Table.Briefing: Bildung

Whitelist für Schulen + Schulleiter hoch erfreut

  • Datenschutz-Liste: Bundesangebot fällt durch
  • Schulleiter Klaus Ramsaier: Whitelist gibt Sicherheit und Freiheit
Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Liste macht eine Sonderausgabe des Bildung.Table nötig: Wie berichtet, hatte der Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse Thüringens Schulleiter immer wieder informiert, welche digitalen Tools er empfehlen kann – und welche nicht. Durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz wurden diese Schreiben nun für jedermann öffentlich. Wir dokumentieren die datenschutzrechtlichen Informationen über Apps, Lernmanagementsysteme und andere Tools mit allen Links. Für Lehrerinnen und Lehrer können diese Informationen spielentscheidend sein. Der Schulleiter und Digitalpionier Klaus Ramsaier schätzt den Wert sogar höher ein: Die Whitelist bringt einen Schub für die Schulentwicklung und das digitale Lernen.

Die Liste enthält einige böse Überraschungen. Dass Programme wie Microsoft 365 nach Ansicht der Landesdatenschützer nicht mehr guten Gewissens in Schulen verwendet werden dürfen, sollte genauso bekannt sein wie die Unvereinbarkeit der informationellen Selbstbestimmung der Schüler mit WhatsApp. Was aber vielen Lehrern sicherlich Mühe bereiten wird, ist die Tatsache, dass auch das beliebte Padlet keinen Persilschein bekommt. Unangenehm ist, dass deutsche Vorzeigeanbieter wie Sofatutor und Serlo in den Augen von Lutz Hasse nicht ohne weiteres in den Schulen benutzt werden sollten. Peinlich für den Staat und die öffentlich-rechtlichen: auch die vom Bund geförderte Plattform “Wir lernen online” und das multimediale Schulfernsehen “Planet Schule” von WDR und SWR fallen durch. Ein Glück, dass es diese Liste endlich gibt. Spannende Lektüre wünscht Ihnen

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller

Analyse

Whitelist: Microsoft flop, Mundo top

Dr. Lutz Hasse spricht sich für Whitelist aus: Microsoft flop, Mundo top
Lutz Hasse, Vorsitzender des Arbeitskreises “Bildung und Datenschutz” der Datenschutzkonferenz

Bei “WhatsApp” fällt das Urteil von Lutz Hasse beinahe brutal aus. Der Dienst wird an Thüringens Schulen schlicht untersagt. Auch bei “Microsoft“, “Instagram” und dem eher unter Lehrern bekannten Dienst “Padlet” erhebt der Datenschützer von Thüringen und Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der Datenschutzkonferenz Bedenken. Aber Lutz Hasse verbietet eben nicht nur oder rät ab, er empfiehlt eine Vielzahl von Tools. Dazu gehören Moodle, die Thüringer “Schulcloud“, “EduPage”, aber auch die “Mundo” und – mit Einschränkungen – “Teamviewer” und die “Anton App“.

Das ist gewissermaßen das “Best of” der White- and Blacklist von Deutschlands oberstem Datenschützer für Bildung. Die Liste markiert einen Gezeitenwandel in der digitalen Bildung. Bisher gab es von Datenschützern autorisierte öffentliche Listen so gut wie gar nicht. Die Diskussion in Deutschland drehte sich beim Datenschutz zu großen Teilen darum, dass endlich eine Positivliste aufgestellt wird. Da biß man sich fest. Nun gibt es diese Liste. 

Dank “Frag-den-Staat” ist die Whitelist nun für jedermann einsehbar

Dazu muss man allerdings wissen, dass die Liste von Hasse keine übersichtliche Aufzählung im strengen Sinne ist, sondern ein Überblick von neun Schreiben, die er an die Schulleitungen in Thüringen verschickte. Diese Sammlung war auch nicht für alle öffentlich, sondern sie wurde es erst durch eine Anfrage über “Frag den Staat”. So liegen nun also Schreiben von Lutz Hasse vor, die Bildung.Table hier aufzählt, exzerpiert und verlinkt. Die Schreiben beginnen am 15. Januar 2021 und gehen bis zum 2. Juni 2021. Inzwischen gibt es die eine oder andere Aktualisierung. Der Schulleiter Klaus Ramsaier macht daher im Didaktik&Tools dieser Ausgabe den Vorschlag, dass der Bund die Liste künftig öffentlich vorhält – und mithilfe der Landesdatenschützer permanent aktualisiert. Das helfe den Lehrern – und schütze vor juristischen Attacken durch große Konzerne. Lutz Hasse sagte Bildung.Table gestern abend, dass er bereits eine Aktualisierung der Liste vorbereite.

