Table.Briefing: Bildung

SSO in Bremen + Toxische Schuldebatte + Digitales Zeugnis + 270 Mio in Bayern vergraben + Doppelte Schulcloud + Sascha Soyk + Miro

  • Bremen: nur ein Login für alle Lernapps
  • Interview mit Daniel Bialecki: Bildungsmarkt in Lager geteilt
  • Online-Zeugnisse ab 2022
  • Bayern verprogrammiert 270 Millionen Euro
  • Niedersachsen: Ärger mit zwei Schulclouds
  • Makerspace: Sascha Soyk
  • Didaktik & Tools: Lehrerin Susanne Posselt über Miro
Liebe Leserin, lieber Leser,

Bremen war bildungspolitisch viele Jahre dafür bekannt, dass es in seinen Schulen die meisten Risikoschüler versammelte – 39 Prozent gehörten dort zu den notorischen Schlechtlesern. Nun macht die Hansestadt andere, positive Schlagzeilen. Wird das wahr, was gestern die Digitalisierungsexperten von Schulsenatorin Claudia Bogedan (SPD) verkündeten, dann entsteht ein grenzenloser virtueller Bildungsraum.

Grenzenlos ist leider das falsche Stichwort für die derzeitige Digitalisierungsdebatte. Das findet Daniel Bialecki, der lange CEO von Scoyo war, einer der ersten deutschen Lernplattformen. Im Interview mit Bildung.Table blickt Bialecki auf die teils ätzende Kritik an “Wir für Schule” zurück, spricht von toxischen Lagerbildungen und sagt: “Ich möchte nicht in eine Ecke gestellt werden – nur weil ich kein Pädagogik-Studium absolviert habe.” Der heutige Berater hat eine Idee, wie man die Gräben überwinden könnte.

Haben Sie schon mal von der UvGO gehört, der Unterschwellenvergabeordnung? Nein, dann kennen Sie eine der höchsten Hürden für die Antragsteller des “Digitalpakt Schule” nicht. Wir haben einen Mann getroffen, der behauptet, die UVgO hacken zu können: legal, zielsicher, zeitnah.

Bayern war viele Jahre dafür bekannt, dass es bildungspolitisch perfekt organisiert ist. Nun macht der Freistaat andere, negative Schlagzeilen. Was kostet wohl eine Schulsoftware, die nach 20 Jahren noch nicht richtig funktioniert? Das erraten Sie, glaube ich, nicht.

Ihr
Christian Füller
Bild von Christian  Füller

Analyse

Bremen führt Single-Sign-On für alle Lernangebote ein

An Bremens Schulen bricht eine neue Zeit des digitalen Lernens an. Schülerinnen und Schüler sollen bald mit nur einer einzigen Anmeldung alle pädagogischen Angebote nutzen können, die sich dem neuen Identitätsmanagement der Hansestadt anschließen. Ab Juli wird das zum Beispiel die Mathe-Plattform Bettermarks sein, auch der Westermann-Verlag soll bereit sein, seine digitalen Angebote über ein zentrales Single-Sign-On zugänglich zu machen. Das haben die Digitalexperten von Schulsenatorin Claudia Bogedan (SPD) gestern angekündigt, als sie die Einführung eines sogenannten ID-Brokers vorstellten. “Wir müssen die technischen Voraussetzungen schaffen, digitale Bildungsinhalte noch sicherer und einfacher in den Schulalltag zu integrieren“, sagte Bogedan zu Bildung.Table. Die Identitätsverwaltung wird von dem Bremer Open-Source-Software-Haus “Univention” entwickelt. 

Landesweites ID-Gedächtnis statt Merkzettel im Mäppchen

Der Vorteil des neuen Systems lässt sich am einfachsten an den kleinen Zetteln erklären, die Schüler häufig in ihren Federmäppchen dabei haben. Darauf sind die Benutzernamen und Passwörter verschiedener Plattformen notiert – damit man vor dem Online-Lernen nicht jedes Mal vergessene Passwörter erneuern muss. Bremen ersetzt diese Zettel nun durch ein landesweites ID-Gedächtnis, das sich alle Schüler merkt und zugleich ihre personenbezogenen Daten schützt. Die Schüler brauchen dann nur noch ein einziges Passwort. “Das mit den Merkzetteln machen bis jetzt viele Kollegen”, sagte der Mathematiklehrer André Sebastiani vom Landesinstitut für Schule. “Wenn es noch einen Hemmschuh gibt, dann ist das – insbesondere in Grundschulen – der, dass wir noch mehrere Nutzerkonten haben.” Gerade den weniger IT-affinen Lehrkräften sei es oft zu aufwändig, die vielen Konten und Passwörter mit ihren Schülern zu verwalten. “Die lassen das digitale Lernen dann halt.” 

Ingo Steuwer von Univention sagte zu dem ID-Broker, “das Single-Sign-On ist das wichtigste und grundlegende Element für alles Weitere.” Es sei der Einstieg in die Vision eines unbegrenzten virtuellen Lernraumes für Schüler. Künftig werde es egal sein, von wo aus der Lernende diesen Raum betrete, von der Startseite des landesweiten Lernmanagementsystems oder über ein integriertes Angebot wie “Bettermarks” oder “Sofatutor” oder über die Zugangsseite von Univention – er könne sich von da an frei bewegen. “Irgendwann morgens muss sich der Schüler anmelden. Von da aus geht die Reise dahin, dass er künftig alles, was da drin ist, in seinem Berechtigungskontext nutzen kann.” Steuwer sagte, das ID-Management sei nicht auf Bremen reduziert. Prinzipiell könne jedes Land und jeder Schulträger das System nutzen. 

Reisefreiheit in alle digitalen Bildungslandschaften

Die Schüler anderer Bundesländer werden es allerdings aus zwei Gründen nicht so einfach haben, ein einheitliches Single-Sign-On zu beantragen. Das kleine Bremen ist, erstens, so gut mit Hard- und Software ausgestattet, dass es dort sinnvoll ist, den Schülern mit einem digitalen Ausweis Reisefreiheit in alle möglichen digitalen Bildungslandschaften zu gewähren. Wo es kein flächendeckendes Breitband und WLAN, keine weit verbreiteten Schulclouds und Lernmanagementsysteme und nicht für jeden Schüler und Lehrer Zugangsgeräte gibt, ist das noch nicht so wichtig. 

Zweitens, ist der große Bruder des Bremer ID-Brokers, das System “Vidis” der Kultusministerkonferenz (KMK), noch lange nicht so weit. Der sogenannte “Vermittlungsdienst für das digitale Identitätsmanagement in Schulen” wird seit diesem Jahr im Auftrag der KMK entwickelt. “Unser Ziel ist es, dass wir nächstes Jahr die ersten Systeme der Länder prototypisch verbinden“, sagte Andreas Koschinsky vom Medieninstitut der Länder “FWU” in München. Es sei aber noch nicht klar, welches Land oder welcher größere Schulträger im Jahr 2022 für den Testlauf an den Start gehe. Ingo Steuwer betonte, der ID-Broker in Bremen sei kein Konkurrenzprojekt zu Vidis. Will sagen: Sobald das Münchener zentrale Zollhäuschen für die Ausgabe von Schüleridentitäten öffnet, lasse sich das Bremer System dort integrieren. “Die freuen sich, wenn wir dann schon viele Accounts mit zu Vidis mitbringen”, so Steuwer. 

Ein wichtiger Interessent an dem Bremer ID-Broker dürfte der Verband der Bildungsmedien sein, das ist die vormalige Lobby der Schulbuchverlage, die noch die wichtigsten Anbieter geprüfter und lehrplangerechter Bildungsinhalte sind. Der Verband ist mit Univention derzeit in einem Prüfverfahren, um über ein einheitliches “Bildungslogin” die Angebote seiner Mitgliedsverlage verfügbar zu machen. Das würde ebenfalls mittels eines Single-Sign-On geschehen. Das bedeutet, dass die Schulbuchverlage, die bisher nicht an der Speerspitze der Digitalisierung standen, sich mit ihrem Bildungslogin eine gute Position verschaffen, um ihre Inhalte Schulen auch online anbieten zu können. Wer einen einfachen und sicheren Zugang ermöglicht, kann dafür auch weiter Geld verlangen. André Sebastiani sagte für das Land Bremen, “dass mit jenen vereinbart ist, sich an den ID-Broker anzuschließen, mit denen wir Landeslizenzen haben. Das ist eine Bedingung von uns.” Das heißt: Wer sich dem ID-Broker nicht anschließt, ist in absehbarer Zukunft aus Bremens Schulen raus. 

