zu den Ritualen politischer Machtausübung in Peking gehört der Nationale Volkskongress. Schon im Vorfeld des am Freitag beginnenden Treffens tausender “Volksvertreter” feierte die Staats- und Parteiführung das Erreichen eines der wichtigsten politischen Ziele: Die Abschaffung der Armut der chinesischen Bevölkerung. Felix Lee hat hinter das Selbstlob der Regierung geschaut.
Im Zentrum der mehrtägigen Beratungen des Volkskongresses stehen der 14. Fünfjahresplan. Das China.Table-Team wird dem nächsten Tagen die wichtigsten Ziele konkret analysieren. Nico Beckert verschafft Ihnen heute einen Überblick.
Mit großen Worten hatte die italienische Regierung vor exakt zwei Jahren ihre Beteiligung an der Belt and Road Initiative bekanntgegeben. Für die EU-Partner verhieß die zur Schau getragene Nähe zu Peking zunächst nichts Gutes. Doch von der römisch-chinesischen Annäherung ist nicht sehr viel geblieben, schreibt Amelie Richter. Und mit dem neuen Ministerpräsidenten Mario Draghi könnte sich die Entfernung Italiens von Peking noch vergrößern.
Der chinesische Fünfjahresplan ist grundsätzlich kein für fünf Jahre festgeschriebenes Planungsdokument. In ihm wird lediglich der Rahmen der Politik der Partei abgesteckt. Die Ziele werden dann auf Provinzebene und für einzelne Politikbereiche und Branchen interpretiert, konkretisiert und der Realität angepasst.
Der 14. Fünfjahresplan (in der englischen Übersetzung und in der Originalfassung) spiegelt den Kampf um die globale Führerschaft in den Bereichen Wissenschaft und Technologie sowie Innovationen wider. Peking strebt ein Innovations-getriebenes Wachstum an. Wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit soll zum Treiber der nationalen Entwicklung werden. Peking will die “harten Kämpfe um Schlüsseltechnologien erfolgreich führen”. Dazu gehören Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, IT-Technologien, Hirnforschung, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt. Zur Erreichung dieser Ziele sollen unter anderem das nationale Innovationssystem (unter anderem Forschungseinrichtungen) ausgebaut, geistiges Eigentum stärker geschützt, wissenschaftliche Forschungen besser in praktische Anwendungen übertragen, Talente gefördert und die Rolle von Unternehmern bei technologischen Innovationen gestärkt werden.
China will seinen Industriesektor modernisieren. Die Produktion soll grüner und effizienter werden. Neben den oben genannten technologischen Bereichen zählen dazu neue Energien und Materialien, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, grüne und umweltfreundliche Produkte, die Schiffsausrüstungsindustrie (“marine equipment industry”), Digitalisierung sowie Big Data. Erst Anfang des Jahres launchte die chinesische Suchmaschine Baidu eine App mit vergrößerter Schrift sowie eine Frage-Hotline für ältere Nutzer und kurbelt damit die Silberhaar-Economy an. Entwicklungen in diesen Sektoren sollen durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur – unter anderem der 5G-Netze, das industrielle Internet, Big Data-Zentren – vorangetrieben werden.
Aufschlussreich sind in diesem Bereich auch die eher die im Fünfjahresplan in Nebensätzen formulierten Ziele. Peking will beispielsweise “minderwertige und redundante Bauprojekte” verhindern – hier sollte es um wohl vor allem um Geisterstädte handeln, die lediglich der künstlichen Aufblähung von Wachstumszahlen dienen. Zu den redundanten Investitionen der letzten Jahre gehört auch der gleichzeitige massive Ausbau von (Regional-)Flughäfen und Hochgeschwindigkeitszügen zu identischen Destinationen. Ein jüngst veröffentlichter Infrastrukturplan zeigt: Peking will bis 2035 noch 162 neue Flughäfen bauen und die Gesamtzahl somit auf 400 erhöhen. Gleichzeitig soll das Netzwerk der Hochgeschwindigkeitszüge bis 2035 auf 70.000 km fast verdoppelt und in den Ausbau von Autobahnen investiert werden. Abzuwarten bleibt, inwiefern es dabei gelingt, redundante Investitionen zu verhindern.
Der 14. Fünfjahresplan sieht vor, den Anteil des Industriesektors am Bruttoinlandsprodukt konstant zu halten. Daneben soll der Dienstleistungssektor ausgebaut und “die Entwicklung des Gesundheitswesens, der Altenpflege, der Kinderbetreuung, der Kultur-, Sport-, Hauswirtschafts-, Immobilien- und anderer Dienstleistungsindustrien” beschleunigt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt des 14. Fünfjahresplans ist die sogenannte Dual-Circulation-Strategie. Sie sieht vor, den einheimischen Wirtschaftskreislauf zur tragenden Säule eines “neuen Entwicklungsansatzes” zu machen – ohne jedoch den Export zu vernachlässigen. Dazu soll die einheimische Nachfrage unter anderem durch das Wachstum der Mittelschicht und die Erhöhung der Einkommen armer Haushalte, die “moderate Erhöhung” der Löhne und die Milderung der Ungleichheit gestärkt werden (China.Table berichtete). Überraschend ist hier, dass China seine internationale Zahlungsbilanz ausgleichen will. Ob damit auch eine ausgeglichene Handelsbilanz einhergeht oder dieses Ziel nur der Besänftigung der Vorwürfe eines hohen Exportüberschusses dient, bleibt abzuwarten.
Zum Spannungsfeld zwischen privaten und staatlichen Unternehmen bleibt der 14. Fünfjahresplan vage. Einerseits will man staatliche Unternehmen “stärken, optimieren und vergrößern”, andererseits plane man, das Umfeld zur Entwicklung des Privatsektors zu optimieren. Der Widerspruch, dass staatliche Konglomerate private Unternehmen mitunter vom Markt verdrängen, das Wachstum von Staatsunternehmen also nicht immer im Sinne des Privatsektors liegt, bleibt im Fünfjahresplan unbeantwortet.
Auch soll der Marktzugang für ausländische Unternehmen und Investoren verbessert werden. Dazu gehört auch die weitere Öffnung des Dienstleistungssektors – allerdings “in geordneter Weise”. Auch hier stellt sich die Frage: Was ist wirklich Ziel? Wird hier dem Ausland, speziell Europa, die Hand gereicht? Oder will der Drache unabhängiger vom Westen werden? Die “legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen im Ausland”, will Peking “standhaft verteidigen”.
Peking hat diagnostiziert, dass “Chinas Probleme einer unausgewogenen und unzureichenden Entwicklung prominent bleiben”. Hierzu gehören auch “Defizite bei der Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen“. Um diese Probleme zu lösen, sollen – neben der Erhöhung der Einkommen – auch Umverteilungssysteme “verfeinert”, Arbeitsplätze geschaffen und das Bildungs- sowie das Steuer- und Sozialsystem gestärkt werden. China will unter anderem den gleichberechtigten Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen verbessern, ein “mehrstufiges, mehrsäuliges Rentensystem entwickeln”, ein Pflegeversicherungssystem auf – und das Krankenversicherungssystem ausbauen. Auch das Gesundheitssystem soll gestärkt werden. Die Ergebnisse der Armutsbekämpfungskampagne sollen konsolidiert und erweitert werden.
Die niedrige Geburtenrate und die Überalterung der Gesellschaft sollen durch eine langfristige Bevölkerungspolitik und politische Maßnahmen zur Familienplanung bekämpft werden. Und auch bei der Urbanisierung hat Peking Probleme erkannt: “Häuser sollen zum Wohnen und nicht zur Spekulation genutzt werden“, heißt es im Vorschlag zum Fünfjahresplan. Der chinesische Wohnungsmarkt in Peking beispielsweise ist seit Jahren unerschwinglich. Nun soll das Angebot an bezahlbarem Wohneigentum und Mietwohnungen erhöht werden.
Auch das Ziel der “Priorisierung der ländlichen Entwicklung” ist vor dem Hintergrund der Diagnose einer “unausgewogener Entwicklung” zu betrachten. Es hat einen eigenen Abschnitt im 14. Fünfjahresplan und beinhaltet die Entwicklung der Landwirtschaft, den Anstieg der Einkommen der Bauern und die Entwicklung der ländlichen Ökonomie. Peking hat “ein hohes Land-Stadt-Gefälle in der regionalen Entwicklung und Einkommensverteilung” ausgemacht und will es mit einer Strategie der “ländlichen Revitalisierung” überwinden.
Das Thema Umweltschutz und Klimawandel wird mit der blumigen Aussage eingeleitet, dass “grüne Entwicklung der Weg zum Wohlstand” sei. Zum Umwelt- und Klimaschutz will Peking “grüne Produktions- und Lebensweisen auf breiter Basis” voranbringen. Dazu gehört unter anderem der grüne Umbau von Schlüsseltechnologien, die Förderung kohlenstoffarmer Energien, grüne Innovationen, der Aufbau eines grünen Finanzsystems und die Formulierung eines “Aktionsplans, um den Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen vor 2030 zu erreichen”.
Gleichzeitig steht an anderer Stelle des 14. Fünfjahresplans, dass Peking die inländische Öl- und Gasexploration stärken und den Bau von nationalen Öl- und Gaspipelines beschleunigen will.
Zum Thema Kohle – Chinas wohl größtem CO2-Problem – steht im Vorschlag des Zentralkomitees für den Fünfjahresplan nichts. Allerdings wurde kürzlich ein “Rundschreiben” des Staatsrates zum Thema veröffentlicht. Bis 2025 soll die “grüne Transformation” des Produktions- und Konsumsystems demnach “erste Formen annehmen” und bis 2035 deutlich beschleunigt werden. Zum Beispiel sollen grüne Reformen in der Stahl-, Petrochemie-, Chemie-, Baustoffindustrie und anderen Branchen durchgeführt werden. Erneuerbare Energien sollen einen größeren Anteil am Stromverbrauch ausmachen. Neue Kohlekapazitäten sollen demnach strikt kontrolliert werden. Der Anteil sogenannter “grüner Kohle” an der installierten Kohlekapazität soll ausgebaut werden.
Weitere Details aus dem Entwurf des Aktionsplans für den Klimaschutz sowie die Frage nach “geeigneten” Kommunen für die vorzeitige Erreichung des Emissions-Gipfels hat Christiane Kühl für Sie aufbereitet.
Wie schon in vorherigen Fünfjahresplänen ist die Stärkung des chinesischen Militärs und seiner “Gefechtsbereitschaft” auch Bestandteil des 14. Fünfjahresplans. Dazu gehört vor allem die Modernisierung der militärischen Waffen und Ausrüstung.
Einen so langen Artikel gleich an vorderster Stelle hat es in der Volkszeitung, dem Parteiorgan der Kommunistischen Führung, seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. 22.500 Schriftzeichen umfasste der Text, der sich auf über fünf Zeitungsseiten erstreckte und am vergangenen Mittwoch erschien. Das Thema: Chinas Überwindung der extremen Armut.
