Analyse
Erscheinungsdatum: 22. April 2025

XPeng, Nio, Li Auto: Wie geht es weiter mit Chinas E-Auto-Pionieren?

Die drei Hersteller galten als Symbol für Chinas Aufstieg zur Elektroauto-Supermacht. Doch der Markt kennt kein Erbarmen. Für Nio sieht es derzeit besonders düster aus.

Wenn am Mittwoch die Automesse in Shanghai beginnt, richtet sich ein besonderer Blick auf drei Namen, die wie kaum andere für den rasanten Wandel in Chinas Auto-Industrie stehen: XPeng, Nio und Li Auto. Sie galten als Hoffnungsträger einer neuen Ära, als Beweis dafür, dass aus China nicht nur günstige, sondern auch technologisch ambitionierte und designstarke E-Autos kommen können.

Während viele andere Start-ups längst gescheitert sind, haben es diese drei Hersteller tatsächlich geschafft, Hunderttausende Fahrzeuge auf Chinas Straßen zu bringen. Immerhin. Doch der Druck wächst: Zwischen Branchenriesen wie BYD, etablierten Autobauern wie Geely und ambitionierten Techkonzernen wie Xiaomi und Huawei wird es für die einstigen Senkrechtstarter immer schwerer, sich zu behaupten.

„Keines der drei Unternehmen wird übrig bleiben; die Wahrscheinlichkeit, dass sie eigenständig überleben können, beträgt null. Sie müssen so schnell wie möglich fusionieren, sich neu aufstellen und kooperieren“, warnte Zhu Xichan, Autoexperte von der Tongji-Universität, vergangene Woche in einem viel beachteten Experten-Panel. Nicht alle Analysten teilen diese drastische Sicht.

Klar ist jedoch: Von den drei jungen E-Auto-Pionieren steht Nio besonders unter Druck. Zwar konnte das Unternehmen seine Auslieferungszahlen 2024 auf rund 222.000 Fahrzeuge steigern, doch wuchs der Verlust zugleich auf ein Rekordniveau. Für das Gesamtjahr 2024 meldete Nio einen Nettoverlust von 22,66 Milliarden Yuan (rund drei Milliarden Euro). Das ist ein Anstieg von mehr als 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Zehn Jahre nach der Gründung hat es noch nie einen Gewinn bei Nio gegeben. Man habe sich mit der ursprünglichen Modellpalette übernommen, ist von Beobachtern zu hören. Zuletzt gründete Nio auch noch zwei neue Marken innerhalb eines Jahres, was weitere Ressourcen verschlang.

Aktuell entlässt Nio Mitarbeiter auch in Deutschland und Europa. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Expansion ins Ausland nicht funktioniert. „Wir haben die Schwierigkeit unterschätzt, Vertriebs- und Servicenetze in Europa auszubauen“, sagte Nio-CEO William Li am Dienstag vor Journalisten bei einer Veranstaltung vor der Automesse in Shanghai. Der chinesische Experte Zhu verweist zudem auf das ambitionierte Batterie-Wechselsystem von Nio, das zu teuer sei und sich nicht bewährt habe. „Schnellladen und Reichweitenverlängerung sind längst alltagstauglich“, sagt Zhu. Batteriewechsel werde ein Nischenprodukt bleiben.

Auch XPeng hat stürmische Zeiten hinter sich, steht aber solider da als Nio. 2024 lieferte XPeng gut 190.000 E-Autos aus – ein Drittel mehr als im Vorjahr – und konnte seinen Jahresverlust von mehr als zehn Milliarden Yuan (2023) auf 5,79 Milliarden Yuan halbieren.

Nach massiven Rückschlägen in 2022 und 2023 unterzog Firmengründer He Xiaopeng das Unternehmen einem harten Sparkurs und Strategiewechsel. Wang Fengying, die frühere CEO von Great Wall Motor, wurde ins Management geholt, um XPengs operative Geschäfte zu straffen.

Das zeigte Wirkung: Neue Modelle trafen den Geschmack des Marktes und sorgten ab Mitte 2024 für stark steigende Verkaufszahlen. XPengs anfängliche Schwäche lag in der Überbetonung von Software. Dieser Fehler, so sagen Analysten, wurde erkannt und behoben. Ein wichtiger Rettungsanker für XPeng ist die strategische Allianz mit Volkswagen.

2023 stiegen die Wolfsburger bei XPeng ein und vereinbarten eine technische Kooperation – ein Novum: Ein deutscher Autokonzern setzt auf die Technologie eines chinesischen Start-ups. Volkswagen kann dank XPeng schneller konkurrenzfähige E-Modelle für den chinesischen Markt entwickeln. Sollte es XPeng nicht alleine schaffen, gilt VW unter einigen Beobachtern schon als möglicher Käufer.

Im Vergleich zu Nio und XPeng wirkt Li Auto derzeit wie ein Fels in der Brandung. Das 2015 von Li Xiang gegründete Unternehmen hat sich mit seinen geräumigen SUV-Modellen und einem pragmatischen Technologiekonzept zur Nummer eins unter Chinas EV-Start-ups entwickelt. 2024 lieferte Li Auto mehr als 500.000 Fahrzeuge aus. Das ist mehr als Nio und XPeng zusammen. Anders als die Konkurrenz schreibt Li Auto sogar schwarze Zahlen: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete das Unternehmen einen Nettogewinn von rund 8,0 Mrd. Yuan. Damit ist Li Auto eine Ausnahmeerscheinung in der jungen Elektroauto-Szene.

Der Schlüssel zu Li Autos Erfolg liegt in seiner besonderen Technikstrategie. Statt von Anfang an voll auf reine Elektroautos zu setzen, entwickelte Li Auto EREV-Modelle. Das sind Elektrofahrzeuge mit einem kleinen Verbrennungsmotor als Reichweitenverlängerer. Diese Kombination aus elektrischem Antrieb und zusätzlichem Benzinmotor beseitigt die Sorge vor zu geringer Reichweite. Mit Modellen wie dem Li L7, L8 und L9, komfortablen Familien-SUVs mit dieser Technik, traf Li Auto einen Nerv auf dem chinesischen Markt.

Während Nio oder XPeng mit reinen E-Plattformen noch nach profitablen Geschäftsmodellen suchten, verdiente Li Auto bereits Geld. „Li Auto hat es geschafft, große Fehler zu vermeiden“, lobt Zhu Xichan. Doch auch wenn Li Auto aktuell am stabilsten wirkt, sind die Herausforderungen erheblich. Analyst Yi Ran betont zwar auf dem gleichen Panel die robuste Ausgangslage „dank starker Cashflows und Profitabilität im aktuellen Marktwinter“, warnt aber zugleich: „Letztlich gewinnt nicht unbedingt der Beste, sondern der, der übrig bleibt, wenn die anderen aufgeben müssen.“

Die Konkurrenz von Li schläft nicht: 2024 kamen fast 20 neue Modelle mit Reichweitenverlängerer auf den chinesischen Markt. Die einstige Monopolstellung bröckelt, der Vorsprung schmilzt. Für den Moment aber gilt Li Auto als vergleichsweise gut aufgestellt. In den Worten von Zhu Xichan: Li ist der „derzeitige Gewinner“ unter den drei Start-ups.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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