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    • Digitales Lernen
    • Digitalisierung

    “Das Schulsystem hat keinen Kopf”

    Daniel Bialecki, Ex-CEO von Scoyo
    Will sich auch ohne Lehrer-Studium für eine bessere Schule engagieren dürfen: Daniel Bialecki

    Herr Bialecki, gerade ging der große Hackathon “Wir Für Schule” zu Ende (Bildung.Table berichtet). Dagegen wurde Kritik, teils beißende Polemik von Leuten geübt, die sich selbst als Schulreformer sehen. Können Sie uns erklären, was ist da los ist? 

    Daniel Bialecki: Ich finde es wirklich schade, dass es in Schulfragen hierzulande einfach keine Gemeinsamkeit gibt. Das liegt daran, dass es in Deutschland immer drauf ankommt, wer die Deutungshoheit übers Lernen hat. Wer besitzt überhaupt das Recht, über Bildung zu sprechen? Das ist sehr wichtig, und hier wird ganz klar differenziert, ob das Privatpersonen und Entrepreneure oder richtige Lehrer und solche Leute sind, die einen offiziellen Bildungsauftrag besitzen. 

    Das heißt, die einen sind weniger wert als die anderen?

    Es existieren definitiv Lager, die sich gegenseitig nicht akzeptieren. Dabei wäre es natürlich hilfreich, wenn wir das Beste aus jeder Welt holen und wirklich zusammenarbeiten würden. Nehmen wir es positiv, es ist sehr viel Bewegung im System.

    Einer der Stars des Twitterlehrerzimmers hat in einem Video zur Nachhilfemilliarde gesagt: “Gebt das Geld bitte nicht den Leuten, die dafür sorgen, dass wir heute überhaupt Nachhilfe brauchen. Das wäre wirklich das Allerfalscheste.” Er meinte die digitalen Bildungsanbieter. Kann man das denn so sagen?

    Ich schätze Axel Krommer sehr, weil er ein sehr reflektierter Mensch ist. Hier hat er überzogen. Wenn es Lernlücken gibt, sind die ja an einer Stelle entstanden, wo etwas hätte sein sollen. Bildung zu den Kindern zu bringen, ist aber fast exklusiv Aufgabe der Schule. Uns digitalen Bildungsanbietern nun vorzuwerfen, wir seien dafür verantwortlich, ist tatsächlich absurd.

    So unsinnig der Vorwurf ist, hat er in Bezug auf die Qualität mancher Bildungs-startups nicht einen Punkt?

    Natürlich ist es so, dass nicht alle digitalen Bildungsangebote gut sind. Manche haben Mängel in der Qualität, andere sind nicht gut in der Adressierung von Kompetenzaufbau. Darüber muss man sprechen. Nur darf man die gravierenden Mängel der Schule nicht auf die Digitalisten schieben, die – bis auf wenige Ausnahmen – gar nicht in die Schule dürfen. 

    Wo liegt Ihrer Ansicht nach das Problem des Schulsystems?

    Dass das System sehr sehr krank ist, aber keinen Kopf hat. Man kann so ein komplexes und großes System sowieso nur schwer verändern. Leichter wäre es aber, wenn es eine zentrale Stelle gäbe, die erreichbar ist und eine gewisse Veränderungswilligkeit und Kompetenz hätte. Das finden wir bei uns im Deutschen Bildungssystem nicht vor. Das verästelt sich unglaublich und schlängelt bis zur Unendlichkeit und Wirkungslosigkeit vor sich hin.

    Und was hat die Corona-Krise verändert? 

    Wenn ich ein Bild benutzen wollte, wäre es dieses: wir haben einen sehr kranken Patienten, der eigentlich schon jahrzehntelang bei uns herumliegt, nämlich das Bildungssystem. Und auf einmal sehen es alle: “Huch, der ist ja immer noch da”. Und ihm geht es wirklich super schlecht. Das ist mit Corona wieder zur allgemeinen Beachtung kommen …

    … und hat große Reformbemühungen ausgelöst, etwa die Ausstattung aller Schulen mit Lernmanagementsystemen. 

    Ja, es ist wirklich gut, was im Moment passiert. Auf einmal ist ein großer Veränderungswille da. Die Politik hört zu, sie hört auch bereiter zu als früher. Auf einmal ist zudem Geld im System, das irgendwo versucht wird, sinnvoll einzusetzen und das durch die Länder und den Föderalismus mäandert. Dadurch ist die Aufmerksamkeit größer. Es kommen natürlich noch mal mehr Protagonisten zusammen – die unterschiedliche Interessen und Auffassungen haben. 

    Wundert Sie das? 

    Nein, zu einer Debatte über eine so wichtige Frage wie die Zukunft unserer Kinder gehört auch Streit. Aber die angesprochene Lagerbildung ist toxisch. Das, was Verena Pausder passiert im Kontext mit dem Hackathon “Wir für Schule”, ist bitter. 

    Der Vorwurf, am Montag in der SZ formuliert, lautet, dass nur Verena Pausder von der öffentlichen Wahrnehmung profitiere. 

    Das Gegenteil ist in meinen Augen richtig. Verena Pausder hat sehr viel für die Aufmerksamkeit von Bildung getan. Sie hat die Probleme der Bildung in verschiedene Wahrnehmungsräume hinein geöffnet, die wir in der Gesellschaft haben. Ich finde die Anwürfe noch aus einem anderen Grund ungerecht – ich als Person.

    Warum, sind auch Sie beschimpft worden? 

    Es war einer der Gründe meines Ausstiegs bei Scoyo, und durchaus ein wichtiger. Ich habe teilweise ziemlich darunter gelitten, dass man für gute Arbeit, die Hunderttausenden von Schülern und auch Eltern hilft, einfach keine Anerkennung bekommt. Im Gegenteil. “Ah, der CEO von ˋnem Startup, da brauchen wir gar nicht erst weiter reden” – so ein Verhalten erlebt man ständig. Ich lebe ein normales Leben. Ich möchte, dass Bildung besser wird. Aber ich möchte nicht in eine Ecke gestellt werden – nur weil ich kein Pädagogik-Studium absolviert habe. 

    Sie haben aufgegeben?

    Nein, ich bleibe engagiert. Nur bin ich jetzt in der Lage, offen zu reden, weil ich kein Unternehmen mehr vertrete, das leiden könnte, weil ich Klartext spreche. Ich kann jetzt frei für die Bildung stehen und vielleicht Gruppen zusammen führen. 

    “Wir für Schule” war ja der Versuch, Leute zusammenzubringen – auch weil die Kultusminister und der Bund den geplanten Bildungsrat ruiniert haben. Wie könnte man eine Art freien Bildungsrat zusammen bringen?

    Ganz einfach: reden. Miteinander reden. Regelmäßig reden. Wir müssten ein Austauschformat gründen, in dem die relevanten Köpfe freiwillig alle vier Wochen zusammensitzen. Leute aus der Pädagogik, Lehrer, alle Menschen, die sich gerne engagieren möchten, die Leute aus der Wissenschaft – und natürlich auch die EdTech-Unternehmer. Oder glaubt jemand, man könne in einer digitalen Welt auf deren Know-how verzichten? 

    Was ist das drängendste Problem von Schule, über das sie dort reden wollten? 

    Vielleicht sollten wir nicht mit Problemen anfangen, sondern mit den Leuchttürmen dieses Sommers. Wir könnten uns die Lehrer und Schulen, die gut durch die Pandemie gekommen sind und die tolle Lösungen erarbeitet haben, genau anschauen. Ich glaube, dass wir da sehr viel lernen – und ihre Ideen verbreiten könnten.

    Kennen Sie gute Konzepte, die Schulen geschaffen haben?

