Executive Summary
Erscheinungsdatum: 02. Mai 2025

Schlüsselbranchen können Deutschland aus der Krise führen

Um im internationalen Vergleich zu den führenden Industrienationen aufzuholen und nicht noch weiter an Boden zu verlieren, sollte die neue Bundesregierung Exportbedingungen sowie die Angebotspolitik verbessern. Dies könnte eine Wachstumsdynamik in den deutschen Schlüsselbranchen Automobil-, Pharma-, Chemie-, Elektro- und Digitalindustrie sowie dem Maschinenbau freisetzen. Das geht aus einem Positionspapier der Schlüsselindustrie-Verbände hervor, das auf eine Studie des Schweizer Forschungsinstituts Prognos fußt, die dem CEO.Table vorliegt.

Die neue Bundesregierung mit dem dann von Katherina Reiche (CDU) geführten Bundeswirtschafts- und Energieministerium sollte gleich ein ganzes Bündel an Maßnahmen in Angriff nehmen. Dazu zählen unter anderem die Weiterentwicklung des EU-Binnenmarktes, Abschlüsse von Freihandelsabkommen mit relevanten Ländern, eine punktuell gezielte Industriepolitik sowie eine moderne Angebotspolitik, die vor allem die Senkung der Steuer- und Abgabenlast auf ein konkurrenzfähiges internationales Niveau beinhaltet (siehe dazu auch Standpunkt). „Bemerkenswert ist, dass die großen Industrieverbände über Branchengrenzen hinweg gemeinsam eine klare Priorisierung der größten Herausforderungen formulieren und dazu gemeinsame konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten. Das nimmt man nicht so häufig wahr“, sagte der Chefvolkswirt der Prognos AG und CEO.Table-Kolumnist, Michael Böhmer. Prognos hatte in einer Analyse die deutschen Schlüsselindustrien identifiziert, deren volkswirtschaftliche Bedeutung aufgezeigt und damit die Grundlage für das Positionspapier gelegt. Die Untersuchung wurde von den Pharmaunternehmen Roche und Merck in Auftrag gegeben.

Die identifizierten Schlüsselindustrien sind für Deutschland von großer Bedeutung. Die Branchen erwirtschafteten 2022 mit 380 Milliarden Euro 54 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung des verarbeitenden Gewerbes. Auf sie entfielen 2023 zwei Drittel des Exportanteils der deutschen Unternehmen. Zudem sind laut der Studie fast die Hälfte aller Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe in den Schlüsselindustrien tätig, darunter 63 Prozent der Hochqualifizierten. Auf sie entfallen 89 Prozent der FuE-Ausgaben und 84 Prozent der FuE-Beschäftigten im verarbeitenden Gewerbe. Angesichts dieser großen Bedeutung können durch ein abgestimmtes Vorgehen der Vertreter der Schlüsselindustrien „die gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen effektiver bewältigt werden, was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationsfähigkeit des industriellen Kerns Deutschland sichert“, heißt es in der Studie.

Welche Herausforderungen die neue Bundesregierung meistern muss, zeigen die Beispiele Infrastruktur, Energie und Bürokratie. So liegen die öffentlichen Investitionen Deutschlands in die Verkehrsinfrastruktur seit 2010 mit durchschnittlich 1,6 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deutlich unter dem EU-Schnitt von 2,1 Prozent. Die Energiekosten hierzulande sind beim Industriestrom etwa um den Faktor 1,5 höher als bei den Mitbewerbern USA und China. Und die überbordende deutsche Bürokratie verursacht jährlich durchschnittlich 146 Milliarden Euro an verlorener Wirtschaftsleistung.

Das sind auch Gründe, warum der Wirtschaftsstandort Deutschland bereits seit Jahren an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt. Im aktuellen IMD World Competitiveness Ranking, das 67 Länder vergleicht, rutschte die Bundesrepublik von Platz 15 im Jahr 2022 auf Rang 24 in 2024 ab. Deutschland, das 2014 noch Platz sechs belegte, rangiert nun hinter China, Saudi-Arabien oder Island und gehört damit nur noch dem oberen Mittelfeld an. Die Schweiz oder Dänemark, Volkswirtschaften mit einer vergleichbaren industriellen Basis und Struktur, haben sich dagegen auf die Plätze zwei und drei des Rankings vorgeschoben (siehe Grafik). „Für uns als Exportnation ist es wichtig, dass die neue Wirtschaftsministerin den Außenhandel fördert und die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit ausbaut. In der aktuell unruhigen geopolitischen Zeit sind verlässliche, gerne auch neue Partner weltweit unerlässlich“, sagte BGA-Präsident Dirk Janduara dem CEO.Table.

Großer Nachholbedarf besteht zudem bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit, die das neue Digitalministerium unter dem ehemaligen Ceconomy-CEO Karsten Wildberger verbessern soll. Hier rangiert Deutschland im IMD-Ranking nur auf Platz 23, einen Platz besser als im Gesamtergebnis. Das hat Gründe. So liegt laut dem Positionspapier der deutsche Anteil an den weltweiten Patentanmeldungen (PCT) bei der Digitalisierung und technologischen Innovationen inzwischen nur noch bei sechs Prozent. China ist mit 26 Prozent weit enteilt, die USA mit 20 Prozent auch. Aber selbst im Vergleich unter den EU-Staaten schneidet Deutschland nach Analysen der Europäischen Union, die seit 2015 die digitale Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten misst und dies in einem Index (DESI) zusammenfasst, schlecht ab. Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern belegt die Bundesrepublik im aktuellen Ranking Platz 12 der 28 untersuchten EU-Saaten. Defizite sieht das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) für die digitale Wettbewerbsfähigkeit vor allem im Mangel an qualifizierten Fachkräften und unzureichenden administrative-rechtliche Rahmenbedingungen.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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