Entsprechend prunkvoll war auch der Festakt am Tag darauf in der Großen Halle des Volkes: Als “historisch” pries Staats- und Parteichef Xi Jinping die Armutsbekämpfung in seiner Rede. Seit Beginn der Wirtschaftsreformen Ende der 1970er-Jahren sei es dem Land und der Partei gelungen, 770 Millionen Menschen aus der extremen Armut zu befreien. Kein anderes Land könne das von sich behaupten. Xi sprach von einem “menschlichen Wunder”.
Keine Frage: Chinas Bekämpfung der extremen Armut ist eine enorme Leistung, an der auch die Regierung unter Xi ihren Anteil hat. Lag die Zahl der Ärmsten, die von weniger als 1,70 US-Dollar am Tag lebten, in seinem Amtsantrittsjahr 2012 noch bei rund 100 Millionen, gehört dieser Gruppe der Nationalen Statistikbehörde zufolge in China seit vergangenem Jahr nun niemand mehr an.
Damit ist Armut in der Volksrepublik zwar noch lange nicht überwunden, wie das die Rede des chinesischen Staatspräsidenten suggeriert. Zudem gibt es bei der Erhebung unterschiedliche Maßstäbe. In China gilt für die extreme Armut eine Schwelle von umgerechnet zwei US-Dollar täglichem Einkommen pro Person. Das ist zwar etwas höher, als der Wert, den die Weltbank als Schwelle mit umgerechnet 1,90 US-Dollar angibt.
Doch weil der Lebensstandard für viele Chinesen deutlich gestiegen ist, damit allerdings auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten, zählt die Weltbank China inzwischen zu den Ländern mit mittlerem Einkommen. Das wiederum führt dazu, dass sie für die Volksrepublik 4,88 US-Dollar pro Tag und Person ansetzt, ab der die Menschen nicht mehr als extrem arm gelten. Nach dieser Berechnung lebt ein Viertel der chinesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle. In absoluten Zahlen wären das immer noch mehr als 300 Millionen Menschen.
Trotzdem lässt sich nicht bestreiten, dass sich das materielle Wohlbefinden so ziemlich aller Menschen in der Volksrepublik massiv verbessert hat. Zu Beginn der Reformen 1980 lebten rund eine Milliarde Chinesen von weniger als einem US-Dollar pro Haushalt am Tag. Das Land zählte zu einem der ärmsten Länder der Welt. Nun haben der amtlichen Statistikbehörde zufolge rund 800 Millionen Menschen ein Haushaltseinkommen von umgerechnet rund 16 US-Dollar am Tag. Rund 400 Millionen Menschen von ihnen verfügen der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (Cass) zufolge gar über ein Jahreseinkommen zwischen 9.000 und 75.000 US-Dollar. Das entspricht westlichem Niveau. Rund 600 Millionen Chinesen – vor allem auf dem Land – leben zwar von im Schnitt etwa 2.000 US-Dollar im Jahr. Doch auch das entspricht mehr als eine Verfünffachung im Vergleich zu 1980.
Ziel der kommunistischen Führung in den vergangenen Jahren war es, immer mehr Menschen in die Mittelschicht zu holen. Und da Armut in China fast identisch ist mit dem Leben auf dem Land, lautete die Losung, die Menschen auf dem Land zu “urbanisieren”. Sprich: Sie sollten nicht mehr länger nur von wenig mehr als ihren zugeteilten Parzellen leben, sondern wie die städtische Bevölkerung in die neu errichteten Wohnblocks ziehen, Arbeit in der Industrie oder im Dienstleistungssektor finden und auf diese Weise zu mehr Wohlstand kommen.
Das war der Grund, warum in den vergangenen Jahren im ganzen Land Zehntausende neue Satellitenstädte aus dem Boden gestampft wurden. Damit einher gingen allerdings auch mehr oder weniger freiwillige Umsiedlungen von Millionen von Bäuerinnen und Bauern. Wer in diese Städten umzog, verdiente über kurz oder lang tatsächlich mehr als ihre Mitmenschen auf dem Land.
An dieser Strategie will Chinas Führung grundsätzlich zwar auch weiter festhalten. Inzwischen hält sie es aber für möglich, den Wohlstand zumindest eines Teils der noch verbliebenen ländlichen Bevölkerung zu steigern, ohne sie zu “urbanisieren”. Die KP Chinas hat jüngst eine “Nationale Verwaltung für die Wiederbelebung des ländlichen Raums” gegründet. Was diese neue Behörde genau leisten soll, dürfte im 14. Fünfjahresplan stehen, der von den Delegierten des Nationalen Volkskongress in den nächsten zwei Wochen abgenickt wird.
In die Antrittsrede von Mario Draghi als neuer italienischer Ministerpräsident schaffte es die Volksrepublik nur mit einer Erwähnung: Mit Besorgnis werde der Anstieg von Spannungen in Asien rund um China verfolgt, so Draghi. Mit dem Satz in der Rede vor dem Senat machte der ehemalige EZB-Chef die Haltung seiner Regierung deutlich. Der Ton der Musik zwischen Rom und Peking hat sich innerhalb von nur zwei Jahren merklich verändert. Mit Draghi im Palazzo Chigi erwartet China ein weniger gefälliger Partner. Das Verhältnis zur Volksrepublik wird ein entscheidender Punkt auch für die Beziehung zu Brüssel werden.
Denn dort hatte nicht zuletzt das “Memorandum of Understanding” zwischen den beiden Staaten, das im März 2019 Italiens Beteiligung am chinesischen Megaprojekt zum Ausbau der Handelswege entlang der ehemaligen Seidenstraße, der “Belt and Road Initiative” (BRI) besiegelte, für Misstrauen gesorgt. Drei Tage war Chinas Präsident Xi Jingping dafür eigens nach Rom angereist. Gemeinsam mit dem damaligen Premierminister Giuseppe Conte nahm er daran teil, als der italienische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio, und der chinesische Vorsitzende der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, He Lifeng, ihre Unterschriften unter das Rahmenabkommen setzten. Als erster G7- und EU-Gründungsstaat wurde Italien Teil der BRI – auf symbolischer Ebene war das keine Kleinigkeit. Und nicht zuletzt nährte sich das Brüsseler Misstrauen daran, dass in Italien eine Koalition der beiden Anti-Establishment-Parteien der Fünf-Sterne-Bewegung und Lega regierte.
Diese zerbrach im Sommer 2019, im September erhielt Italien eine neue Regierung aus Fünf Sterne und einer Koalition sozialdemokratischer Parteien. Diese zerfiel Anfang dieses Jahres – und nun also Draghi. Ein wenig Stabilität täte Italien auch für die Außenpolitik gut, findet die italienische Journalistin und China-Expertin Giulia Pompili. Die komplizierten politischen Ereignisse, der Wechsel der Mehrheiten und der Regierungen in Italien hätten Italien in den Augen der asiatischen Länder unattraktiv gemacht, erklärt Pompili China.Table. “Die italienische Politik war zu wenig kohärent und kompliziert, um effektiv damit umzugehen.” Mit Draghi trete nun auch jemand auf die Bühne, der international bekannt sei – und der seine Agenda deutlich in Richtung Brüssel und USA ausrichte, so die Journalistin von Il Foglio.
Spannend ist die Position von Di Maio, der das Memorandum als Wirtschaftsminister mit unterzeichnete, und jetzt italienischer Außenminister ist. Beobachter sprechen bei ihm von einer “Bekehrung” in Richtung EU und USA. Die italienische Regierung sei nun klarer innerhalb des europäischen und transatlantischen Paktes ausgerichtet, sagt Pompili. In einem potentiellen Konflikt zwischen dem China eher positiv geneigten Di Maio und dem neuen Regierungschef Draghi würde sich aber eindeutig Draghi durchsetzen, ist sich die Journalistin sicher.
Eine gewisse Abkehr von Peking sei bereits im zweiten Kabinett Contes sichtbar gewesen, sagt Francesca Ghiretti, Analystin der italienischen Denkfabrik Istituto Affari Internazionali (IAI). Eine so enge Verbindung zwischen Peking und Rom, wie sie Ende 2018 zu sehen gewesen sei, gebe es nicht mehr. “Ich denke nicht, dass sich das viel mit Draghi ändern wird”, so Ghiretti. Die Unterzeichnung des Memorandums sei mehr eine politische Geste gewesen. Die amtierende Regierung werde nicht verlegen sein, italienische und europäische Interessen zu verteidigen und China notfalls in die Schranken zu weisen, sagt die Analystin.
Aber auch mit Brüssel läuft bei Weitem nicht alles perfekt: Öffentlich gebe es eine gewisse Frustration, was die Corona-Impfkampagne angehe, so Ghiretti. Auf politischer Ebene hat der Abschluss des Investitionsabkommens CAI Ghiretti zufolge zu einem gewissen Unmut geführt: “Italien hätte gern eine prominentere Rolle in den Verhandlungen und dem Abschluss gehabt, wurde aber an die Seitenlinie gedrängt.” Mit Draghi, dessen Name innerhalb der EU bekannter ist als der seines Vorgängers, könnte sich diese Angelegenheit jedoch erledigen, meint die Analystin. Rom ist demnach generell glücklich mit dem Inhalt des CAI, das Abkommen wird als Möglichkeit für italienische Unternehmen gesehen, mehr Platz auf dem chinesischen Markt einzunehmen.
Derweil stockt die Umsetzung des BRI: Hier müsse unterschieden werden, über welche Bereiche und welchen Zeitrahmen gesprochen wird, sagt Ghiretti. Neue Konnektivitäts-Projekte wie beispielsweise Häfen stünden derzeit nicht in der Pipeline. Vor Kurzem sei ein Terminal im Port von Vado Ligure in der Nähe Genuas fertiggestellt worden. Dieser gilt offiziell als Teil der BRI – wurde aber tatsächlich bereits 2008 begonnen. “Das ist also keine Folge des Memorandums”, so Ghiretti. Im Finanzbereich seien jedoch einige neue Projekte abgeschlossen worden, es gebe neue Plattformen für den Austausch zwischen italienischen und chinesischen Partnern. Auch die vereinbarte Rückgabe einiger archäologischer Artefakte sei abgeschlossen.
Auch die chinesisch-italienische Weltraummission CSES (China Seismo-Electromagnetic Satellite) zur Überwachung von elektromagnetischen Feldern und Wellen, Plasmaparametern und Partikelflüssen wird fortgesetzt. Im Rahmen des Limadou-Projekts trägt Italien beispielsweise die elektrischen Felddetektoren (EFD) und Detektoren zur Erkennung von Hochenergie-Partikeln (HEPD-02) für den Satelliten CSES-02 bei. Der Start ist für März 2022 geplant. Die voraussichtliche Dauer der Zusammenarbeit beträgt sechs Jahre.
