus, mit der die Partei auf die Krise von ’89 reagierte. Heute ruft die KP zum Kampf gegen den historischen Nihilismus auf. Jede differenzierte Darstellung der jüngeren chinesischen Geschichte ist verboten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit verkündet Xi die Sieben-Nein, worüber man nicht berichten darf: die historischen Fehler der Partei, Konstitutionalismus, Wertepluralismus und so weiter. Es findet ein Weißwaschen der Parteigeschichte statt.
Vieles verschwindet oder wird verboten. Kommt denn auch Neues hinzu?
Ja, zum Beispiel der Konfuzianismus. Damit soll gezeigt werden, dass China seine eigene Kultur und Traditionen aufweist. Im Fall von Konfuzius ist das besonders ironisch, denn Mao hat genau das Gegenteil gefordert: Alles Alte wie Konfuzius müsse zerstört werden. Aber heute dient der Konfuzianismus dazu, eine chinesische Identität zu schaffen in klarer Abgrenzung zum Westen. Das wird dann auch schnell politisch aufgeladen. Damit versucht man zu rechtfertigen, warum man keine freien Wahlen brauche, keine Meinungsfreiheit, nicht das Recht, auf der Straße zu protestieren. Das alles soll zunehmend kulturell begründet werden.
Gerne wird von KP-Seite behauptet, die Chinesen hätten andere Werte als der Westen. Stimmt das denn überhaupt?
Nein. Das ist konstruiert. Die Werte sind nicht so verschieden. Dafür muss man gar nicht nach 1989 schauen, sondern auch heute ist das so: Es gibt in China einen Wunsch nach Partizipation. Nicht unbedingt nach parlamentarische Demokratie, aber in essenziellen Angelegenheiten des eigenen Lebens wollen auch die Chinesen ein Mitspracherecht haben. Das ist in China nicht anders als überall auf der Welt. Nur: Hier gibt die KP unter Xi den Menschen keinerlei Raum.
Im Westen wird gerne von der KP gesprochen, aber die KP ist ja keineswegs ein monolithischer Block, das zeigen Sie ja schön in ihrem Buch. Wo erkennen Sie heute unter der Führung von Xi Jinping unterschiedliche Strömungen? Welche Strömungen und Fraktionen gibt es denn noch?
Xi hat durch die systematische Säuberung der KP an vielen wichtigen Stellen seine Leute platziert. Aber dennoch gibt es auch weiterhin andere Strömungen. Das zeigen Vorfälle wie zuletzt um Cai Xia. Die pensionierte Jura-Dozentin der Zentralen Parteihochschule sagte, die Partei sei zu einem politischen Zombie und einem Instrument in den Händen eines Mafiabosses verkommen. Eine entsprechende Audiodatei kursierte im Juni im chinesischen Internet. Mir selbst sind Dokumente zugespielt worden, woraus Diskussionen und Richtungskämpfe innerhalb der KP klar ersichtlich werden. Es sind allerdings keine festen Fraktionen, sie eint vor allem die Kritik am Kurs von Xi Jinping.
Was passiert gerade mit der KP Chinas unter Xi?
Ganz klar eine Re-Ideologisierung und eine Re-Zentralisierung mit Xi als dem selbstproklamierten Kern. Aber unter der Oberfläche findet ein großes Ringen um die Zukunft der Partei statt. Die Ablehnung gegen Xi ist vermutlich größer als wir denken. Das höre ich immer wieder von meinen Kontakten in die Partei.
Sitzen wir im Westen also einem Trugbild auf von Xi als dem mächtigsten Führer seit Mao?
Zum Teil ja. Unser Problem ist einfach, dass wir viel zu wenig wissen. Deshalb folgt man automatisch dem offiziellen Bild – und das besagt: Xi ist mächtig und hat alles im Griff. Aber dieses Bild ist eine konstruierte und von oben gesteuerte Botschaft an die Chinesen wie auch an das Ausland.
Was bedeutet das für uns im Westen?
Das ist gefährlich. Denn wir laufen Gefahr, andere Strömungen zu übersehen, sie zu vergessen. Aber wir brauchen dringend den Kontakt zu diesen Gruppen und dadurch verlieren wir eine große Chance.
Bleiben wir noch einen Moment bei Xi Jinping, denn ob mächtig oder nicht, er entscheidet gerade über die Richtung Chinas. Welche Erfahrungen haben Xi geprägt und ihn zu dem gemacht, was er heute ist und will?
Definitiv seine Zeit in der Kulturrevolution. Sein Vater war eigentlich ein hoher Parteifunktionär, fiel jedoch in Ungnade, wurde gedemütigt. Xi wurde deshalb auf das Land geschickt. Darunter hat er sehr gelitten.
Das ist doch paradox. Die Familie wird gedemütigt, er selbst wird auf das Land verbannt. Die logischen Reaktionen wären Wut und der Wunsch, Rache zu nehmen. Doch Xi will die KP stattdessen immer weiter stärken.
Man muss verstehen, Xi war ein Prinzling, ganz so schlimm wird seine Zeit auf dem Land nicht gewesen sein. Aber vor allem hat Xi nicht den Schluss gezogen, die Kulturrevolution sei ein großer Fehler gewesen, weil sie brutal und menschenverachtend war, sondern Xi war überzeugt, sie war ein Fehlschlag, weil Mao im hohen Alter nicht mehr hart genug durchgreifen konnte und die Kontrolle über die Kulturrevolution verloren hatte.
Und was lässt sich daraus für den heutigen Staatspräsidenten ableiten?
Xi hat einen großen Glauben daran, dass die Macht in der Hand einer Person gebündelt werden muss. Nur so kann Regierung in China gelingen. Die Risiken einer solchen Regierungsform sieht er nicht, sonst hätte er niemals die Begrenzung der Amtszeiten aufgehoben. Das ist doch ein großer Rückschritt, der auch in China einen großen Schock ausgelöst hat.
Ist das Größenwahn?
Das ist der feste Glaube, China brauche einen starken Mann. Xi ist überzeugt, dass Chinas glorreiche Zeit immer dann war, wenn es einen starken Führer hatte. Und man muss sagen, in der heutigen Welt ist er damit nicht alleine.
Im sogenannten Dokument Nummer 9 werden Xis Ziele und Werte dargelegt. Es ist ein Papier voller Verachtung der westlichen Werte. Ist Xi tatsächlich so fundamental gegen unsere Werte eingestellt?
Das glaube ich, ja. Das gilt für Xi, nicht für die gesamte KP. Für Xi bedrohen westliche Werte die Herrschaft der Partei. Und das muss aus seiner Sicht unter allen Umständen verhindert werden. Hier gibt es eine weitere Parallele zu seinem großen Idol Mao. Wann immer er Gefahr wittert, zieht er sich nicht zurück, sondern mobilisiert alle Kräfte dagegen.
Also tiefe Überzeugung, keine Show?
Ja. Absolute, tiefste Überzeugung, dass China einen starken Mann braucht und dass Demokratie oder auch nur Pluralismus für China absolut ungeeignet sind. Aber wie gesagt, Xi spricht hier nicht für alle Chinesen. Das ist seine Sicht und die seiner loyalen Gefolgsleute.
Was bedeutet das alles für uns? Auf welches China müssen wir uns in Zukunft einstellen?
Vorhersagen über die Zukunft Chinas hatten bislang immer eines gemein: Sie waren alle falsch. Aber ich glaube schon, wir werden ein China sehen, dass zunehmend erratisch wird. Xi und die Parteiführung sorgen sich um den Machterhalt. Das treibt sie um und führt dazu, dass sie Grenzen überschreiten, um diesen Machtanspruch und dieses Modell zu verteidigen. Es ist doch alarmierend, wie oft die chinesische Führung inzwischen von roten Linien spricht. Als Historiker fallen einem da sofort Parallelen zur Zeit vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ein. China wird immer unberechenbarer.
Ich erspare Ihnen lieber einen noch tieferen Blick in die Glaskugel. Aber aktuell, wie sollte Deutschland mit diesem China umgehen?
Ich bin ein Verfechter des Dialogs, auch eines Dialogs der Unterschiede. Das heißt, man muss Differenzen klar aufzeigen und ansprechen. Diesen Dialog müssen wir beibehalten, und zwar nicht nur mit der Regierung, sondern eben auch mit den anderen Strömungen innerhalb Chinas und der Partei. Ein selbstbewusster Dialog mit China, in dem Themen nicht ausgespart werden. Wenn wir uns unserer Werte sicher sind, gibt es keinen Grund, den Dialog mit China zu scheuen.
Ein guter Punkt, aber mich beschleicht ein beunruhigender Verdacht: Sind wir uns denn unserer Werte so sicher?
Ja, in der Tat. Noch im Kalten Krieg war das westliche System selbstbewusst und hatte keine Scheu, in Diskussionen und in den politischen Wettstreit mit anderen Systemen zu treten. Aber heutzutage sind wir eher verunsichert, nicht nur im Amerika mit Trump, sondern auch wir in Deutschland. Durch unsere Zweifel neigen wir im Moment dazu, uns einzuigeln. Und das ist gefährlich. Wenn wir gebückt nach Peking reisen, werden wir dort nicht ernst genommen.