    Da ist ein echter Schatz entstanden. Aus meiner Sicht ist es jenen Schulen gut gelungen, die das kommunikative Problem und das soziale Miteinander mit den Kindern gelöst haben. Es gibt sehr schöne Beispiele, wo Schulen sich morgens in einer Videokonferenz mit den Kindern über den Tagesplan ausgetauscht haben. Dann sind die Schüler für ein paar Stunden an diese Aufgaben gegangen. Der Lehrer waren aber per Video jederzeit ansprechbar. 

    Was sind die Gemeinsamkeiten solcher Schulen?

    Dass sie selbständigem Arbeiten mehr Raum geben. Und die Kommunikation anders wertschätzen, also letztlich das Soziale. Wenn wir uns betrachten, was gute Schulen in der Pandemie ausgezeichnet, dann war es die soziale Komponente. Das ist eigentlich selbstverständlich. Wenn wir ehrlich sind, war das bisher aber nicht der wichtigste Aspekt guter Schule. 

    Daniel Bialecki (50) war Geschäftsführer der adaptiven Lernplattform Scoyo und hat sich als Berater selbständig gemacht.

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      Das digitale Zeugnis kommt

      Eine deutsche Premiere: Schulen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wollen im Juni zum ersten Mal digitale Schulzeugnisse ausstellen. Die Bundesdruckerei und Govdigital, ein Zusammenschluss öffentlicher IT-Dienstleister arbeiten gemeinsam mit Sachsen-Anhalt an dem System. Die technische Grundlage für die Online-Zeugnisse bilden öffentliche Rechenzentren und Blockchain-Technologie. “Einfach, fälschungssicher und dem Datenschutz konform” soll das digitale Zeugnis sein. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt, im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) als federführend für das Thema Bildung bestimmt, unterschrieb den Vertrag mit dem Dienstleisterbund.

      Die Bundesdruckerei betont laut ZDF-Bericht, dass ein digitales Zeugnis Zeit und Geld sparen sowie die Fälschungssicherheit erhöhe. Schulen und Universitäten können Noten verschlüsselt und schnell übertragen und überprüfen. Auch das Beglaubigen von Zeugniskopien falle weg. Schon in diesem Sommer bieten Hochschulen eine Einschreibung mit Online-Zeugnis an. Die Software sei dabei so konzipiert, dass sie sich unkompliziert und ohne viel zusätzlichen Aufwand in bestehende Schul- und Hochschulsysteme integrieren lasse, sagen Govdigital und Bundesdruckerei.

      Die Online-Zeugnisse bestehen aus einer PDF-Datei, die dem gewohnten Zeugnis entspricht. Sie sei über einen “Hash-Wert”, der in einer Blockchain gespeichert wird, zweifelsfrei und anonym auf Echtheit prüfbar. Zudem wird eine XML-Datei mitgeliefert, die von Maschinen gelesen werden kann. Schüler:innen erhalten zum Online-Zeugnis auch ein klassisches gedrucktes Exemplar. Der Pilotbetrieb startet im Sommer 2021 für Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Bis Ende 2022 sollen auch alle anderen Bundesländer zur Probe mitmachen können. Ab 2023 versprechen Govdigital und die Bundesdruckerei den Echtbetrieb für ganz Deutschland. ee

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        270 Millionen für sieche Software

        Bayern hat offenbar 270 Millionen Euro für die Programmierung einer Schulsoftware in den Sand gesetzt. Das ist das Ergebnis einer Ausschusssitzung des bayerischen Landtags und vielfältiger Berichte des Obersten bayerischen Rechnungshofs. Das Ziel der beiden Programme  “Amtliche Schuldaten” und “Amtliche Schulverwaltung” war es, fortlaufend aktuelle Daten “quasi auf Knopfdruck” zu erhalten. Aber dieses Ziel wurde verfehlt, vor allem aber sind die Kosten und die Termine völlig aus dem Ruder gelaufen. Statt wie ursprünglich geplant elf Millionen Euro wird die Software am Ende 270 Millionen Euro gekostet haben – und sie wird ein Vierteljahrhundert gedauert haben. “Sicher ist nicht alles ganz rund gelaufen”, räumte Stefan Graf, der mächtige Amtschef des bayerischen Kultusministeriums, ein. Die Prognosen hätten sich “nicht ganz als zutreffend erwiesen”. 2028 soll das Projekt, das bereits 2009 hätte abgeschlossen sein sollen, nun fertig werden – so sagt es das Kultusministerium voraus. Viele Beobachter raten allerdings dazu, dem Schrecken ein Ende zu setzen. 

        Denn anders als das Kultusministerium insinuiert, funktionieren die beiden digitalen Schulverwaltungstools nicht richtig. Bislang seien nur 4.500 von 6.100 bayerischer Schulen angeschlossen, schreibt der Rechnungshof in einem Bericht. Auch die fortlaufende Bereitstellung aktueller Daten sei nicht möglich. Tagesaktuelle Informationen etwa über abgehaltene und ausgefallene Stunden könnten nach wie vor nicht geliefert werden. Aktuell seien die Daten im System “Amtliche Schuldaten” nur zum jährlichen Stichtag im Oktober. Ein Mitarbeiter des Rechnungshofes spottete, auf diese Daten glaube man im Kultusministerium offenbar verzichten zu können, weil sie “die Politiker nur verwirren würden”. Der Bayerische Rechnungshof hat die Beobachtung der beiden Tools zu seinem Steckenpferd gemacht. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass das Bayerische Kultusministerium einem frühen Berichtsersuchen des Landtags aus dem Jahr 2008 erst zehn Jahre später nachgekommen war.

        Skepsis gegenüber Schulcloud

        Die sieche bayerische Software ist aber nicht nur ein Thema der Vergangenheit. Der bayerische Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer von Bündnis 90/Die Grünen sieht voller Skepsis auf die geplante “Bayerncloud Schule”: “Wenn man dieses miese Projektmanagement in Söders Kultusministerium sieht, dann kann einem für die von ihm geplante Bayern Schulcloud nur Angst und Bange werden. Denn da soll es ja nicht um Millionen, sondern sogar um Milliardenbeträge gehen.” Für die Bayerncloud sind allein dieses und nächstes Jahr 85 Millionen Euro im Landesetat eingeplant. Rechnet man die nötigen Planstellen für den Betrieb hinzu, kommt man auf gewaltige Beträge, welche die Landesregierung selbst auf eine Milliarde schätzt. red 

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          Krieg der Wolken

          Zwischen den Schulclouds in Niedersachsen findet ein bizarrer Förderwettbewerb statt – der mitten in die Landesregierung hinein führt. Auf der einen Seite Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) und seine Schulcloud. Auf der anderen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und die niedersächsische Lernwolke IServ. Tonne baut gerade mit Brandenburg und Thüringen eine Organisation auf, die den Betrieb der Schulcloud für die drei Länder gewährleisten soll (Bildung.Table-Interview mit KMK-Präsidentin Ernst). Die Schulcloud ist eine Entwicklung des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam. Sie wurde mit vielen Millionen Euro vom Bund gefördert. Diese staatlich kreierte Schulcloud macht allerdings dem niedersächsischen Marktführer IServ” Konkurrenz, der eine sogenannte “private Schulcloud” für Tausende von Schulen anbietet. 