Bei den chinesischen Direktinvestitionen gehört Italien nach Großbritannien und Deutschland zu den drei größten Empfängern in Europa, wie die in Hongkong ansässige Beratungsfirma Dezan Shira & Associates aufführt. Demnach erreichten die chinesischen Direktinvestitionen im Jahr 2019 in Italien 17,4 Milliarden US-Dollar. Zu den Hauptinvestitionen Chinas gehörte 2015 die Übernahme von 17 Prozent des Reifenherstellers Pirelli für 7,9 Milliarden US-Dollar durch das chinesische Staatsunternehmen ChemChina. Chinesische ausländische Direktinvestitionen erstrecken sich über eine Vielzahl von Branchen in Italien, darunter Unterhaltungs-, Robotik- und Luxusmarken. Auch der Energiesektor ist ein wichtiges Investitionsziel: 2014 erwarb Chinas State Grid für 2,4 Milliarden US-Dollar einen Anteil von 35 Prozent an dem Netzunternehmen CDP Reti.
Die Corona-Pandemie brachte Italien finanziell in Bedrängnis – damit stieg auch die Sorge, China und andere ausländische Player könnten vermehrt notleidende Firmen aufkaufen. Italien reagierte und erweiterte im April 2020 die sogenannten “Golden Power”-Regeln zur Überprüfung von ausländischen Investitionen.
Auch in China wurde Draghis Einzug in den Palazzo Chigi begrüßt: Die staatliche Tageszeitung China Daily widmete dem italienischen Premier eine Reihe von Artikeln und nannte ihn “den Retter der Eurozone”. Einer der ersten Tests für Draghi in Bezug auf die Beziehung zu Peking wird nun das Abkommen zwischen Italien und China zur Beseitigung der Doppelbesteuerung von Einkommen sein. Beobachtern zufolge könnte die Vereinbarung die italienische Staatsverschuldung und damit BTP-Anleihen interessant für Investoren aus China machen.
Für über Rom und Peking schreibende italienische Journalisten bietet der Antritt des ehemaligen EZB-Chefs auch nicht zuletzt Futter für Wortspiele: Denn “draghi” bedeutet “Drachen” in der Pluralform – und mythologisch bedingt wird die Volksrepublik häufig mit einem Drachen, dem Fabelwesen Long, dargestellt.
Und Rom hat es mit einem großen Drachen zu tun: Italiens Exporte nach China beliefen sich 2019 laut der Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen auf 14,52 Milliarden US-Dollar. Demnach entfiel der größte Anteil mit einem Wert von rund 4,4 Milliarden US-Dollar auf “Maschinen, Kernreaktoren und Kessel”. Im selben Jahr exportierte Italien laut der Datenbank pharmazeutische Produkte für 1,1 Milliarden US-Dollar in die Volksrepublik. Fahrzeuge und Kleidung kommen auf dem dritten und vierten Platz. Die italienischen Importe aus China kommen im selben Zeitraum jedoch auf mehr als das Doppelte: Laut Comtrade-Datenbank beliefen sich diese im Jahr 2019 auf 35,45 Milliarden US-Dollar. Davon rund 7,5 Milliarden US-Dollar an Elektroartikeln, außerdem Maschinen für rund 6,3 Milliarden US-Dollar und Kleidung für rund 1,6 Milliarden US-Dollar.
Für italienische Firmen in der Volksrepublik war das vergangene Jahr einer Befragung der italienischen Handelskammer in China zufolge ein gemischtes: Nur fünf Prozent der befragten Firmen gaben demnach an, ein “überdurchschnittliches Jahr” mit einem Umsatzanstieg von etwa 50 Prozent gegenüber 2019 gehabt zu haben. Gut ein Drittel der Unternehmen der Handelskammer ist nach deren Angaben in der Dienstleistungsbranche aktiv, darunter beispielsweise strategische, rechtliche und finanzielle Beratung, Logistik und Versicherungsfinanzdienstleistungen. Das verarbeitende Gewerbe stellt jedoch mit mehr als 42 Prozent die größte Gruppe der in China tätigen italienischen Unternehmen. Die meisten der Firmen sind der Handelskammer zufolge im Osten Chinas, beispielsweise in Anhui, Jiangsu, Shanghai und Zhejiang ansässig.
Corona-Impfstoffe aus chinesischer Herkunft gewinnen offenbar auch in der deutschen Bevölkerung Akzeptanz. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sagten zwischen 35 und 50 Prozent der rund 5000 Befragten, sie könnten sich vorstellen, mit einem chinesischen Corona-Impfstoff geimpft zu werden, wenn dieser in der EU zugelassen ist. Vor einem Monat noch hatte die weit überwiegende Mehrheit der von Civey Befragten eine Impfung mit chinesischem oder russischem Impfstoff angelehnt. Die repräsentative Befragung fand in der vergangenen Woche exklusiv für China.Table statt. Die Frage lautete: “Würden Sie sich mit einem chinesischen Corona-Impfstoff impfen lassen, wenn dieser in der EU zugelassen wird?” asi
Laut den Daten der chinesischen Statistikbehörde NBS vom Sonntag wächst Chinas Industrie so langsam wie seit neun Monaten nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex sank im Februar auf 50,6 Punkte, noch im Januar lag er bei 51,3 Zählern. Damit signalisiert Chinas verarbeitendes Gewerbe, dass es zwar noch wächst, aber langsamer als erwartet. Ökonomen rechneten für den Monat Februar mit einem besseren Ergebnis und erwarteten nur einen Rückgang auf 51,1 Punkte.
Vor allem die sinkende Aufträge aus dem Ausland und die Feiertage zum Chinesischen Neujahr haben die Stimmung offenbar getrübt. So fiel der Teilindex für Auslandsaufträge auf 48,8 Punkte, nach 50,2 Zählern im Januar. Zu den Neujahrsfeierlichkeiten kommt die wirtschaftliche Aktivität meist zum Stillstand. niw
Eine europäische interparlamentarische Gruppe möchte den Druck auf die EU-Regierungen erhöhen, Taiwan als eigenständigen Partner und unabhängig von China zu behandeln – und findet damit Zuspruch. Der sogenannte Formosa Club erlebt seit seiner Gründung im Oktober 2019 stetig Zulauf, bestätigt der Europaabgeordnete und Mitbegründer Michael Gahler (CDU) China.Table. Ziel der Gesprächsplattform sei es, grenzüberschreitend mehr Aufmerksamkeit und Interesse für die Thematik zu erreichen. Konkret fordert der Formosa Club beispielsweise, dass die EU-Kommission beginnt, mit Taipeh über ein bilaterales Investitionsabkommen zu verhandeln und dass Taiwan in internationalen Organisationen wie der WHO als eigenständiger Partner auftreten kann.
Gegründet wurde die Gruppe vor gut eineinhalb Jahren von Europaabgeordneten sowie Parlamentariern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Mittlerweile gehören der pro-taiwanischen Gruppe mehr als 100 Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten unter anderem in Italien, Belgien, der Slowakei, Schweden und der Tschechischen Republik an, so Gahler. Bisher handele es sich um eine “lockere Plattform”, so der Europapolitiker. In Zukunft werde auch über Online-Veranstaltungen nachgedacht. Innerhalb des Europäischen Parlaments könne über die Plattform beispielsweise auf Resolutionen mit Taiwan-Bezug hingewiesen werden.
“Wir sind unzufrieden, wie unsere Regierungen mit taiwanischen Partnern umgeht”, sagt Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch (CDU), ebenfalls Mitbegründer des Formosa Clubs. Taiwan habe ein demokratisch gewähltes Parlament und werde “wie die Parias” behandelt, weil China wirtschaftlich mächtiger sei, kritisiert Willsch. Die Gruppe wolle neben außenpolitischen Anliegen auch kulturellen und wissenschaftlichen Austausch fördern, beispielsweise Kooperationen von Universitäten zwischen Europa und Taiwan. ari
Chinas Kohleverbrauch sank im vergangenen Jahr nach Angaben des Nationalen Statistikamts in Peking, die am Sontag veröffentlicht wurden. So machte Kohle 56,8 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes im Jahr 2020 aus und lag damit 0,9 Prozentpunkte unter dem Anteil von 2019. Da allerdings der Energieverbrauch der Volksrepublik im vergangenem Jahr um 2,2 Prozent zunahm, stieg der Kohleverbrauch insgesamt um 0,6 Prozent.
Seit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im September 2020 in seiner Rede vor den Vereinten Nationen versprach, dass sein Land bis 2060 klimaneutral sein werde, sind die Behörden im Land bemüht, den Kohleverbrauch des Landes zu senken.
Auch wenn Xi wie üblich keine Details bekannt gab, wie es China schaffen will bis 2060 Kohlenstoff-Neutralität zu erreichen, kündigte er bereits für 2030 einen Wendepunkt ein. Ab dann müsste der Ausstoß von Emissionen ihren Höhepunkt erreicht haben, um dann in den darauffolgenden 30 Jahren drastisch zu sinken.
Ein Vorschlag zur Beschleunigung der Einführung sauberer Energie in China besteht darin, den Anteil der Kohle am Energiemix bis 2025 auf 52 Prozent zu senken, so Bloomberg, die auch betonten, dass nach wie vor eine Kluft zwischen Chinas ehrgeizigen klimaneutralen Zielen und dem Wunsch seiner Unternehmen, ein halsbrecherisches Wachstum aufrechtzuerhalten, bestünde. niw
Mit der testweisen Einführung des digitalen Renminbis zeigt China wieder einmal, dass es Standards in digitalen Schlüsselbereichen setzen und technologisch umsetzen kann, während Europa im Prozess des Nachdenkens verharrt (China.Table berichtete). Die Herangehensweise der Chinesen ist einfach schneller und trotzdem nicht voreilig. Während wir Europäer am liebsten so lange tüfteln, bis die scheinbar beste Lösung gefunden und uns gegen alle erdenklichen Risiken abgesichert sind, gehen die Chinesen in kleinen Schritten voran. Dieses Vorgehen ist der Schlüssel zum Erfolg: Eine Entscheidung, die man in der staatlichen Innovationsförderung und -regulierung schnell trifft und gegebenenfalls schon nach kurzer Zeit wieder korrigiert, ist immer noch besser, als eine Entscheidung, die fünf Jahre lang gar nicht getroffen wird. In China forscht die Zentralbank bereits seit 2014 an einem nationalen Stable Coin. Ende letzten Jahres erfolgte dann der testweise Start verteilt über vier verschiedene Provinzen. Quasi nebenbei gewöhnen sich die Bürger, an eine neue Basistechnologie. Die Vorbereitungen für einen globalen Roll-out sind dabei schon deutlich fortgeschrittener als viele internationale Beobachter vermuten, dazu später mehr.
