Herr Habben Jansen, die internationale Seefracht ist ein Seismograph für die Verfassung der nationalen und globalen Wirtschaftslage. Sind Sie trotz der Rezession in Deutschland, der Wachstumsschwäche in China und der protektionistischen Politik von US-Präsident Donald Trump noch optimistisch oder rechnen Sie im Jahresverlauf angesichts der jüngsten Zollankündigungen mit Einbußen?
In Gesprächen mit unseren Kunden spüren wir, dass sie mit ihren Einschätzungen vorsichtiger sind als noch im letzten Jahr. Viele Ökonomen haben erwartet, dass der Welthandel und damit auch das Frachtaufkommen nach dem chinesischen Neujahr einbricht. Das ist nicht der Fall gewesen. Das gilt auch für Hapag-Lloyd. Die Volumina sind noch da und wir registrieren eine stabile Auftragslage. Weder die US-Zollpolitik noch die Wachstumsschwäche in China haben sich bislang negativ auf unser Frachtaufkommen ausgewirkt.
Heißt das, dass Sie optimistisch auf das Jahr 2025 blicken?
Zumindest sind wir nicht pessimistisch. Wir rechnen für 2025 weiter mit einem moderaten Wachstum. Die Expertenschätzungen liegen in einer Range von zwei bis vier Prozent. Das sind auch die Werte, mit denen wir kalkulieren. Im Moment schauen wir, wie sich das zweite Quartal entwickelt. Am Ende eines Quartals verzeichnen wir meistens eine kleine Delle. Aber auch die ist zum Jahresauftakt ausgeblieben.
Die Exportnation Deutschland befindet sich in einer Wirtschaftskrise. Vor allem die deutschen Ausfuhren der Industriegüter müssten mit Blick auf die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau und die Elektroindustrie eine Lücke in das Frachtaufkommen reißen. Spüren Sie das?
Die Exporte aus Deutschland, die über Hapag Lloyd abgewickelt werden, sind im Vergleich zum Vorjahr stabil und wir verzeichnen bislang keine Einbrüche. Das kann aber auch daran liegen, dass wir im Wettbewerb mit unseren Konkurrenten besser abschneiden.
Südamerika und die EU haben gerade das Mercosur-Abkommen auf den Weg gebracht. Wird sich dies positiv im Seefrachtaufkommen niederschlagen?
Wenn das Mercosur-Abkommen ratifiziert ist und in Kraft tritt, ist das ein sehr positives Zeichen. Das wird positive Effekte auf den Handel und damit auch auf das Seefrachtaufkommen zwischen Europa und Lateinamerika haben. Aber das wird sich nicht von heute auf morgen auswirken, sondern die Wirkung wird sich erst über die nächsten Jahre entfalten.
Die internationalen Handelsströme sind durch geopolitische Risiken gefährdet. Hapag-Lloyd hat wegen Überfällen der Huthi-Miliz auf Handelsschiffe die Containerschiffe umgeleitet. Sollte die internationale Staatengemeinschaft mehr für die Sicherung der Seewege tun?
Es gab bereits mehrere internationale Einsätze, um die Routen durch das Rote Meer zu sichern. Bislang leider ohne durchschlagenden Erfolg. Auch eines unserer Schiffe wurde angegriffen. Unsere Schiffe fahren seitdem nicht mehr durch das Rote Meer und den Suez Kanal, sondern um das Kap der Guten Hoffnung.
US-Präsident Donald Trump hat erst vor kurzem einen Angriff auf einen Huthi-Stützpunkt angeordnet. Ist das der richtige Weg, um die Route durch das Rote Meer wieder sicherer zu machen?
Das kann ich nicht beantworten. Für uns als Reederei ist es jedenfalls enorm wichtig, dass die internationalen Seerouten sicher sind und unsere Schiffe nicht durch Terroristen oder von Piraten angegriffen werden. Nur wenn die Seewege sicher und die internationalen Lieferketten stabil sind, kann der Welthandel reibungslos funktionieren. Daran sind alle Staaten interessiert.
