Der Softwarekonzern SAP hat – trotz der schwierigen Wirtschaftslage auf dem Heimatmarkt – in den vergangenen Jahren überdurchschnittlich an Wert gewonnen. Wie hat das Walldorfer Unternehmen das gemacht? Und was hat der Konzern den anderen im DAX gelisteten Konzernen voraus?
Markus Golinski, Analyst und Portfoliomanager bei Union Investment, sieht hier vor allem den eigenen Produktzyklus und die treue Kundschaft. Mehr als 80 Prozent der Umsätze des Unternehmens seien wiederkehrende – ein Glücksfall in einer Zeit großer Marktunsicherheit. „Zudem wurden in den vergangenen Jahren viele Investitionen getätigt, die sich nun auszahlen und positiv auf die Profitabilität auswirken.“
Johannes Schaller, Analyst bei Deutsche Bank Research, hebt dabei die Rolle von Geschäftsführer Christian Klein hervor. „Er war es, der sehr stark mit der bisherigen Strategie von SAP gebrochen hat, die darin bestand, innovative Unternehmen aus dem Bereich Cloud einzukaufen, ohne diese aber wirklich zu integrieren." Klein dagegen konzentrierte sich vor allem auf Innovationen im Kernprodukt S/4HANA, einem Enterprise Resource Planning System, „quasi dem Kernstück von jedem datenbasierten Unternehmen für Finanz- und Entscheidungsmanagement" – und dessen Migration von on-premise zu Cloud.
Und dann ist da noch Chat-GPT, dessen Launch 2022 den Auslöser für eine nie dagewesene Markt-Offenheit für KI-Produkte darstellte. SAP, die schon lange an KI-Lösungen und einem digitalen Assistenten gearbeitet hatte, konnte „mit seiner sehr guten, sehr weit entwickelten Artificial-Intelligence-Roadmap sehr schnell, wettbewerbsfähige Lösungen an den Markt bringen, die beim Kunden wirklich einen Mehrwert stiften", resümiert Schaller.
Carsten Brzeski, Chefvolkswirt für Deutschland und Österreich bei der ING, zufolge profitiert das Unternehmen zudem von der gut laufenden US-Wirtschaft und von seinen gleichbleibend gefragten Produkten. „In Deutschland und Europa laufen IT und Digitalisierung, trotz Industrieschwäche, immer noch recht gut. Unternehmen können es sich in der aktuellen Situation gar nicht erlauben, dort zu kürzen", sagt er.
Das Unternehmen, das bereits die 300-Milliarde-Euro-Marktkapitalisierung geknackt hat, wurde deshalb zuletzt zu groß für die deutsche Börse; es überschritt die Kappungsgrenze, die die Dominanz einzelner Konzerne verhindern soll. Johannes Schaller zufolge sei dies aber nicht problematisch: „ SAP hat auch ein sehr liquides ADR-Programm in den USA und vor allem dort, aber zum Teil auch in Europa außerhalb Deutschlands, gibt es noch viel Potenzial, Investoren von SAP zu überzeugen. Und auch auf der passiven Seite gibt es bei ETFs mit Fokus auf Europa oder Weltindizes noch viel Raum nach oben für eine höhere Gewichtung der SAP-Aktie.“ Anouk Schlung