Nach aktuellem Entwicklungsstand wird der digitale Renminbi auf einer zweistufigen Infrastruktur ausgegeben. Auf der ersten Stufe definiert die Zentralbank digitale Renminbis innerhalb der bestehenden Geldbasis. Das ist beispielsweise durch Schaffung neuen Geldes, aber auch durch den Eintausch von bestehendem Bargeld systemintern möglich. Dieses digitale Geld gibt die Zentralbank schließlich an die Geschäftsbanken und Finanzinstitute aus. Dieser zentral emittierte digitale Renminbi dient damit streng genommen in erster Linie nur dem Interbankenverkehr.
Auf der zweiten Stufe geben die Finanzintermediäre den digitalen Renminbi an ihre Endkunden weiter. Dafür nutzen sie ihre eigenen technischen Infrastrukturen. Jene Vermittlerebene soll einem etwaigen Bank-Run vorbeugen und die Stabilität der Geschäftsbanken schützen. Retailkunden erhalten nämlich niemals direkt von der Zentralbank digitales Geld. Dieses Modell hat nicht nur Vorteile für die Stabilität des Finanzsystems, sondern ermöglicht auch eine hohe Transaktionsgeschwindigkeit.
Nach eigenen Auskünften soll der Fokus des digitalen Renminbis auf dem Einzelhandel im Inland liegen. Bis auf Geschäftsleute, sollen sich Ausländer zu Beginn nicht beteiligen können. In diesem Zusammenhang geben die Chinesen vor, das Credo zu verfolgen, kein Staat der Welt dürfe mit der Einführung einer digitalen Währung die Souveränität der Währung eines anderen Staates aushöhlen. Aus der Beobachter-Perspektive könnte man den Eindruck gewinnen, die chinesischen Bemühungen dienten vor allem dem Ziel, die Dominanz des US-Dollars im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu reduzieren. Wie das gehen könnte und wie die Chinesen bereits heute systematisch darauf hinarbeiten, später.
Aus Nutzersicht ließe sich nun die Frage stellen, warum noch eine zusätzliche Wallet App herunterladen? So ist es doch über Alipay und WeChat Pay schon heute möglich, dass Händler und Kunden miteinander kommunizieren. Die Integration der Zahlungsmöglichkeit ist ja gerade das Komfortable, was viele Nutzer schätzen. Im Gegensatz zu Alipay und WeChat Pay wäre der digitale Renminbi hingehen eine wirkliche digitale Währung, nicht nur ein digitales Abwicklungstool. Und perspektiv könnte die Integration des digitalen Renminbis staatlich erzwungen werden.
Mit einem Pseudonym können Bürger beim Zahlungsverkehr mit kleinen Geldmengen mit ihrer E-Renminbi Wallet sogar anonym bezahlen, ohne dass hier eine Identifikation erforderlich ist. Insgesamt sind drei verschiedene Identifikationsebenen vorgesehen, nach dem Prinzip: Je mehr Gelder bewegt werden, desto mehr Informationen werden zur Registrierung notwendig und desto umfangreicher muss die Identität verifiziert werden. Damit soll Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wirksam kontrolliert werden. Dennoch stellt sich hier auch die Frage, wie die Informationen zu Geldströmen auf individueller Ebene durch die chinesische Regierung erfasst und verarbeitet werden (Stichwort Social Scoring).
Insgesamt aber kann die chinesische Digitalwährung die Volkswirtschaft stärken, indem sie den Zahlungsverkehr entbürokratisieren und viel günstiger gestalteten kann. Sie ließe mithilfe von smart contracts eine automatisierte Dokumentation von Geschäftsvorfällen über viele Stufen kostengünstig zu. Durch das schnelle Voranschreiten der Chinesen im Bereich der Digitalwährung können große Wettbewerbsvorteile entstehen. Und zwar nicht nur durch die Währung an sich, sondern durch die zugrundeliegende technische Infrastruktur. Wer zuerst eine relevante Nutzerbasis erreicht hat und darüber lernen kann, formuliert die Spielregeln für diese neue Basistechnologie.
Wie weit die Chinesen in ihren Bemühungen schon sind, zeigen die neuesten Entwicklungen: Im Januar 2021 hat die chinesische Zentralbank über ihr ‘Digital Currency Research Institute and Clearing Centre’ mit der in Europa ansässigen ‘Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication’ (SWIFT) ein Joint Venture gegründet. SWIFT betreibt das international dominierende Netzwerk für grenzüberschreitende Zahlungsabwicklungen, an das weltweit über 11.000 Finanzinstitute aus über 200 Ländern angeschlossen sind.
Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass der Zahlungsverkehr noch immer stark vom US-Dollar dominiert wird. Etwa 50 Prozent der grenzüberschreitenden Transaktionen im SWIFT-Netzwerk werden in US-Dollar ausgeführt. Der Renminbi hingegen hat trotz der hohen chinesischen Einwohnerzahl nach wie vor nur einen Anteil von unter zwei Prozent. Zudem hat die USA in der Vergangenheit mehrfach versucht, über das SWIFT-System politischen Einfluss zu nehmen. Die Partnerschaft mit SWIFT ist daher aus Sicht Chinas ein geschickter Schachzug, um bestehende Abhängigkeiten in grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu vermindern.
Für SWIFT ist die Partnerschaft eine intelligente Möglichkeit, seinen Einfluss in der Zahlungsabwicklung mit Digitalwährungen auszubauen und neues Terrain zu erschließen. Denn insbesondere im Bereich der Zahlungsabwicklung und automatisierten Dokumentation erhofft man sich erhebliche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen durch den Einsatz digitaler Währungen.
China arbeitet strategisch daran, die Vormachtstellung des US-Dollars im Zahlungsabwicklungsverkehrs der Zukunft zu reduzieren und gleichzeitig die Infrastruktur für eine vollständig digitale Zahlungsabwicklung zu bauen und zu exportieren. Der internationale Wettbewerb um die Bereitstellung einer digitalen Währung ist daher nicht wirklich ein Wettbewerb um die Währung als solches, sondern vielmehr ein Wettrennen und die technische Basis, die als Architektur für den Stable Coin dient.
Wir müssen den entstehenden Wettbewerbsvorteilen der Chinesen begegnen, indem wir nach europäischen Wertvorstellungen dringend einen eigenen Standard für eine interoperable Basisinfrastruktur schaffen, auf dem der Stable Coin aufsetzt. Wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren und den Euro schnell digitalisieren – und zwar genau wie die Chinesen in einem ersten Schritt als Interbanken-Standard der EZB, den die Geschäftsbanken dann an Endkunden weitergeben können.
Das Rennen entscheidet sich in den nächsten wenigen Jahren – oder sogar Monaten. Wird sich ein Stable Coin Standard durchsetzen, der privaten Interessen folgt und aus der Wirtschaft kommt, wird es ein Standard der chinesischen Zentralbank mit potentieller Hintertür der chinesischen Regierung sein oder werden wir Europäer es schaffen, mit einem eigenen Standard zu überzeugen? Dazu müssen wir uns als Gesellschaft und Gesetzgeber mehr trauen, in kleinen Initiativen und basierend auf agilen Testphasen fortlaufend Regeln zu schaffen, anzupassen und zu verwerfen. Nur so können wir dem Tempo standhalten.
Thomas Heilmann (CDU) ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
20 Millionen Bücher haben in der Chinesischen Nationalbibliothek in Peking Platz. Sie ist die drittgrößte Bibliothek der Welt und zugleich ein “Wohnzimmer der Stadt“, in dem sich Jung und Alt zum Lernen und Lesen verabreden, sich einfach gerne treffen, beschreibt Thomas Busse das Gebäude. Der Architekt ist Geschäftsführer beim Architekturbüro KSP Engel International, das die Bibliothek entworfen hat. Fünf Jahre lang lebte er in Peking, begleitete den Bau und schob weitere Projekte wie beispielsweise das Nanjing Art Museum an.
Seit 2018 gibt es ein zusätzliches Büro in Shenzhen, wo KSP Engel unter anderem eine Bibliothek und ein Kunstmuseum baut. Mit 140.000 Quadratmetern ist das Museum ein gigantisches Projekt für den Architekten aus Frankfurt. “Diese Dimensionen machen die Arbeit in China einfach unheimlich spannend“, schwärmt der 46-Jährige. Auch weil KSP Engel bereits in Deutschland Großprojekte wie den Siemens Campus Erlangen realisierte, konnte das Büro in mehreren wichtigen Wettbewerben chinesische Auftraggeber überzeugen. “Als Land der Ingenieurskunst genießt Deutschland großes Vertrauen”, sagt Busse.
China als alte Weltkultur faszinierte den Architekten bereits als Kind. Nach seinem Studium an der Technischen Universität Darmstadt begann er 1999 als Architekt bei KSP Engel. Ein Jahr später flog er für ein städtebauliches Projekt erstmals nach China. Ab 2003 baute er mit einem Kollegen das Büro in Peking auf.
“Der konzeptionelle Ansatz meines Studiums war die beste Voraussetzung für die Arbeit in China”, reflektiert Busse. “In China muss man immer wieder etwas Neues bringen. Ein chinesischer Bürgermeister möchte ein Gebäude, das ein Alleinstellungsmerkmal für seine Stadt darstellt. Da wird dann schon mal von ‘instagramable’ gesprochen, also dass das Gebäude eine Landmark ist, vor der sich die Leute gerne fotografieren lassen.”
Doch nicht nur die Erwartungen des Bauherrn sind andere als in Deutschland. Auch die Arbeitsweise. “Um in China zu bauen, muss man sehr flexibel sein“, erzählt Busse. “Das fängt schon damit an, dass ein Wochenende kein Wochenende ist und ein Feiertag kein Feiertag.” Seit er 2017 die Geschäftsführung übernahm, verging kein Tag ohne Konversationen auf WeChat mit einem Bauherrn oder Kollegen aus China. “Diese ständige Erreichbarkeit ist aber auch wichtig, weil immer wieder Unvorhergesehenes passiert. Sie macht die Zusammenarbeit auch sehr persönlich”, so Busse.
Seit einem Jahr war Busse aufgrund der Pandemie nicht mehr in China. Zuvor flog er etwa einmal im Monat in die Volksrepublik. Er kann es aber kaum erwarten, zurückzukehren sobald das Reisen wieder möglich ist. Judith Jenner
Viktor Orban teilte gestern dieses Foto auf Facebook. Der Ministerpräsident Ungarns ließ sich mit einer Dosis des chinesischen Herstellers Sinopharm impfen. Ungarn verstärkt sein Impfprogramm mit russischen und chinesischen Impfstoffen, da eine dritte Welle der Pandemie die täglichen Infektionen und Todesfälle auf das Niveau von Mitte Dezember gebracht hat.
zu den Ritualen politischer Machtausübung in Peking gehört der Nationale Volkskongress. Schon im Vorfeld des am Freitag beginnenden Treffens tausender “Volksvertreter” feierte die Staats- und Parteiführung das Erreichen eines der wichtigsten politischen Ziele: Die Abschaffung der Armut der chinesischen Bevölkerung. Felix Lee hat hinter das Selbstlob der Regierung geschaut.