Der Überblick über die Schreiben: 

Der Beginn der Datenschutzliste für Schulleiter:innen: Erstes Schreiben von Hasse

Schreiben 1: Am 15. Januar 2021 verschickte Lutz Hasse erstmals an die staatlichen Schulen in Thüringen per E-Mail “Hinweise zur Nutzung der Thüringer Schulcloud und weiterer Software zu schulischen Zwecken“. Darin ging es im Wesentlichen um die “Schulcloud”, um “Moodle”, “EduPage” und “itslearning”. Die Beamten von Hasse schauen sich “Padlet” an – und raten davon ab. Sie empfehlen “Nextcloud”, äußern sich vorsichtig zu “BigBlueButton”, “Jitsi Meet” und “Cisco WebEx”. Hasse untersagt de facto “WhatsApp”, das in Niedersachsen zeitweise im Schulbetrieb sogar erlaubt war. “WhatsApp darf aber nicht für die dienstlich-schulische Kommunikation von Lehrkräften mit Schülerinnen und Schülern sowie zwischen Lehrkräften untereinander genutzt werden,” schreibt Hasse. Denn WhatsApp greife in der Regel auf die komplette Kontaktliste der Smartphones zu und verarbeite alle Metadaten der Kommunikation. Der Datenschützer weist (positiv) auf die Messenger Dienste “Conversations” und “Chatsecure” sowie “Threema Work Education” und “Schul.Cloud/Stashcat” hin. 

Hasse zieht aus dem EuGH-Urteil Konsequenzen

Außerdem gibt Hasse in diesem ersten Schreiben grundsätzliche Hinweise zu us-amerikanischen Diensten und dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2020. Allein diese Bemerkungen sind wertvoll. An Schulen und in der Öffentlichkeit ist noch kaum bekannt, dass dieses Urteil gravierende Auswirkungen auf den Umgang mit Schülerdaten hat – Lutz Hasse ist einer der wenigen, der daraus Konsequenzen zieht. Er weist in seinem Schreiben vom Januar darauf hin, dass durch US-Anwendungen massenhaft Sammlungen personenbezogener Daten ohne klare Beschränkung erfolgten. Und dass Bürgerinnen und Bürger der EU, deren Daten in die USA geflossen sind, “keine Möglichkeit haben, diese Überwachungsmaßnahmen gerichtlich prüfen zu lassen.”

Schreiben 2 und 3 bestehen aus der “Orientierungshilfe Videokonferenz Systeme” der Datenschutzkonferenz vom 23. Oktober 2020 und einer Checkliste dazu. Besonders interessant und wichtig für Lehrer in diesem Zusammenhang ist die Gastteilnahme an Videokonferenzen. In der Checkliste sollen die Lehrkräfte abhaken, ob Risiken für betroffene Personen entstehen, weil nicht autorisierte Dritte teilnehmen. Auch soll geprüft werden, dass nicht autorisierte Personen erkannt und aktiv ausgeschlossen werden können, bevor sie aktiv an der Videokonferenz teilnehmen. Das ist vor allem wichtig, nachdem Ende 2019 und Anfang 2020 etliche Fälle bekannt wurden, bei denen Dritte in Video-Klassenzimmer eindringen konnten. Sie pöbelten dort herum oder zogen sich sogar aus

Padlet: es fließen “offensichtlich Nutzerdaten an Dritte” 

Schreiben 4 und 5: in diesen beiden Mails von Hasse an die staatlichen Schulen vom 25. Januar 2021 geht es praktisch nur um “Padlet“, eine digitale Pinnwand, die inzwischen viele Schulen und Lehrer benutzen, um Projekte vorzubereiten oder damit Schüler sich Übersichten erstellen können. Hasses IT-Ingenieure bemerken: “Dass offensichtlich Nutzerdaten auch an Dritte fließen, ist für jedermann einfach nachweisbar: Die in der Anlage beigefügte Webbkoll-Analyse zeigt auf Seite 6, dass Wallwisher Inc. eine Vielzahl von Tracking-Instrumenten von Drittanbietern eingebunden hat, die für den Zweck der Plattform nicht erforderlich sind.” Interessant ist hier, dass sich dank Frag-den-Staat nun jeder die Webbkoll-Analyse anschauen und sehen kann, welche Drittanbieter die Daten bekommen. (Screenshot) Hasses Conclusio: Hürden und Aufwand für den Einsatz von Padlet seien so hoch, “dass gegenwärtig eine Nutzung durch Schulen unmöglich ist”. 