Die längere Route dürfte auch die Fracht verteuern. Können Sie Kosten an die Kunden weitergeben?
Die Fahrtzeit um das Kap der guten Hoffnung dauert für Transporte zwischen Asien und Nordeuropa zwischen zehn und zwölf Tage länger als durch den Suezkanal. Die höheren Frachtkosten sind verkraftbar – und die Transportkosten über den Ozean betragen beispielsweise für ein T-Shirt dann nicht mehr zehn sondern vielleicht elf Eurocent. Große Auswirkungen auf die Volkswirtschaften hat das keine. Dafür sind die Mehrkosten zu gering. Und da dies alle Reedereien betrifft, fallen solche Mehrkosten natürlich auch bei unseren Mitbewerbern an. Es gibt also auch keine Wettbewerbsverzerrungen.
Die könnte es aber bald bei der Durchfahrt im Panamakanal geben. Nach heftiger Kritik aus Washington an der Verwaltung des Panamakanals müssen US-Regierungsschiffe künftig keine Durchfahrtgebühren mehr zahlen. Sollten Gebühren für Reedereien aus Europa und Asien erhöht werden, um den US-Markt zu schützen, hätte dies auch Auswirkungen auf die Frachtpreise und damit negative Folgen für die betroffenen Volkswirtschaften. Oder?
Damit rechne ich nicht. Wir transportieren nicht nur Waren aus Asien, Europa, Afrika und Südamerika, sondern natürlich auch aus den Vereinigten Staaten. Und wir liefern Güter, die für die Weiterverarbeitung der US-amerikanischen Industrie wichtig sind. Deshalb ist es auch im Interesse der US-Regierung, dass sich Frachtkosten nicht erhöhen.
Hapag-Lloyd hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu sein. Auf dem Weg dahin haben Sie 24 hochmoderne Containerschiffe geordert. Die Trump-Administration hat dagegen das Pariser Klimaschutzabkommen gekündigt und setzt auf fossile Brennstoffe. Erwarten Sie, dass andere Länder wie China folgen und Sie als deutsche Reederei durch höhere Kosten – wenn die Konkurrenz weiter mit billigem Schweröl fährt – ökonomisch ins Hintertreffen geraten?
Wir halten an unserer Nachhaltigkeitsstrategie fest und wollen bis 2045 klimaneutral sein. Zum engagierten Kampf gegen den Klimawandel gibt es aus unserer Sicht keine Alternative. 2023 haben wir in unserer Flotte die ersten Schiffe mit Dual-Fuel-Antrieben eingesetzt. Damit können sie sowohl mit herkömmlichen Kraftstoffen als auch mit LNG betrieben werden. Durch den LNG-Einsatz können wir die CO₂-Emissionen beim Schiffsantrieb um 15 bis 20 Prozent und die Schwefeldioxid- und Feinstaubemissionen um mehr als 90 Prozent reduzieren …
… womit Sie aber nicht klimaneutral werden.
Der LNG-Betrieb ist eine Übergangslösung. Biokraftstoffe aus Reststoffen werden herkömmliche Treibstoffe ersetzen können, sobald sie in ausreichenden Mengen produziert werden. Auf diese Weise können wir CO₂-Emissionen um bis zu 100 Prozent reduzieren. Im Nachhaltigkeitsbericht von Hapag-Lloyd halten wir fest, was bereits erreicht wurde und wie wir weiterarbeiten. Das Erreichen der Klimaneutralität ist für uns ein Marathonlauf, aber wir sind sehr guter Dinge, dass wir ihn gewinnen werden.
Rolf Habben Jansen ist seit Juli 2014 Vorsitzender des Vorstandes der Hapag-Lloyd AG. Der Niederländer schloss 1991 sein Wirtschafts-Studium an der Erasmus-Universität in Rotterdam ab. Er arbeitete in verschiedenen Management Positionen. Unter anderem verantwortete Habben Jansen für DHL die Kontraktlogistik für weite Teile Europas und leitete als CEO das weltweit tätige Logistikunternehmen Damco.