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Erscheinungsdatum: 10. Januar 2025

Kehrt das Inflationsgespenst zurück? Warum Deutschland im Worst Case sogar in eine Stagflation rutschen kann

Von Reint Gropp

Zur Erinnerung: Nach Jahren von Inflationsraten nahe null, stieg die Inflationsrate in Deutschland 2022 nach der Coronapandemie und dem Überfall Russlands auf die Ukraine auf knapp sieben Prozent – ähnlich hoch wie zur Energiekrise 1973/74. Die Gründe dafür sind bekannt: Steigende Energiepreise und Nachholeffekte beim Konsum, verbunden mit Lieferkettenproblemen gerade im Handel mit China. Seitdem haben Zentralbanken wie die Europäische Zentralbank (EZB) eine weiche Landung hingelegt. Ohne große Verluste beim Wachstum (zumindest global gesehen) wurde die Inflationsrate auf 1,6 Prozent im September 2024 gedrückt. Ein großer Erfolg?

Es gibt Zweifel. So ist die Inflation in Deutschland seit diesem Tiefstand sukzessive auf 2,6 Prozent im Dezember gestiegen. Gleiches gilt für die Eurozone als Ganzes. Wie immer bei der Inflationsrate ist der Trend mindestens so wichtig wie das Niveau: Inflationsentwicklungen haben die Tendenz sich selbst zu verstärken.

Trügerische Sicherheit

Die Märkte geben sich sorglos. Die Inflation liege ja selbst im Dezember nur leicht über dem EZB-Ziel von zwei Prozent. Man sieht keine Rückkehr der hohen Inflationsraten, kein Anzeichen für einen inflationären Trend; Basiseffekte seien der Grund für den Anstieg. Basiseffekte heißt: Die Inflationsraten waren im September nur so niedrig, weil die Energiepreise dramatisch niedriger waren als vor einem Jahr. Dieser Effekt würde jetzt langsam aus den Inflationszahlen verschwinden. Das Argument ist durchaus stichhaltig: Wenn man Energiepreise und Lebensmittel herausrechnet (sich also die sogenannte Kerninflationsrate anschaut), dann hat sich die Inflation zwischen September und Dezember 2024 zwar auch erhöht, aber nur von 2,7 auf 3,1 Prozent. Trotzdem ist das deutlich über dem Inflationsziel der EZB.

Die entspannte Haltung spiegelt sich in den kurz- und mittelfristigen Inflationserwartungen wider: Konsens ist, dass Inflationsraten in Deutschland (und in der Eurozone) schon 2025 auf das EZB-Ziel von zwei Prozent zurückfallen und mittelfristig dortbleiben werden. Die Entspannung zeigt sich auch in der Tatsache, dass der Markt im kommenden Jahr EZB Zinsschritte von 100 Basispunkten erwartet – Zinsschritte nach unten wohlgemerkt. Das ist überraschend, wenn man bedenkt, dass die Kerninflationsrate mehr als einen Prozentpunkt über dem Ziel liegt. Zudem: Mit Blick auf die Wirtschaftspolitik in den USA und die sich daraus ergebenden Inflations- und Wechselkurseffekte, kann man sich schon Sorgen machen.

Es ist unstrittig, dass die geplante Einführung von Zöllen in den USA zu inflationären Tendenzen in den Vereinigten Staaten führen werden. Importierte Güter werden teurer. Es ist aber auch klar, dass die logische Antwort der EU auf Zölle in den USA ist, selbst Zölle einzuführen – also auch hier inflationäre Effekte in der Eurozone und besonders in Deutschland, mit seinem besonders hohen Anteil des internationalen Handels am Bruttosozialprodukt, haben. Diese inflationären Effekte werden wahrscheinlich verstärkt durch die zu erwartenden Wechselkursbewegungen des Euro in Bezug auf den US-Dollar. Wenn die Amerikaner weniger europäische Produkte kaufen, sinkt die Nachfrage nach dem Euro und damit der Wechselkurs. Auch das hat inflationäre Auswirkungen.

EZB-Leitzinssenkungen sind unwahrscheinlich

Zusammengenommen scheint es unwahrscheinlich, dass die Situation wirklich so entspannt ist, wie die Marktbeobachter gegenwärtig zu denken scheinen. Es erscheint zumindest unwahrscheinlich, dass die erwarteten Zinsschritte der EZB nach unten wirklich kommen werden. Und wenn sie wirklich kämen, ist es schwer vorstellbar, dass Inflationsraten niedrig blieben – völlig unabhängig von den Entwicklungen in den Energiemärkten.

Dabei ist Deutschland in einer besonders ungünstigen Situation: Einerseits eine in vielen Bereichen hausgemachte Wachstumsschwäche (Null oder negatives Wachstum 2024) und damit deutlich niedrigeres Wachstum als der Eurozonendurchschnitt, verbunden mit besonders starkem inflationärem Druck durch die Exportabhängigkeit. Es gibt also leider nicht nur Gründe, die mangelnde Reformfähigkeit Deutschlands mit Besorgnis zu betrachten, sondern auch steigende Inflationsraten. Die 70er Jahre lassen grüßen: Die Kombination von Wachstumsschwäche und hohen Inflationsraten nennt man Stagflation, vielleicht die ungünstigste Wirtschaftsentwicklung überhaupt!

Professor Reint Gropp ist Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH).Der Ökonom forschte jahrelang bei der EZB und der Goethe-Universität in Frankfurt/Main. Zuvor war er für den IWF in Osteuropa, Afrika und Asien tätig.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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