Tracking-Instrumente von Drittanbietern bei Padlet

Schreiben 6 vom 29. Januar 2021 enthält geradezu Ohrfeigen für Helmut Holter (Die Linke), den Minister für Bildung von Thüringen. Hasse erklärt den Schulleiter:innen der Thüringer Schulen in diesem Schreiben, wie viele Daten von Instagram abfließen – und er erklärt es dem Minister. “Herr Minister Holter hat am 26.1.2021 über Instagram eine Videokonferenz entgegen dem ausdrücklichen Rat des TLfDI abgehalten”, steht in dem Schreiben. “Darin wird ein Sprecher des TMBJS zitiert, der Instagram fälschlicherweise als ‘unproblematisch’ darstellt. Dieser Auffassung widerspricht der TLfDI sehr deutlich.”

Minister Holter verstieß gegen den Datenschutz – trotz Warnung

Dieser kleine, auch ehrpusselige Konflikt zeigt, wie grundsätzlich problematisch viele Kultusminister mit dem Thema Datenschutz umgehen. Dass ausgerechnet ein Minister von oben herab immer wieder gegen den Datenschutzbeauftragten mobil macht – und dann selbst ein unsicheres Tool wie Instagram für ein Gespräch mit Schülern nutzt, ist schwer zu verstehen. Wer solche Minister hat, kann die Datenschutzbeauftragten gleich abschaffen. 

Helmut Holter über Whitelist Microsoft Mundo
05/10/2017 – Erfurt: Porträt des Thüringer Ministers für Bildung, Jugend und Sport, Helmut Holter, am 5. Oktober 2017. / _________________ Foto: Jacob Schröter (017623787412)

Das Schreiben 7 vom 17. März 2021 ist wahrscheinlich das wichtigste, denn es ist eine fast komplette Liste zulässiger und bedenklicher digitaler Tools. Das Mail zeigt, wie intensiv die Schulleiterinnen und Schulleiter in Thüringen das Angebot Lutz Hasses nutzten. Sie taten es umso mehr, als sie merkten, wie auskunftsbereit und hilfreich die Datenschutzbehörde in Thüringen ist. In dem Schreiben wird eine ganze Reihe von digitalen Tools und Apps aufgelistet, gegen die “keine durchgreifenden Bedenken” bestehen. Dazu gehören “Sdui“, “Dudle”, “oncoo”, “LearningApps”, “LearningView”, “EduPage” (mit Vorbehalten) und “Teamviewer” (mit Hinweisen). 

Böse Überraschung: Bedenken gegen Sofatutor, Serlo und “Wir lernen Online”

Bedenken äußert Hasse gegen folgende Produkte: “Microsoft365”, “Sofatutor“, “YouTube”, “Kialo-Edu“, “duolingo”, “quizlet”, “schooltogo”, “schlaukopf”, “frustfrei-lernen”, “quizacademy”, “wooclap”, “TeacherMade”, “G-Suite for Education”, “Edu.school”, “onilo”, “serlo“, “Adobe.scan”, “Instagram”, “Facebook” und WhatsApp. Die Überraschung in dieser negativen Aufzählung sind sicherlich Sofatutor und Serlo, zwei arrivierte  deutsche Anbieter, die bei Lehrerinnen und Lehrern inzwischen sehr beliebt sind. 

Das Schreiben 8 vom 27. April 2021 enthält Hinweise auf Alternativen zu YouTube. Darin tauchen “Mundo” und “Wir lernen online” auf, zwei bundesweite Plattformen für Lehrer:innen, die von der KMK beziehungsweise dem Bundesbildungsministerium initiiert wurden. Auch “Planet-Schule” von den öffentlich-rechtlichen Sendern WDR und SWR zählt zu diesen Alternativen. Überraschend: Wir Lernen Online fällt durch und Planet-Schule kann “nur bedingt empfohlen werden”. In Schreiben 9 vom 2. Juni 2021 schließlich korrigiert Hasse einige Einschätzungen nach Rückmeldungen der Anbieter Sdui, Onilo und EduPage.

Mehr zum Thema

    • Datenschutz
    • Digitalisierung
    • Lutz Hasse
    • Schulcloud

    Didaktik & Tools

    Whitelist gibt Lehrern Sicherheit – und Freiheit

    Welchen pädagogischen Vorteil hat eine White- und Blacklist wie die von Lutz Hasse? 

    Eine solche Whitelist bringt, endlich, Planungssicherheit für Lehrkräfte – und damit Freiheit. Lehrer:innen müssen jetzt nicht mehr Mut aufbringen für den Einsatz digitaler Plattformen und Apps – sie wissen nun, worauf sie sich einlassen. Es lohnt sich für sie, sich in ein Tool einzuarbeiten. Motto: Ich hab Bock darauf – weil ich es nutzen darf. Und ich kann ein Tool auch schulweit einführen, ohne zurückgepfiffen zu werden. Auch für Entwickler ist das wichtig. Sie strengen sich dadurch mehr an, datenschutzkonforme Medien und Inhalte für Schulen anzubieten. 

