CEO.Table Executive Summary

Weidels Deutschland-Plan: Welche wirtschaftlichen Folgen hätte er?

Alice Weidels Deutschland-Plan würde die Energiekosten langfristig eher erhöhen als senken. Experten warnen vor wirtschaftlichen Risiken bei Rückkehr zur Atomkraft und Abschaffung von Umweltschutzgesetzen.

Der Energieverbrauch wird in den kommenden Jahren steigen, erwarten Experten. (picture alliance/dpa | Patrick Pleul)

Erdgas und Erdöl aus Russland bringen der deutschen Wirtschaft keine Einsparungen. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, widerspricht im Gespräch mit Table.Briefings entsprechenden Gedankenspielen nicht nur aus geopolitischen, sondern auch aus finanziellen Gründen: Strom aus erneuerbaren Energien sei heute bereits günstiger in der Erzeugung als Strom aus fossilen Brennstoffen. Die aktuell hohen Energiekosten in Deutschland entstünden gerade durch unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Ein Zurückfahren der Energiewende würde die Energiekosten daher nicht senken, sondern langfristig sogar erhöhen, so Fratzscher.

Im Bundestag hatte die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel Ende November ihr 12-Punkte-Programm vorgestellt. Die geforderten Änderungen hätten wesentliche Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft. Ein Schwerpunkt von Weidels Programm liegt auf der Energiepolitik. Weidel erklärte: „Wir müssen Erdgas und Erdöl dort kaufen, wo sie am billigsten sind, und das ist in Russland. Das liegt in unserem nationalen Interesse.“

Die von Weidel ebenfalls geforderte Rückkehr zur Atomkraft, an der auch die CDU grundsätzlich als Option festhält, ist ohne tiefgreifende gesetzliche Änderungen vor allem bei den europäischen Sicherheitsstandards juristisch nicht umsetzbar. Und sie wäre wirtschaftlich kaum rentabel: Während die US-Denkfabrik Radiant Energy Group im November 2024 von 14 Milliarden Euro für sechs AKW ausging und im Mai 2025 von etwa drei Milliarden Euro für die meisten möglichen Standorte, rechnet die LBBW in einer gerade aktualisierten Untersuchung „je Kernkraftwerk vielmehr mit einer Spanne von drei bis sieben Milliarden Euro. Damit kommen wir auf eine mittlere Baukostenschätzung von insgesamt 30 Milliarden Euro oder 0,7 Prozent des deutschen BIP 2024.“

Der Abbau der AKW ist zum Teil weit fortgeschritten. Guido Knott, Chef der Eon-Tochter Preussen Elektra, betonte Mitte November 2025: Bezüglich einer Reaktivierung des Kernkraftwerks Isar 2 sei „die Messe endgültig gelesen“.

Laut Radiant könnten die Kraftwerke Emsland und Grohnde bei entsprechender Gesetzgebung nach gut drei Jahren wieder in Betrieb gehen, der Standort Brokdorf früher. Das DIW geht von einem deutlich anderen Zeitrahmen aus: Realistisch sei ein AKW-Restart erst in den 2030er- oder 2040er-Jahren, sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt, zu Table.Briefings. Mit den notwendigen Investitionen ließen sich stattdessen „Tausende Megawatt Wind- und Solarleistung“ installieren, Netze modernisieren, Engpässe beseitigen und Speicherkapazitäten ausbauen.

Die potenziell reaktivierbaren Kernkraftwerke liefern mit insgesamt 8,1 Gigawatt nur einen kleinen Teil der künftig benötigten Leistung. In Defizitphasen könnten sie lediglich zehn Prozent der benötigten Leistung bereitstellen. Die Stromerstehungskosten für reaktivierte Kernkraftwerke liegen laut LBBW bei durchschnittlich 16,7 Cent pro Kilowattstunde und wären damit zwar günstiger als Gas- oder Wasserstoff-Kraftwerke – aber mehr als doppelt so teuer wie Windkraft Onshore (6,8 ct/kWh) und dreimal so teuer wie Photovoltaik-Freiflächen (5,5 ct/kWh). Das Fraunhofer ISE hat noch deutlichere Unterschiede ermittelt (siehe Grafik).

Auch in der weiteren Verkehrs- und Wirtschaftspolitik setzt Weidel auf eine Rückkehr zu früheren Regelungen. Sie kündigte an: „Wir wollen das Verbrennerverbot und alle Lieferkettengesetze auf nationaler und EU-Ebene abschaffen.“ Während Bundeskanzler Friedrich Merz ebenfalls deutlicher Verfechter des „Aus vom Verbrenner-Aus“ ist und derzeit auf EU-Ebene entsprechende Diskussionen stattfinden, wird das deutsche Lieferkettengesetz aktuell bereits entschärft. So soll unter anderem die Berichtspflicht wegfallen. Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz regelt die unternehmerische Verantwortung für die Einhaltung von Menschenrechten in globalen Lieferketten. Eine vollständige Abschaffung würde diesen Schutz deutlich schwächen.

Ein Zusammenstreichen der Staatsausgaben und ein Heraushalten des Staats aus Wirtschaft und Privatleben, wie Weidel es in ihrem Deutschland-Plan fordert, hätte konkrete Folgen: Geringere staatliche Ausgaben würden auch geringere Investitionen in die öffentliche Infrastruktur bedeuten. Und damit einen erheblichen Schaden für die Industrie. Allein für Schienenwege, Fernstraßen, den öffentlichen Personennahverkehr sowie die Transformation der Automobilwirtschaft gibt es bis 2030 laut einer neuen Studie von Agora und Dezernat Zukunft einen öffentlichen Finanzbedarf von 390 Milliarden Euro.

In weiteren Analysen in dieser Ausgabe lesen Sie die Auswirkungen einer Abschaffung der CO₂-Bepreisung und des Emissionshandels sowie einer „Politik der geschlossenen Tür“, wie die AfD-Chefin sie mit Blick auf Migration fordert, auf die deutsche Wirtschaft.

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Letzte Aktualisierung: 06. Dezember 2025