Klaus Mühlhahn ist Sinologe, Gesellschafts- und Kulturwissenschaftler. Seit Juni 2020 ist er Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Seine neusten Bücher sind:
Nirgendwo auf der Welt wachsen die Weinanbauflächen stärker als in China. Die wichtigste Anbauregion liegt seit den 80er-Jahren im westchinesischen Ningxia, der kleinsten Provinz des Landes am Ostrand der Wüste Gobi. Hier befinden sich mehr als 200 Weinberge. Rund 100 Hersteller keltern hier jährlich 130 Millionen Flaschen – etwa ein Viertel der Produktion des gesamten Landes. Die klimatischen Bedingungen ähneln dem trocken-sonnigen Wetter von Bordeaux in Frankreich. Nur die Winter können hart sein, wodurch die Ernte bisweilen leidet. Trotzdem bauen auch ausländische Traditionskonzerne mittlerweile auf dem mineralreichen Boden an, darunter französische Hersteller wie Pernod Ricard, Moët Chandon, der spanische Hersteller Torres oder der australische Produzent Jacobs Creek.
Der Tourismus in der Region wächst parallel zum Weinanbau. Derzeit empfangen die Wein-Chateaus von Ningxia mehr als 600.000 Touristen pro Jahr. Die Provinz bietet auf kleinem Raum eine einzigartige Kombination von Kulturgütern: Wein, Moscheen, Kaisergräber und große Mauer. Die Landschaft ist vielfältig: Durch Ningxia fließt der Gelbe Fluss, es sind Ausflüge in die Wüste Gobi, in die 3500 Meter hohen Helan-Berge oder das Grasland möglich.
Die Lokalregierung von Ningxia hat jüngst bekanntgegeben, die örtlichen Weinanbauflächen in der muslimisch geprägten Provinz verdreifachen zu wollen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen die Anbaugebiete an den Helan-Bergen von 33.000 Hektar auf 67.000 Hektar anwachsen und bis 2035 ganze 100.500 Hektar Rebfläche umfassen. Dann wäre die Fläche genauso groß wie in Deutschland.
Wenn es so weit ist, soll die Region auf einen Produktionswert von mehr als 200 Milliarden Yuan (30 Milliarden US-Dollar) kommen und “global einflussreich” für die internationale Weinindustrie sein, erklärt Sui Pengfei, ein Beamter des Landwirtschaftsministeriums gegenüber dem Wirtschaftsdienst Bloomberg. Der Staat unterstützt das Vorhaben, auch um die Wirtschaft in der drittärmsten Provinz des Landes anzukurbeln. Regelmäßig werden Messen und Verkostungen mit Gästen aus der ganzen Welt veranstaltet. Die Bemühungen zahlen sich aus.
Schon jetzt gewinnen Weine aus Ningxia internationale Wettbewerbe. In einem Schwerpunkt-Report aus dem Jahr 2020 zu chinesischen Weinen von Robert Parker, dem führenden Wein-Bewerter der Welt, stammen vier von zehn der besten Tropfen aus Ningxia. Die Weine sind allerdings im Vergleich zu ihrer Qualität relativ teuer. Das hat mit dem aufwendigen Anbauverfahren zu tun: Für den kalten Winter werden die Reben im Herbst komplett aus der Erde ausgegraben und im Frühjahr wieder eingegraben. Zudem müssen die Eichenfässer noch teuer aus Europa importiert werden. Den ersten internationalen Preis haben Ningxia Weine bereits 2010 gewonnen bei den Decanter World Wine Awards.
Auch anderswo in China wird mittlerweile guter Wein angebaut, die bekanntesten Anbaugebiete sind neben denen in Ningxia:
Obwohl in China schon in der Antike Wein angebaut worden sein soll, steckt die moderne Weinindustrie des Landes noch in den Kinderschuhen. Doch die Branche kommt schnell voran. Längst gilt die Volksrepublik als einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für Winzer weltweit. Das Land ist mit 1,24 Milliarden Litern pro Jahr (Stand 2020) zwar bereits der sechstgrößte Wein-Verbraucher der Welt, der Pro-Kopf-Verbrauch beträgt jedoch nur etwa ein Viertel des Weltdurchschnitts. Pro Jahr konsumiert ein Chinese etwa 1,2 Liter Wein, ein Deutscher 21 Liter, ein Portugiese 60 Liter.
Noch gilt Wein in China jedoch vor allem als westliches Luxusprodukt. In Chinas Supermärkten sind Importweine noch immer sehr präsent. Andersherum sind chinesische Weine von Marken wie “Great Wall” oder “Changyu Pioneer” in Europa allenfalls eine Nische. Laut dem örtlichen Zollamt erreichte der Exportwert von Weinen aus Ningxia im vergangenen Jahr dennoch 2,65 Millionen Yuan (400.000 US-Dollar), ein Plus von 46,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Lieferungen gingen dabei vor allem in die USA, nach Europa, Australien und Japan.
Klar ist: Je mehr Wein China selbst anbaut, desto weniger Wein muss importiert werden. Im Jahr 2020 sind die Weinimporte bereits um rund 25 Prozent zurückgegangen, während der Weinkonsum kaum gesunken ist. Deutschland ist nach den USA, Frankreich und Italien, der viertgrößte Weinhersteller der Welt. Im vergangenen Jahr haben die Chinesen neun Prozent weniger Wein aus Deutschland gekauft. China gehört zu den fünf wichtigsten Exportländern für deutschen Wein.
Die Reaktion ist pragmatisch und sogar erstaunlich offensiv. Der chinesische Fahrdienstleister Didi Chuxing leidet zwar derzeit unter Angriffen der Regulierungsbehörden Chinas. Jetzt plant das Unternehmen einen Börsengang – und geht betont offen mit seinen regulatorischen Problemen um. Didi listet unverblümt auf, was noch alles von der State Administration for Market Regulation (SAMR) in Peking an Vorwürfen drohen kann. Darunter finden sich Verstöße gegen das Kartellgesetz und “unfaire Wettbewerbsmethoden”.
Der geplante Börsengang von Didi erhält viel Beachtung. Das Unternehmen ist das chinesische Gegenstück zu Uber und zumindest im Heimatmarkt bereits sehr erfolgreich. Eine Bewertung von bis zu 70 Milliarden Dollar ist im Gespräch – damit wäre es eine der wichtigsten Erstnotizen des Jahres. Der Börsengang in New York erfolgt zudem zu einer Zeit, in der viele chinesische Unternehmen dem US-Kapitalmarkt skeptisch gegenüberstehen. Sie befürchten, dort ins Kreuzfeuer von Handelskonflikten zu geraten. Didi zeigt jedoch, dass auch bekannte Namen immer noch Interesse daran haben, sich in Amerika mit Kapital zu versorgen.
Das Störfeuer der SAMR zeigt nun jedoch, dass die Sorge nicht ganz unberechtigt ist, politische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die chinesische Regierung nimmt derzeit die Technik-Konzerne des Landes an die kurze Leine. Nach zwei Jahrzehnten stürmischen Wachstums sind diese in den Augen der Mächtigen zu reich und unabhängig geworden. Börsengänge im Ausland fördern das Misstrauen eher noch. Wer mit einem Bein im Ausland steht, droht sich dem Einfluss des chinesischen Staates zu entziehen. An solchen Kandidaten statuiert Peking nun häufiger ein Exempel, wie das Beispiel der Handelsplattform Alibaba und seiner Finanztochter Ant zeigt (China.Table berichtete).
Die Behörden haben im April für Didi und 30 weitere Technikunternehmen eine “Selbstinspektion” angeordnet. Eine Woche, nachdem das Unternehmen seine Börsenpläne bekanntgegeben hat, folgte eine weitere Untersuchung gegen Didi durch die SAMR (China.Table berichtete). Demnach wird geprüft, ob das Unternehmen unlautere Wettbewerbspraktiken angewendet hat, um kleinere Wettbewerber aus dem Markt für Mitfahrdienste zu drängen. Darüber hinaus untersucht die SAMR, ob Didis Preismechanismus bei den Fahrdiensten transparent genug ist.
Dass Didi sein IPO-Prospekt trotzdem eingereicht hat, und das auch noch in den USA, wird als Zeichen gesehen, dass das Management optimistisch ist, dem Schicksal von Ant zu entgehen. Der Börsengang der Alibaba-Tochter war unter dem Ansturm neuer Regulierungsanforderungen zusammengebrochen. Die Signale aus Peking sind jedoch gemischt. Li Shouzhen, Mitglied im beratenden Ausschuss der chinesischen Regierung sagte im März, dass China von der “inklusiven und vorsichtigen Regulierung”, unter der seinen Technologiegiganten ungehindertes Wachstum erlaubt war, zu einer “Wissenschafts- und Innovationsregulierung” übergehe.
Dabei hat Didi in den vergangenen Jahren alle Energien eingesetzt, um eine Monopolstellung bei Fahrdienstanbietern in China zu erlangen. Der Marktanteil liegt nun bei 90 Prozent. Das Unternehmen wurde 2012 von Will Weil Cheng und Jean Qing Liu in Peking gegründet (China.Table berichtete). Den einstmals größten Wettbewerber Kuaidi Dache erledigte Didi 2015 per Übernahme. Nur ein Jahr später übernahm es im August 2016 die Anteile des China-Geschäfts von Uber, nachdem sich der US-Konzern nach fünf Jahren Subventionskrieg mit Didi endgültig aus dem Markt zurückzog.
Mittlerweile ist Didi in rund 4.000 Städten, Provinzen und Landkreisen aktiv und hat sich international in 15 Ländern aufgestellt. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 142 Milliarden Yuan erzielt – mehr als 93 Prozent davon in China. Nach eigenen Angaben vermittelt der Dienstleister 30 Millionen Fahrten am Tag für über 500 Millionen aktive Nutzer.
