CEO.Talk
Erscheinungsdatum: 18. April 2025

EEX-CEO Reitz blickt nach Brasilien

Herr Reitz, die EEX feiert im Juni das 25-jährige Bestehen. Das Unternehmen hat sich von einem Start-up zu einer globalen Energiebörse entwickelt. Rückwirkend betrachtet, was war der Schlüssel zum Erfolg?

Hier gibt es nicht den einen, sondern mehrere Schlüsselmomente in unserer Firmenhistorie, die zu dem starken Wachstum und unserer heutigen Marktposition geführt haben. Die Diversifikation unseres Produktportfolios zählt sicher dazu. Wir sind als rein deutsche Strombörse gestartet. Heute werden auf unserer Plattform Strom, Gas und Umweltprodukte von CO2-Zertifikaten bis hin zu Herkunftsnachweisen gehandelt. Die Auslagerung unserer Nachhandelsservices in das Clearinghaus ECC 2006 war sicher ein wesentlicher Schritt. Und Partnerschaften, wie etwa mit der französischen Powernext, aus der dann die EPEX SPOT für den kurzfristigen Stromgroßhandel in Europa entstanden ist, waren wichtig für uns, um uns in Europa zu etablieren. Für unser Wachstum über Europa hinaus sind die Übernahme der Derivatebörse Nodal Exchange im US-Bundesstaat Virginia sowie der Eintritt in den japanischen Strommarkt wichtige Schritte gewesen. Wir haben also viele Meilensteine gehabt, die uns rückblickend zu dem gemacht haben, was wir heute sind: eine Börsenplattform für Energie und Rohstoffe, die weltweit vertreten ist und in Europa, den USA und Japan die Nummer 1 im Stromhandel ist.

Was natürlich die Frage aufwirft, wo Sie Ihre Expansion fortsetzen? In Südamerika? In China oder auf dem afrikanischen Kontinent? Was sind die Märkte der Zukunft?

Die EEX wird dort expandieren, wo ein Markteintritt möglich und sinnvoll ist. Das ist immer dann der Fall, wenn Märkte dereguliert werden. Das ist auch vor 25 Jahren unsere Geburtsstunde gewesen, als die Börse LPX, später EEX, getrieben von der Deregulierung der europäischen Strommärkte in Leipzig als erste deutsche Strombörse an den Start ging. Überall, wo regionale Monopole aufgehoben werden und zu einem wettbewerblichen Marktmodell übergegangen wird, gibt es einen Bedarf für eine Handelsplattform. Das war auch in Japan vor fünf Jahren der Fall. Wir sind dann dort mit unserem Angebot und unserer Erfahrung in den Markt eingetreten und haben die EEX-Plattform zur mittlerweile größten Strombörse des Landes entwickelt. Kurzum: Überall, wo der Markt auf der Welt dereguliert und geöffnet wird, werden wir unsere Chance suchen.

Konkret, welches Land haben Sie als nächstes im Visier?

Wir schauen nach Südamerika, denn der Energiemarkt in Brasilien wird gerade dereguliert. Anfang des Jahres ist zudem ein Gesetz zur Beschleunigung der Energiewende in Kraft getreten. Deswegen sind wir mit unseren Angeboten bereits vor Ort und haben die neue Energiebörse N5X mit aufgebaut. Wir glauben, dass sich der Markt für uns in der größten Volkswirtschaft Lateinamerikas in den kommenden Jahren positiv entwickeln wird und wir als EEX-Group mit unserem Know-how und unserer Plattform einen Mehrwert stiften können.

Ein deregulierter Markt kann auch wieder reguliert und abgeschottet werden. US-Präsident Donald vollzieht unter dem Slogan Drill-Baby-Drill eine Kehrtwende zurück zu fossilen Brennstoffen und schottet durch seine Strafzollpolitik den US-amerikanischen Markt ab. Befürchten Sie Nachteile für Ihre US-Tocher Nodal Exchange?

