Der Fachkräftemangel gilt als zentrales Wachstumsrisiko deutscher Unternehmen – doch das Problem liegt tiefer. Viele Beschäftigte arbeiten in Jobs, die weder zu ihren Werten noch zu ihren Stärken passen: Es besteht eine Fehlallokation von Talenten. Das führt zu hoher Fluktuation, geringer Motivation und teuren Fehlbesetzungen.
Recruiting steht vor einem Umbruch, ähnlich wie Produktion und Logistik vor Jahren. Noch werden Bewerbungen oft manuell vorsortiert, Künstliche Intelligenz (KI) bietet jedoch Chancen, passgenauer und effizienter zu vermitteln. „Gerade beim Thema Effizienzsteigerung sehe ich viel Potenzial”, sagt Carolin Ludwig, Deputy Director of HR an der ESMT Berlin. Auch die Bundesregierung sieht hier Chancen: Das 2020 gegründete KI-Observatorium des Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) analysiert den KI-Einsatz auf dem Arbeitsmarkt und erarbeitet mit relevanten Akteuren praxisnahe Lösungen. Laut dem BMAS könne KI HR-Prozesse beschleunigen, die Passgenauigkeit erhöhen und Beschäftigte im HR entlasten.
Hier setzt das Berliner Start-up Empion an: Ein KI-basierter Robo Advisor bringe Talente und Unternehmen anhand von Skills, Werten und Persönlichkeit zusammen. Entwickelt wurde das Verfahren hierfür von den Gründerinnen Annika von Mutius und Larissa Leitner. Ziel von Empion sei laut von Mutius „eine präzise, datenbasierte Allokation der richtigen Menschen auf die richtigen Vakanzen”.
Gerade bei der Personalauswahl ist Einsatz von KI im Recruiting jedoch sensibel. „Transparenz und Nachvollziehbarkeit bilden zentrale Voraussetzungen für einen vertrauenswürdigen und menschenzentrierten Einsatz”, so ein Sprecher des BMAS gegenüber Table.Briefings. Empion nutze dafür gesellschaftliche Validierungsdatensätze, analysiere Bias mit dem sogenannten Feature Engineering und erlaube durch einen „Human-in-the-loop"-Ansatz menschliche Korrekturen. Die Entscheidungen sollen für alle Beteiligten nachvollziehbar bleiben, die Datenverarbeitung erfolge DSGVO-konform.
In den kommenden Jahren könnte KI den Bereich Recruiting transformieren. Das 4-Level-Modell beschreibt die technologische Reife von Unternehmen im Umgang mit KI – von einfachen, unterstützenden Tools bis hin zur vollständigen Automatisierung. „Viele Unternehmen sind noch auf Level 0 bis 1”, sagt Co-Gründerin von Mutius. Empions Vision sei das Potenzial jedes Einzelnen optimal auszuschöpfen, um Wirtschaftswachstum und erfüllende Arbeitsverhältnisse zu fördern. Ihre Nominierung zur „Gründerin des Jahres” bei den diesjährigen German Startup Awards bestätigt den Erfolg dieser Vision.