Um auch weltweit am Carsharing-Markt teilzuhaben, kündigt Didi an, 30 Prozent des aus dem IPO eingesammelten Kapital in die Expansion ins Ausland investieren zu wollen. Zuletzt berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg, Didi wolle nach Westeuropa expandieren und noch in diesem Jahr auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich nach Mitarbeitern suchen zu wollen.
Bisher aber hat das Unternehmen noch in keinem Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Zuletzt hatte es im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,7 Milliarden US-Dollar eingefahren, was auch mit der Corona-Pandemie im Land zusammenhing.
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz rechnen Analysten damit, dass der Fahrdienstanbieter-Markt in diesem Jahr einen Umsatz von über 93 Milliarden US-Dollar erreichen wird. In den kommenden vier Jahren wird ein Umsatzwachstum auf 129 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Weitere 30 Prozent des Geldes aus dem Börsengang will Didi für den Bau eines E-Autos verwenden und in die Forschung für Autonomes Fahren investieren. In Shanghai bietet das Unternehmen bereits autonom fahrende Taxis an. Und mit Volvo kooperiert Didi, um das Modell XC90 zu einem Robotaxi auszubauen. Auch mit dem chinesischen Anbieter von E-Batterien GAC Aion, will Didi künftig autonom fahrende Elektroautos entwickeln.
Der Fahrdienstleister setzt vor allem auf die zunehmende Mobilität der Großstädter in China. Denn für die Metropolen wird prognostiziert, dass die Menschen bis 2040 rund 36 Prozent ihrer Mobilitätsausgaben für Carsharing-Dienste aufwenden werden. Didi dürfte sich bei den Prognosen entspannt zurücklehnen. Denn die Strafgelder der SAMR dürften gegenüber den Wachstumsaussichten gering ausfallen.
Das EU-Instrument gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen, Boykotten oder gezielte Negativkampagnen nimmt weiter Form an. Die Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) wird in dieser Woche ihre konkreten Vorschläge für den Abwehrmechanismus der Europäische Union vorstellen. Diese sollen den Block vor wirtschaftlichen Druckmitteln schützen. China steht dabei besonders im Fokus. Eine Taskforce des Thinktanks veröffentlicht am Mittwoch ihren Bericht über die möglichen konkreten Schritte. Der Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission wird für den Herbst erwartet. Bis vergangene Woche holte die EU-Kommission noch Einschätzungen zu dem geplanten Abwehrmechanismus ein.
Das Instrument beinhaltet verschiedene Abwehrmöglichkeiten (China.Table berichtete). Darunter befinden sich Einschränkungen von Investitionen und Einschränkungen beim Zugang zu Daten. Der konkrete Vorschlag der Taskforce wird von mehreren EU-Staaten unterstützt, darunter Deutschland und Frankreich. Das ECFR arbeitete dazu mit Spitzenbeamt:innen, Fachleuten der Wirtschaftsverbände und ausgewählten Parlamentarier:innen zusammen. ari
Die Stadt Shenzhen will die Nutzung selbstfahrender Autos auf öffentlichen Straßen erlauben. In Kürze sollen spezielle Nummernschilder für selbstfahrende Fahrzeuge ausgeben werden. Das zeigt eine neue Regulierung, die noch Ende Juni beschlossen werden soll, berichtet das Wirtschaftsportal Caixin. Shenzhen wäre die erste Stadt in China, die autonomes Fahren legal auf öffentlichen Straßen zulässt (mehr im China.Table). Bisher ist ihre Nutzung auf Tests beschränkt. Nationale Gesetze schreiben derzeit noch vor, dass “intelligente und vernetzte Autos” von einem menschlichen Fahrer beaufsichtigt werden müssen, so Caixin. Shenzhen hat als Sonderwirtschaftszone ein hohes Maß an legislativer Autonomie und kann in vielen Bereichen eigene Regeln erlassen. nib
Medienberichte befeuern das Gerücht, wonach ein hochrangiger chinesischer Spionagechef den USA Beweise zur viel diskutieren Wuhan-Labortheorie vorgelegt hat. Der Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes Guoanbu, Dong Jingwei, soll nach einer Flucht aus der Volksrepublik im Februar Washington Belege dafür gegeben haben, dass ein Laborunfall im Wuhaner Institut für Virologie der Ursprung des Coronavirus sei, berichteten unter anderem die US-Plattform Daily Beast, die britische The Sunday Times und The Daily Mail. Die Hinweise von Dong sollen demnach dazu geführt haben, dass die US-Regierung unter Joe Biden die viel debattierte Labortheorie nochmals genauer überprüfen lassen wollte. Offizielle Stellungnahmen, weder vonseiten der US-, noch der chinesischen Regierung, gab es zu den Gerüchten zunächst nicht.
Zum möglichen Ursprung des Coronavirus gibt es mehrere Erklärungsansätze. Eine Untersuchungsmission der WHO erklärte in ihrem Abschlussbericht, dass die Labortheorie “extrem unwahrscheinlich” sei. Biden möchte den Ursprung von Corona aber nochmals von den US-Geheimdiensten untersuchen lassen. Der Präsident erklärte Ende Mai, dass ein möglicher Laborunfall in China – ein Vorwurf, den sein Vorgänger Donald Trump lautstark verbreitet hatte – zumindest in Teilen des US-Geheimdienstapparates für möglich gehalten werde. Der deutsche Virologe Christian Drosten hält einen Laborunfall für eher unwahrscheinlich (China.Table berichtet). Er vertrat jüngst in einem Interview die Theorie, der Ursprung des Virus liege in der chinesischen Pelztierproduktion. ari
China hat über eine Milliarde Impfdosen verabreicht. Am Samstag meldete die Nationale Gesundheitskommission Chinas (NHC) offiziell den Stand von 990 Millionen Dosen. Die Impfgeschwindigkeit liegt derzeit bei knapp 20 Millionen Spritzen pro Tag. Die Milliardengrenze wurde also vermutlich im Laufe des Sonntags überschritten. In China sind rund 225 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das chinesische Immunisierungsprogramm hat damit nach einem langsamen Start eine fulminante Geschwindigkeit erreicht (China.Table berichtete). fin
Während die Clubs und Konzerthäuser im Westen noch weitgehend geschlossen sind und die Musikwelt um ihre Existenz bangt, darf man in China längst wieder auftreten. Philipp Grefer sieht darin eine Chance aber auch eine Herausforderung: “Einerseits erlebt die chinesische Musik- und Kreativszene gerade einen Boom, der vor allem der lokalen Szene zugutekommt, andererseits fehlt der Austausch mit dem Rest der Welt.” Nur wenige nehmen eine dreiwöchige Quarantäne auf sich, um ins Land zu kommen, beobachtet der Musikmanager. “So muss man zurzeit eher digitale Brücken bauen.”
Der gebürtige Rheinländer, der sein Interesse für Asien ausgerechnet bei einem VWL- und Politik-Studium im kalifornischen San Diego entdeckte, glaubt, dass Kreativität in Zukunft noch mehr mit Technologie verschmelzen wird – und dass China dabei eine Schlüsselrolle spielen wird. Mit dem Label “FakeMusicMedia” fördert Philipp Grefer seit zehn Jahren den Kulturaustausch zwischen Ost und West. Er hat über 300 bekannte Musiker auf Tournee nach China gebracht, darunter große Namen wie Die Toten Hosen.
Seit 2018 organisiert der 40-Jährige außerdem das “WISE”-Festival, ein Treffen zum Thema Digitalisierung, bei dem Akteur:innen aus dem Bereich Technologie, KI und Kreativwirtschaft aus aller Welt zusammenkommen. Im vergangenen Jahr fanden die WISE-Veranstaltungen, zu denen auch viele Konzerte gehören, unter anderem in den Boom-Metropolen Peking, Shanghai, Chengdu und Chongqing statt. “Mich reizt vor allem das rasende Tempo, mit dem hier Geschichte geschrieben wird”, sagt Philipp Grefer. “Das Land ist 2020 zum größten Filmmarkt der Welt aufgestiegen. Was das Musikbusiness angeht, hat sich China in den letzten Jahren von Platz 25 auf sieben vorgekämpft und wird sicherlich in wenigen Jahren Platz eins oder zwei einnehmen”, glaubt er.
Zusammen mit Helen Feng, einer ehemaligen Moderatorin von MTV China und Sängerin der bekannten chinesischen Rock-Band Nova Heart pendelt er zwischen Peking und Berlin, wodurch sich sein Blick für die Unterschiede geschärft hat. “Die Chinesen sind im Gegensatz zu den Deutschen keine Technikpessimisten. Sie stehen neuen Technologien grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Ich will gar nicht sagen, was besser ist. Neue Technologien bergen immer Chancen und Risiken. Die Chinesen schaffen aber erst einmal Tatsachen, erst dann werden Fragen gestellt.” Während des Corona-Lockdowns habe ihn fasziniert, wie flexibel viele Künstler auf die Ausgangssperren reagiert haben, indem sie sich umfassend der Online-Welt zuwandten.
Die musikalische Echtzeit-Übertragung aus der Quarantäne fasste durch die stark ausgebaute digitale Infrastruktur in China noch stärker Fuß als bei uns. Chinesische Live-Streaming-Seiten wie “Bilibili” haben eine intuitive Bezahl- beziehungsweise “Geschenkfunktion”. Und da die Konsument:innen in China durch die stark fortgeschrittene Digitalisierung der Zahlungswege heute ohnehin alles online bezahlen, ist die Schwelle viel niedriger, spontan etwas zu spenden. “Ein kleiner Teil der finanziellen Ausfälle konnte so aufgefangen werden”, sagt Philipp Grefer, der sein WISE-Festival in diesem Jahr ebenfalls noch stärker in die Online-Welt verlagert hat.