Das sehen wir im Moment nicht. Nodal Exchange ist ein amerikanisches Unternehmen mit einem lokalen Management. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sitzen in den USA. Und der Strommarkt dort ist schon per Definition regional, weil Strom über lange Strecken und Kontinente nicht beliebig transportierbar ist. Insofern haben wir es in den USA mit einem in sich geschlossenen Markt zu tun, der keine beziehungsweise kaum Schnittmengen mit der globalen Handelspolitik von US-Präsident Donald Trump hat.

Das gilt für den Strommarkt. Beim Erdgas und insbesondere beim LNG sieht es aber anders aus. Oder?

Erdgas und vor allem LNG wird international gehandelt. Angebot und Nachfrage sind die bestimmenden Faktoren. Und die Preissensibilität ist dabei sogar so groß, dass LNG-Tanker sogar ihren Zielort auf dem Meer noch ändern, wenn das Flüssiggas auf einem anderen Markt einen höheren Preis erzielen kann. Europa ist trotz der großen Produktion in Norwegen Nettoimporteur und bezieht inzwischen etwa 20 Prozent seines Erdgasbedarfs aus den USA. Der LNG-Markt ist ein globaler Markt, nicht bestimmt durch nur einzelne Anbieter.

Sie sprechen von Angebot und Nachfrage. Vor dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs spielten Langfristverträge mit Russland eine große Rolle in der Preisbildung. Hat sich das inzwischen geändert – auch mit Blick auf den Strommarkt?

Wir sehen, dass die Bedeutung von Spotmärkten zunimmt. Aber Treiber dafür ist nicht das geopolitische Umfeld, sondern der steigende Anteil erneuerbarer Energien. Wir wissen heute erst sehr kurzfristig, wieviel Strom Windkraft- und Solaranlagen tatsächlich produzieren. Der Strom wird kurzfristig – bei uns zum Teil bis zu fünf Minuten vor der Lieferung – über die Spotmärkte gehandelt. Und da der Anteil der erneuerbaren Energien in Deutschland in den vergangenen Jahren stetig gewachsen ist und heute einen Anteil an der Stromerzeugung in Deutschland von über 50 Prozent erreicht hat, ist damit auch ein Anstieg des Handelsvolumens an der EPEX, unserer Börse für die Strom-Spotmärkte, verbunden.

Die von Ihnen beschriebenen Zeitspannen sind sehr kurz. Was passiert, wenn der Produzent nicht liefern kann?

Börsenhandel heißt immer auch Clearing, und das börsliche Clearinghaus garantiert Lieferung und Zahlung jedes einzelnen Geschäfts. Das ist vor allem in Krisenzeiten besonders wertvoll. Deshalb hat die Energiekrise dem börslichen Handel, insbesondere auch an den Terminmärkten, wo es möglich ist, sich langfristig gegen Preisänderungsrisiken abzusichern, einen deutlichen Schub gegeben. Das lässt sich gut an unseren Marktanteilen ablesen. In unserem liquidesten Kontrakt, dem deutschen Stromfuture, hatten wir 2024 einen Marktanteil von 85 Prozent am Gesamtmarkt, im Vorjahr waren es 81 Prozent. Als ich bei der EEX angefangen habe, lag der Marktanteil noch bei circa 15 Prozent am Gesamtmarkt – wir haben also in den letzten Jahren deutlich mehr Volumen zum Clearing an die Börse gebracht.

Wie hat sich der Kampf gegen den Klimawandel auf die Geschäfte der EEX ausgewirkt? An der Börse werden ja auch CO2-Zertifikate gehandelt.

Das ist ein Wachstumsfeld, und wir haben in dem Handel mit Emissionszertifikaten Pionierarbeit geleistet und waren schon 2005 beim Start des europäischen Emissionshandels EU ETS dabei. Schon seit 2010 sind wir die Auktionsplattform für die europäischen Regierungen, die über die Ausgabe der CO2-Zertifikate signifikante Einkünfte erzielen. Allein im letzten Jahr haben wir für die Bundesregierung 18,5 Milliarden Euro über die Emissionszertifikate-Auktionen eingenommen. Für die europäischen Regierungen waren es 2024 insgesamt knapp 39 Milliarden Euro. Das zeigt, dass wir einen sichereren Handel organisieren können und einen Mehrwert für die Regierungen in Europa schaffen.