Im Zentrum der mehrtägigen Beratungen des Volkskongresses stehen der 14. Fünfjahresplan. Das China.Table-Team wird dem nächsten Tagen die wichtigsten Ziele konkret analysieren. Nico Beckert verschafft Ihnen heute einen Überblick.
Mit großen Worten hatte die italienische Regierung vor exakt zwei Jahren ihre Beteiligung an der Belt and Road Initiative bekanntgegeben. Für die EU-Partner verhieß die zur Schau getragene Nähe zu Peking zunächst nichts Gutes. Doch von der römisch-chinesischen Annäherung ist nicht sehr viel geblieben, schreibt Amelie Richter. Und mit dem neuen Ministerpräsidenten Mario Draghi könnte sich die Entfernung Italiens von Peking noch vergrößern.
Der chinesische Fünfjahresplan ist grundsätzlich kein für fünf Jahre festgeschriebenes Planungsdokument. In ihm wird lediglich der Rahmen der Politik der Partei abgesteckt. Die Ziele werden dann auf Provinzebene und für einzelne Politikbereiche und Branchen interpretiert, konkretisiert und der Realität angepasst.
Der 14. Fünfjahresplan (in der englischen Übersetzung und in der Originalfassung) spiegelt den Kampf um die globale Führerschaft in den Bereichen Wissenschaft und Technologie sowie Innovationen wider. Peking strebt ein Innovations-getriebenes Wachstum an. Wissenschaftliche und technologische Eigenständigkeit soll zum Treiber der nationalen Entwicklung werden. Peking will die “harten Kämpfe um Schlüsseltechnologien erfolgreich führen”. Dazu gehören Künstliche Intelligenz, Quantentechnologien, IT-Technologien, Hirnforschung, Biotechnologie, Luft- und Raumfahrt. Zur Erreichung dieser Ziele sollen unter anderem das nationale Innovationssystem (unter anderem Forschungseinrichtungen) ausgebaut, geistiges Eigentum stärker geschützt, wissenschaftliche Forschungen besser in praktische Anwendungen übertragen, Talente gefördert und die Rolle von Unternehmern bei technologischen Innovationen gestärkt werden.
China will seinen Industriesektor modernisieren. Die Produktion soll grüner und effizienter werden. Neben den oben genannten technologischen Bereichen zählen dazu neue Energien und Materialien, Fahrzeuge mit alternativen Antrieben, grüne und umweltfreundliche Produkte, die Schiffsausrüstungsindustrie (“marine equipment industry”), Digitalisierung sowie Big Data. Erst Anfang des Jahres launchte die chinesische Suchmaschine Baidu eine App mit vergrößerter Schrift sowie eine Frage-Hotline für ältere Nutzer und kurbelt damit die Silberhaar-Economy an. Entwicklungen in diesen Sektoren sollen durch den Ausbau der digitalen Infrastruktur – unter anderem der 5G-Netze, das industrielle Internet, Big Data-Zentren – vorangetrieben werden.
Aufschlussreich sind in diesem Bereich auch die eher die im Fünfjahresplan in Nebensätzen formulierten Ziele. Peking will beispielsweise “minderwertige und redundante Bauprojekte” verhindern – hier sollte es um wohl vor allem um Geisterstädte handeln, die lediglich der künstlichen Aufblähung von Wachstumszahlen dienen. Zu den redundanten Investitionen der letzten Jahre gehört auch der gleichzeitige massive Ausbau von (Regional-)Flughäfen und Hochgeschwindigkeitszügen zu identischen Destinationen. Ein jüngst veröffentlichter Infrastrukturplan zeigt: Peking will bis 2035 noch 162 neue Flughäfen bauen und die Gesamtzahl somit auf 400 erhöhen. Gleichzeitig soll das Netzwerk der Hochgeschwindigkeitszüge bis 2035 auf 70.000 km fast verdoppelt und in den Ausbau von Autobahnen investiert werden. Abzuwarten bleibt, inwiefern es dabei gelingt, redundante Investitionen zu verhindern.
Der 14. Fünfjahresplan sieht vor, den Anteil des Industriesektors am Bruttoinlandsprodukt konstant zu halten. Daneben soll der Dienstleistungssektor ausgebaut und “die Entwicklung des Gesundheitswesens, der Altenpflege, der Kinderbetreuung, der Kultur-, Sport-, Hauswirtschafts-, Immobilien- und anderer Dienstleistungsindustrien” beschleunigt werden.
Ein weiterer Schwerpunkt des 14. Fünfjahresplans ist die sogenannte Dual-Circulation-Strategie. Sie sieht vor, den einheimischen Wirtschaftskreislauf zur tragenden Säule eines “neuen Entwicklungsansatzes” zu machen – ohne jedoch den Export zu vernachlässigen. Dazu soll die einheimische Nachfrage unter anderem durch das Wachstum der Mittelschicht und die Erhöhung der Einkommen armer Haushalte, die “moderate Erhöhung” der Löhne und die Milderung der Ungleichheit gestärkt werden (China.Table berichtete). Überraschend ist hier, dass China seine internationale Zahlungsbilanz ausgleichen will. Ob damit auch eine ausgeglichene Handelsbilanz einhergeht oder dieses Ziel nur der Besänftigung der Vorwürfe eines hohen Exportüberschusses dient, bleibt abzuwarten.
Zum Spannungsfeld zwischen privaten und staatlichen Unternehmen bleibt der 14. Fünfjahresplan vage. Einerseits will man staatliche Unternehmen “stärken, optimieren und vergrößern”, andererseits plane man, das Umfeld zur Entwicklung des Privatsektors zu optimieren. Der Widerspruch, dass staatliche Konglomerate private Unternehmen mitunter vom Markt verdrängen, das Wachstum von Staatsunternehmen also nicht immer im Sinne des Privatsektors liegt, bleibt im Fünfjahresplan unbeantwortet.
Auch soll der Marktzugang für ausländische Unternehmen und Investoren verbessert werden. Dazu gehört auch die weitere Öffnung des Dienstleistungssektors – allerdings “in geordneter Weise”. Auch hier stellt sich die Frage: Was ist wirklich Ziel? Wird hier dem Ausland, speziell Europa, die Hand gereicht? Oder will der Drache unabhängiger vom Westen werden? Die “legitimen Rechte und Interessen chinesischer Unternehmen im Ausland”, will Peking “standhaft verteidigen”.
Peking hat diagnostiziert, dass “Chinas Probleme einer unausgewogenen und unzureichenden Entwicklung prominent bleiben”. Hierzu gehören auch “Defizite bei der Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen“. Um diese Probleme zu lösen, sollen – neben der Erhöhung der Einkommen – auch Umverteilungssysteme “verfeinert”, Arbeitsplätze geschaffen und das Bildungs- sowie das Steuer- und Sozialsystem gestärkt werden. China will unter anderem den gleichberechtigten Zugang zu grundlegenden öffentlichen Dienstleistungen verbessern, ein “mehrstufiges, mehrsäuliges Rentensystem entwickeln”, ein Pflegeversicherungssystem auf – und das Krankenversicherungssystem ausbauen. Auch das Gesundheitssystem soll gestärkt werden. Die Ergebnisse der Armutsbekämpfungskampagne sollen konsolidiert und erweitert werden.
Die niedrige Geburtenrate und die Überalterung der Gesellschaft sollen durch eine langfristige Bevölkerungspolitik und politische Maßnahmen zur Familienplanung bekämpft werden. Und auch bei der Urbanisierung hat Peking Probleme erkannt: “Häuser sollen zum Wohnen und nicht zur Spekulation genutzt werden“, heißt es im Vorschlag zum Fünfjahresplan. Der chinesische Wohnungsmarkt in Peking beispielsweise ist seit Jahren unerschwinglich. Nun soll das Angebot an bezahlbarem Wohneigentum und Mietwohnungen erhöht werden.
Auch das Ziel der “Priorisierung der ländlichen Entwicklung” ist vor dem Hintergrund der Diagnose einer “unausgewogener Entwicklung” zu betrachten. Es hat einen eigenen Abschnitt im 14. Fünfjahresplan und beinhaltet die Entwicklung der Landwirtschaft, den Anstieg der Einkommen der Bauern und die Entwicklung der ländlichen Ökonomie. Peking hat “ein hohes Land-Stadt-Gefälle in der regionalen Entwicklung und Einkommensverteilung” ausgemacht und will es mit einer Strategie der “ländlichen Revitalisierung” überwinden.
Das Thema Umweltschutz und Klimawandel wird mit der blumigen Aussage eingeleitet, dass “grüne Entwicklung der Weg zum Wohlstand” sei. Zum Umwelt- und Klimaschutz will Peking “grüne Produktions- und Lebensweisen auf breiter Basis” voranbringen. Dazu gehört unter anderem der grüne Umbau von Schlüsseltechnologien, die Förderung kohlenstoffarmer Energien, grüne Innovationen, der Aufbau eines grünen Finanzsystems und die Formulierung eines “Aktionsplans, um den Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen vor 2030 zu erreichen”.
Gleichzeitig steht an anderer Stelle des 14. Fünfjahresplans, dass Peking die inländische Öl- und Gasexploration stärken und den Bau von nationalen Öl- und Gaspipelines beschleunigen will.
Zum Thema Kohle – Chinas wohl größtem CO2-Problem – steht im Vorschlag des Zentralkomitees für den Fünfjahresplan nichts. Allerdings wurde kürzlich ein “Rundschreiben” des Staatsrates zum Thema veröffentlicht. Bis 2025 soll die “grüne Transformation” des Produktions- und Konsumsystems demnach “erste Formen annehmen” und bis 2035 deutlich beschleunigt werden. Zum Beispiel sollen grüne Reformen in der Stahl-, Petrochemie-, Chemie-, Baustoffindustrie und anderen Branchen durchgeführt werden. Erneuerbare Energien sollen einen größeren Anteil am Stromverbrauch ausmachen. Neue Kohlekapazitäten sollen demnach strikt kontrolliert werden. Der Anteil sogenannter “grüner Kohle” an der installierten Kohlekapazität soll ausgebaut werden.
Weitere Details aus dem Entwurf des Aktionsplans für den Klimaschutz sowie die Frage nach “geeigneten” Kommunen für die vorzeitige Erreichung des Emissions-Gipfels hat Christiane Kühl für Sie aufbereitet.
Wie schon in vorherigen Fünfjahresplänen ist die Stärkung des chinesischen Militärs und seiner “Gefechtsbereitschaft” auch Bestandteil des 14. Fünfjahresplans. Dazu gehört vor allem die Modernisierung der militärischen Waffen und Ausrüstung.
Einen so langen Artikel gleich an vorderster Stelle hat es in der Volkszeitung, dem Parteiorgan der Kommunistischen Führung, seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. 22.500 Schriftzeichen umfasste der Text, der sich auf über fünf Zeitungsseiten erstreckte und am vergangenen Mittwoch erschien. Das Thema: Chinas Überwindung der extremen Armut.
