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Erscheinungsdatum: 12. Februar 2025

Arbeitsplätze müssen an die Bedürfnisse älterer Beschäftigter angepasst werden

Um längeres Arbeiten zu ermöglichen, braucht es mehr Gesundheitsförderung, schreibt die Diplom-Volkswirtin vom Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW).

Seit Beginn des Jahrtausends ist die Erwerbsbeteiligung der 55- bis 64-Jährigen in Deutschland sowie in vielen OECD-Ländern – zum Beispiel den Niederlanden, Ungarn oder Lettland – enorm gestiegen. Dies wird oft mit weitreichenden Rentenreformen in Zusammenhang gebracht, deren Ziele die Verlängerung des Erwerbslebens und eine Anhebung des Renteneintrittsalters waren. Beschäftigte können sich allerdings unterschiedlich gut an veränderte Rahmenbedingungen anpassen – abhängig davon, welchen Arbeitsbelastungen sie ausgesetzt sind und ob technologischer Wandel in ihrem Beruf eine Rolle spielt.

Vor ihrer 2012 wirksam gewordenen Abschaffung ermöglichten etwa die Altersrente für Frauen und die Altersrente nach Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit einen vorzeitigen Renteneintritt. Danach stieg der Anteil an erwerbstätigen Personen deutlich – die Arbeitslosigkeit allerdings auch. Frauen, in deren Berufen häufig neue Technologien eingesetzt werden, blieben zum Beispiel eher erwerbstätig.

Um eine verlängerte Erwerbstätigkeit zu ermöglichen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden, müssen Arbeitsplätze und Arbeitsförderung an die Bedürfnisse älterer Beschäftigter beziehungsweise Arbeitsloser angepasst werden. Dafür sollte etwa die Gesundheitsförderung im Rahmen der SGB II (Bürgergeld) und III (Arbeitsförderung) verbessert werden. Es sollte Arbeitsmarkt-Programme speziell für ältere Beschäftigte geben, um Zeiten der Arbeitslosigkeit im Übergang zum Rentenbezug zu vermeiden oder zumindest zu verkürzen.

Ein Beispiel ist das BMAS-Programm Perspektive 50plus zur Verbesserung der Beschäftigungschancen älterer Langzeitarbeitsloser. Auch sollten Gewerkschaften und Arbeitgeber gleichermaßen ein Interesse daran haben, Arbeitsbedingungen zu verbessern, um ihre Beschäftigten zu halten, sogar in Berufen, in denen ein früher Erwerbsausstieg noch weit verbreitet ist – wie beispielsweise in einigen Produktions-, Fertigungs- oder Bauberufen.

Zuletzt besonders umstritten war die Reform der Altersrente für besonders langjährig Versicherte (bekannter als „Rente mit 63“). Sie setzte 2014 das abschlagsfreie Renteneintrittsalter für Versicherte mit 45 und mehr Versicherungsjahren von 65 auf 63 Jahre herunter. Unabhängig von beruflichen Eigenschaften zeigt sich unter allen Versicherten, die die Zugangsvoraussetzungen erfüllen, eine starke Ausweitung des Rentenbezugs. Bei Personen, die einer hohen Arbeitsbelastung ausgesetzt sind, steigt der Rentenbezug noch einmal stärker an.

Eine weniger starke Ausweitung des Rentenbezugs ist bei Beschäftigten zu beobachten, in deren unmittelbarem Arbeitsumfeld in der jüngeren Vergangenheit häufig neue oder deutlich veränderte Dienstleistungen erbracht wurden oder neue Computerprogramme eingeführt wurden. Bei hoher regionaler Arbeitslosigkeit nutzen mehr Menschen die „Rente mit 63“; gibt es in einer Region viele offene Stellen, sind es weniger. Insgesamt ist allerdings fraglich, ob mit der Reform ausschließlich die beabsichtigte Zielgruppe erreicht wurde.

Denn es wird nicht unterschieden, ob jemand einen besonders belastenden Beruf hatte oder nicht. Bei künftigen Reformen sollte daher die Zielgenauigkeit eine deutlich größere Rolle spielen. Vor dem Hintergrund des sich zuspitzenden Fachkräftemangels sollte unter allen Umständen vermieden werden, dass gesunde Beschäftigte einen Anreiz haben, frühzeitig in Rente zu gehen. Gleichwohl bleibt eine auskömmliche Absicherung derjenigen, denen eine Fortsetzung der Erwerbstätigkeit nicht möglich ist, von großer Bedeutung.

Der Gastbeitrag ist Teil einer Reihe zur Zukunft der Altersvorsorge. DRV-Präsidentin Gundula Roßbach betont in ihrem Text die Bedeutung des Arbeitsmarkts, Martin Werding vom Sachverständigenrat Wirtschaft fordert in seinem Beitrag eine Reform der Beamtenversorgung.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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