          Nun stärkt der Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) in dem Konkurrenzkampf mit 1,7 Millionen Euro IServ. Der ist eine niedersächsische Entwicklung mit Sitz in Braunschweig. IServ ist unser Leuchtturm in der Kommunikation und der digitalen Kommunikation und Organisation unserer Schulen“, schwärmte Althusmann. Das ist ein Seitenhieb gegen Kultusminister Tonne, der die Schulcloud für das Land bestellt hat. Die Lernwolke IServ sei maßgebliche Grundlage für das Bildungsland Niedersachsen. “In den aktuell schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie hat IServ einen wichtigen Beitrag geleistet. Durch eine zunächst kostenfreie Version konnten im März 2020 kurzfristig innerhalb von zwei Wochen über 700 Bildungseinrichtungen ans Netz angeschlossen werden”, sagte Althusmann. Durch die Doppelförderung von IServ und Schulcloud ist Niedersachsen inzwischen Deutscher Meister bei den Lernwolken. 116 Prozent der Schulen haben hier rechnerisch Zugriff auf ein Lernmanagementsystem. Die Zahl kommt zustande, weil viele Schulen inzwischen zweigleisig fahren. Es gibt also mehr Schulcloudanschlüsse als Schulen. cif

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            Makerspace

            Der Digitalpakt-Beschleuniger

            Soscha Soyk: GovRadar beschleunigt den Digitalpakt.
            Automatisiert Ausschreibungen: Sascha Soyk

            Über den inzwischen 6,5 Milliarden Euro schweren Digitalpakt wird viel gelästert – weil er so unendlich langsam ist. Einer der Gründe dafür sind die Ausschreibungen für digitales Equipment, zu denen die Schulträger verpflichtet sind. Den Korken im Flaschenhals will “GovRadar” lockern. Das Startup von Sascha Soyk automatisiert von München aus Ausschreibungen für Schulträger, Kommunen und sonstige, die auf korrekte Weise jene Geräte erwerben wollen, die der Digitalpakt versprochen hat. “Dass der Schulträger oder gar der Schulleiter in Online-Shops direkt einkauft, geht nach Vergaberecht natürlich nicht – beziehungsweise nur unter sehr speziellen Voraussetzungen”, sagt Soyk. “Aber ich will mit GovRadar an diese Shopping-Benchmark herankommen – indem ich Ausschreibungen gerade auch von Aufträgen in der Größenordnung einer Schule automatisiert und vergaberechtskonform anbiete.”

            Sascha Soyk ist kein gelernter Pädagoge, sondern ein Betriebswirt, der früher bei Roland Berger, dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr und – kurz – bei dem ins Gerede gekommenen US-Unternehmen Palantir gearbeitet hat. Nun versucht der 36-jährige Manager, dem Digitalpakt mehr Geschwindigkeit zu geben. “Was privatwirtschaftliche oder kommunale IT-Dienstleister gut können, ist Rahmenverträge aushandeln”, sagt Soyk. “Was die vielleicht nicht so gut können, ist Geschwindigkeit, ad-hoc Bedarfe und kleinteiliges Geschäft bedienen. Das finde ich gerade bei Schulen aber wichtig.”

            GovRadar wie Check24 für Schulen

            Der “Digitalpakt Schule”, im Jahr 2019 mit einem Umfang von fünf Milliarden Euro beschlossen, hat zwei Engstellen: zum einen der Medienentwicklungsplan, den jede Schule braucht, bevor sie Tablets, Whiteboards, WLAN oder Apps oder anderen pädagogisch-technologischen Schnickschnack bestellen kann. Was viele Zuschauer nicht wissen: die noch heiklere Engstelle ist die Notwendigkeit, ab einer Summe von 1.000 Euro Ausschreibungen vorzunehmen, ab 214.000 Euro sogar europaweit. “Das Vergaberecht ist ein sinnvolles Instrument, das verhindert, dass wir in einer Bananenrepublik landen. Aber man muss es kundig anpacken”, berichtet Soyk. “Es kann passieren, dass ein staatlicher IT-Dienstleister sagt: warum sollen wir für eine Schule bestellen? Da sammeln wir doch mal die Bedarfe mehrerer Schulleiter! Damit ist er schnell über 214.000 Euro Ausschreibungssumme – aber dann muss der Schulleiter vielleicht zehn Monate oder länger auf seine Tablets warten.” Dazu hat Soyk ein Shopping-Tool programmieren lassen, das Schulträgern nach Eingabe ihrer Bestellung binnen 96 Stunden die nötigen drei Verkäufer-Angebote ausspuckt. Das ist wie Check24 für Schulen.

            Der Gründer von GovRadar hatte wenige Tage vor der ersten Schulschließung im März 2020 sein Unternehmen an den Markt gebracht. Soyk ist schon aufgrund seiner Biografie ein Wanderer zwischen Bürokratie und der Ökonomie. Der in Brasilien geborene Deutsche hat einerseits in Mannheim BWL studiert, wurde danach strategischer Berater und ist andererseits als Reserveoffizier Kenner einer riesigen Bürokratie. “Ich habe bei der Bundeswehr vielleicht mehr von Führung gelernt als in der strategischen Beratung”, sagt der Major der Reserve. Und so war es ihm wichtig, beim zweiten Hackathon des Bundeskanzleramts unter dem Namen “Deutschland macht ein Update” teilzunehmen. Der Hack hatte zum Ziel, die Startups auf der einen und die Schulverwaltungen und Schulträger auf der anderen Seite zusammenzuführen. GovRadar hat dort nach Beobachtung vieler an Sympathie gewonnen. GovRadar sei der einzige Anbieter gewesen, der halbwegs gut vorbereitet die kulturelle Lücke zwischen den Startups und der Schulverwaltung schließen konnte, berichten Teilnehmer über die Rolle von Soyks Gründung. Startups und Schuladministration sind zwei Universen, die sich oft nicht verstehen.  

            An den Schulen brennt die Hütte

            Dabei ist Sascha Soyk selbst eine Art Hacker. Seine Firma nennt er eine Beschaffungsplattform für digitale Innovation. Was er knacken, genauer positiv interpretieren will, ist die sogenannte “UVgO“, die Unterschwellenvergabeverordnung. Die regelt, ab welchem Betrag und in welcher Weise öffentliche Auftraggeber ausschreiben müssen. Sein Ziel ist etwas, was er UVgO-Shopping nennt. Unter Einhaltung des Vergaberechts dafür sorgen, dass die Kunden, also Schulen und damit Schulträger, schneller zu dem technologischen Equipment kommen, das sie für die Verwirklichung ihrer pädagogischen Ziele brauchen. “An den Schulen brennt die Hütte“, sagt er. “Auf der einen Seite wird – über den Digitalpakt – mehr Geld reingekippt, auf der anderen Seite schreien alle, warum es nicht schneller geht. Aber nur weil mehr Geld drin ist, hat der einzelne Sachbearbeiter einer Kommune ja nicht mehr Zeit oder mehr Expertise in Vergaberecht“. Es ist Zeit, dass das rationaler angegangen wird. Deswegen sei das Ziel von GovRadar, den Menschen Sicherheit zu geben. “Jeder, der mit uns zusammen arbeitet, soll sich im Klaren sein: Wir sind beim Vergaberecht auf sicherem Boden, aber die Schulen müssen trotzdem nicht ewig auf ihre nötige Technologie warten”. cif

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              Miro

              Was bringt das Tool “Miro” pädagogisch?

              Miro ist eine virtuelle Präsentationswand im Netz, an der viele Menschen gemeinsam arbeiten können. Wir nutzen es im Lehrer-Team, um uns zu strukturieren und unsere Gedanken zu fixieren. Der Flow wird sichtbar. Das Praktische: man kann auch asynchron daran arbeiten. Jeder, der den Link hat, fügt Anmerkungen und neue Ideen an oder pinnt einfach einen neuen Notizzettel dran.

              Welche technischen Voraussetzungen brauchen Lehrkräfte?

              Tablet oder Laptop. Miro ist nicht plattform-gebunden oder auf einen bestimmten Browser beschränkt. Auf eine Miro-Mindmap greift jeder zu, der irgendeine Art internetfähiges Gerät hat und zum Team gehört. Geht sogar mit dem Smartphone.

              Was bleibt von Miro im ganz normalen Klassenzimmer?

              Wir sind schon die ganze Zeit wieder im Präsenzunterricht – und nutzen es gerade jetzt auch als Team. Es ist einfach wahnsinnig praktisch, wenn man Ideen festhalten, Gesprächsprotokolle hinterlegen oder Links teilen kann. Jeder im Team kann sich darauf beziehen, ohne dass mensch sich ständig zeitgleich trifft. Und ohne in einem Ordner zu suchen, wo man das Arbeitsblatt nun wieder abgelegt hat.

              Pro-Tipp

              Miro ist nicht nur zum freien Assoziieren mit Lehrer:innen nutzbar. Man kann daraus für Schülerinnen und Schüler ganz unkompliziert ein digitales Lerntagebuch erstellen. Etwa, indem man eine Vorlage mit verschiedenen Kästen und Rubriken baut. Die Schüler tragen dort ein, was sie erledigt haben, was als Nächstes kommt und welche Selbsteinschätzung sie sich geben.

              Kritik

              Miro ist halt ne Mindmap to go – nur dass man sie nicht mehr lesen kann, wenn mehr als drei digitale Zettel angeheftet wurden. Miro ist mikro!