    Gibt es einen Zusammenhang zwischen rechtlicher Sicherheit und technischen Voraussetzungen?

    Ja. Wenn ich weiß, welche rechtlichen und technischen Grundvoraussetzungen herrschen, um ein Tool effektiv oder passgenau zu betreiben, kann ich als Lehrer das Pferd auch mal von hinten aufzuräumen. Ich kann schauen, was hab’ ich schon und was kann ich damit eigentlich machen? Unsere Erfahrung der letzten Jahre war, dass wir viel mehr mit dem ausreizen konnten, was wir schon hatten. Die Entwicklung, ständig neue Apps und Tools einsetzen zu sollen, ist nicht immer hilfreich gewesen. Es wird gern übersehen, dass viele Bordmittel schon völlig ausreichend sind. Als Lehrkraft kann man nämlich mit sehr einfachen Mitteln oft sehr tolle Dinge beim Lernen veranstalten. “Was will ich mit einem Tool erreichen?” – das ist in meinen Augen die zentrale Frage. Und auch das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt: Womit kann ich Lernerfolge leichter erreichen – ohne dass ich in große Ausgaben rutsche. 

    Braucht man eine White- und Blacklist auch für die Zeit des Präsenzunterrichts? 

    Unbedingt! Wir stehen ja mitten in einem pädagogischen Wandel, in dem wir immer ein Auge auf die Datensouveränität der Schüler haben müssen. Da hilft die Liste sehr. Lernsettings wie der flipped classroom, die neuen Lernorte außerhalb der Schule und die veränderten Lerngewohnheiten der Schülerinnen und Schüler bringen auch für uns Lehrkräfte einen Wandel: es ist ratsam, vom Allein-Unterhalter zum Lernbegleiter zu werden. Das neue Lernen hat zu einer Demokratisierung des Lernens geführt – und die ist, weiß Gott, wert, beibehalten zu werden.

    Pro Tipp

    Die Liste bringt meines Erachtens einen großen Schub in die Entwicklung digitalen Lernens. Sie zeigt uns, wie konstruktive Hinweise des Datenschutzes zu einer positiven Tool-Entwicklung führen. Die Geschichte von Taskcards ist ein Beispiel dafür. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben vorher Padlet verwendet – bei dem datenschutzrechtlich für mich letztendlich nie geklärt war, ob wir diese digitale Pinnwand eigentlich datenschutzkonform benutzen können. Das hat dazu geführt, dass die Entwicklung der Taskcards vorangetrieben wurde, das eins zu eins umsetzte, was das Padlet kann. Selbst die Integration und die automatische Übernahme und Synchronisierung schon vorhandener Padlets war dadurch möglich. Ohne die Diskussion über datenschutzkonforme Inhalte wäre m.E. ein wunderbares und sicheres Tool wie Taskcards vielleicht nie entstanden. 

    Kritik 

    Die Kritik an einer Whitelist kann allenfalls sein, dass es die nicht schon längst gibt. Da war wohl wieder der Föderalismus im Weg. Schon seit vielen Jahren sind wir in der Diskussion und fordern eine Positivliste von den verschiedensten Seiten. Hier könnte der Staat aber noch mehr tun. Die Bundesregierung sollte zusammen mit den Ländern gemeinsam eine Plattform bereitstellen, auf der die White- und Blacklist laufend aktualisiert wird. Zum einen, um Rechtssicherheit gewähren zu können, und zum anderen, um etwaige Klagen der großen Anbieter abfedern zu können. Hier würden dann Profis auf Profis treffen – und nicht der kleine Schulrektor mit Giganten wie Microsoft, Google oder Amazon in Konflikt geraten. 

    Und natürlich gehört zur Kritik, dass die Liste nicht schon seit langem öffentlich ist. 

    Klaus Ramseier ist Lehrer für Gemeinschaftskunde, Sport und Englisch. Er hat an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg Bildungsmanagement studiert und leitet die Friedrich-Boysen-Realschule Altensteig in Baden-Württemberg. 