“Auch 2021 haben wir diese Idee eines dezentralen Festivals, das gleichzeitig online, offline und in virtueller Realität in verschiedenen Ländern stattfindet, weitergeführt”, erzählt Philipp Grefer. Er hat durchaus einen pädagogischen Ansatz: Das Festival will nicht nur den beteiligten Kreativen eine Plattform geben, sondern auch gerade den Europäern ein wenig mehr Chinakompetenz vermitteln. “Für Lösungen globaler Probleme wie der Klimakrise oder die Regulierung der KI, ist es wichtig, das Land zumindest ansatzweise zu verstehen“, so Philipp Grefer. Dazu gehöre es auch, sich vom Klischee zu verabschieden, dass Chinesen nicht kreativ sein könnten. Fabian Peltsch
After five years as plant manager at Audi’s Neckarsulm site, Helmut Stetter is taking on new responsibilities in China. There, he becomes CEO of Premium Platform Electric (PPE), a company newly founded by Audi and the Advanced Training Academy for Industry, which focuses on the electrification of car models.
Marco Schubert is moving from Audi China’s sales division to Porsche, where he will become Head of Region Europe from July 1st. He was previously Head of Sales Asia and Overseas at Skoda. Schubert succeeds Barbara Frenkel at Porsche, who is moving to the Executive Board.
Thomas Nurnberger, CEO of fan manufacturer EBM-Papst China, is now also the Chief Sales Officer (CSO) of the entire EBM-Papst Group.
Nicht viel los im Büro? Toter Zoom-Winkel im Homeoffice? Zeit, Fische zu tätscheln! Denn 摸鱼 mōyú (“Fische tätscheln/streicheln/grapschen”) ist das trendige chinesische Sprachpendant für Faulenzen am Arbeitsplatz. Abgeleitet ist das Internetwort von der alten Redensart 浑水摸鱼 húnshuǐ-mōyú beziehungsweise 混水摸鱼 hùnshuǐ-mōyú, wörtlich “im trüben Wasser nach Fischen grapschen”.
Gemeint war damit ursprünglich, unklare Verhältnisse auszunutzen und von einer undurchschaubaren Situation zu profitieren. Chinas Netzgemeinde hat die klassische Vierzeichen-Redensart (成语 Chengyu) nun auf zwei Schriftzeichen zusammengestaucht und damit Chat- und Emoji-tauglich gemacht. Bürobummler und Tastaturtrödler schieben also in China keine “ruhige Kugel”, sondern streicheln stattdessen gemütlich Sardinen und Co.
Doch damit ist die chinesische Fischphilosophie für die Firma noch längst nicht am Ende. Es gibt nämlich noch einige weitere Redensarten rund ums Flossenvieh mit Bezug zur Arbeitswelt. Am bekanntesten ist wohl der alte Sinnspruch: 授人以鱼不如授人以渔 shòu rén yǐ yú bùrú shòu rén yǐ yú – frei übersetzt: “Gib einem Menschen einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag; lehre ihn fischen und du ernährst ihn für ein ganzes Leben”.
Doch auch beim Fischfang selbst gilt es so einiges zu beachten. Schon die alten Chinesen wussten, dass man es ohne kontinuierliche Anstrengungen und Ausdauer nicht weit bringt. Man kann nicht “zwei Tage lang fischen und drei Tage lang die Netze in der Sonne trocknen” (两天打鱼三天晒网 liǎngtiān dǎyú sāntiān shài wǎng), so eine bekannte chinesische Weisheit. Schließlich ist die Jobwelt manchmal ein Wassertiger-Becken… äh… Piranha-Becken (水虎鱼 shuǐhǔyú – wörtl. “Wassertiger” = Piranha), in dem sich der Stärkere durchsetzt. Oder wie der Chinese sagen würde: wo der größere Fisch den kleineren frisst (大鱼吃小鱼 dàyú chī xiǎoyú – “fressen oder gefressen werden”/”Gesetz des Dschungels”). Und um karrieremäßig zu einem großen Hecht heranzureifen, braucht es – natürlich – genügend Flossenfreiheit. Der Chinese sagt hier wohlwissend: im flachen Wasser lassen sich keine großen Fische halten (水浅养不住大鱼 shuǐ qiǎn yǎngbùzhù dàyú), will heißen: im kleinen entstehen keine großen Talente.
Natürlich steht und fällt das richtige Arbeitsklima auch mit dem Vorgesetzten. Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken, wirft hier der Deutsche ein. Doch da Fischköpfe (鱼头 yútóu) in China gemeinhin als Delikatesse gelten, wird hier ausnahmsweise lieber nicht das Fischmotiv bemüht, sondern stattdessen eine stabile Baumetapher: 上梁不正下梁歪 (shàng liáng bù zhèng xià liáng wāi) – “Ist der obere Balken nicht gerade, hängt auch der untere schief”. Letztlich empfiehlt es sich von übertriebenem Fischkuscheln im Bürosessel abzusehen. Sonst droht man als gebratener Tintenfisch zu enden (炒鱿鱼 chǎoyóuyú) – das nämlich heißt in der chinesischen Umgangssprache “jemanden feuern”.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule www.new-chinese.org.
Klaus Mühlhahn ist einer der angesehensten Sinologen in Deutschland. Er unterrichtet normalerweise an der FU Berlin, leitet aber derzeit für fünf Jahre die private Zeppelin Universität am Bodensee. Im China.Table erklärt Mühlhahn, warum eine Kommunistische Partei, die fest im Sattel zu sitzen scheint, trotzdem nervös und kleinlich handelt. Der Grund liegt in ihrer Geschichte: Die Spannungen in der Partei und in der Gesellschaft sind nur übertüncht, aber nicht bewältigt. Auch Xi Jinpings Stellung ist nicht so unangreifbar, wie die Propaganda es darstellt. Das Interview von Michael Radunski ist Teil unserer Serie zum hundertsten Gründungstag der Partei.
“Chinesischer Wein“, diese Wortkombination klingt noch ungewohnt. Zwar entwickeln engagierte Winzer schon seit den 1980er-Jahren die Böden und Reben. Doch jetzt erst bringen sie richtig gute Tropfen hervor, die international Preise gewinnen. Frank Sieren gibt uns Tipps, auf welche Lagen wir achten sollten. Die Entwicklung hat jedoch auch eine weiterreichende Bedeutung. Wein ist für Europa ein wichtiges Exportgut. Und je mehr die chinesischen Winzer selber keltern, desto weniger muss der Handel aus dem Ausland beziehen.
Einen guten Start in die Woche wünscht
100 Jahre Kommunistische Partei China. Wie fällt ihre Bilanz zu diesem runden Jahrestag aus?
Die KP Chinas ist in ihren 100 Jahren zur mächtigsten und effizientesten politischen Organisation der Welt geworden – und das war so nicht zu erwarten. Erst nach vielen Jahrzehnten erbittertem Kampf errang die Partei den Sieg. Zudem stand sie auch nach 1949 mehrfach am Abgrund. Oft war der große Sieg wesentlich ferner, die Niederlage hingegen sehr nah. Also eine absolut unerwartete Entwicklung.
Was bedeutet das international?
Es gibt weltweit keine politische Organisation oder Partei, die sich mit der KP Chinas auch nur annähernd messen kann. Sie hat 92 Millionen Mitglieder, ist strikt durchorganisiert, mit einem klaren Wertekanon. Die Partei ist ein Wunderwerk der Organisation.
Welche Brüche sind fundamental, um die heutige KP und ihre heutige Führung zu verstehen?
Zwischen 2010 und 2012 hatten wir einen radikalen Bruch, der zur heutigen Phase führt. Hier beginnt die Kehrtwende hin zu einer autoritären, repressiven Regierungsform, die auch die alten maoistischen Muster wiederbelebt. Der Bruch war im Grunde ein konservativer Staatscoup, mit dem sich die Partei von ihrer Formel “Reform und Öffnung” verabschiedet hat.
In ihrem neuen Buch “The Chinese Communist Party – A Century in Ten Lives” beschreiben Sie die 1980er-Jahre als Zeit des Aufbruchs, der Frische, als Chance für neues Engagement und Ideen. Wo ist dieser Reformschwung hin?
Um diesen großen Unterschied zu verstehen, muss auch 1989 als weiterer großer Bruch hinzukommen. Vor der Niederschlagung auf dem Tiananmen-Platz im Juni ’89 gab es in China intensive Diskussionen über Demokratie und Liberalisierung. Es ist heute kaum mehr vorstellbar, aber die Vokabel Minzhu (Demokratie) war damals überaus populär, es gab eine weit verbreitete Bewunderung für den Liberalismus. Eine große Zeit des Aufbruchs. Doch diese politischen Diskussionen endeten 1989, während nur noch der wirtschaftliche Liberalismus fortgesetzt wurde. Nach 2010/12 wird aber auch die wirtschaftliche und gesellschaftliche Liberalisierung zunehmend zurückgefahren mit Sozialem Kreditsystem und der Renaissance der großen Staatsbetriebe.
Vor wenigen Wochen hat sich die Niederschlagung der Proteste auf dem Tiananmen-Platz gejährt. In der Rückschau haben die damaligen Proteste politische Reformen auf absehbare Zeit in China unmöglich gemacht. Waren die Protestierenden damals schlicht zu radikal?