              Susanne Posselt ist Deutschlehrerin an der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Karlsruhe.

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                  Liebe Leserin, lieber Leser,

                  Bremen war bildungspolitisch viele Jahre dafür bekannt, dass es in seinen Schulen die meisten Risikoschüler versammelte – 39 Prozent gehörten dort zu den notorischen Schlechtlesern. Nun macht die Hansestadt andere, positive Schlagzeilen. Wird das wahr, was gestern die Digitalisierungsexperten von Schulsenatorin Claudia Bogedan (SPD) verkündeten, dann entsteht ein grenzenloser virtueller Bildungsraum.

                  Grenzenlos ist leider das falsche Stichwort für die derzeitige Digitalisierungsdebatte. Das findet Daniel Bialecki, der lange CEO von Scoyo war, einer der ersten deutschen Lernplattformen. Im Interview mit Bildung.Table blickt Bialecki auf die teils ätzende Kritik an “Wir für Schule” zurück, spricht von toxischen Lagerbildungen und sagt: “Ich möchte nicht in eine Ecke gestellt werden – nur weil ich kein Pädagogik-Studium absolviert habe.” Der heutige Berater hat eine Idee, wie man die Gräben überwinden könnte.

                  Haben Sie schon mal von der UvGO gehört, der Unterschwellenvergabeordnung? Nein, dann kennen Sie eine der höchsten Hürden für die Antragsteller des “Digitalpakt Schule” nicht. Wir haben einen Mann getroffen, der behauptet, die UVgO hacken zu können: legal, zielsicher, zeitnah.

                  Bayern war viele Jahre dafür bekannt, dass es bildungspolitisch perfekt organisiert ist. Nun macht der Freistaat andere, negative Schlagzeilen. Was kostet wohl eine Schulsoftware, die nach 20 Jahren noch nicht richtig funktioniert? Das erraten Sie, glaube ich, nicht.

                  Ihr
                  Christian Füller
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                  Analyse

                  Bremen führt Single-Sign-On für alle Lernangebote ein

                  An Bremens Schulen bricht eine neue Zeit des digitalen Lernens an. Schülerinnen und Schüler sollen bald mit nur einer einzigen Anmeldung alle pädagogischen Angebote nutzen können, die sich dem neuen Identitätsmanagement der Hansestadt anschließen. Ab Juli wird das zum Beispiel die Mathe-Plattform Bettermarks sein, auch der Westermann-Verlag soll bereit sein, seine digitalen Angebote über ein zentrales Single-Sign-On zugänglich zu machen. Das haben die Digitalexperten von Schulsenatorin Claudia Bogedan (SPD) gestern angekündigt, als sie die Einführung eines sogenannten ID-Brokers vorstellten. “Wir müssen die technischen Voraussetzungen schaffen, digitale Bildungsinhalte noch sicherer und einfacher in den Schulalltag zu integrieren“, sagte Bogedan zu Bildung.Table. Die Identitätsverwaltung wird von dem Bremer Open-Source-Software-Haus “Univention” entwickelt. 

                  Landesweites ID-Gedächtnis statt Merkzettel im Mäppchen

                  Der Vorteil des neuen Systems lässt sich am einfachsten an den kleinen Zetteln erklären, die Schüler häufig in ihren Federmäppchen dabei haben. Darauf sind die Benutzernamen und Passwörter verschiedener Plattformen notiert – damit man vor dem Online-Lernen nicht jedes Mal vergessene Passwörter erneuern muss. Bremen ersetzt diese Zettel nun durch ein landesweites ID-Gedächtnis, das sich alle Schüler merkt und zugleich ihre personenbezogenen Daten schützt. Die Schüler brauchen dann nur noch ein einziges Passwort. “Das mit den Merkzetteln machen bis jetzt viele Kollegen”, sagte der Mathematiklehrer André Sebastiani vom Landesinstitut für Schule. “Wenn es noch einen Hemmschuh gibt, dann ist das – insbesondere in Grundschulen – der, dass wir noch mehrere Nutzerkonten haben.” Gerade den weniger IT-affinen Lehrkräften sei es oft zu aufwändig, die vielen Konten und Passwörter mit ihren Schülern zu verwalten. “Die lassen das digitale Lernen dann halt.” 

                  Ingo Steuwer von Univention sagte zu dem ID-Broker, “das Single-Sign-On ist das wichtigste und grundlegende Element für alles Weitere.” Es sei der Einstieg in die Vision eines unbegrenzten virtuellen Lernraumes für Schüler. Künftig werde es egal sein, von wo aus der Lernende diesen Raum betrete, von der Startseite des landesweiten Lernmanagementsystems oder über ein integriertes Angebot wie “Bettermarks” oder “Sofatutor” oder über die Zugangsseite von Univention – er könne sich von da an frei bewegen. “Irgendwann morgens muss sich der Schüler anmelden. Von da aus geht die Reise dahin, dass er künftig alles, was da drin ist, in seinem Berechtigungskontext nutzen kann.” Steuwer sagte, das ID-Management sei nicht auf Bremen reduziert. Prinzipiell könne jedes Land und jeder Schulträger das System nutzen. 

                  Reisefreiheit in alle digitalen Bildungslandschaften

                  Die Schüler anderer Bundesländer werden es allerdings aus zwei Gründen nicht so einfach haben, ein einheitliches Single-Sign-On zu beantragen. Das kleine Bremen ist, erstens, so gut mit Hard- und Software ausgestattet, dass es dort sinnvoll ist, den Schülern mit einem digitalen Ausweis Reisefreiheit in alle möglichen digitalen Bildungslandschaften zu gewähren. Wo es kein flächendeckendes Breitband und WLAN, keine weit verbreiteten Schulclouds und Lernmanagementsysteme und nicht für jeden Schüler und Lehrer Zugangsgeräte gibt, ist das noch nicht so wichtig. 

                  Zweitens, ist der große Bruder des Bremer ID-Brokers, das System “Vidis” der Kultusministerkonferenz (KMK), noch lange nicht so weit. Der sogenannte “Vermittlungsdienst für das digitale Identitätsmanagement in Schulen” wird seit diesem Jahr im Auftrag der KMK entwickelt. “Unser Ziel ist es, dass wir nächstes Jahr die ersten Systeme der Länder prototypisch verbinden“, sagte Andreas Koschinsky vom Medieninstitut der Länder “FWU” in München. Es sei aber noch nicht klar, welches Land oder welcher größere Schulträger im Jahr 2022 für den Testlauf an den Start gehe. Ingo Steuwer betonte, der ID-Broker in Bremen sei kein Konkurrenzprojekt zu Vidis. Will sagen: Sobald das Münchener zentrale Zollhäuschen für die Ausgabe von Schüleridentitäten öffnet, lasse sich das Bremer System dort integrieren. “Die freuen sich, wenn wir dann schon viele Accounts mit zu Vidis mitbringen”, so Steuwer. 

                  Ein wichtiger Interessent an dem Bremer ID-Broker dürfte der Verband der Bildungsmedien sein, das ist die vormalige Lobby der Schulbuchverlage, die noch die wichtigsten Anbieter geprüfter und lehrplangerechter Bildungsinhalte sind. Der Verband ist mit Univention derzeit in einem Prüfverfahren, um über ein einheitliches “Bildungslogin” die Angebote seiner Mitgliedsverlage verfügbar zu machen. Das würde ebenfalls mittels eines Single-Sign-On geschehen. Das bedeutet, dass die Schulbuchverlage, die bisher nicht an der Speerspitze der Digitalisierung standen, sich mit ihrem Bildungslogin eine gute Position verschaffen, um ihre Inhalte Schulen auch online anbieten zu können. Wer einen einfachen und sicheren Zugang ermöglicht, kann dafür auch weiter Geld verlangen. André Sebastiani sagte für das Land Bremen, “dass mit jenen vereinbart ist, sich an den ID-Broker anzuschließen, mit denen wir Landeslizenzen haben. Das ist eine Bedingung von uns.” Das heißt: Wer sich dem ID-Broker nicht anschließt, ist in absehbarer Zukunft aus Bremens Schulen raus. 

