Analyse | Duale Berufsausbildung
Erscheinungsdatum: 30. Oktober 2025

Ausbildungsmarkt: Warum mehr Bewerber den Fachkräftemangel nicht beheben

Koch-Azubi beim WorldSkills Wettbewerb.
Eine Auszubildende tritt im Bereich Konditorei bei dem Berufswettbewerb WorldSkills 2025 an. (picture alliance / SIPA | Romuald Meigneux)

Die neue Bilanz der Bundesagentur für Arbeit zum Ausbildungsjahr 2024/25 zeigt: Viele Betriebe fahren ihr Ausbildungsangebot offenbar zurück. Gleichzeitig nehmen Passungsprobleme weiter zu. Eine internationale Initiative soll Lösungen finden.

Steigende Bewerberzahlen trafen im Ausbildungsjahr 2024/25 auf ein sinkendes Stellenangebot in einem wirtschaftlich schwachen Umfeld. Das zeigen die am Donnerstag veröffentlichten Zahlen zum Ausbildungsmarkt der Bundesagentur für Arbeit (BA). Insgesamt nahmen 191.000 oder 43 Prozent der gemeldeten Bewerber eine Ausbildung auf. Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der BA, sagte am Donnerstag auf der Pressekonferenz, der prozentuale Anteil sei so niedrig wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Zwar überstieg die Zahl gemeldeter Ausbildungsstellen 2024/25 erneut die Zahl der Ausbildungssuchenden. Allerdings hat sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage zum zweiten Mal infolge deutlich verkleinert. Von Oktober 2024 bis September 2025 wurden den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern insgesamt 494.000 Berufsausbildungsstellen gemeldet und damit 25.000 oder fünf Prozent weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig stieg die Zahl der gemeldeten Bewerber um 13.000 auf 444.000 an, ein Plus von drei Prozent.

Einen Rückgang gab es insbesondere bei den betrieblichen Ausbildungsstellen. Sie machen rund 96 Prozent der gemeldeten Berufsausbildungsstellen aus. 2024/25 meldeten Betriebe 477.000 Stellen und damit 26.000 weniger als im Vorjahr. Auf 100 gemeldete betriebliche Ausbildungsstellen kamen am 30. September rechnerisch 93 gemeldete Bewerber, im Vorjahr waren es 86. Auf außerbetriebliche Ausbildungsangebote entfielen 2024/25 rund 17.000 gemeldete Stellen.

Die Zahl der unversorgten Bewerber ist in den vergangenen vier Jahren kontinuierlich angestiegen – von knapp 23.000 im September 2022 auf knapp 40.000 im September 2025. Das ist zugleich der höchste Wert seit 2007. Der deutliche Anstieg bei gleichzeitig vielen unbesetzten Ausbildungsstellen deute darauf hin, dass die Passungsprobleme zugenommen haben, sagte Nahles am Donnerstag. Insgesamt blieben bis neun Prozent der gemeldeten Bewerber ohne Ausbildungsstelle oder alternatives Angebot.

Weitere zehn Prozent entschieden sich offenbar eher notgedrungen für eine Übergangslösung – beispielsweise einen weiteren Schulbesuch, ein Praktikum, eine Arbeit oder ein Studium. Insgesamt mündeten rund 44.000 junge Menschen in eine Alternative ein, hielten aber ihren Vermittlungswunsch in eine duale Ausbildung aufrecht. Auch ihre Zahl hat im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, und zwar um 5.000. Insgesamt suchten somit 84.000 Bewerber am 30. September weiterhin nach einem Ausbildungsplatz.

Steigende Bewerberzahlen allein lösen noch nicht den Fachkräftemangel. Das zeigt sich am Beispiel der Informatik- und ITK-Berufe. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der Bewerber um vier Prozent, gleichzeitig sank die Zahl der gemeldeten Stellen um 17 Prozent. Entsprechend erreichte das Verhältnis von Bewerbern zu gemeldeten Stellen mit 178 Suchenden auf 100 Stellen einen neuen Höchststand, ebenso die Zahl der unversorgten Bewerber. Mehr als jeder fünfte Bewerber hatte zum 30. September keinen betrieblichen Ausbildungsplatz in einem dieser Berufe gefunden. Leah Schrimpf, Leiterin Digitale Gesellschaft beim Bitkom, vermutet dahinter nicht nur ein Missmatch zwischen den Erwartungen von jungen Menschen und Ausbildungsbetrieben.

Die von der BA-Statistik erfassten Berufe würden die Bedarfe der Unternehmen nicht vollständig widerspiegeln, sagte Schrimpf zu Table.Briefings. Gefragte Qualifikationen, etwa im Bereich KI oder grüne Technologie, fänden nur langsam Einzug in Curricula und Ausbildungsverordnungen. Statt auszubilden, setzen viele Unternehmen deshalb aktuell eher auf Quereinsteiger mit entsprechenden Skills oder auf Bootcamps und schnelle Weiterbildungen.

Antworten auf die Frage, wie dringend benötigte Qualifikationen erlangt werden können, soll eine neue Initiative des Bundesbildungsministeriums liefern. Koordiniert vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wollen UNESCO, ILO, OECD, ETF und WorldSkills gemeinsam eine globale Agenda für die Zukunft der Berufsbildung entwickeln. Die Auftaktveranstaltung unter dem Motto „Towards a Global TVET Agenda“ fand in dieser Woche in Berlin statt. TVET steht für Technical and Vocational Education and Training.

Einer der Arbeitsschwerpunkte des Bündnisses sind bessere Daten für evidenzbasierte politische Entscheidungen. Am Mittwoch stellte Claudia Pompa von der UNESCO auf der Konferenz ein neues dynamisches Analysetool vor. Der Global Skills Tracker basiert auf Online-Stellenanzeigen und bietet damit aktuelle Einblicke zu gefragten Qualifikationen und Jobprofilen. Aktuell ist er in zehn Ländern verfügbar. In Verbindung mit klassischen Arbeitsmarktstatistiken soll er künftig dabei helfen, die duale Ausbildung gezielter zu steuern und an die Erfordernisse des Arbeitsmarkts anzupassen.

Wer die duale Berufsausbildung zukunftsfähig gestalten wolle, müsse die Jugend stärker beteiligen, sagte Worldskills-Botschafterin Shae White auf der Konferenz bei einer Panel-Diskussion. Beim Berufswettbewerb WorldSkills siegte die gelernte Köchin 2019 für ihr Heimatland Barbados. Es gäbe eine Diskrepanz zwischen den Anforderungen der Industrie und dem, was in Ausbildungseinrichtungen gelehrt werde. An Entscheidungsträger gerichtet mahnte sie: „Sie treffen Entscheidungen, die uns und unseren Lebensunterhalt direkt betreffen. Deshalb müssen Sie die jungen Menschen unbedingt einbeziehen und ihnen zuhören.“ Kirstin von Elm

Letzte Aktualisierung: 31. Oktober 2025

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