Die Welthandelsorganisation (WTO) hat ihre Rolle als Hüterin des globalen Freihandels weitgehend verloren. Ihre marktwirtschaftlichen, regelbasierten und multilateralen Prinzipien wirken heute wie aus der Zeit gefallen. Von ihrer Gestaltungskraft ist wenig geblieben. Ist Donald Trump schuld?
Die Ursachen für den Bedeutungsverlust der WTO reichen tiefer und weiter zurück. Die 2001 gestartete Doha-Runde konnte nie abgeschlossen werden. Der weltweite Protektionismus nimmt seit Jahren zu: 2010 waren weniger als ein Prozent der weltweiten Importe zusätzlichen Handelsbeschränkungen unterworfen, 2024 lag dieser Anteil bei fast zwölf Prozent – Importe im Wert von knapp drei Billionen US-Dollar.
Ein zentraler Grund: die Verschiebung globaler Wirtschaftskraft. Bei der Gründung der WTO entfielen etwa zwei Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung auf die G7-Staaten. Diese konnten mit ihren weitgehend übereinstimmenden Interessen die Regeln prägen. Heute liegt ihr Anteil nur noch bei 45 Prozent. Länder wie China und Indien, die den bisherigen WTO-Prinzipien distanziert gegenüberstehen, gewinnen an Einfluss und setzen zunehmend auf alternative Strukturen. Eine große Organisation mit 166 Mitgliedern und einheitlichen Regeln wird dabei oft als Bremsklotz wahrgenommen.
Zwei Rahmenbedingungen haben sich grundlegend verändert: Erstens ist die wirtschaftliche Dominanz des Westens nicht mehr gegeben. Zweitens sind die handelspolitischen Interessen weltweit deutlich heterogener geworden. Wie sich die USA künftig positionieren werden, ist noch offen.
Daraus ergeben sich drei Thesen, die strategisch besonders für Europa von Bedeutung sind:
Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte und aktuelle Tendenzen bestätigen diese Thesen. Die Grundprinzipien der WTO haben in dieser neuen Ordnung kaum noch Platz.
Für Deutschland und Europa bedeutet das: Erstens müssen wir die neue Realität anerkennen. Zweitens liegt es an uns, unter veränderten Bedingungen selbstbewusst Chancen zu nutzen.