Nein, so sehe ich das nicht. Die damaligen Forderungen erscheinen aus heutiger Sicht als radikal, damals jedoch war das eher Mainstream. Es war wie häufig bei Protesten. Wenn eine Protestbewegung auf Widerstand stößt, bleiben zwei Optionen: Marsch durch die Institutionen oder Radikalisierung. Die Studenten auf dem Tiananmen haben sich dann für Radikalisierung des Kampfes entschieden. Aber die ursprünglichen Forderungen waren nicht radikal. Der damalige Premier Zhao Ziyang selbst war überzeugt, dass an politischen Reformen kein Weg vorbeiführe.
1989 fühlte sich die Partei politisch herausgefordert. Was gab 2010 den Ausschlag für den Bruch?
Um 2010 hatte die KP zunehmend das Gefühl, dass sie die Kontrolle über die Gesellschaft verliert, dass ihr die Gesellschaft entgleitet. Unternehmer wurden immer mächtiger, die Konzerne waren erfolgreich, gesellschaftlicher Pluralismus breitete sich aus, so dass die Partei als Machtzentrum in Gefahr war. Da entstand eine Gesellschaft, die materialistisch, konsumorientiert, und auch weiterhin westorientiert war, selbst wenn sie nicht mehr über politische Reformen reden durfte.
Aber China geht es gut, die Wirtschaft brummt, die Menschen werden wohlhabender, international gewinnt das Land an Einfluss.
Ja, alles richtig. Aber der Partei geht es nicht um China. Der Partei geht es zuerst einmal um sich selbst, erst an zweiter Stelle folgt das Land. Trotz allem Erfolg: Die Menschen brachten ihr Geld ins Ausland und schickten ihre Kinder dort auf Schulen und Universitäten. In der KP herrschte das Gefühl, die gesellschaftliche Kontrolle zu verlieren. Das versetzte die Partei in Angst und führte zur Installation von Xi Jinping.
Der neue starke Mann. Macht er alles alleine?
So genau wissen wir das nicht, aber er wird eine Fraktion hinter sich haben, Hintermänner und Unterstützer, die ihm helfen. Denn Xi krempelt alles um: Bo Xilai, ein Mitglied des Politbüros, verlor seine hohen Ämter aufgrund von Korruptionsvorwürfen, die wahrscheinlich auch auf alle anderen zutreffen würden. Der Sicherheitszar Zhou Yongkang wurde auch verhaftet. Alles Gegenspieler von Xi. Es folgt eine gigantische Säuberung der Partei, die es so noch nie gegeben hat. 80 Prozent aller Generäle wurden ausgetauscht. Ersetzt werden sie durch Gefolgsleute, die dieser neuen autoritären Lesart anhängen und loyal zu Xi sind.
Es ist also Angst, was die KP hinter Xi zusammentreibt?
Ja, die größte Sorge ist der Machtverlust. Es erscheint uns wie ein Widerspruch: China wird immer mächtiger, aber die KP durchlebt immer mehr Albträume. Doch das erklärt das Verhalten des Landes: Nur eine Regierung, die glaubt, die eigene Herrschaft ruht auf tönernen Füßen, beginnt eine derartige Eskalation. Die KP ist eine Organisation in Angst, und das macht sie so unberechenbar.
Es geht ja immer auch um die Deutungshoheit. In welchen wichtigen Punkten hat sich die KP-Deutung der chinesischen Geschichte verändert?
Auch das ist ein Punkt, der sich zuletzt noch verschärft hat. Nach 1989 war die große Marschrichtung Patriotismus, mit der die Partei auf die Krise von ’89 reagierte. Heute ruft die KP zum Kampf gegen den historischen Nihilismus auf. Jede differenzierte Darstellung der jüngeren chinesischen Geschichte ist verboten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit verkündet Xi die Sieben-Nein, worüber man nicht berichten darf: die historischen Fehler der Partei, Konstitutionalismus, Wertepluralismus und so weiter. Es findet ein Weißwaschen der Parteigeschichte statt.
Vieles verschwindet oder wird verboten. Kommt denn auch Neues hinzu?
Ja, zum Beispiel der Konfuzianismus. Damit soll gezeigt werden, dass China seine eigene Kultur und Traditionen aufweist. Im Fall von Konfuzius ist das besonders ironisch, denn Mao hat genau das Gegenteil gefordert: Alles Alte wie Konfuzius müsse zerstört werden. Aber heute dient der Konfuzianismus dazu, eine chinesische Identität zu schaffen in klarer Abgrenzung zum Westen. Das wird dann auch schnell politisch aufgeladen. Damit versucht man zu rechtfertigen, warum man keine freien Wahlen brauche, keine Meinungsfreiheit, nicht das Recht, auf der Straße zu protestieren. Das alles soll zunehmend kulturell begründet werden.
Gerne wird von KP-Seite behauptet, die Chinesen hätten andere Werte als der Westen. Stimmt das denn überhaupt?
Nein. Das ist konstruiert. Die Werte sind nicht so verschieden. Dafür muss man gar nicht nach 1989 schauen, sondern auch heute ist das so: Es gibt in China einen Wunsch nach Partizipation. Nicht unbedingt nach parlamentarische Demokratie, aber in essenziellen Angelegenheiten des eigenen Lebens wollen auch die Chinesen ein Mitspracherecht haben. Das ist in China nicht anders als überall auf der Welt. Nur: Hier gibt die KP unter Xi den Menschen keinerlei Raum.
Im Westen wird gerne von der KP gesprochen, aber die KP ist ja keineswegs ein monolithischer Block, das zeigen Sie ja schön in ihrem Buch. Wo erkennen Sie heute unter der Führung von Xi Jinping unterschiedliche Strömungen? Welche Strömungen und Fraktionen gibt es denn noch?
Xi hat durch die systematische Säuberung der KP an vielen wichtigen Stellen seine Leute platziert. Aber dennoch gibt es auch weiterhin andere Strömungen. Das zeigen Vorfälle wie zuletzt um Cai Xia. Die pensionierte Jura-Dozentin der Zentralen Parteihochschule sagte, die Partei sei zu einem politischen Zombie und einem Instrument in den Händen eines Mafiabosses verkommen. Eine entsprechende Audiodatei kursierte im Juni im chinesischen Internet. Mir selbst sind Dokumente zugespielt worden, woraus Diskussionen und Richtungskämpfe innerhalb der KP klar ersichtlich werden. Es sind allerdings keine festen Fraktionen, sie eint vor allem die Kritik am Kurs von Xi Jinping.
Was passiert gerade mit der KP Chinas unter Xi?
Ganz klar eine Re-Ideologisierung und eine Re-Zentralisierung mit Xi als dem selbstproklamierten Kern. Aber unter der Oberfläche findet ein großes Ringen um die Zukunft der Partei statt. Die Ablehnung gegen Xi ist vermutlich größer als wir denken. Das höre ich immer wieder von meinen Kontakten in die Partei.
Sitzen wir im Westen also einem Trugbild auf von Xi als dem mächtigsten Führer seit Mao?
Zum Teil ja. Unser Problem ist einfach, dass wir viel zu wenig wissen. Deshalb folgt man automatisch dem offiziellen Bild – und das besagt: Xi ist mächtig und hat alles im Griff. Aber dieses Bild ist eine konstruierte und von oben gesteuerte Botschaft an die Chinesen wie auch an das Ausland.
Was bedeutet das für uns im Westen?
Das ist gefährlich. Denn wir laufen Gefahr, andere Strömungen zu übersehen, sie zu vergessen. Aber wir brauchen dringend den Kontakt zu diesen Gruppen und dadurch verlieren wir eine große Chance.
Bleiben wir noch einen Moment bei Xi Jinping, denn ob mächtig oder nicht, er entscheidet gerade über die Richtung Chinas. Welche Erfahrungen haben Xi geprägt und ihn zu dem gemacht, was er heute ist und will?
Definitiv seine Zeit in der Kulturrevolution. Sein Vater war eigentlich ein hoher Parteifunktionär, fiel jedoch in Ungnade, wurde gedemütigt. Xi wurde deshalb auf das Land geschickt. Darunter hat er sehr gelitten.
Das ist doch paradox. Die Familie wird gedemütigt, er selbst wird auf das Land verbannt. Die logischen Reaktionen wären Wut und der Wunsch, Rache zu nehmen. Doch Xi will die KP stattdessen immer weiter stärken.
Man muss verstehen, Xi war ein Prinzling, ganz so schlimm wird seine Zeit auf dem Land nicht gewesen sein. Aber vor allem hat Xi nicht den Schluss gezogen, die Kulturrevolution sei ein großer Fehler gewesen, weil sie brutal und menschenverachtend war, sondern Xi war überzeugt, sie war ein Fehlschlag, weil Mao im hohen Alter nicht mehr hart genug durchgreifen konnte und die Kontrolle über die Kulturrevolution verloren hatte.
Und was lässt sich daraus für den heutigen Staatspräsidenten ableiten?
Xi hat einen großen Glauben daran, dass die Macht in der Hand einer Person gebündelt werden muss. Nur so kann Regierung in China gelingen. Die Risiken einer solchen Regierungsform sieht er nicht, sonst hätte er niemals die Begrenzung der Amtszeiten aufgehoben. Das ist doch ein großer Rückschritt, der auch in China einen großen Schock ausgelöst hat.
Ist das Größenwahn?
