
China und Russland wollen eine andere Weltordnung, sagt Roderick Kefferpütz vom Merics. Der Unterschied zwischen den beiden ungleichen Partnern liege in der Rollenaufteilung. Russland sei für das Grobe verantwortlich und zerstöre die Weltordnung; der Krieg gegen die Ukraine ist das beste Beispiel. China nutze dieses Chaos, um die eigenen alternativen Strukturen anzubieten. „In dem Sinne ergänzen die beiden sich sehr gut“, erklärt Kefferpütz.
Kefferpütz blickt bei dieser Analyse der beiden autoritären Akteure auf sieben Jahre im Europäischen Parlament zurück. Während andere noch vom China-Optimismus der Nullerjahre gezehrt haben, merkte Kefferpütz als Büroleiter von Reinhard Bütikofer, wie schwierig der Umgang mit China geworden ist. „Ich habe gesehen, wie China Wirtschaft als Waffe einsetzt und ich habe das als sehr aggressiv empfunden“. Deshalb warnt der Politikberater auch heute noch davor, sich von Chinas Charmeoffensiven, wie der neuen Friedensinitiative, einlullen zu lassen.
Politikberatung ist Gesprächsarbeit
Dabei sei ihm wichtig, in der Fülle aus Publikationen über Russland oder China immer einen Mehrwert zu generieren. Er greift dabei auf Daten, Reden und Verträge zurück, die er akribisch auf Muster und Trends analysiert. Dazu komme der persönliche Kontakt: „Wenn man wirklich verstehen will, was passiert, muss man mit den Leuten im Austausch sein, die mit China in Berührung kommen.“ Gesagt, getan: In einer groß angelegten Studie befragt Kefferpütz zahlreiche Bundestagsabgeordnete, wie sie sich über China informieren.
Die Erkenntnis: Chinawissen kommt im Bundestag von außen. Das sei erstmal kein Problem, erklärt Kefferpütz, aber nicht jeder Abgeordnete habe gute Kontakte in die Thinktank-Welt. Und dann bestehe die Gefahr, dass unerfahrene Abgeordnete Opfer von Desinformation aus China werden. In England oder Australien werden Chinawissenschaftler mittlerweile für das Parlament eingestellt, das könne auch für den Bundestag eine Idee sein, schlägt Kefferpütz vor. Denn nur mit den richtigen Informationen könne man durch die Schattierungen der internationalen Politik navigieren.
Gegen den „Kissinger-Salto“
Auch Kefferpütz‘ Weg in die internationale Politik brauchte Navigationsfähigkeit: Nach seinem Abitur in Kanada segelte Kefferpütz zusammen mit 25 Mitschülern auf einem College-Schiff um die Welt. Angefangen in Europa ging es über den Atlantik durch den Panamakanal und bis zum Cap der guten Hoffnung. „Die Regel war immer: Wenn du auf dem Wasser bist, machst du Unterricht“, erinnert er sich. Zurück an Land ließ ihn die Welt nicht mehr los und Kefferpütz ging nach Paris und Oxford, um internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Russland zu studieren.
Zum Chinaexperten wurde er im Büro von Reinhard Bütikofer, der genau wie Kefferpütz heutiger Arbeitgeber Merics unter chinesischen Sanktionen steht. Wenn man Kefferpütz fragt, wie Deutschland mit der schwierigen Allianz zwischen Moskau und Peking umgehen soll, ist er sich sicher: Der sogenannte „Kissinger-Salto“ – China an den Westen binden, um Russland in seine Schranken zu weisen – sei wenig aussichtsreich. „Wir müssen uns bewusst machen, dass Russland und China gemeinsam an einem Strang ziehen“, betont Kefferpütz. „Und dann die Frage beantworten, wie wir damit umgehen.“ Jonathan Lehrer