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                    “Das Schulsystem hat keinen Kopf”

                    Daniel Bialecki, Ex-CEO von Scoyo
                    Will sich auch ohne Lehrer-Studium für eine bessere Schule engagieren dürfen: Daniel Bialecki

                    Herr Bialecki, gerade ging der große Hackathon “Wir Für Schule” zu Ende (Bildung.Table berichtet). Dagegen wurde Kritik, teils beißende Polemik von Leuten geübt, die sich selbst als Schulreformer sehen. Können Sie uns erklären, was ist da los ist? 

                    Daniel Bialecki: Ich finde es wirklich schade, dass es in Schulfragen hierzulande einfach keine Gemeinsamkeit gibt. Das liegt daran, dass es in Deutschland immer drauf ankommt, wer die Deutungshoheit übers Lernen hat. Wer besitzt überhaupt das Recht, über Bildung zu sprechen? Das ist sehr wichtig, und hier wird ganz klar differenziert, ob das Privatpersonen und Entrepreneure oder richtige Lehrer und solche Leute sind, die einen offiziellen Bildungsauftrag besitzen. 

                    Das heißt, die einen sind weniger wert als die anderen?

                    Es existieren definitiv Lager, die sich gegenseitig nicht akzeptieren. Dabei wäre es natürlich hilfreich, wenn wir das Beste aus jeder Welt holen und wirklich zusammenarbeiten würden. Nehmen wir es positiv, es ist sehr viel Bewegung im System.

                    Einer der Stars des Twitterlehrerzimmers hat in einem Video zur Nachhilfemilliarde gesagt: “Gebt das Geld bitte nicht den Leuten, die dafür sorgen, dass wir heute überhaupt Nachhilfe brauchen. Das wäre wirklich das Allerfalscheste.” Er meinte die digitalen Bildungsanbieter. Kann man das denn so sagen?

                    Ich schätze Axel Krommer sehr, weil er ein sehr reflektierter Mensch ist. Hier hat er überzogen. Wenn es Lernlücken gibt, sind die ja an einer Stelle entstanden, wo etwas hätte sein sollen. Bildung zu den Kindern zu bringen, ist aber fast exklusiv Aufgabe der Schule. Uns digitalen Bildungsanbietern nun vorzuwerfen, wir seien dafür verantwortlich, ist tatsächlich absurd.

                    So unsinnig der Vorwurf ist, hat er in Bezug auf die Qualität mancher Bildungs-startups nicht einen Punkt?

                    Natürlich ist es so, dass nicht alle digitalen Bildungsangebote gut sind. Manche haben Mängel in der Qualität, andere sind nicht gut in der Adressierung von Kompetenzaufbau. Darüber muss man sprechen. Nur darf man die gravierenden Mängel der Schule nicht auf die Digitalisten schieben, die – bis auf wenige Ausnahmen – gar nicht in die Schule dürfen. 

                    Wo liegt Ihrer Ansicht nach das Problem des Schulsystems?

                    Dass das System sehr sehr krank ist, aber keinen Kopf hat. Man kann so ein komplexes und großes System sowieso nur schwer verändern. Leichter wäre es aber, wenn es eine zentrale Stelle gäbe, die erreichbar ist und eine gewisse Veränderungswilligkeit und Kompetenz hätte. Das finden wir bei uns im Deutschen Bildungssystem nicht vor. Das verästelt sich unglaublich und schlängelt bis zur Unendlichkeit und Wirkungslosigkeit vor sich hin.

                    Und was hat die Corona-Krise verändert? 

                    Wenn ich ein Bild benutzen wollte, wäre es dieses: wir haben einen sehr kranken Patienten, der eigentlich schon jahrzehntelang bei uns herumliegt, nämlich das Bildungssystem. Und auf einmal sehen es alle: “Huch, der ist ja immer noch da”. Und ihm geht es wirklich super schlecht. Das ist mit Corona wieder zur allgemeinen Beachtung kommen …

                    … und hat große Reformbemühungen ausgelöst, etwa die Ausstattung aller Schulen mit Lernmanagementsystemen. 

                    Ja, es ist wirklich gut, was im Moment passiert. Auf einmal ist ein großer Veränderungswille da. Die Politik hört zu, sie hört auch bereiter zu als früher. Auf einmal ist zudem Geld im System, das irgendwo versucht wird, sinnvoll einzusetzen und das durch die Länder und den Föderalismus mäandert. Dadurch ist die Aufmerksamkeit größer. Es kommen natürlich noch mal mehr Protagonisten zusammen – die unterschiedliche Interessen und Auffassungen haben. 

                    Wundert Sie das? 

                    Nein, zu einer Debatte über eine so wichtige Frage wie die Zukunft unserer Kinder gehört auch Streit. Aber die angesprochene Lagerbildung ist toxisch. Das, was Verena Pausder passiert im Kontext mit dem Hackathon “Wir für Schule”, ist bitter. 

                    Der Vorwurf, am Montag in der SZ formuliert, lautet, dass nur Verena Pausder von der öffentlichen Wahrnehmung profitiere. 

                    Das Gegenteil ist in meinen Augen richtig. Verena Pausder hat sehr viel für die Aufmerksamkeit von Bildung getan. Sie hat die Probleme der Bildung in verschiedene Wahrnehmungsräume hinein geöffnet, die wir in der Gesellschaft haben. Ich finde die Anwürfe noch aus einem anderen Grund ungerecht – ich als Person.

                    Warum, sind auch Sie beschimpft worden? 

                    Es war einer der Gründe meines Ausstiegs bei Scoyo, und durchaus ein wichtiger. Ich habe teilweise ziemlich darunter gelitten, dass man für gute Arbeit, die Hunderttausenden von Schülern und auch Eltern hilft, einfach keine Anerkennung bekommt. Im Gegenteil. “Ah, der CEO von ˋnem Startup, da brauchen wir gar nicht erst weiter reden” – so ein Verhalten erlebt man ständig. Ich lebe ein normales Leben. Ich möchte, dass Bildung besser wird. Aber ich möchte nicht in eine Ecke gestellt werden – nur weil ich kein Pädagogik-Studium absolviert habe. 

                    Sie haben aufgegeben?

                    Nein, ich bleibe engagiert. Nur bin ich jetzt in der Lage, offen zu reden, weil ich kein Unternehmen mehr vertrete, das leiden könnte, weil ich Klartext spreche. Ich kann jetzt frei für die Bildung stehen und vielleicht Gruppen zusammen führen. 

                    “Wir für Schule” war ja der Versuch, Leute zusammenzubringen – auch weil die Kultusminister und der Bund den geplanten Bildungsrat ruiniert haben. Wie könnte man eine Art freien Bildungsrat zusammen bringen?

                    Ganz einfach: reden. Miteinander reden. Regelmäßig reden. Wir müssten ein Austauschformat gründen, in dem die relevanten Köpfe freiwillig alle vier Wochen zusammensitzen. Leute aus der Pädagogik, Lehrer, alle Menschen, die sich gerne engagieren möchten, die Leute aus der Wissenschaft – und natürlich auch die EdTech-Unternehmer. Oder glaubt jemand, man könne in einer digitalen Welt auf deren Know-how verzichten? 

                    Was ist das drängendste Problem von Schule, über das sie dort reden wollten? 

                    Vielleicht sollten wir nicht mit Problemen anfangen, sondern mit den Leuchttürmen dieses Sommers. Wir könnten uns die Lehrer und Schulen, die gut durch die Pandemie gekommen sind und die tolle Lösungen erarbeitet haben, genau anschauen. Ich glaube, dass wir da sehr viel lernen – und ihre Ideen verbreiten könnten.

                    Kennen Sie gute Konzepte, die Schulen geschaffen haben?

                    Da ist ein echter Schatz entstanden. Aus meiner Sicht ist es jenen Schulen gut gelungen, die das kommunikative Problem und das soziale Miteinander mit den Kindern gelöst haben. Es gibt sehr schöne Beispiele, wo Schulen sich morgens in einer Videokonferenz mit den Kindern über den Tagesplan ausgetauscht haben. Dann sind die Schüler für ein paar Stunden an diese Aufgaben gegangen. Der Lehrer waren aber per Video jederzeit ansprechbar. 

                    Was sind die Gemeinsamkeiten solcher Schulen?