Entsprechend prunkvoll war auch der Festakt am Tag darauf in der Großen Halle des Volkes: Als “historisch” pries Staats- und Parteichef Xi Jinping die Armutsbekämpfung in seiner Rede. Seit Beginn der Wirtschaftsreformen Ende der 1970er-Jahren sei es dem Land und der Partei gelungen, 770 Millionen Menschen aus der extremen Armut zu befreien. Kein anderes Land könne das von sich behaupten. Xi sprach von einem “menschlichen Wunder”.
Keine Frage: Chinas Bekämpfung der extremen Armut ist eine enorme Leistung, an der auch die Regierung unter Xi ihren Anteil hat. Lag die Zahl der Ärmsten, die von weniger als 1,70 US-Dollar am Tag lebten, in seinem Amtsantrittsjahr 2012 noch bei rund 100 Millionen, gehört dieser Gruppe der Nationalen Statistikbehörde zufolge in China seit vergangenem Jahr nun niemand mehr an.
Damit ist Armut in der Volksrepublik zwar noch lange nicht überwunden, wie das die Rede des chinesischen Staatspräsidenten suggeriert. Zudem gibt es bei der Erhebung unterschiedliche Maßstäbe. In China gilt für die extreme Armut eine Schwelle von umgerechnet zwei US-Dollar täglichem Einkommen pro Person. Das ist zwar etwas höher, als der Wert, den die Weltbank als Schwelle mit umgerechnet 1,90 US-Dollar angibt.
Doch weil der Lebensstandard für viele Chinesen deutlich gestiegen ist, damit allerdings auch die allgemeinen Lebenshaltungskosten, zählt die Weltbank China inzwischen zu den Ländern mit mittlerem Einkommen. Das wiederum führt dazu, dass sie für die Volksrepublik 4,88 US-Dollar pro Tag und Person ansetzt, ab der die Menschen nicht mehr als extrem arm gelten. Nach dieser Berechnung lebt ein Viertel der chinesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsschwelle. In absoluten Zahlen wären das immer noch mehr als 300 Millionen Menschen.
Trotzdem lässt sich nicht bestreiten, dass sich das materielle Wohlbefinden so ziemlich aller Menschen in der Volksrepublik massiv verbessert hat. Zu Beginn der Reformen 1980 lebten rund eine Milliarde Chinesen von weniger als einem US-Dollar pro Haushalt am Tag. Das Land zählte zu einem der ärmsten Länder der Welt. Nun haben der amtlichen Statistikbehörde zufolge rund 800 Millionen Menschen ein Haushaltseinkommen von umgerechnet rund 16 US-Dollar am Tag. Rund 400 Millionen Menschen von ihnen verfügen der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (Cass) zufolge gar über ein Jahreseinkommen zwischen 9.000 und 75.000 US-Dollar. Das entspricht westlichem Niveau. Rund 600 Millionen Chinesen – vor allem auf dem Land – leben zwar von im Schnitt etwa 2.000 US-Dollar im Jahr. Doch auch das entspricht mehr als eine Verfünffachung im Vergleich zu 1980.
Ziel der kommunistischen Führung in den vergangenen Jahren war es, immer mehr Menschen in die Mittelschicht zu holen. Und da Armut in China fast identisch ist mit dem Leben auf dem Land, lautete die Losung, die Menschen auf dem Land zu “urbanisieren”. Sprich: Sie sollten nicht mehr länger nur von wenig mehr als ihren zugeteilten Parzellen leben, sondern wie die städtische Bevölkerung in die neu errichteten Wohnblocks ziehen, Arbeit in der Industrie oder im Dienstleistungssektor finden und auf diese Weise zu mehr Wohlstand kommen.
Das war der Grund, warum in den vergangenen Jahren im ganzen Land Zehntausende neue Satellitenstädte aus dem Boden gestampft wurden. Damit einher gingen allerdings auch mehr oder weniger freiwillige Umsiedlungen von Millionen von Bäuerinnen und Bauern. Wer in diese Städten umzog, verdiente über kurz oder lang tatsächlich mehr als ihre Mitmenschen auf dem Land.
An dieser Strategie will Chinas Führung grundsätzlich zwar auch weiter festhalten. Inzwischen hält sie es aber für möglich, den Wohlstand zumindest eines Teils der noch verbliebenen ländlichen Bevölkerung zu steigern, ohne sie zu “urbanisieren”. Die KP Chinas hat jüngst eine “Nationale Verwaltung für die Wiederbelebung des ländlichen Raums” gegründet. Was diese neue Behörde genau leisten soll, dürfte im 14. Fünfjahresplan stehen, der von den Delegierten des Nationalen Volkskongress in den nächsten zwei Wochen abgenickt wird.
In die Antrittsrede von Mario Draghi als neuer italienischer Ministerpräsident schaffte es die Volksrepublik nur mit einer Erwähnung: Mit Besorgnis werde der Anstieg von Spannungen in Asien rund um China verfolgt, so Draghi. Mit dem Satz in der Rede vor dem Senat machte der ehemalige EZB-Chef die Haltung seiner Regierung deutlich. Der Ton der Musik zwischen Rom und Peking hat sich innerhalb von nur zwei Jahren merklich verändert. Mit Draghi im Palazzo Chigi erwartet China ein weniger gefälliger Partner. Das Verhältnis zur Volksrepublik wird ein entscheidender Punkt auch für die Beziehung zu Brüssel werden.
Denn dort hatte nicht zuletzt das “Memorandum of Understanding” zwischen den beiden Staaten, das im März 2019 Italiens Beteiligung am chinesischen Megaprojekt zum Ausbau der Handelswege entlang der ehemaligen Seidenstraße, der “Belt and Road Initiative” (BRI) besiegelte, für Misstrauen gesorgt. Drei Tage war Chinas Präsident Xi Jingping dafür eigens nach Rom angereist. Gemeinsam mit dem damaligen Premierminister Giuseppe Conte nahm er daran teil, als der italienische Minister für wirtschaftliche Entwicklung, Luigi Di Maio, und der chinesische Vorsitzende der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission, He Lifeng, ihre Unterschriften unter das Rahmenabkommen setzten. Als erster G7- und EU-Gründungsstaat wurde Italien Teil der BRI – auf symbolischer Ebene war das keine Kleinigkeit. Und nicht zuletzt nährte sich das Brüsseler Misstrauen daran, dass in Italien eine Koalition der beiden Anti-Establishment-Parteien der Fünf-Sterne-Bewegung und Lega regierte.
Diese zerbrach im Sommer 2019, im September erhielt Italien eine neue Regierung aus Fünf Sterne und einer Koalition sozialdemokratischer Parteien. Diese zerfiel Anfang dieses Jahres – und nun also Draghi. Ein wenig Stabilität täte Italien auch für die Außenpolitik gut, findet die italienische Journalistin und China-Expertin Giulia Pompili. Die komplizierten politischen Ereignisse, der Wechsel der Mehrheiten und der Regierungen in Italien hätten Italien in den Augen der asiatischen Länder unattraktiv gemacht, erklärt Pompili China.Table. “Die italienische Politik war zu wenig kohärent und kompliziert, um effektiv damit umzugehen.” Mit Draghi trete nun auch jemand auf die Bühne, der international bekannt sei – und der seine Agenda deutlich in Richtung Brüssel und USA ausrichte, so die Journalistin von Il Foglio.
Spannend ist die Position von Di Maio, der das Memorandum als Wirtschaftsminister mit unterzeichnete, und jetzt italienischer Außenminister ist. Beobachter sprechen bei ihm von einer “Bekehrung” in Richtung EU und USA. Die italienische Regierung sei nun klarer innerhalb des europäischen und transatlantischen Paktes ausgerichtet, sagt Pompili. In einem potentiellen Konflikt zwischen dem China eher positiv geneigten Di Maio und dem neuen Regierungschef Draghi würde sich aber eindeutig Draghi durchsetzen, ist sich die Journalistin sicher.
Eine gewisse Abkehr von Peking sei bereits im zweiten Kabinett Contes sichtbar gewesen, sagt Francesca Ghiretti, Analystin der italienischen Denkfabrik Istituto Affari Internazionali (IAI). Eine so enge Verbindung zwischen Peking und Rom, wie sie Ende 2018 zu sehen gewesen sei, gebe es nicht mehr. “Ich denke nicht, dass sich das viel mit Draghi ändern wird”, so Ghiretti. Die Unterzeichnung des Memorandums sei mehr eine politische Geste gewesen. Die amtierende Regierung werde nicht verlegen sein, italienische und europäische Interessen zu verteidigen und China notfalls in die Schranken zu weisen, sagt die Analystin.
Aber auch mit Brüssel läuft bei Weitem nicht alles perfekt: Öffentlich gebe es eine gewisse Frustration, was die Corona-Impfkampagne angehe, so Ghiretti. Auf politischer Ebene hat der Abschluss des Investitionsabkommens CAI Ghiretti zufolge zu einem gewissen Unmut geführt: “Italien hätte gern eine prominentere Rolle in den Verhandlungen und dem Abschluss gehabt, wurde aber an die Seitenlinie gedrängt.” Mit Draghi, dessen Name innerhalb der EU bekannter ist als der seines Vorgängers, könnte sich diese Angelegenheit jedoch erledigen, meint die Analystin. Rom ist demnach generell glücklich mit dem Inhalt des CAI, das Abkommen wird als Möglichkeit für italienische Unternehmen gesehen, mehr Platz auf dem chinesischen Markt einzunehmen.
Derweil stockt die Umsetzung des BRI: Hier müsse unterschieden werden, über welche Bereiche und welchen Zeitrahmen gesprochen wird, sagt Ghiretti. Neue Konnektivitäts-Projekte wie beispielsweise Häfen stünden derzeit nicht in der Pipeline. Vor Kurzem sei ein Terminal im Port von Vado Ligure in der Nähe Genuas fertiggestellt worden. Dieser gilt offiziell als Teil der BRI – wurde aber tatsächlich bereits 2008 begonnen. “Das ist also keine Folge des Memorandums”, so Ghiretti. Im Finanzbereich seien jedoch einige neue Projekte abgeschlossen worden, es gebe neue Plattformen für den Austausch zwischen italienischen und chinesischen Partnern. Auch die vereinbarte Rückgabe einiger archäologischer Artefakte sei abgeschlossen.
Auch die chinesisch-italienische Weltraummission CSES (China Seismo-Electromagnetic Satellite) zur Überwachung von elektromagnetischen Feldern und Wellen, Plasmaparametern und Partikelflüssen wird fortgesetzt. Im Rahmen des Limadou-Projekts trägt Italien beispielsweise die elektrischen Felddetektoren (EFD) und Detektoren zur Erkennung von Hochenergie-Partikeln (HEPD-02) für den Satelliten CSES-02 bei. Der Start ist für März 2022 geplant. Die voraussichtliche Dauer der Zusammenarbeit beträgt sechs Jahre.
