CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 21. März 2025

Techem-Chef Hartmann will Konzern zum integrierten Energiedienstleister transformieren

Herr Hartmann, Techem ist gerade mehrheitlich an den US-amerikanischen Fonds TPG und mit Minderheitsanteilen an GIC, einem Staatsfonds aus Singapur, für 6,7 Milliarden Euro verkauft worden. Ändert sich damit die Wachstumsstrategie des Konzerns?

Der Verkauf ist bereits im September des letzten Jahres kommuniziert, die Verträge sind am 30. September 2024 unterschrieben worden. Wir rechnen jetzt damit, dass im ersten Halbjahr Brüssel grünes Licht gibt und das Closing wie geplant erfolgt. Techem ist auf dem Weg, das Produktportfolio zu verbreitern. Wir werden eine cloudbasierte Dekarbonisierungsplattform aufbauen und der Immobilienwirtschaft in Summe Lösungen anbieten, die bei der Umsetzung des individuellen Dekarbonisierungspfades helfen. Diesen Weg, den wir mit unserer Digitalisierungsstrategie bereits eingeschlagen haben, werden wir mit den neuen Eigentümern konsequent umsetzen.

Dekarbonisierungsplattform und Dekarbonisierungspfad hören sich gut an, auch mit Blick auf die von der EU angestrebte Klimaneutralität. Aber was steckt für Techem dahinter? Können Sie Ihr Geschäftsmodell genauer erklären?

Hausintern reden wir über die One Digital Plattform, also eine technologische Plattform, die verschiedenste Anwendungsfälle im Sinne von energetischen Dienstleistungen auf digitalen Wegen ermöglicht. Das betrifft die gesamte Steuerung von Energieströmen. Wir optimieren die Wärme- und Wasserversorgung, helfen den Energiebedarf zu senken und verbessern gleichzeitig den Service für Mieter und Vermieter, indem wir effizienter und verlässlicher als die Wettbewerber sind. Techem steht in zehn Jahren für einen integrierten Energiedienstleister, der die gesamte Breite des Energiemanagements in der Immobilie anbietet. Das ist unser Ziel.

Welche Rolle spielt dabei die KI?

KI wird immer wichtiger und ist inzwischen aus dem modernen Heizungskeller nicht mehr wegzudenken. Die ersten Applikationen sind bei uns bereits im Einsatz. Schon vorhandene Gebäude und Verbrauchsdaten werden – im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung und im Rahmen einer offenen Datenökonomie – zugänglicher gemacht und aktiv genutzt. Das intelligente Datenmanagement ist die Basis dafür, Wärme und Wasser effizient einzusetzen, dadurch Kosten zu sparen und die Ziele auf dem Weg zur Klimaneutralität im Jahr 2045 zu erfüllen. Ein Beispiel: Durch digitales Monitoring und optimale Einstellungen im klassischen Bestand einer Gas- oder Öltherme können wir die Effizienz im Heizungskeller heute schon durchschnittlich um 15 Prozent steigern – bei einem Wärmepumpensystem sogar um 27 Prozent.

Techem setzt also auf Hightech, wie hoch ist das Investitionsvolumen?

Unser Haus hat in den letzten fünf Jahren bereits über eine Milliarde Euro in digitale Infrastrukturen und den Ausbau dieses Geschäfts investiert. Dies werden wir fortschreiben. Das fängt bei internen Personalschulungen in unserer eigenen Tech-Akademie an und hört bei der Anschaffung der erforderlichen Hardware auf. Die Technologie verändert sich, und damit auch das Geschäftsmodell. Der Datenhaushalt wird aufgebaut. Damit ergeben sich Notwendigkeiten, aber auch Möglichkeiten zu mehr Analytik im Sinne von Mehrwertdienstleistungen für den Kunden. Und das wiederum erfordert Investition.

Um zu investieren, müssen Sie aber erst Geld verdienen. In welchem Zeitraum rechnen Sie mit einem Return auf Investment?

Obwohl wir diese gewaltigen Transformationsleistungen zu leisten haben, müssen wir schauen, dass wir unsere Dienstleistungen wettbewerbsfähig, effizient und produktiv erbringen. Das ist uns in den letzten Jahren gut gelungen. Wir haben es geschafft, die Profitabilität, stabil zu halten und in verschiedenen Sektoren sogar leicht zu steigern. Generell gilt: Techem will wachsen. Das geht nur, indem wir in den kommenden fünf Jahren digitalisieren und dafür investieren. Aber bei allem muss natürlich die Profitabilität des Konzerns stimmen.

Woher soll das Wachstum kommen? Wollen Sie organisch wachsen, zukaufen oder setzt Techem auf das Ausland? Der Konzern ist ja heute schon in 18 Ländern unterwegs.

In Deutschland bauen wir zu wenig Wohnungen, und die Sanierungsquote bewegt sich seit Jahren auf einem niedrigen Niveau. Also müssen wir im Vergleich mit unseren Wettbewerbern schneller, zuverlässiger, serviceorientierter und im Preis-Leistungs-Verhältnis besser sein. Damit gewinnen wir Kunden.

Zurzeit gibt es in Deutschland noch etwa 300 Anbieter, die Heizkostenabrechnungen und Heizungsmanagement anbieten. Viele von ihnen werden den nächsten Digitalisierungsschub aufgrund ihrer Größe allein nicht stemmen können. Hier erwarten wir einen Konsolidierungsprozess.

Über die Digitalisierung des Heizungskellers haben wir bereits gesprochen. Hier werden wir unseren Service ausbauen, genau wie bei Projekten, wenn es um Quartierslösungen geht. Wärme, Wasser und Strom, egal ob er vom eigenen Dach oder von einem Versorger kommt, gehören energetisch zusammen. Sie müssen gemeinsam digital gemanagt werden. Das können wir. Diese Stärke werden wir ausspielen. Und natürlich werden wir auch unser Engagement im europäischen Ausland ausbauen. Hier wollen wir in den kommenden fünf Jahren um knapp ein Vierteln unseres Umsatzes erwirtschaften.

In Deutschland ist Techem zurzeit die Nummer zwei mit einem Umsatz deutlich über einer Milliarde Euro. Wo wollen Sie in fünf Jahren stehen?

Unser Land befindet sich in einer großen energetischen Wende. Die Emissionen sollen bereits bis 2030 um mindestens 65 Prozent sinken. Hier sind wir mit unserem Know-how gefragt – egal, ob es um die Heizungsabrechnung, den Ausbau von Ladesäulen, den wir gerade für den Bund in 1000 Liegenschaften umsetzen, oder das Management von Strom und Wärme in Quartierlösungen geht, die dezentral versorgt werden. Das alles muss organisiert werden. Und damit ist dann auch Umsatzwachstum verbunden.

Das heißt in Zahlen …

… dass Techem mit der Portfolioerweiterung kräftig profitabel wachsen soll, ohne jetzt eine genaue Prognose abzugeben.

Matthias Hartmann ist seit Januar 2020 CEO der Techem Gruppe, die in 18 Ländern aktiv ist. Zuvor war Hartmann Vorsitzender der Geschäftsführung der IBM Deutschland GmbH und General Manager für Deutschland, Österreich und die Schweiz sowie Vorstandsvorsitzender des globalen Marktforschungsunternehmens GfK SE.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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