Das ist der feste Glaube, China brauche einen starken Mann. Xi ist überzeugt, dass Chinas glorreiche Zeit immer dann war, wenn es einen starken Führer hatte. Und man muss sagen, in der heutigen Welt ist er damit nicht alleine.
Im sogenannten Dokument Nummer 9 werden Xis Ziele und Werte dargelegt. Es ist ein Papier voller Verachtung der westlichen Werte. Ist Xi tatsächlich so fundamental gegen unsere Werte eingestellt?
Das glaube ich, ja. Das gilt für Xi, nicht für die gesamte KP. Für Xi bedrohen westliche Werte die Herrschaft der Partei. Und das muss aus seiner Sicht unter allen Umständen verhindert werden. Hier gibt es eine weitere Parallele zu seinem großen Idol Mao. Wann immer er Gefahr wittert, zieht er sich nicht zurück, sondern mobilisiert alle Kräfte dagegen.
Also tiefe Überzeugung, keine Show?
Ja. Absolute, tiefste Überzeugung, dass China einen starken Mann braucht und dass Demokratie oder auch nur Pluralismus für China absolut ungeeignet sind. Aber wie gesagt, Xi spricht hier nicht für alle Chinesen. Das ist seine Sicht und die seiner loyalen Gefolgsleute.
Was bedeutet das alles für uns? Auf welches China müssen wir uns in Zukunft einstellen?
Vorhersagen über die Zukunft Chinas hatten bislang immer eines gemein: Sie waren alle falsch. Aber ich glaube schon, wir werden ein China sehen, dass zunehmend erratisch wird. Xi und die Parteiführung sorgen sich um den Machterhalt. Das treibt sie um und führt dazu, dass sie Grenzen überschreiten, um diesen Machtanspruch und dieses Modell zu verteidigen. Es ist doch alarmierend, wie oft die chinesische Führung inzwischen von roten Linien spricht. Als Historiker fallen einem da sofort Parallelen zur Zeit vor dem Ersten und Zweiten Weltkrieg ein. China wird immer unberechenbarer.
Ich erspare Ihnen lieber einen noch tieferen Blick in die Glaskugel. Aber aktuell, wie sollte Deutschland mit diesem China umgehen?
Ich bin ein Verfechter des Dialogs, auch eines Dialogs der Unterschiede. Das heißt, man muss Differenzen klar aufzeigen und ansprechen. Diesen Dialog müssen wir beibehalten, und zwar nicht nur mit der Regierung, sondern eben auch mit den anderen Strömungen innerhalb Chinas und der Partei. Ein selbstbewusster Dialog mit China, in dem Themen nicht ausgespart werden. Wenn wir uns unserer Werte sicher sind, gibt es keinen Grund, den Dialog mit China zu scheuen.
Ein guter Punkt, aber mich beschleicht ein beunruhigender Verdacht: Sind wir uns denn unserer Werte so sicher?
Ja, in der Tat. Noch im Kalten Krieg war das westliche System selbstbewusst und hatte keine Scheu, in Diskussionen und in den politischen Wettstreit mit anderen Systemen zu treten. Aber heutzutage sind wir eher verunsichert, nicht nur im Amerika mit Trump, sondern auch wir in Deutschland. Durch unsere Zweifel neigen wir im Moment dazu, uns einzuigeln. Und das ist gefährlich. Wenn wir gebückt nach Peking reisen, werden wir dort nicht ernst genommen.
Klaus Mühlhahn ist Sinologe, Gesellschafts- und Kulturwissenschaftler. Seit Juni 2020 ist er Präsident der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Seine neusten Bücher sind:
Nirgendwo auf der Welt wachsen die Weinanbauflächen stärker als in China. Die wichtigste Anbauregion liegt seit den 80er-Jahren im westchinesischen Ningxia, der kleinsten Provinz des Landes am Ostrand der Wüste Gobi. Hier befinden sich mehr als 200 Weinberge. Rund 100 Hersteller keltern hier jährlich 130 Millionen Flaschen – etwa ein Viertel der Produktion des gesamten Landes. Die klimatischen Bedingungen ähneln dem trocken-sonnigen Wetter von Bordeaux in Frankreich. Nur die Winter können hart sein, wodurch die Ernte bisweilen leidet. Trotzdem bauen auch ausländische Traditionskonzerne mittlerweile auf dem mineralreichen Boden an, darunter französische Hersteller wie Pernod Ricard, Moët Chandon, der spanische Hersteller Torres oder der australische Produzent Jacobs Creek.
Der Tourismus in der Region wächst parallel zum Weinanbau. Derzeit empfangen die Wein-Chateaus von Ningxia mehr als 600.000 Touristen pro Jahr. Die Provinz bietet auf kleinem Raum eine einzigartige Kombination von Kulturgütern: Wein, Moscheen, Kaisergräber und große Mauer. Die Landschaft ist vielfältig: Durch Ningxia fließt der Gelbe Fluss, es sind Ausflüge in die Wüste Gobi, in die 3500 Meter hohen Helan-Berge oder das Grasland möglich.
Die Lokalregierung von Ningxia hat jüngst bekanntgegeben, die örtlichen Weinanbauflächen in der muslimisch geprägten Provinz verdreifachen zu wollen. Innerhalb der nächsten fünf Jahre sollen die Anbaugebiete an den Helan-Bergen von 33.000 Hektar auf 67.000 Hektar anwachsen und bis 2035 ganze 100.500 Hektar Rebfläche umfassen. Dann wäre die Fläche genauso groß wie in Deutschland.
Wenn es so weit ist, soll die Region auf einen Produktionswert von mehr als 200 Milliarden Yuan (30 Milliarden US-Dollar) kommen und “global einflussreich” für die internationale Weinindustrie sein, erklärt Sui Pengfei, ein Beamter des Landwirtschaftsministeriums gegenüber dem Wirtschaftsdienst Bloomberg. Der Staat unterstützt das Vorhaben, auch um die Wirtschaft in der drittärmsten Provinz des Landes anzukurbeln. Regelmäßig werden Messen und Verkostungen mit Gästen aus der ganzen Welt veranstaltet. Die Bemühungen zahlen sich aus.
Schon jetzt gewinnen Weine aus Ningxia internationale Wettbewerbe. In einem Schwerpunkt-Report aus dem Jahr 2020 zu chinesischen Weinen von Robert Parker, dem führenden Wein-Bewerter der Welt, stammen vier von zehn der besten Tropfen aus Ningxia. Die Weine sind allerdings im Vergleich zu ihrer Qualität relativ teuer. Das hat mit dem aufwendigen Anbauverfahren zu tun: Für den kalten Winter werden die Reben im Herbst komplett aus der Erde ausgegraben und im Frühjahr wieder eingegraben. Zudem müssen die Eichenfässer noch teuer aus Europa importiert werden. Den ersten internationalen Preis haben Ningxia Weine bereits 2010 gewonnen bei den Decanter World Wine Awards.
Auch anderswo in China wird mittlerweile guter Wein angebaut, die bekanntesten Anbaugebiete sind neben denen in Ningxia:
Obwohl in China schon in der Antike Wein angebaut worden sein soll, steckt die moderne Weinindustrie des Landes noch in den Kinderschuhen. Doch die Branche kommt schnell voran. Längst gilt die Volksrepublik als einer der wichtigsten Wachstumsmärkte für Winzer weltweit. Das Land ist mit 1,24 Milliarden Litern pro Jahr (Stand 2020) zwar bereits der sechstgrößte Wein-Verbraucher der Welt, der Pro-Kopf-Verbrauch beträgt jedoch nur etwa ein Viertel des Weltdurchschnitts. Pro Jahr konsumiert ein Chinese etwa 1,2 Liter Wein, ein Deutscher 21 Liter, ein Portugiese 60 Liter.
Noch gilt Wein in China jedoch vor allem als westliches Luxusprodukt. In Chinas Supermärkten sind Importweine noch immer sehr präsent. Andersherum sind chinesische Weine von Marken wie “Great Wall” oder “Changyu Pioneer” in Europa allenfalls eine Nische. Laut dem örtlichen Zollamt erreichte der Exportwert von Weinen aus Ningxia im vergangenen Jahr dennoch 2,65 Millionen Yuan (400.000 US-Dollar), ein Plus von 46,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Die Lieferungen gingen dabei vor allem in die USA, nach Europa, Australien und Japan.
Klar ist: Je mehr Wein China selbst anbaut, desto weniger Wein muss importiert werden. Im Jahr 2020 sind die Weinimporte bereits um rund 25 Prozent zurückgegangen, während der Weinkonsum kaum gesunken ist. Deutschland ist nach den USA, Frankreich und Italien, der viertgrößte Weinhersteller der Welt. Im vergangenen Jahr haben die Chinesen neun Prozent weniger Wein aus Deutschland gekauft. China gehört zu den fünf wichtigsten Exportländern für deutschen Wein.
Die Reaktion ist pragmatisch und sogar erstaunlich offensiv. Der chinesische Fahrdienstleister Didi Chuxing leidet zwar derzeit unter Angriffen der Regulierungsbehörden Chinas. Jetzt plant das Unternehmen einen Börsengang – und geht betont offen mit seinen regulatorischen Problemen um. Didi listet unverblümt auf, was noch alles von der State Administration for Market Regulation (SAMR) in Peking an Vorwürfen drohen kann. Darunter finden sich Verstöße gegen das Kartellgesetz und “unfaire Wettbewerbsmethoden”.