Bei den chinesischen Direktinvestitionen gehört Italien nach Großbritannien und Deutschland zu den drei größten Empfängern in Europa, wie die in Hongkong ansässige Beratungsfirma Dezan Shira & Associates aufführt. Demnach erreichten die chinesischen Direktinvestitionen im Jahr 2019 in Italien 17,4 Milliarden US-Dollar. Zu den Hauptinvestitionen Chinas gehörte 2015 die Übernahme von 17 Prozent des Reifenherstellers Pirelli für 7,9 Milliarden US-Dollar durch das chinesische Staatsunternehmen ChemChina. Chinesische ausländische Direktinvestitionen erstrecken sich über eine Vielzahl von Branchen in Italien, darunter Unterhaltungs-, Robotik- und Luxusmarken. Auch der Energiesektor ist ein wichtiges Investitionsziel: 2014 erwarb Chinas State Grid für 2,4 Milliarden US-Dollar einen Anteil von 35 Prozent an dem Netzunternehmen CDP Reti.
Die Corona-Pandemie brachte Italien finanziell in Bedrängnis – damit stieg auch die Sorge, China und andere ausländische Player könnten vermehrt notleidende Firmen aufkaufen. Italien reagierte und erweiterte im April 2020 die sogenannten “Golden Power”-Regeln zur Überprüfung von ausländischen Investitionen.
Auch in China wurde Draghis Einzug in den Palazzo Chigi begrüßt: Die staatliche Tageszeitung China Daily widmete dem italienischen Premier eine Reihe von Artikeln und nannte ihn “den Retter der Eurozone”. Einer der ersten Tests für Draghi in Bezug auf die Beziehung zu Peking wird nun das Abkommen zwischen Italien und China zur Beseitigung der Doppelbesteuerung von Einkommen sein. Beobachtern zufolge könnte die Vereinbarung die italienische Staatsverschuldung und damit BTP-Anleihen interessant für Investoren aus China machen.
Für über Rom und Peking schreibende italienische Journalisten bietet der Antritt des ehemaligen EZB-Chefs auch nicht zuletzt Futter für Wortspiele: Denn “draghi” bedeutet “Drachen” in der Pluralform – und mythologisch bedingt wird die Volksrepublik häufig mit einem Drachen, dem Fabelwesen Long, dargestellt.
Und Rom hat es mit einem großen Drachen zu tun: Italiens Exporte nach China beliefen sich 2019 laut der Comtrade-Datenbank der Vereinten Nationen auf 14,52 Milliarden US-Dollar. Demnach entfiel der größte Anteil mit einem Wert von rund 4,4 Milliarden US-Dollar auf “Maschinen, Kernreaktoren und Kessel”. Im selben Jahr exportierte Italien laut der Datenbank pharmazeutische Produkte für 1,1 Milliarden US-Dollar in die Volksrepublik. Fahrzeuge und Kleidung kommen auf dem dritten und vierten Platz. Die italienischen Importe aus China kommen im selben Zeitraum jedoch auf mehr als das Doppelte: Laut Comtrade-Datenbank beliefen sich diese im Jahr 2019 auf 35,45 Milliarden US-Dollar. Davon rund 7,5 Milliarden US-Dollar an Elektroartikeln, außerdem Maschinen für rund 6,3 Milliarden US-Dollar und Kleidung für rund 1,6 Milliarden US-Dollar.
Für italienische Firmen in der Volksrepublik war das vergangene Jahr einer Befragung der italienischen Handelskammer in China zufolge ein gemischtes: Nur fünf Prozent der befragten Firmen gaben demnach an, ein “überdurchschnittliches Jahr” mit einem Umsatzanstieg von etwa 50 Prozent gegenüber 2019 gehabt zu haben. Gut ein Drittel der Unternehmen der Handelskammer ist nach deren Angaben in der Dienstleistungsbranche aktiv, darunter beispielsweise strategische, rechtliche und finanzielle Beratung, Logistik und Versicherungsfinanzdienstleistungen. Das verarbeitende Gewerbe stellt jedoch mit mehr als 42 Prozent die größte Gruppe der in China tätigen italienischen Unternehmen. Die meisten der Firmen sind der Handelskammer zufolge im Osten Chinas, beispielsweise in Anhui, Jiangsu, Shanghai und Zhejiang ansässig.
Corona-Impfstoffe aus chinesischer Herkunft gewinnen offenbar auch in der deutschen Bevölkerung Akzeptanz. In einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sagten zwischen 35 und 50 Prozent der rund 5000 Befragten, sie könnten sich vorstellen, mit einem chinesischen Corona-Impfstoff geimpft zu werden, wenn dieser in der EU zugelassen ist. Vor einem Monat noch hatte die weit überwiegende Mehrheit der von Civey Befragten eine Impfung mit chinesischem oder russischem Impfstoff angelehnt. Die repräsentative Befragung fand in der vergangenen Woche exklusiv für China.Table statt. Die Frage lautete: “Würden Sie sich mit einem chinesischen Corona-Impfstoff impfen lassen, wenn dieser in der EU zugelassen wird?” asi
Laut den Daten der chinesischen Statistikbehörde NBS vom Sonntag wächst Chinas Industrie so langsam wie seit neun Monaten nicht mehr. Der Einkaufsmanagerindex sank im Februar auf 50,6 Punkte, noch im Januar lag er bei 51,3 Zählern. Damit signalisiert Chinas verarbeitendes Gewerbe, dass es zwar noch wächst, aber langsamer als erwartet. Ökonomen rechneten für den Monat Februar mit einem besseren Ergebnis und erwarteten nur einen Rückgang auf 51,1 Punkte.
Vor allem die sinkende Aufträge aus dem Ausland und die Feiertage zum Chinesischen Neujahr haben die Stimmung offenbar getrübt. So fiel der Teilindex für Auslandsaufträge auf 48,8 Punkte, nach 50,2 Zählern im Januar. Zu den Neujahrsfeierlichkeiten kommt die wirtschaftliche Aktivität meist zum Stillstand. niw
Eine europäische interparlamentarische Gruppe möchte den Druck auf die EU-Regierungen erhöhen, Taiwan als eigenständigen Partner und unabhängig von China zu behandeln – und findet damit Zuspruch. Der sogenannte Formosa Club erlebt seit seiner Gründung im Oktober 2019 stetig Zulauf, bestätigt der Europaabgeordnete und Mitbegründer Michael Gahler (CDU) China.Table. Ziel der Gesprächsplattform sei es, grenzüberschreitend mehr Aufmerksamkeit und Interesse für die Thematik zu erreichen. Konkret fordert der Formosa Club beispielsweise, dass die EU-Kommission beginnt, mit Taipeh über ein bilaterales Investitionsabkommen zu verhandeln und dass Taiwan in internationalen Organisationen wie der WHO als eigenständiger Partner auftreten kann.
Gegründet wurde die Gruppe vor gut eineinhalb Jahren von Europaabgeordneten sowie Parlamentariern aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Mittlerweile gehören der pro-taiwanischen Gruppe mehr als 100 Abgeordnete aus den nationalen Parlamenten unter anderem in Italien, Belgien, der Slowakei, Schweden und der Tschechischen Republik an, so Gahler. Bisher handele es sich um eine “lockere Plattform”, so der Europapolitiker. In Zukunft werde auch über Online-Veranstaltungen nachgedacht. Innerhalb des Europäischen Parlaments könne über die Plattform beispielsweise auf Resolutionen mit Taiwan-Bezug hingewiesen werden.
“Wir sind unzufrieden, wie unsere Regierungen mit taiwanischen Partnern umgeht”, sagt Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch (CDU), ebenfalls Mitbegründer des Formosa Clubs. Taiwan habe ein demokratisch gewähltes Parlament und werde “wie die Parias” behandelt, weil China wirtschaftlich mächtiger sei, kritisiert Willsch. Die Gruppe wolle neben außenpolitischen Anliegen auch kulturellen und wissenschaftlichen Austausch fördern, beispielsweise Kooperationen von Universitäten zwischen Europa und Taiwan. ari
Chinas Kohleverbrauch sank im vergangenen Jahr nach Angaben des Nationalen Statistikamts in Peking, die am Sontag veröffentlicht wurden. So machte Kohle 56,8 Prozent des gesamten Energieverbrauchs des Landes im Jahr 2020 aus und lag damit 0,9 Prozentpunkte unter dem Anteil von 2019. Da allerdings der Energieverbrauch der Volksrepublik im vergangenem Jahr um 2,2 Prozent zunahm, stieg der Kohleverbrauch insgesamt um 0,6 Prozent.
Seit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im September 2020 in seiner Rede vor den Vereinten Nationen versprach, dass sein Land bis 2060 klimaneutral sein werde, sind die Behörden im Land bemüht, den Kohleverbrauch des Landes zu senken.
Auch wenn Xi wie üblich keine Details bekannt gab, wie es China schaffen will bis 2060 Kohlenstoff-Neutralität zu erreichen, kündigte er bereits für 2030 einen Wendepunkt ein. Ab dann müsste der Ausstoß von Emissionen ihren Höhepunkt erreicht haben, um dann in den darauffolgenden 30 Jahren drastisch zu sinken.
Ein Vorschlag zur Beschleunigung der Einführung sauberer Energie in China besteht darin, den Anteil der Kohle am Energiemix bis 2025 auf 52 Prozent zu senken, so Bloomberg, die auch betonten, dass nach wie vor eine Kluft zwischen Chinas ehrgeizigen klimaneutralen Zielen und dem Wunsch seiner Unternehmen, ein halsbrecherisches Wachstum aufrechtzuerhalten, bestünde. niw
Mit der testweisen Einführung des digitalen Renminbis zeigt China wieder einmal, dass es Standards in digitalen Schlüsselbereichen setzen und technologisch umsetzen kann, während Europa im Prozess des Nachdenkens verharrt (China.Table berichtete). Die Herangehensweise der Chinesen ist einfach schneller und trotzdem nicht voreilig. Während wir Europäer am liebsten so lange tüfteln, bis die scheinbar beste Lösung gefunden und uns gegen alle erdenklichen Risiken abgesichert sind, gehen die Chinesen in kleinen Schritten voran. Dieses Vorgehen ist der Schlüssel zum Erfolg: Eine Entscheidung, die man in der staatlichen Innovationsförderung und -regulierung schnell trifft und gegebenenfalls schon nach kurzer Zeit wieder korrigiert, ist immer noch besser, als eine Entscheidung, die fünf Jahre lang gar nicht getroffen wird. In China forscht die Zentralbank bereits seit 2014 an einem nationalen Stable Coin. Ende letzten Jahres erfolgte dann der testweise Start verteilt über vier verschiedene Provinzen. Quasi nebenbei gewöhnen sich die Bürger, an eine neue Basistechnologie. Die Vorbereitungen für einen globalen Roll-out sind dabei schon deutlich fortgeschrittener als viele internationale Beobachter vermuten, dazu später mehr.