    Mehr zum Thema

      • Datenschutz
      • Digitales Lernen
      • Digitalisierung
      Licenses:
        • Datenschutz-Liste: Bundesangebot fällt durch
        • Schulleiter Klaus Ramsaier: Whitelist gibt Sicherheit und Freiheit
        Liebe Leserin, lieber Leser,

        diese Liste macht eine Sonderausgabe des Bildung.Table nötig: Wie berichtet, hatte der Datenschutzbeauftragte Lutz Hasse Thüringens Schulleiter immer wieder informiert, welche digitalen Tools er empfehlen kann – und welche nicht. Durch eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz wurden diese Schreiben nun für jedermann öffentlich. Wir dokumentieren die datenschutzrechtlichen Informationen über Apps, Lernmanagementsysteme und andere Tools mit allen Links. Für Lehrerinnen und Lehrer können diese Informationen spielentscheidend sein. Der Schulleiter und Digitalpionier Klaus Ramsaier schätzt den Wert sogar höher ein: Die Whitelist bringt einen Schub für die Schulentwicklung und das digitale Lernen.

        Die Liste enthält einige böse Überraschungen. Dass Programme wie Microsoft 365 nach Ansicht der Landesdatenschützer nicht mehr guten Gewissens in Schulen verwendet werden dürfen, sollte genauso bekannt sein wie die Unvereinbarkeit der informationellen Selbstbestimmung der Schüler mit WhatsApp. Was aber vielen Lehrern sicherlich Mühe bereiten wird, ist die Tatsache, dass auch das beliebte Padlet keinen Persilschein bekommt. Unangenehm ist, dass deutsche Vorzeigeanbieter wie Sofatutor und Serlo in den Augen von Lutz Hasse nicht ohne weiteres in den Schulen benutzt werden sollten. Peinlich für den Staat und die öffentlich-rechtlichen: auch die vom Bund geförderte Plattform “Wir lernen online” und das multimediale Schulfernsehen “Planet Schule” von WDR und SWR fallen durch. Ein Glück, dass es diese Liste endlich gibt. Spannende Lektüre wünscht Ihnen

        Ihr
        Christian Füller
        Bild von Christian  Füller

        Analyse

        Whitelist: Microsoft flop, Mundo top

        Dr. Lutz Hasse spricht sich für Whitelist aus: Microsoft flop, Mundo top
        Lutz Hasse, Vorsitzender des Arbeitskreises “Bildung und Datenschutz” der Datenschutzkonferenz

        Bei “WhatsApp” fällt das Urteil von Lutz Hasse beinahe brutal aus. Der Dienst wird an Thüringens Schulen schlicht untersagt. Auch bei “Microsoft“, “Instagram” und dem eher unter Lehrern bekannten Dienst “Padlet” erhebt der Datenschützer von Thüringen und Vorsitzende des Arbeitskreises Bildung der Datenschutzkonferenz Bedenken. Aber Lutz Hasse verbietet eben nicht nur oder rät ab, er empfiehlt eine Vielzahl von Tools. Dazu gehören Moodle, die Thüringer “Schulcloud“, “EduPage”, aber auch die “Mundo” und – mit Einschränkungen – “Teamviewer” und die “Anton App“.

        Das ist gewissermaßen das “Best of” der White- and Blacklist von Deutschlands oberstem Datenschützer für Bildung. Die Liste markiert einen Gezeitenwandel in der digitalen Bildung. Bisher gab es von Datenschützern autorisierte öffentliche Listen so gut wie gar nicht. Die Diskussion in Deutschland drehte sich beim Datenschutz zu großen Teilen darum, dass endlich eine Positivliste aufgestellt wird. Da biß man sich fest. Nun gibt es diese Liste. 

        Dank “Frag-den-Staat” ist die Whitelist nun für jedermann einsehbar

        Dazu muss man allerdings wissen, dass die Liste von Hasse keine übersichtliche Aufzählung im strengen Sinne ist, sondern ein Überblick von neun Schreiben, die er an die Schulleitungen in Thüringen verschickte. Diese Sammlung war auch nicht für alle öffentlich, sondern sie wurde es erst durch eine Anfrage über “Frag den Staat”. So liegen nun also Schreiben von Lutz Hasse vor, die Bildung.Table hier aufzählt, exzerpiert und verlinkt. Die Schreiben beginnen am 15. Januar 2021 und gehen bis zum 2. Juni 2021. Inzwischen gibt es die eine oder andere Aktualisierung. Der Schulleiter Klaus Ramsaier macht daher im Didaktik&Tools dieser Ausgabe den Vorschlag, dass der Bund die Liste künftig öffentlich vorhält – und mithilfe der Landesdatenschützer permanent aktualisiert. Das helfe den Lehrern – und schütze vor juristischen Attacken durch große Konzerne. Lutz Hasse sagte Bildung.Table gestern abend, dass er bereits eine Aktualisierung der Liste vorbereite.