Der geplante Börsengang von Didi erhält viel Beachtung. Das Unternehmen ist das chinesische Gegenstück zu Uber und zumindest im Heimatmarkt bereits sehr erfolgreich. Eine Bewertung von bis zu 70 Milliarden Dollar ist im Gespräch – damit wäre es eine der wichtigsten Erstnotizen des Jahres. Der Börsengang in New York erfolgt zudem zu einer Zeit, in der viele chinesische Unternehmen dem US-Kapitalmarkt skeptisch gegenüberstehen. Sie befürchten, dort ins Kreuzfeuer von Handelskonflikten zu geraten. Didi zeigt jedoch, dass auch bekannte Namen immer noch Interesse daran haben, sich in Amerika mit Kapital zu versorgen.
Das Störfeuer der SAMR zeigt nun jedoch, dass die Sorge nicht ganz unberechtigt ist, politische Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Die chinesische Regierung nimmt derzeit die Technik-Konzerne des Landes an die kurze Leine. Nach zwei Jahrzehnten stürmischen Wachstums sind diese in den Augen der Mächtigen zu reich und unabhängig geworden. Börsengänge im Ausland fördern das Misstrauen eher noch. Wer mit einem Bein im Ausland steht, droht sich dem Einfluss des chinesischen Staates zu entziehen. An solchen Kandidaten statuiert Peking nun häufiger ein Exempel, wie das Beispiel der Handelsplattform Alibaba und seiner Finanztochter Ant zeigt (China.Table berichtete).
Die Behörden haben im April für Didi und 30 weitere Technikunternehmen eine “Selbstinspektion” angeordnet. Eine Woche, nachdem das Unternehmen seine Börsenpläne bekanntgegeben hat, folgte eine weitere Untersuchung gegen Didi durch die SAMR (China.Table berichtete). Demnach wird geprüft, ob das Unternehmen unlautere Wettbewerbspraktiken angewendet hat, um kleinere Wettbewerber aus dem Markt für Mitfahrdienste zu drängen. Darüber hinaus untersucht die SAMR, ob Didis Preismechanismus bei den Fahrdiensten transparent genug ist.
Dass Didi sein IPO-Prospekt trotzdem eingereicht hat, und das auch noch in den USA, wird als Zeichen gesehen, dass das Management optimistisch ist, dem Schicksal von Ant zu entgehen. Der Börsengang der Alibaba-Tochter war unter dem Ansturm neuer Regulierungsanforderungen zusammengebrochen. Die Signale aus Peking sind jedoch gemischt. Li Shouzhen, Mitglied im beratenden Ausschuss der chinesischen Regierung sagte im März, dass China von der “inklusiven und vorsichtigen Regulierung”, unter der seinen Technologiegiganten ungehindertes Wachstum erlaubt war, zu einer “Wissenschafts- und Innovationsregulierung” übergehe.
Dabei hat Didi in den vergangenen Jahren alle Energien eingesetzt, um eine Monopolstellung bei Fahrdienstanbietern in China zu erlangen. Der Marktanteil liegt nun bei 90 Prozent. Das Unternehmen wurde 2012 von Will Weil Cheng und Jean Qing Liu in Peking gegründet (China.Table berichtete). Den einstmals größten Wettbewerber Kuaidi Dache erledigte Didi 2015 per Übernahme. Nur ein Jahr später übernahm es im August 2016 die Anteile des China-Geschäfts von Uber, nachdem sich der US-Konzern nach fünf Jahren Subventionskrieg mit Didi endgültig aus dem Markt zurückzog.
Mittlerweile ist Didi in rund 4.000 Städten, Provinzen und Landkreisen aktiv und hat sich international in 15 Ländern aufgestellt. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen einen Umsatz in Höhe von 142 Milliarden Yuan erzielt – mehr als 93 Prozent davon in China. Nach eigenen Angaben vermittelt der Dienstleister 30 Millionen Fahrten am Tag für über 500 Millionen aktive Nutzer.
Um auch weltweit am Carsharing-Markt teilzuhaben, kündigt Didi an, 30 Prozent des aus dem IPO eingesammelten Kapital in die Expansion ins Ausland investieren zu wollen. Zuletzt berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg, Didi wolle nach Westeuropa expandieren und noch in diesem Jahr auch in Deutschland, Großbritannien und Frankreich nach Mitarbeitern suchen zu wollen.
Bisher aber hat das Unternehmen noch in keinem Jahr schwarze Zahlen geschrieben. Zuletzt hatte es im vergangenen Jahr einen Verlust von 1,7 Milliarden US-Dollar eingefahren, was auch mit der Corona-Pandemie im Land zusammenhing.
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz rechnen Analysten damit, dass der Fahrdienstanbieter-Markt in diesem Jahr einen Umsatz von über 93 Milliarden US-Dollar erreichen wird. In den kommenden vier Jahren wird ein Umsatzwachstum auf 129 Milliarden US-Dollar prognostiziert.
Weitere 30 Prozent des Geldes aus dem Börsengang will Didi für den Bau eines E-Autos verwenden und in die Forschung für Autonomes Fahren investieren. In Shanghai bietet das Unternehmen bereits autonom fahrende Taxis an. Und mit Volvo kooperiert Didi, um das Modell XC90 zu einem Robotaxi auszubauen. Auch mit dem chinesischen Anbieter von E-Batterien GAC Aion, will Didi künftig autonom fahrende Elektroautos entwickeln.
Der Fahrdienstleister setzt vor allem auf die zunehmende Mobilität der Großstädter in China. Denn für die Metropolen wird prognostiziert, dass die Menschen bis 2040 rund 36 Prozent ihrer Mobilitätsausgaben für Carsharing-Dienste aufwenden werden. Didi dürfte sich bei den Prognosen entspannt zurücklehnen. Denn die Strafgelder der SAMR dürften gegenüber den Wachstumsaussichten gering ausfallen.
Das EU-Instrument gegen wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen wie Sanktionen, Boykotten oder gezielte Negativkampagnen nimmt weiter Form an. Die Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) wird in dieser Woche ihre konkreten Vorschläge für den Abwehrmechanismus der Europäische Union vorstellen. Diese sollen den Block vor wirtschaftlichen Druckmitteln schützen. China steht dabei besonders im Fokus. Eine Taskforce des Thinktanks veröffentlicht am Mittwoch ihren Bericht über die möglichen konkreten Schritte. Der Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission wird für den Herbst erwartet. Bis vergangene Woche holte die EU-Kommission noch Einschätzungen zu dem geplanten Abwehrmechanismus ein.
Das Instrument beinhaltet verschiedene Abwehrmöglichkeiten (China.Table berichtete). Darunter befinden sich Einschränkungen von Investitionen und Einschränkungen beim Zugang zu Daten. Der konkrete Vorschlag der Taskforce wird von mehreren EU-Staaten unterstützt, darunter Deutschland und Frankreich. Das ECFR arbeitete dazu mit Spitzenbeamt:innen, Fachleuten der Wirtschaftsverbände und ausgewählten Parlamentarier:innen zusammen. ari
Die Stadt Shenzhen will die Nutzung selbstfahrender Autos auf öffentlichen Straßen erlauben. In Kürze sollen spezielle Nummernschilder für selbstfahrende Fahrzeuge ausgeben werden. Das zeigt eine neue Regulierung, die noch Ende Juni beschlossen werden soll, berichtet das Wirtschaftsportal Caixin. Shenzhen wäre die erste Stadt in China, die autonomes Fahren legal auf öffentlichen Straßen zulässt (mehr im China.Table). Bisher ist ihre Nutzung auf Tests beschränkt. Nationale Gesetze schreiben derzeit noch vor, dass “intelligente und vernetzte Autos” von einem menschlichen Fahrer beaufsichtigt werden müssen, so Caixin. Shenzhen hat als Sonderwirtschaftszone ein hohes Maß an legislativer Autonomie und kann in vielen Bereichen eigene Regeln erlassen. nib
Medienberichte befeuern das Gerücht, wonach ein hochrangiger chinesischer Spionagechef den USA Beweise zur viel diskutieren Wuhan-Labortheorie vorgelegt hat. Der Mitarbeiter des chinesischen Geheimdienstes Guoanbu, Dong Jingwei, soll nach einer Flucht aus der Volksrepublik im Februar Washington Belege dafür gegeben haben, dass ein Laborunfall im Wuhaner Institut für Virologie der Ursprung des Coronavirus sei, berichteten unter anderem die US-Plattform Daily Beast, die britische The Sunday Times und The Daily Mail. Die Hinweise von Dong sollen demnach dazu geführt haben, dass die US-Regierung unter Joe Biden die viel debattierte Labortheorie nochmals genauer überprüfen lassen wollte. Offizielle Stellungnahmen, weder vonseiten der US-, noch der chinesischen Regierung, gab es zu den Gerüchten zunächst nicht.
