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Erscheinungsdatum: 24. Januar 2025

Deutschlands Antwort auf Trump können nur Innovationen sein

Mit milliardenschweren Konjunkturprogrammen von Donald Trump gerät Deutschland unter Druck. Die Antwort kann nur eine Innovationsoffensive sein, die Wissenschaft und Wirtschaft systematisch vernetzt.

Von Stefan Gross-Selbeck

Die Vereidigung von Trump II markiert eine Zäsur. Das Ideal einer multilateral ausverhandelten, regelbasierten Ordnung mit den USA als Weltpolizei wird abgelöst von einer Strategie des „America first“, da heißt der rücksichtslosen Durchsetzung nationaler Interessen, gegebenenfalls unter Einsatz wirtschaftlicher und militärischer Macht. Für Europa und Deutschland muss dies vor allem eines bedeuten: die konsequente Fokussierung auf und Investitionen in die eigenen Stärken.

Zu den Stärken dieses Landes zählen zweifelsfrei Forschung und Entwicklung. Was hier in Hochschulen, Instituten und Entwicklungsabteilungen von Unternehmen Tag für Tag geleistet wird, ist – trotz steigendem Wettbewerbsdruck – in vielen Bereichen nach wie vor Weltspitze. Leider profitieren wir davon wirtschaftlich nicht ausreichend. Denn allzu oft scheitern wir an der Umsetzung neuer Erkenntnisse in Wertschöpfung, also in innovative Produkte und Dienstleistungen oder die Ausgründung neuer Unternehmen.

Diese Schwäche im Transfer ist seit Jahren bekannt, wurde vielfach beschrieben und analysiert. Sie liegt vor allem an unzureichender Wertschätzung für Transfer als – neben der Forschung – zentraler Aufgabe wissenschaftlicher Institutionen. Teile der deutschen Wissenschaft sind nach wie vor von einem linear gedachten Wissenschaftsmodell geprägt, bei dem die Grundlagenforschung als vermeintliche Königsdisziplin fungiert, die sich um die praktische Anwendung ihrer Erkenntnisse nicht zu kümmern habe. Hier liegt vielleicht einer der größten strategischen Hebel, um Innovationsfähigkeit, Wachstum und Souveränität Deutschlands und Europas substanziell zu stärken. Was ist zu tun?

Die Ampel-Regierung hatte hierzu eine gute Idee: die Errichtung einer staatlichen Agentur für Transfer und Innovation. Dabei geht es ausdrücklich nicht um Forschungsförderung in neuem Gewand im Sinne eines „more of the same“. Vielmehr liegt das strategische Ziel darin, die Transferförderung in Deutschland auf ein neues Level zu heben. Es gilt, das traditionelle Reputationsgefälle zwischen Grundlagenforschung und Transfer zu beseitigen, indem das Leitbild der Transferexzellenz gleichberechtigt neben die Forschungsexzellenz tritt. Dadurch stärkt sie nicht nur diejenigen Wissenschaftsakteure, die schon heute den Transfer fokussieren. Sie schafft vor allem auch neue Anreize und Möglichkeiten für wissenschaftlichen Nachwuchs.

Natürlich löst die Schaffung einer staatlichen Agentur allein noch keine Probleme. Sie kann nur ein Baustein im Rahmen einer grundlegenden Reform der Forschungsförderung sein. Viele Wissenschaftler klagen über ein Übermaß an Bürokratie. Es herrscht eine Kultur des Misstrauens, bei der zu viel Energie auf die Einhaltung bürokratischer Prozesse verwandt wird, anstatt darauf zu fokussieren, was am Ende herauskommt. Gebraucht wird eine andere Form von Projektmanagement, auch von Leadership. Zudem muss insbesondere die transferspezifische Forschungsförderung neu gedacht werden. Es gilt, spezielle Formate zu entwickeln, die die Wirkung und das Ergebnis von Forschung in den Blick nehmen, weniger ihre Einzigartigkeit oder Originalität. Die Zusammenarbeit mit nicht-wissenschaftlichen Partnern, insbesondere der Wirtschaft, muss ermutigt werden.

Leider hat sich die Umsetzungsschwäche der Ampel auch bei diesem Projekt gezeigt. Trotz weitgehender Einigkeit in der Wissenschaftscommunity und anderer Stakeholder ist es nicht gelungen, die entscheidenden Schritte zur Gründung der Agentur und Rekrutierung ihrer Leitung vor Ende der Legislatur zu gehen. Die gute Nachricht ist, dass die konzeptionellen Vorarbeiten dieses wichtigen Projekts weitgehend abgeschlossen sind. Was es jetzt braucht, ist eine zügige, entschlossene Umsetzung, einschließlich der Implementierung einer wirksamen, ein hohes Maß an Unabhängigkeit sichernden Governance, deren Gremien mit erfahrenen Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu besetzen sind. Da es zu diesem Thema weitgehenden überparteilichen Konsens gibt, kann man einer zukünftigen Regierung nur ans Herz legen, die bestehenden Vorarbeiten zu nehmen und unmittelbar an die Umsetzung zu gehen.

Stefan Gross-Selbeck ist Investor und Aufsichtsrat und war zuvor Managing Partner und Digital-Chef bei der Boston Consulting Group.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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