Ein neues Handelssegment dürfte der Wasserstoffmarkt sein. Die alte und wohl auch die neue Bundesregierung sehen in ihm einen wesentlichen Hebel auf dem Weg zur Klimaneutralität. Wird Wasserstoff demnächst auch an der EEX gehandelt?

Der Markt entsteht gerade. Erzeugung, Transport und Kunden, die Wasserstoff als Energieträger nutzen, bilden sich heraus. In diesem System ist der Handel ein wesentlicher Baustein zum Erfolg und er muss auch von Anfang an mitgedacht werden. Deshalb sind wir relativ früh in diesen Markt eingestiegen. Das fängt damit an, dass wir Transparenz über das Preisniveau schaffen – eine zentrale Aufgabe einer Börse. Dafür haben wir für den Wasserstoffmarkt einen Index mit dem Namen Hydrix entwickelt, der abbildet, wie sich der Marktpreis für grünen Wasserstoff entwickelt.

Aber da der Markt noch nicht existiert, wie können Sie dann Preise feststellen?

Grüner Wasserstoff wird schon produziert – und verarbeitet. Die Erzeuger und Abnehmer melden uns die Preise, wir errechnen daraus den Index. In Zukunft gehen wir davon aus, dass Wasserstoff in der Stromerzeugung eine tragende Säule in Deutschland sein wird. Heute schon werden wasserstofffähige Gaskraftwerke gebaut. Die Anzahl der Erzeuger wird steigen. Für diesen Markt haben wir schon jetzt eine Handelsplattform entwickelt. Wir sind vorbereitet.

Wer also den Aufschlag hat, der hat dann bei einem wachsenden Markt auch die Nase vorn. Ist diese Gleichung so einfach?

Es sehen im Energiehandel viele Segmente, wo es einen First-Mover-Advantage gibt. Das ist auch ein Grund, warum wir uns sehr früh positionieren. Aber das ist keine Garantie, dass man dann auch die Nase beim Handel vorn hat. Letztendlich kommt es darauf an, dass die Nutzer auf unserer Plattform ihre Produkte zum Handel anbieten. Je mehr Marktteilnehmer, desto besser für das Wachstum einer Börse. Das ist eine wesentliche Größe.

Hat Sie das auch in den letzten 25 Jahren zum Erfolg geführt?

Ja, die Anzahl unserer Kunden ist natürlich ein Wachstumstreiber. Als wir vor 25 Jahren angefangen haben, hatten wir etwa 40 Kunden, die an die Börse angeschlossen waren. Heute sind es 950, über alle Handelsplätze der EEX Group. Und es kommen zusätzlich noch weitere Teilnehmer hinzu, die unsere Märkte indirekt nutzen, ohne dass sie selbst Börsenteilnehmer sind. Dieses Netzwerk, dieser Verbundeffekt, sie sind eine Grundlage für das Wachstum unseres Unternehmens.

Zu Beginn unseres Gespräches haben Sie die Bedeutung von Partnerschaften und Übernahmen hervorgehoben. Stehen jetzt im Jubiläumsjahr Übernahmen an?

Akquisitionen haben in der Vergangenheit immer eine Rolle gespielt, und sie wird es auch in der Zukunft geben. Eine Übernahme muss aber in unser Portfolio und unsere Strategie passen, und die Gelegenheit muss auch gegeben sein. Stimmt das überein, werden wir aktiv.

Die Kriegskasse dafür ist gefüllt?

Die EEX ist ein sehr profitables Unternehmen und durchaus in der Lage, weitere Akquisitionen zu stemmen.

Peter Reitz ist seit 2011 Vorsitzender des Vorstands der EEX. Zwischen 2011 und 2023 war er außerdem CEO der European Commodity Clearing (ECC). Vor seiner Ernennung begleitete er bereits seit 2007 die Entwicklung der EEX und ihres Clearinghauses ECC als Mitglied des jeweiligen Aufsichtsrats. Seine Karriere startete Peter bei der Deutsche Börse AG in Frankfurt, zudem war er bei Dow Jones Indexes in New York tätig.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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