                    Dass sie selbständigem Arbeiten mehr Raum geben. Und die Kommunikation anders wertschätzen, also letztlich das Soziale. Wenn wir uns betrachten, was gute Schulen in der Pandemie ausgezeichnet, dann war es die soziale Komponente. Das ist eigentlich selbstverständlich. Wenn wir ehrlich sind, war das bisher aber nicht der wichtigste Aspekt guter Schule. 

                    Daniel Bialecki (50) war Geschäftsführer der adaptiven Lernplattform Scoyo und hat sich als Berater selbständig gemacht.

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                      Das digitale Zeugnis kommt

                      Eine deutsche Premiere: Schulen in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz wollen im Juni zum ersten Mal digitale Schulzeugnisse ausstellen. Die Bundesdruckerei und Govdigital, ein Zusammenschluss öffentlicher IT-Dienstleister arbeiten gemeinsam mit Sachsen-Anhalt an dem System. Die technische Grundlage für die Online-Zeugnisse bilden öffentliche Rechenzentren und Blockchain-Technologie. “Einfach, fälschungssicher und dem Datenschutz konform” soll das digitale Zeugnis sein. Das Finanzministerium Sachsen-Anhalt, im Rahmen des Onlinezugangsgesetzes (OZG) als federführend für das Thema Bildung bestimmt, unterschrieb den Vertrag mit dem Dienstleisterbund.

                      Die Bundesdruckerei betont laut ZDF-Bericht, dass ein digitales Zeugnis Zeit und Geld sparen sowie die Fälschungssicherheit erhöhe. Schulen und Universitäten können Noten verschlüsselt und schnell übertragen und überprüfen. Auch das Beglaubigen von Zeugniskopien falle weg. Schon in diesem Sommer bieten Hochschulen eine Einschreibung mit Online-Zeugnis an. Die Software sei dabei so konzipiert, dass sie sich unkompliziert und ohne viel zusätzlichen Aufwand in bestehende Schul- und Hochschulsysteme integrieren lasse, sagen Govdigital und Bundesdruckerei.

                      Die Online-Zeugnisse bestehen aus einer PDF-Datei, die dem gewohnten Zeugnis entspricht. Sie sei über einen “Hash-Wert”, der in einer Blockchain gespeichert wird, zweifelsfrei und anonym auf Echtheit prüfbar. Zudem wird eine XML-Datei mitgeliefert, die von Maschinen gelesen werden kann. Schüler:innen erhalten zum Online-Zeugnis auch ein klassisches gedrucktes Exemplar. Der Pilotbetrieb startet im Sommer 2021 für Berlin, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Bis Ende 2022 sollen auch alle anderen Bundesländer zur Probe mitmachen können. Ab 2023 versprechen Govdigital und die Bundesdruckerei den Echtbetrieb für ganz Deutschland. ee

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                        270 Millionen für sieche Software

                        Bayern hat offenbar 270 Millionen Euro für die Programmierung einer Schulsoftware in den Sand gesetzt. Das ist das Ergebnis einer Ausschusssitzung des bayerischen Landtags und vielfältiger Berichte des Obersten bayerischen Rechnungshofs. Das Ziel der beiden Programme  “Amtliche Schuldaten” und “Amtliche Schulverwaltung” war es, fortlaufend aktuelle Daten “quasi auf Knopfdruck” zu erhalten. Aber dieses Ziel wurde verfehlt, vor allem aber sind die Kosten und die Termine völlig aus dem Ruder gelaufen. Statt wie ursprünglich geplant elf Millionen Euro wird die Software am Ende 270 Millionen Euro gekostet haben – und sie wird ein Vierteljahrhundert gedauert haben. “Sicher ist nicht alles ganz rund gelaufen”, räumte Stefan Graf, der mächtige Amtschef des bayerischen Kultusministeriums, ein. Die Prognosen hätten sich “nicht ganz als zutreffend erwiesen”. 2028 soll das Projekt, das bereits 2009 hätte abgeschlossen sein sollen, nun fertig werden – so sagt es das Kultusministerium voraus. Viele Beobachter raten allerdings dazu, dem Schrecken ein Ende zu setzen. 

                        Denn anders als das Kultusministerium insinuiert, funktionieren die beiden digitalen Schulverwaltungstools nicht richtig. Bislang seien nur 4.500 von 6.100 bayerischer Schulen angeschlossen, schreibt der Rechnungshof in einem Bericht. Auch die fortlaufende Bereitstellung aktueller Daten sei nicht möglich. Tagesaktuelle Informationen etwa über abgehaltene und ausgefallene Stunden könnten nach wie vor nicht geliefert werden. Aktuell seien die Daten im System “Amtliche Schuldaten” nur zum jährlichen Stichtag im Oktober. Ein Mitarbeiter des Rechnungshofes spottete, auf diese Daten glaube man im Kultusministerium offenbar verzichten zu können, weil sie “die Politiker nur verwirren würden”. Der Bayerische Rechnungshof hat die Beobachtung der beiden Tools zu seinem Steckenpferd gemacht. Der Grund dafür könnte darin liegen, dass das Bayerische Kultusministerium einem frühen Berichtsersuchen des Landtags aus dem Jahr 2008 erst zehn Jahre später nachgekommen war.

                        Skepsis gegenüber Schulcloud

                        Die sieche bayerische Software ist aber nicht nur ein Thema der Vergangenheit. Der bayerische Landtagsabgeordnete Max Deisenhofer von Bündnis 90/Die Grünen sieht voller Skepsis auf die geplante “Bayerncloud Schule”: “Wenn man dieses miese Projektmanagement in Söders Kultusministerium sieht, dann kann einem für die von ihm geplante Bayern Schulcloud nur Angst und Bange werden. Denn da soll es ja nicht um Millionen, sondern sogar um Milliardenbeträge gehen.” Für die Bayerncloud sind allein dieses und nächstes Jahr 85 Millionen Euro im Landesetat eingeplant. Rechnet man die nötigen Planstellen für den Betrieb hinzu, kommt man auf gewaltige Beträge, welche die Landesregierung selbst auf eine Milliarde schätzt. red 

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                          Krieg der Wolken

                          Zwischen den Schulclouds in Niedersachsen findet ein bizarrer Förderwettbewerb statt – der mitten in die Landesregierung hinein führt. Auf der einen Seite Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) und seine Schulcloud. Auf der anderen Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) und die niedersächsische Lernwolke IServ. Tonne baut gerade mit Brandenburg und Thüringen eine Organisation auf, die den Betrieb der Schulcloud für die drei Länder gewährleisten soll (Bildung.Table-Interview mit KMK-Präsidentin Ernst). Die Schulcloud ist eine Entwicklung des Hasso-Plattner-Instituts in Potsdam. Sie wurde mit vielen Millionen Euro vom Bund gefördert. Diese staatlich kreierte Schulcloud macht allerdings dem niedersächsischen Marktführer IServ” Konkurrenz, der eine sogenannte “private Schulcloud” für Tausende von Schulen anbietet. 

                          Nun stärkt der Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) in dem Konkurrenzkampf mit 1,7 Millionen Euro IServ. Der ist eine niedersächsische Entwicklung mit Sitz in Braunschweig. IServ ist unser Leuchtturm in der Kommunikation und der digitalen Kommunikation und Organisation unserer Schulen“, schwärmte Althusmann. Das ist ein Seitenhieb gegen Kultusminister Tonne, der die Schulcloud für das Land bestellt hat. Die Lernwolke IServ sei maßgebliche Grundlage für das Bildungsland Niedersachsen. “In den aktuell schwierigen Zeiten der Corona-Pandemie hat IServ einen wichtigen Beitrag geleistet. Durch eine zunächst kostenfreie Version konnten im März 2020 kurzfristig innerhalb von zwei Wochen über 700 Bildungseinrichtungen ans Netz angeschlossen werden”, sagte Althusmann. Durch die Doppelförderung von IServ und Schulcloud ist Niedersachsen inzwischen Deutscher Meister bei den Lernwolken. 116 Prozent der Schulen haben hier rechnerisch Zugriff auf ein Lernmanagementsystem. Die Zahl kommt zustande, weil viele Schulen inzwischen zweigleisig fahren. Es gibt also mehr Schulcloudanschlüsse als Schulen. cif

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                            Der Digitalpakt-Beschleuniger

                            Soscha Soyk: GovRadar beschleunigt den Digitalpakt.
                            Automatisiert Ausschreibungen: Sascha Soyk

                            Über den inzwischen 6,5 Milliarden Euro schweren Digitalpakt wird viel gelästert – weil er so unendlich langsam ist. Einer der Gründe dafür sind die Ausschreibungen für digitales Equipment, zu denen die Schulträger verpflichtet sind. Den Korken im Flaschenhals will “GovRadar” lockern. Das Startup von Sascha Soyk automatisiert von München aus Ausschreibungen für Schulträger, Kommunen und sonstige, die auf korrekte Weise jene Geräte erwerben wollen, die der Digitalpakt versprochen hat. “Dass der Schulträger oder gar der Schulleiter in Online-Shops direkt einkauft, geht nach Vergaberecht natürlich nicht – beziehungsweise nur unter sehr speziellen Voraussetzungen”, sagt Soyk. “Aber ich will mit GovRadar an diese Shopping-Benchmark herankommen – indem ich Ausschreibungen gerade auch von Aufträgen in der Größenordnung einer Schule automatisiert und vergaberechtskonform anbiete.”