Nach aktuellem Entwicklungsstand wird der digitale Renminbi auf einer zweistufigen Infrastruktur ausgegeben. Auf der ersten Stufe definiert die Zentralbank digitale Renminbis innerhalb der bestehenden Geldbasis. Das ist beispielsweise durch Schaffung neuen Geldes, aber auch durch den Eintausch von bestehendem Bargeld systemintern möglich. Dieses digitale Geld gibt die Zentralbank schließlich an die Geschäftsbanken und Finanzinstitute aus. Dieser zentral emittierte digitale Renminbi dient damit streng genommen in erster Linie nur dem Interbankenverkehr.
Auf der zweiten Stufe geben die Finanzintermediäre den digitalen Renminbi an ihre Endkunden weiter. Dafür nutzen sie ihre eigenen technischen Infrastrukturen. Jene Vermittlerebene soll einem etwaigen Bank-Run vorbeugen und die Stabilität der Geschäftsbanken schützen. Retailkunden erhalten nämlich niemals direkt von der Zentralbank digitales Geld. Dieses Modell hat nicht nur Vorteile für die Stabilität des Finanzsystems, sondern ermöglicht auch eine hohe Transaktionsgeschwindigkeit.
Nach eigenen Auskünften soll der Fokus des digitalen Renminbis auf dem Einzelhandel im Inland liegen. Bis auf Geschäftsleute, sollen sich Ausländer zu Beginn nicht beteiligen können. In diesem Zusammenhang geben die Chinesen vor, das Credo zu verfolgen, kein Staat der Welt dürfe mit der Einführung einer digitalen Währung die Souveränität der Währung eines anderen Staates aushöhlen. Aus der Beobachter-Perspektive könnte man den Eindruck gewinnen, die chinesischen Bemühungen dienten vor allem dem Ziel, die Dominanz des US-Dollars im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu reduzieren. Wie das gehen könnte und wie die Chinesen bereits heute systematisch darauf hinarbeiten, später.
Aus Nutzersicht ließe sich nun die Frage stellen, warum noch eine zusätzliche Wallet App herunterladen? So ist es doch über Alipay und WeChat Pay schon heute möglich, dass Händler und Kunden miteinander kommunizieren. Die Integration der Zahlungsmöglichkeit ist ja gerade das Komfortable, was viele Nutzer schätzen. Im Gegensatz zu Alipay und WeChat Pay wäre der digitale Renminbi hingehen eine wirkliche digitale Währung, nicht nur ein digitales Abwicklungstool. Und perspektiv könnte die Integration des digitalen Renminbis staatlich erzwungen werden.
Mit einem Pseudonym können Bürger beim Zahlungsverkehr mit kleinen Geldmengen mit ihrer E-Renminbi Wallet sogar anonym bezahlen, ohne dass hier eine Identifikation erforderlich ist. Insgesamt sind drei verschiedene Identifikationsebenen vorgesehen, nach dem Prinzip: Je mehr Gelder bewegt werden, desto mehr Informationen werden zur Registrierung notwendig und desto umfangreicher muss die Identität verifiziert werden. Damit soll Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung wirksam kontrolliert werden. Dennoch stellt sich hier auch die Frage, wie die Informationen zu Geldströmen auf individueller Ebene durch die chinesische Regierung erfasst und verarbeitet werden (Stichwort Social Scoring).
Insgesamt aber kann die chinesische Digitalwährung die Volkswirtschaft stärken, indem sie den Zahlungsverkehr entbürokratisieren und viel günstiger gestalteten kann. Sie ließe mithilfe von smart contracts eine automatisierte Dokumentation von Geschäftsvorfällen über viele Stufen kostengünstig zu. Durch das schnelle Voranschreiten der Chinesen im Bereich der Digitalwährung können große Wettbewerbsvorteile entstehen. Und zwar nicht nur durch die Währung an sich, sondern durch die zugrundeliegende technische Infrastruktur. Wer zuerst eine relevante Nutzerbasis erreicht hat und darüber lernen kann, formuliert die Spielregeln für diese neue Basistechnologie.
Wie weit die Chinesen in ihren Bemühungen schon sind, zeigen die neuesten Entwicklungen: Im Januar 2021 hat die chinesische Zentralbank über ihr ‘Digital Currency Research Institute and Clearing Centre’ mit der in Europa ansässigen ‘Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication’ (SWIFT) ein Joint Venture gegründet. SWIFT betreibt das international dominierende Netzwerk für grenzüberschreitende Zahlungsabwicklungen, an das weltweit über 11.000 Finanzinstitute aus über 200 Ländern angeschlossen sind.
Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass der Zahlungsverkehr noch immer stark vom US-Dollar dominiert wird. Etwa 50 Prozent der grenzüberschreitenden Transaktionen im SWIFT-Netzwerk werden in US-Dollar ausgeführt. Der Renminbi hingegen hat trotz der hohen chinesischen Einwohnerzahl nach wie vor nur einen Anteil von unter zwei Prozent. Zudem hat die USA in der Vergangenheit mehrfach versucht, über das SWIFT-System politischen Einfluss zu nehmen. Die Partnerschaft mit SWIFT ist daher aus Sicht Chinas ein geschickter Schachzug, um bestehende Abhängigkeiten in grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr zu vermindern.
Für SWIFT ist die Partnerschaft eine intelligente Möglichkeit, seinen Einfluss in der Zahlungsabwicklung mit Digitalwährungen auszubauen und neues Terrain zu erschließen. Denn insbesondere im Bereich der Zahlungsabwicklung und automatisierten Dokumentation erhofft man sich erhebliche Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen durch den Einsatz digitaler Währungen.
China arbeitet strategisch daran, die Vormachtstellung des US-Dollars im Zahlungsabwicklungsverkehrs der Zukunft zu reduzieren und gleichzeitig die Infrastruktur für eine vollständig digitale Zahlungsabwicklung zu bauen und zu exportieren. Der internationale Wettbewerb um die Bereitstellung einer digitalen Währung ist daher nicht wirklich ein Wettbewerb um die Währung als solches, sondern vielmehr ein Wettrennen und die technische Basis, die als Architektur für den Stable Coin dient.
Wir müssen den entstehenden Wettbewerbsvorteilen der Chinesen begegnen, indem wir nach europäischen Wertvorstellungen dringend einen eigenen Standard für eine interoperable Basisinfrastruktur schaffen, auf dem der Stable Coin aufsetzt. Wir sollten nicht noch mehr Zeit verlieren und den Euro schnell digitalisieren – und zwar genau wie die Chinesen in einem ersten Schritt als Interbanken-Standard der EZB, den die Geschäftsbanken dann an Endkunden weitergeben können.
Das Rennen entscheidet sich in den nächsten wenigen Jahren – oder sogar Monaten. Wird sich ein Stable Coin Standard durchsetzen, der privaten Interessen folgt und aus der Wirtschaft kommt, wird es ein Standard der chinesischen Zentralbank mit potentieller Hintertür der chinesischen Regierung sein oder werden wir Europäer es schaffen, mit einem eigenen Standard zu überzeugen? Dazu müssen wir uns als Gesellschaft und Gesetzgeber mehr trauen, in kleinen Initiativen und basierend auf agilen Testphasen fortlaufend Regeln zu schaffen, anzupassen und zu verwerfen. Nur so können wir dem Tempo standhalten.
Thomas Heilmann (CDU) ist Abgeordneter des Deutschen Bundestages.
20 Millionen Bücher haben in der Chinesischen Nationalbibliothek in Peking Platz. Sie ist die drittgrößte Bibliothek der Welt und zugleich ein “Wohnzimmer der Stadt“, in dem sich Jung und Alt zum Lernen und Lesen verabreden, sich einfach gerne treffen, beschreibt Thomas Busse das Gebäude. Der Architekt ist Geschäftsführer beim Architekturbüro KSP Engel International, das die Bibliothek entworfen hat. Fünf Jahre lang lebte er in Peking, begleitete den Bau und schob weitere Projekte wie beispielsweise das Nanjing Art Museum an.
Seit 2018 gibt es ein zusätzliches Büro in Shenzhen, wo KSP Engel unter anderem eine Bibliothek und ein Kunstmuseum baut. Mit 140.000 Quadratmetern ist das Museum ein gigantisches Projekt für den Architekten aus Frankfurt. “Diese Dimensionen machen die Arbeit in China einfach unheimlich spannend“, schwärmt der 46-Jährige. Auch weil KSP Engel bereits in Deutschland Großprojekte wie den Siemens Campus Erlangen realisierte, konnte das Büro in mehreren wichtigen Wettbewerben chinesische Auftraggeber überzeugen. “Als Land der Ingenieurskunst genießt Deutschland großes Vertrauen”, sagt Busse.
China als alte Weltkultur faszinierte den Architekten bereits als Kind. Nach seinem Studium an der Technischen Universität Darmstadt begann er 1999 als Architekt bei KSP Engel. Ein Jahr später flog er für ein städtebauliches Projekt erstmals nach China. Ab 2003 baute er mit einem Kollegen das Büro in Peking auf.
“Der konzeptionelle Ansatz meines Studiums war die beste Voraussetzung für die Arbeit in China”, reflektiert Busse. “In China muss man immer wieder etwas Neues bringen. Ein chinesischer Bürgermeister möchte ein Gebäude, das ein Alleinstellungsmerkmal für seine Stadt darstellt. Da wird dann schon mal von ‘instagramable’ gesprochen, also dass das Gebäude eine Landmark ist, vor der sich die Leute gerne fotografieren lassen.”
Doch nicht nur die Erwartungen des Bauherrn sind andere als in Deutschland. Auch die Arbeitsweise. “Um in China zu bauen, muss man sehr flexibel sein“, erzählt Busse. “Das fängt schon damit an, dass ein Wochenende kein Wochenende ist und ein Feiertag kein Feiertag.” Seit er 2017 die Geschäftsführung übernahm, verging kein Tag ohne Konversationen auf WeChat mit einem Bauherrn oder Kollegen aus China. “Diese ständige Erreichbarkeit ist aber auch wichtig, weil immer wieder Unvorhergesehenes passiert. Sie macht die Zusammenarbeit auch sehr persönlich”, so Busse.
Seit einem Jahr war Busse aufgrund der Pandemie nicht mehr in China. Zuvor flog er etwa einmal im Monat in die Volksrepublik. Er kann es aber kaum erwarten, zurückzukehren sobald das Reisen wieder möglich ist. Judith Jenner
Viktor Orban teilte gestern dieses Foto auf Facebook. Der Ministerpräsident Ungarns ließ sich mit einer Dosis des chinesischen Herstellers Sinopharm impfen. Ungarn verstärkt sein Impfprogramm mit russischen und chinesischen Impfstoffen, da eine dritte Welle der Pandemie die täglichen Infektionen und Todesfälle auf das Niveau von Mitte Dezember gebracht hat.