Die Strategie von Commerzbankchefin Bettina Orlopp im Abwehrkampf gegen eine feindliche Übernahme durch die Unicredit scheint aufzugehen. Vor und nach der Hauptversammlung (HV) in Wiesbaden haben führende deutsche Politiker parteiübergreifend auf die Eigenständigkeit von Deutschlands zweitgrößter Bank gepocht und sich hinter Orlopp gestellt. „Die Commerzbank ist ein wichtiger Teil des deutschen Bankensystems, gerade für die Mittelstandsfinanzierung. Sie braucht eine verlässliche Perspektive als eigenständiges Finanzinstitut. Ich lehne das feindliche Vorgehen der Unicredit ab“, sagte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) dem CEO.Table.
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) bezeichnete das Vorgehen des italienischen Kreditinstituts als „inakzeptabel“. Er stufte das Frankfurter Geldhaus als „systemrelevant“ ein. Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) hatte schon in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Finanzausschusses des Bundestags vor der Regierungsbildung gegenüber dem CEO.Table ähnlich argumentiert, da die Commerzbank etwa ein Drittel des Kreditgeschäfts der deutschen mittelständischen Unternehmen finanziere. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) soll angeblich schon auf der Suche nach einem Ankerinvestor sein.
Eine Übernahme gilt gegen den Widerstand der deutschen Politik als schwierig. Unicredit-CEO Andrea Orcel hält trotzdem an ihr fest. Er soll nach Berichten der Nachrichtenagentur Bloomberg bereits in einem Brief schriftlich um Gesprächstermine mit der Bundesregierung angefragt haben. „Von Anfang an haben wir uns geduldet. Wir können bis 2027 warten und werden drei Dinge bewerten: den Meinungsaustausch mit der neuen deutschen Regierung, mit der wir uns noch nicht getroffen haben, und ob das Management der Commerzbank konstruktive und bilaterale Beziehungen wünscht. Vor allem aber werden wir die Ergebnisse bewerten“, lässt sich der Vorstandsvorsitzende der Mailänder Großbank im CEO.Table zitieren.
Unicredit hat sich rund 28 Prozent der Anteile des Frankfurter Dax-Konzerns gesichert. Bei 30 Prozent müssen die Mailänder, denen bereits die Hypovereinsbank gehört, den Aktionären ein offizielles Übernahmeangebot unterbreiten. Die EZB als Aufseherin genehmigte schon eine weitere Aufstockung der Commerzbank-Beteiligung. Auch das Bundeskartellamt hat grünes Licht gegeben. Der Bund hält nach seinem überraschenden Teilverkauf an die Italiener nur noch zwölf Prozent der Anteile. An der HV nahmen die Italiener allerdings überraschend nicht teil. Würde die Übernahme gelingen, steigt Unicredit mit einer Bilanzsumme von rund 1.300 Milliarden Euro zum drittgrößten europäischen Geldinstitut auf.
Orlopps Abwehrstrategie steht im Wesentlichen auf zwei Säulen. Zum einen will sie durch eine Verbesserung der Finanzperformance die Aktie für Anleger lukrativer machen. Der damit verbundene steigende Aktienkurs macht die Übernahme für die Unicredit teurer und damit unattraktiver. Den Gewinn will sie bis 2028 um mehr als die Hälfte auf 4,2 Milliarden Euro steigern. Die Commerzbank hatte 2024 einen Rekordgewinn erzielt. Nach Angaben von Union-Investment-Managerin Alexandra Annecke hat Orlopp den Anlegern eine Gesamtrendite von 82 Prozent eingefahren.
Zum anderen stärkt die Commerzbank-Chefin weiter das ohnehin schon starke Firmenkundengeschäft. Vor allem im Austausch mit der Politik ist dies ein entscheidender Faktor für deren Unterstützung. „Im Firmenkundengeschäft haben wir unser Angebot im zurückliegenden Jahr zielgerichtet ausgebaut“, sagte Orlopp auf der HV. Das gelte vor allem für wachstumsträchtige Geschäftsfelder wie Green Infrastructure Finance oder die Mittelstandsfinanzierung. „Als ein führender deutscher Außenhandelsfinanzierer erweitern wir punktuell das Netz unserer internationalen Standorte. Wir sind überall dort, wo unsere Kunden uns brauchen“, so Orlopp.
Die Commerzbank betreut 25.500 Firmenkunden mit einem Kreditvolumen von fast 100 Milliarden Euro in Deutschland. Mit einem Marktanteil von 30 Prozent ist sie die führende Bank in der Finanzierung des Außenhandels und begleitet den deutschen Mittelstand in über 70 Ländern. Laut einer FINANCE-Studie (Studien – FINANCE) lehnen Zweidrittel der befragten Top-Finanzentscheider deutscher Unternehmen eine Übernahme der Commerzbank ab. 77 Prozent der Firmenkunden, die die Commerzbank als Hausbank nutzen, bewerten eine Übernahme negativ. Als Gründe werden beispielsweise Sorgen um die Kreditversorgung und schlechtere Konditionen genannt.
In diese Richtung argumentiert auch Klaus Nieding, Vizepräsident der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Er sagte dem CEO.Table, es liege nicht im Interesse des Kapitalmarktes und der deutschen Wirtschaft, dass es in Deutschland nur noch eine große unabhängige deutsche Bank gebe. Die Bundesregierung müsse sich jetzt, nach dem dilettantisch gemanagten ersten Verkauf ihres Aktienpaktes an die Unicredit, der Übernahme deutlich entgegenstellen. Nieding: „Eine Commerzbank als Wurmfortsatz der Unicredit ist inakzeptabel.“