                            Sascha Soyk ist kein gelernter Pädagoge, sondern ein Betriebswirt, der früher bei Roland Berger, dem Cyber Innovation Hub der Bundeswehr und – kurz – bei dem ins Gerede gekommenen US-Unternehmen Palantir gearbeitet hat. Nun versucht der 36-jährige Manager, dem Digitalpakt mehr Geschwindigkeit zu geben. “Was privatwirtschaftliche oder kommunale IT-Dienstleister gut können, ist Rahmenverträge aushandeln”, sagt Soyk. “Was die vielleicht nicht so gut können, ist Geschwindigkeit, ad-hoc Bedarfe und kleinteiliges Geschäft bedienen. Das finde ich gerade bei Schulen aber wichtig.”

                            GovRadar wie Check24 für Schulen

                            Der “Digitalpakt Schule”, im Jahr 2019 mit einem Umfang von fünf Milliarden Euro beschlossen, hat zwei Engstellen: zum einen der Medienentwicklungsplan, den jede Schule braucht, bevor sie Tablets, Whiteboards, WLAN oder Apps oder anderen pädagogisch-technologischen Schnickschnack bestellen kann. Was viele Zuschauer nicht wissen: die noch heiklere Engstelle ist die Notwendigkeit, ab einer Summe von 1.000 Euro Ausschreibungen vorzunehmen, ab 214.000 Euro sogar europaweit. “Das Vergaberecht ist ein sinnvolles Instrument, das verhindert, dass wir in einer Bananenrepublik landen. Aber man muss es kundig anpacken”, berichtet Soyk. “Es kann passieren, dass ein staatlicher IT-Dienstleister sagt: warum sollen wir für eine Schule bestellen? Da sammeln wir doch mal die Bedarfe mehrerer Schulleiter! Damit ist er schnell über 214.000 Euro Ausschreibungssumme – aber dann muss der Schulleiter vielleicht zehn Monate oder länger auf seine Tablets warten.” Dazu hat Soyk ein Shopping-Tool programmieren lassen, das Schulträgern nach Eingabe ihrer Bestellung binnen 96 Stunden die nötigen drei Verkäufer-Angebote ausspuckt. Das ist wie Check24 für Schulen.

                            Der Gründer von GovRadar hatte wenige Tage vor der ersten Schulschließung im März 2020 sein Unternehmen an den Markt gebracht. Soyk ist schon aufgrund seiner Biografie ein Wanderer zwischen Bürokratie und der Ökonomie. Der in Brasilien geborene Deutsche hat einerseits in Mannheim BWL studiert, wurde danach strategischer Berater und ist andererseits als Reserveoffizier Kenner einer riesigen Bürokratie. “Ich habe bei der Bundeswehr vielleicht mehr von Führung gelernt als in der strategischen Beratung”, sagt der Major der Reserve. Und so war es ihm wichtig, beim zweiten Hackathon des Bundeskanzleramts unter dem Namen “Deutschland macht ein Update” teilzunehmen. Der Hack hatte zum Ziel, die Startups auf der einen und die Schulverwaltungen und Schulträger auf der anderen Seite zusammenzuführen. GovRadar hat dort nach Beobachtung vieler an Sympathie gewonnen. GovRadar sei der einzige Anbieter gewesen, der halbwegs gut vorbereitet die kulturelle Lücke zwischen den Startups und der Schulverwaltung schließen konnte, berichten Teilnehmer über die Rolle von Soyks Gründung. Startups und Schuladministration sind zwei Universen, die sich oft nicht verstehen.  

                            An den Schulen brennt die Hütte

                            Dabei ist Sascha Soyk selbst eine Art Hacker. Seine Firma nennt er eine Beschaffungsplattform für digitale Innovation. Was er knacken, genauer positiv interpretieren will, ist die sogenannte “UVgO“, die Unterschwellenvergabeverordnung. Die regelt, ab welchem Betrag und in welcher Weise öffentliche Auftraggeber ausschreiben müssen. Sein Ziel ist etwas, was er UVgO-Shopping nennt. Unter Einhaltung des Vergaberechts dafür sorgen, dass die Kunden, also Schulen und damit Schulträger, schneller zu dem technologischen Equipment kommen, das sie für die Verwirklichung ihrer pädagogischen Ziele brauchen. “An den Schulen brennt die Hütte“, sagt er. “Auf der einen Seite wird – über den Digitalpakt – mehr Geld reingekippt, auf der anderen Seite schreien alle, warum es nicht schneller geht. Aber nur weil mehr Geld drin ist, hat der einzelne Sachbearbeiter einer Kommune ja nicht mehr Zeit oder mehr Expertise in Vergaberecht“. Es ist Zeit, dass das rationaler angegangen wird. Deswegen sei das Ziel von GovRadar, den Menschen Sicherheit zu geben. “Jeder, der mit uns zusammen arbeitet, soll sich im Klaren sein: Wir sind beim Vergaberecht auf sicherem Boden, aber die Schulen müssen trotzdem nicht ewig auf ihre nötige Technologie warten”. cif

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                              Miro ist eine virtuelle Präsentationswand im Netz, an der viele Menschen gemeinsam arbeiten können. Wir nutzen es im Lehrer-Team, um uns zu strukturieren und unsere Gedanken zu fixieren. Der Flow wird sichtbar. Das Praktische: man kann auch asynchron daran arbeiten. Jeder, der den Link hat, fügt Anmerkungen und neue Ideen an oder pinnt einfach einen neuen Notizzettel dran.

                              Welche technischen Voraussetzungen brauchen Lehrkräfte?

                              Tablet oder Laptop. Miro ist nicht plattform-gebunden oder auf einen bestimmten Browser beschränkt. Auf eine Miro-Mindmap greift jeder zu, der irgendeine Art internetfähiges Gerät hat und zum Team gehört. Geht sogar mit dem Smartphone.

                              Was bleibt von Miro im ganz normalen Klassenzimmer?

                              Wir sind schon die ganze Zeit wieder im Präsenzunterricht – und nutzen es gerade jetzt auch als Team. Es ist einfach wahnsinnig praktisch, wenn man Ideen festhalten, Gesprächsprotokolle hinterlegen oder Links teilen kann. Jeder im Team kann sich darauf beziehen, ohne dass mensch sich ständig zeitgleich trifft. Und ohne in einem Ordner zu suchen, wo man das Arbeitsblatt nun wieder abgelegt hat.

                              Pro-Tipp

                              Miro ist nicht nur zum freien Assoziieren mit Lehrer:innen nutzbar. Man kann daraus für Schülerinnen und Schüler ganz unkompliziert ein digitales Lerntagebuch erstellen. Etwa, indem man eine Vorlage mit verschiedenen Kästen und Rubriken baut. Die Schüler tragen dort ein, was sie erledigt haben, was als Nächstes kommt und welche Selbsteinschätzung sie sich geben.

                              Kritik

                              Miro ist halt ne Mindmap to go – nur dass man sie nicht mehr lesen kann, wenn mehr als drei digitale Zettel angeheftet wurden. Miro ist mikro!

                              Susanne Posselt ist Deutschlehrerin an der Anne-Frank-Gemeinschaftsschule in Karlsruhe.

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