        Der Überblick über die Schreiben: 

        Der Beginn der Datenschutzliste für Schulleiter:innen: Erstes Schreiben von Hasse

        Schreiben 1: Am 15. Januar 2021 verschickte Lutz Hasse erstmals an die staatlichen Schulen in Thüringen per E-Mail “Hinweise zur Nutzung der Thüringer Schulcloud und weiterer Software zu schulischen Zwecken“. Darin ging es im Wesentlichen um die “Schulcloud”, um “Moodle”, “EduPage” und “itslearning”. Die Beamten von Hasse schauen sich “Padlet” an – und raten davon ab. Sie empfehlen “Nextcloud”, äußern sich vorsichtig zu “BigBlueButton”, “Jitsi Meet” und “Cisco WebEx”. Hasse untersagt de facto “WhatsApp”, das in Niedersachsen zeitweise im Schulbetrieb sogar erlaubt war. “WhatsApp darf aber nicht für die dienstlich-schulische Kommunikation von Lehrkräften mit Schülerinnen und Schülern sowie zwischen Lehrkräften untereinander genutzt werden,” schreibt Hasse. Denn WhatsApp greife in der Regel auf die komplette Kontaktliste der Smartphones zu und verarbeite alle Metadaten der Kommunikation. Der Datenschützer weist (positiv) auf die Messenger Dienste “Conversations” und “Chatsecure” sowie “Threema Work Education” und “Schul.Cloud/Stashcat” hin. 

        Hasse zieht aus dem EuGH-Urteil Konsequenzen

        Außerdem gibt Hasse in diesem ersten Schreiben grundsätzliche Hinweise zu us-amerikanischen Diensten und dem EuGH-Urteil vom 16. Juli 2020. Allein diese Bemerkungen sind wertvoll. An Schulen und in der Öffentlichkeit ist noch kaum bekannt, dass dieses Urteil gravierende Auswirkungen auf den Umgang mit Schülerdaten hat – Lutz Hasse ist einer der wenigen, der daraus Konsequenzen zieht. Er weist in seinem Schreiben vom Januar darauf hin, dass durch US-Anwendungen massenhaft Sammlungen personenbezogener Daten ohne klare Beschränkung erfolgten. Und dass Bürgerinnen und Bürger der EU, deren Daten in die USA geflossen sind, “keine Möglichkeit haben, diese Überwachungsmaßnahmen gerichtlich prüfen zu lassen.”

        Schreiben 2 und 3 bestehen aus der “Orientierungshilfe Videokonferenz Systeme” der Datenschutzkonferenz vom 23. Oktober 2020 und einer Checkliste dazu. Besonders interessant und wichtig für Lehrer in diesem Zusammenhang ist die Gastteilnahme an Videokonferenzen. In der Checkliste sollen die Lehrkräfte abhaken, ob Risiken für betroffene Personen entstehen, weil nicht autorisierte Dritte teilnehmen. Auch soll geprüft werden, dass nicht autorisierte Personen erkannt und aktiv ausgeschlossen werden können, bevor sie aktiv an der Videokonferenz teilnehmen. Das ist vor allem wichtig, nachdem Ende 2019 und Anfang 2020 etliche Fälle bekannt wurden, bei denen Dritte in Video-Klassenzimmer eindringen konnten. Sie pöbelten dort herum oder zogen sich sogar aus

        Padlet: es fließen “offensichtlich Nutzerdaten an Dritte” 

        Schreiben 4 und 5: in diesen beiden Mails von Hasse an die staatlichen Schulen vom 25. Januar 2021 geht es praktisch nur um “Padlet“, eine digitale Pinnwand, die inzwischen viele Schulen und Lehrer benutzen, um Projekte vorzubereiten oder damit Schüler sich Übersichten erstellen können. Hasses IT-Ingenieure bemerken: “Dass offensichtlich Nutzerdaten auch an Dritte fließen, ist für jedermann einfach nachweisbar: Die in der Anlage beigefügte Webbkoll-Analyse zeigt auf Seite 6, dass Wallwisher Inc. eine Vielzahl von Tracking-Instrumenten von Drittanbietern eingebunden hat, die für den Zweck der Plattform nicht erforderlich sind.” Interessant ist hier, dass sich dank Frag-den-Staat nun jeder die Webbkoll-Analyse anschauen und sehen kann, welche Drittanbieter die Daten bekommen. (Screenshot) Hasses Conclusio: Hürden und Aufwand für den Einsatz von Padlet seien so hoch, “dass gegenwärtig eine Nutzung durch Schulen unmöglich ist”. 