Zum möglichen Ursprung des Coronavirus gibt es mehrere Erklärungsansätze. Eine Untersuchungsmission der WHO erklärte in ihrem Abschlussbericht, dass die Labortheorie “extrem unwahrscheinlich” sei. Biden möchte den Ursprung von Corona aber nochmals von den US-Geheimdiensten untersuchen lassen. Der Präsident erklärte Ende Mai, dass ein möglicher Laborunfall in China – ein Vorwurf, den sein Vorgänger Donald Trump lautstark verbreitet hatte – zumindest in Teilen des US-Geheimdienstapparates für möglich gehalten werde. Der deutsche Virologe Christian Drosten hält einen Laborunfall für eher unwahrscheinlich (China.Table berichtet). Er vertrat jüngst in einem Interview die Theorie, der Ursprung des Virus liege in der chinesischen Pelztierproduktion. ari
China hat über eine Milliarde Impfdosen verabreicht. Am Samstag meldete die Nationale Gesundheitskommission Chinas (NHC) offiziell den Stand von 990 Millionen Dosen. Die Impfgeschwindigkeit liegt derzeit bei knapp 20 Millionen Spritzen pro Tag. Die Milliardengrenze wurde also vermutlich im Laufe des Sonntags überschritten. In China sind rund 225 Millionen Menschen vollständig geimpft. Das chinesische Immunisierungsprogramm hat damit nach einem langsamen Start eine fulminante Geschwindigkeit erreicht (China.Table berichtete). fin
Während die Clubs und Konzerthäuser im Westen noch weitgehend geschlossen sind und die Musikwelt um ihre Existenz bangt, darf man in China längst wieder auftreten. Philipp Grefer sieht darin eine Chance aber auch eine Herausforderung: “Einerseits erlebt die chinesische Musik- und Kreativszene gerade einen Boom, der vor allem der lokalen Szene zugutekommt, andererseits fehlt der Austausch mit dem Rest der Welt.” Nur wenige nehmen eine dreiwöchige Quarantäne auf sich, um ins Land zu kommen, beobachtet der Musikmanager. “So muss man zurzeit eher digitale Brücken bauen.”
Der gebürtige Rheinländer, der sein Interesse für Asien ausgerechnet bei einem VWL- und Politik-Studium im kalifornischen San Diego entdeckte, glaubt, dass Kreativität in Zukunft noch mehr mit Technologie verschmelzen wird – und dass China dabei eine Schlüsselrolle spielen wird. Mit dem Label “FakeMusicMedia” fördert Philipp Grefer seit zehn Jahren den Kulturaustausch zwischen Ost und West. Er hat über 300 bekannte Musiker auf Tournee nach China gebracht, darunter große Namen wie Die Toten Hosen.
Seit 2018 organisiert der 40-Jährige außerdem das “WISE”-Festival, ein Treffen zum Thema Digitalisierung, bei dem Akteur:innen aus dem Bereich Technologie, KI und Kreativwirtschaft aus aller Welt zusammenkommen. Im vergangenen Jahr fanden die WISE-Veranstaltungen, zu denen auch viele Konzerte gehören, unter anderem in den Boom-Metropolen Peking, Shanghai, Chengdu und Chongqing statt. “Mich reizt vor allem das rasende Tempo, mit dem hier Geschichte geschrieben wird”, sagt Philipp Grefer. “Das Land ist 2020 zum größten Filmmarkt der Welt aufgestiegen. Was das Musikbusiness angeht, hat sich China in den letzten Jahren von Platz 25 auf sieben vorgekämpft und wird sicherlich in wenigen Jahren Platz eins oder zwei einnehmen”, glaubt er.
Zusammen mit Helen Feng, einer ehemaligen Moderatorin von MTV China und Sängerin der bekannten chinesischen Rock-Band Nova Heart pendelt er zwischen Peking und Berlin, wodurch sich sein Blick für die Unterschiede geschärft hat. “Die Chinesen sind im Gegensatz zu den Deutschen keine Technikpessimisten. Sie stehen neuen Technologien grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber. Ich will gar nicht sagen, was besser ist. Neue Technologien bergen immer Chancen und Risiken. Die Chinesen schaffen aber erst einmal Tatsachen, erst dann werden Fragen gestellt.” Während des Corona-Lockdowns habe ihn fasziniert, wie flexibel viele Künstler auf die Ausgangssperren reagiert haben, indem sie sich umfassend der Online-Welt zuwandten.
Die musikalische Echtzeit-Übertragung aus der Quarantäne fasste durch die stark ausgebaute digitale Infrastruktur in China noch stärker Fuß als bei uns. Chinesische Live-Streaming-Seiten wie “Bilibili” haben eine intuitive Bezahl- beziehungsweise “Geschenkfunktion”. Und da die Konsument:innen in China durch die stark fortgeschrittene Digitalisierung der Zahlungswege heute ohnehin alles online bezahlen, ist die Schwelle viel niedriger, spontan etwas zu spenden. “Ein kleiner Teil der finanziellen Ausfälle konnte so aufgefangen werden”, sagt Philipp Grefer, der sein WISE-Festival in diesem Jahr ebenfalls noch stärker in die Online-Welt verlagert hat.
“Auch 2021 haben wir diese Idee eines dezentralen Festivals, das gleichzeitig online, offline und in virtueller Realität in verschiedenen Ländern stattfindet, weitergeführt”, erzählt Philipp Grefer. Er hat durchaus einen pädagogischen Ansatz: Das Festival will nicht nur den beteiligten Kreativen eine Plattform geben, sondern auch gerade den Europäern ein wenig mehr Chinakompetenz vermitteln. “Für Lösungen globaler Probleme wie der Klimakrise oder die Regulierung der KI, ist es wichtig, das Land zumindest ansatzweise zu verstehen“, so Philipp Grefer. Dazu gehöre es auch, sich vom Klischee zu verabschieden, dass Chinesen nicht kreativ sein könnten. Fabian Peltsch
After five years as plant manager at Audi’s Neckarsulm site, Helmut Stetter is taking on new responsibilities in China. There, he becomes CEO of Premium Platform Electric (PPE), a company newly founded by Audi and the Advanced Training Academy for Industry, which focuses on the electrification of car models.
Marco Schubert is moving from Audi China’s sales division to Porsche, where he will become Head of Region Europe from July 1st. He was previously Head of Sales Asia and Overseas at Skoda. Schubert succeeds Barbara Frenkel at Porsche, who is moving to the Executive Board.
Thomas Nurnberger, CEO of fan manufacturer EBM-Papst China, is now also the Chief Sales Officer (CSO) of the entire EBM-Papst Group.
Nicht viel los im Büro? Toter Zoom-Winkel im Homeoffice? Zeit, Fische zu tätscheln! Denn 摸鱼 mōyú (“Fische tätscheln/streicheln/grapschen”) ist das trendige chinesische Sprachpendant für Faulenzen am Arbeitsplatz. Abgeleitet ist das Internetwort von der alten Redensart 浑水摸鱼 húnshuǐ-mōyú beziehungsweise 混水摸鱼 hùnshuǐ-mōyú, wörtlich “im trüben Wasser nach Fischen grapschen”.
Gemeint war damit ursprünglich, unklare Verhältnisse auszunutzen und von einer undurchschaubaren Situation zu profitieren. Chinas Netzgemeinde hat die klassische Vierzeichen-Redensart (成语 Chengyu) nun auf zwei Schriftzeichen zusammengestaucht und damit Chat- und Emoji-tauglich gemacht. Bürobummler und Tastaturtrödler schieben also in China keine “ruhige Kugel”, sondern streicheln stattdessen gemütlich Sardinen und Co.
Doch damit ist die chinesische Fischphilosophie für die Firma noch längst nicht am Ende. Es gibt nämlich noch einige weitere Redensarten rund ums Flossenvieh mit Bezug zur Arbeitswelt. Am bekanntesten ist wohl der alte Sinnspruch: 授人以鱼不如授人以渔 shòu rén yǐ yú bùrú shòu rén yǐ yú – frei übersetzt: “Gib einem Menschen einen Fisch und du ernährst ihn für einen Tag; lehre ihn fischen und du ernährst ihn für ein ganzes Leben”.
Doch auch beim Fischfang selbst gilt es so einiges zu beachten. Schon die alten Chinesen wussten, dass man es ohne kontinuierliche Anstrengungen und Ausdauer nicht weit bringt. Man kann nicht “zwei Tage lang fischen und drei Tage lang die Netze in der Sonne trocknen” (两天打鱼三天晒网 liǎngtiān dǎyú sāntiān shài wǎng), so eine bekannte chinesische Weisheit. Schließlich ist die Jobwelt manchmal ein Wassertiger-Becken… äh… Piranha-Becken (水虎鱼 shuǐhǔyú – wörtl. “Wassertiger” = Piranha), in dem sich der Stärkere durchsetzt. Oder wie der Chinese sagen würde: wo der größere Fisch den kleineren frisst (大鱼吃小鱼 dàyú chī xiǎoyú – “fressen oder gefressen werden”/”Gesetz des Dschungels”). Und um karrieremäßig zu einem großen Hecht heranzureifen, braucht es – natürlich – genügend Flossenfreiheit. Der Chinese sagt hier wohlwissend: im flachen Wasser lassen sich keine großen Fische halten (水浅养不住大鱼 shuǐ qiǎn yǎngbùzhù dàyú), will heißen: im kleinen entstehen keine großen Talente.
Natürlich steht und fällt das richtige Arbeitsklima auch mit dem Vorgesetzten. Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken, wirft hier der Deutsche ein. Doch da Fischköpfe (鱼头 yútóu) in China gemeinhin als Delikatesse gelten, wird hier ausnahmsweise lieber nicht das Fischmotiv bemüht, sondern stattdessen eine stabile Baumetapher: 上梁不正下梁歪 (shàng liáng bù zhèng xià liáng wāi) – “Ist der obere Balken nicht gerade, hängt auch der untere schief”. Letztlich empfiehlt es sich von übertriebenem Fischkuscheln im Bürosessel abzusehen. Sonst droht man als gebratener Tintenfisch zu enden (炒鱿鱼 chǎoyóuyú) – das nämlich heißt in der chinesischen Umgangssprache “jemanden feuern”.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule www.new-chinese.org.