        Tracking-Instrumente von Drittanbietern bei Padlet

        Schreiben 6 vom 29. Januar 2021 enthält geradezu Ohrfeigen für Helmut Holter (Die Linke), den Minister für Bildung von Thüringen. Hasse erklärt den Schulleiter:innen der Thüringer Schulen in diesem Schreiben, wie viele Daten von Instagram abfließen – und er erklärt es dem Minister. “Herr Minister Holter hat am 26.1.2021 über Instagram eine Videokonferenz entgegen dem ausdrücklichen Rat des TLfDI abgehalten”, steht in dem Schreiben. “Darin wird ein Sprecher des TMBJS zitiert, der Instagram fälschlicherweise als ‘unproblematisch’ darstellt. Dieser Auffassung widerspricht der TLfDI sehr deutlich.”

        Minister Holter verstieß gegen den Datenschutz – trotz Warnung

        Dieser kleine, auch ehrpusselige Konflikt zeigt, wie grundsätzlich problematisch viele Kultusminister mit dem Thema Datenschutz umgehen. Dass ausgerechnet ein Minister von oben herab immer wieder gegen den Datenschutzbeauftragten mobil macht – und dann selbst ein unsicheres Tool wie Instagram für ein Gespräch mit Schülern nutzt, ist schwer zu verstehen. Wer solche Minister hat, kann die Datenschutzbeauftragten gleich abschaffen. 

        Helmut Holter über Whitelist Microsoft Mundo
        05/10/2017 – Erfurt: Porträt des Thüringer Ministers für Bildung, Jugend und Sport, Helmut Holter, am 5. Oktober 2017. / _________________ Foto: Jacob Schröter (017623787412)

        Das Schreiben 7 vom 17. März 2021 ist wahrscheinlich das wichtigste, denn es ist eine fast komplette Liste zulässiger und bedenklicher digitaler Tools. Das Mail zeigt, wie intensiv die Schulleiterinnen und Schulleiter in Thüringen das Angebot Lutz Hasses nutzten. Sie taten es umso mehr, als sie merkten, wie auskunftsbereit und hilfreich die Datenschutzbehörde in Thüringen ist. In dem Schreiben wird eine ganze Reihe von digitalen Tools und Apps aufgelistet, gegen die “keine durchgreifenden Bedenken” bestehen. Dazu gehören “Sdui“, “Dudle”, “oncoo”, “LearningApps”, “LearningView”, “EduPage” (mit Vorbehalten) und “Teamviewer” (mit Hinweisen). 

        Böse Überraschung: Bedenken gegen Sofatutor, Serlo und “Wir lernen Online”

        Bedenken äußert Hasse gegen folgende Produkte: “Microsoft365”, “Sofatutor“, “YouTube”, “Kialo-Edu“, “duolingo”, “quizlet”, “schooltogo”, “schlaukopf”, “frustfrei-lernen”, “quizacademy”, “wooclap”, “TeacherMade”, “G-Suite for Education”, “Edu.school”, “onilo”, “serlo“, “Adobe.scan”, “Instagram”, “Facebook” und WhatsApp. Die Überraschung in dieser negativen Aufzählung sind sicherlich Sofatutor und Serlo, zwei arrivierte  deutsche Anbieter, die bei Lehrerinnen und Lehrern inzwischen sehr beliebt sind. 

        Das Schreiben 8 vom 27. April 2021 enthält Hinweise auf Alternativen zu YouTube. Darin tauchen “Mundo” und “Wir lernen online” auf, zwei bundesweite Plattformen für Lehrer:innen, die von der KMK beziehungsweise dem Bundesbildungsministerium initiiert wurden. Auch “Planet-Schule” von den öffentlich-rechtlichen Sendern WDR und SWR zählt zu diesen Alternativen. Überraschend: Wir Lernen Online fällt durch und Planet-Schule kann “nur bedingt empfohlen werden”. In Schreiben 9 vom 2. Juni 2021 schließlich korrigiert Hasse einige Einschätzungen nach Rückmeldungen der Anbieter Sdui, Onilo und EduPage.

        Mehr zum Thema

          • Datenschutz
          • Digitalisierung
          • Lutz Hasse
          • Schulcloud

          Didaktik & Tools

          Whitelist gibt Lehrern Sicherheit – und Freiheit

          Welchen pädagogischen Vorteil hat eine White- und Blacklist wie die von Lutz Hasse? 

          Eine solche Whitelist bringt, endlich, Planungssicherheit für Lehrkräfte – und damit Freiheit. Lehrer:innen müssen jetzt nicht mehr Mut aufbringen für den Einsatz digitaler Plattformen und Apps – sie wissen nun, worauf sie sich einlassen. Es lohnt sich für sie, sich in ein Tool einzuarbeiten. Motto: Ich hab Bock darauf – weil ich es nutzen darf. Und ich kann ein Tool auch schulweit einführen, ohne zurückgepfiffen zu werden. Auch für Entwickler ist das wichtig. Sie strengen sich dadurch mehr an, datenschutzkonforme Medien und Inhalte für Schulen anzubieten. 

          Gibt es einen Zusammenhang zwischen rechtlicher Sicherheit und technischen Voraussetzungen?

          Ja. Wenn ich weiß, welche rechtlichen und technischen Grundvoraussetzungen herrschen, um ein Tool effektiv oder passgenau zu betreiben, kann ich als Lehrer das Pferd auch mal von hinten aufzuräumen. Ich kann schauen, was hab’ ich schon und was kann ich damit eigentlich machen? Unsere Erfahrung der letzten Jahre war, dass wir viel mehr mit dem ausreizen konnten, was wir schon hatten. Die Entwicklung, ständig neue Apps und Tools einsetzen zu sollen, ist nicht immer hilfreich gewesen. Es wird gern übersehen, dass viele Bordmittel schon völlig ausreichend sind. Als Lehrkraft kann man nämlich mit sehr einfachen Mitteln oft sehr tolle Dinge beim Lernen veranstalten. “Was will ich mit einem Tool erreichen?” – das ist in meinen Augen die zentrale Frage. Und auch das ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt: Womit kann ich Lernerfolge leichter erreichen – ohne dass ich in große Ausgaben rutsche. 

          Braucht man eine White- und Blacklist auch für die Zeit des Präsenzunterrichts? 

          Unbedingt! Wir stehen ja mitten in einem pädagogischen Wandel, in dem wir immer ein Auge auf die Datensouveränität der Schüler haben müssen. Da hilft die Liste sehr. Lernsettings wie der flipped classroom, die neuen Lernorte außerhalb der Schule und die veränderten Lerngewohnheiten der Schülerinnen und Schüler bringen auch für uns Lehrkräfte einen Wandel: es ist ratsam, vom Allein-Unterhalter zum Lernbegleiter zu werden. Das neue Lernen hat zu einer Demokratisierung des Lernens geführt – und die ist, weiß Gott, wert, beibehalten zu werden.

          Pro Tipp

          Die Liste bringt meines Erachtens einen großen Schub in die Entwicklung digitalen Lernens. Sie zeigt uns, wie konstruktive Hinweise des Datenschutzes zu einer positiven Tool-Entwicklung führen. Die Geschichte von Taskcards ist ein Beispiel dafür. Viele Lehrerinnen und Lehrer haben vorher Padlet verwendet – bei dem datenschutzrechtlich für mich letztendlich nie geklärt war, ob wir diese digitale Pinnwand eigentlich datenschutzkonform benutzen können. Das hat dazu geführt, dass die Entwicklung der Taskcards vorangetrieben wurde, das eins zu eins umsetzte, was das Padlet kann. Selbst die Integration und die automatische Übernahme und Synchronisierung schon vorhandener Padlets war dadurch möglich. Ohne die Diskussion über datenschutzkonforme Inhalte wäre m.E. ein wunderbares und sicheres Tool wie Taskcards vielleicht nie entstanden. 

          Kritik 

          Die Kritik an einer Whitelist kann allenfalls sein, dass es die nicht schon längst gibt. Da war wohl wieder der Föderalismus im Weg. Schon seit vielen Jahren sind wir in der Diskussion und fordern eine Positivliste von den verschiedensten Seiten. Hier könnte der Staat aber noch mehr tun. Die Bundesregierung sollte zusammen mit den Ländern gemeinsam eine Plattform bereitstellen, auf der die White- und Blacklist laufend aktualisiert wird. Zum einen, um Rechtssicherheit gewähren zu können, und zum anderen, um etwaige Klagen der großen Anbieter abfedern zu können. Hier würden dann Profis auf Profis treffen – und nicht der kleine Schulrektor mit Giganten wie Microsoft, Google oder Amazon in Konflikt geraten. 

          Und natürlich gehört zur Kritik, dass die Liste nicht schon seit langem öffentlich ist. 

          Klaus Ramseier ist Lehrer für Gemeinschaftskunde, Sport und Englisch. Er hat an der Pädagogischen Hochschule in Ludwigsburg Bildungsmanagement studiert und leitet die Friedrich-Boysen-Realschule Altensteig in Baden-Württemberg. 

          Mehr zum Thema

            • Datenschutz
            • Digitales Lernen
            • Digitalisierung
            Licenses:

              Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

              Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

              Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

              Anmelden und weiterlesen