Table.Briefing: Berlin

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

Das Late-Night-Memo für die Hauptstadt

Liebe Leserin, lieber Leser,

wir begrüßen Sie zum Berlin.Table, dem Late-Night-Memo für die Hauptstadt.

Olaf Scholz eilt Christian Lindner im Kampf ums Budget zu Hilfe. Das klingt spannend, fast aufregend – suggeriert aber, dass das unüblich wäre. Und das ist es dann doch eher nicht. Wenn es im Haushalt eng wird, ist der Regierungschef immer dabei. Manchmal nur simsend, manchmal am Telefon, und in schwierigen Zeiten wie diesen sitzt er auch mal ganz altmodisch mit am Tisch. Interessant wird sein, wie in den kommenden Tagen die Begegnung des Duos mit Familienministerin Lisa Paus ausgeht. Hilft Scholz ihr? Oder lässt er den Finanzminister gewähren, der nichts mehr zusätzlich geben möchte? Warum das für das Verhältnis von SPD und Grünen richtig wichtig werden kann, erklären wir heute.

Außerdem berichten wir, wie Dietmar Bartsch versucht, sich in der Heizungsdebatte um jeden Preis zu profilieren. Und wir haben mit dem Mitgründer der re:publica, Andreas Gebhard, über die enorme Präsenz der Politik auf der Konferenz gesprochen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre.

PS: Am Abend haben sich die EU-Innenministerinnen und -minister auf eine Reform des EU-Asylrechts verständigt – mit Asylzentren an den Außengrenzen, strengeren Kontrollen und einer, wie es heißt, besseren Verteilung.

Heute haben Okan Bellikli, Stefan Braun, Franziska Klemenz, Horand Knaup, Malte Kreutzfeldt und Daniel Schmidthäussler mitgewirkt. Wir freuen uns über Ihr Interesse.

Kindergrundsicherung: Lackmustest für SPD und Grüne

Kindergrundsicherung: Lackmustest für SPD und Grüne. Olaf Scholz, Christian Lindner und Lisa Paus werden in den kommenden Tagen noch einmal heftig um den Haushalt des Familienministeriums ringen. Damit entscheiden die drei nicht nur über den Umfang der Kindergrundsicherung; das Ergebnis wird auch ein Lackmustest dafür sein, ob Grüne und SPD in wichtigen sozialen Fragen an einem Strang ziehen oder politische Konkurrenten bleiben.

Offiziell kämpfen SPD und Grüne Seite an Seite. So werben auch prominente Sozialdemokraten wie Hubertus Heil und Karl Lauterbach für eine großzügige Kindergrundsicherung. Ob aber der Kanzler und die Familienministerin im Gespräch mit dem sparsamen Finanzminister tatsächlich an einem Strang ziehen, ist offen. In der Sache wäre das nur logisch; parteipolitisch möglich ist aber auch, dass die SPD (und mit ihr der Kanzler) der grünen Ministerin einen allzu offensichtlichen Erfolg nicht gönnen. Eine ausführliche Analyse über die Irrungen und Wirrungen zwischen SPD und Grünen lesen Sie hier.

  • Christian Lindner
  • Kindergrundsicherung
  • Lisa Paus
  • Olaf Scholz

Nationale Sicherheitsstrategie: Fertig, aber noch geheim

Nationale Sicherheitsstrategie: Fertig, aber noch geheim. Nach fast anderthalb Jahren Arbeit und langem Hin und Her zwischen den Koalitionspartnern ist die Nationale Sicherheitsstrategie seit vergangenen Freitag unter Dach und Fach. Zugleich hat sich die Koalition entschieden, sie als geheim einzustufen, um mindestens bis zur offiziellen Verabschiedung im Kabinett am kommenden Mittwoch nicht wieder in öffentliche Teildebatten zu geraten. Das war der Ampel rund um den Jahreswechsel passiert, als Entwürfe einzelner Teile öffentlich wurden. Ob die Geheimhaltung dieses Mal klappt, ist offen. Sie wird intern aber als Gradmesser dafür betrachtet, wie vertrauensvoll die drei Partner weiter agieren werden.

Presse-Briefing von morgen

8. Juni Presseschau

SZ: Steinmeier unterschreibt Wahlrechtsreform. Die CSU und die Linke protestieren, trotzdem hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Unterschrift unter das neue Wahlrecht gesetzt. Damit wird die Ampel-Reform jetzt Gesetz. Ob es auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat, wird sich erst zeigen. (“Weg frei für neues Wahlrecht”, Seite 5) 

Taz: Scholz bei Meloni. Wichtiges Thema beim Besuch von Olaf Scholz in Italien waren die aktuellen EU-Verhandlungen über eine Asyl-Reform. Regierungschefin Giorgia Meloni stehe derzeit selbst wegen ihrer Migrationspolitik unter Druck, schreibt Stefan Reinecke. Die Politikerin will demnach Flüchtlingszentren nach Tunesien und Libyen auslagern, was die Bundesregierung für aussichtslos halte. (“Überzeugungsbesuch in Rom”, Seite 2)

Für mehr Nachhaltigkeit in den Sozialsystemen: Die finanziellen Herausforderungen der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung sind offenkundig. Wie die Bundespolitik ihnen begegnet, ist unzulänglich – darin waren sich Vertreter von GKV, PKV, Landespolitik und Wissenschaft auf einer Veranstaltung einig. Gebraucht werden nachhaltige Reformen. (Mehr)

SZ: Pistorius verabredet bei Indien-Besuch mehr Kooperation. Seit acht Jahren ist Boris Pistorius der erste deutsche Verteidigungsminister, der Indien besucht. Sechs U-Boote will Deutschland mit Indien bauen, berichtet David Pfeifer, Einkäufe bei deutschen Rüstungsunternehmen erleichtern, 2024 sind gemeinsame Marine-Übungen geplant. (“Herr Pistorius hat eine Mission”, Seite 6)

Welt: Schweden hat gezeigt, wie die Union nicht mit der AfD umgehen sollte. Der schwedische Autor Erik Thyselius analysiert, dass die rechten Schwedendemokraten so stark werden konnten, weil die Konservativen bei Asylfragen zu weit nach links gerutscht seien. Die Union dürfe sich nicht von der AfD treiben lassen, sondern müsse selbstbewusst bei ihrem ideologischen Kern bleiben. (“Was Deutschland im Umgang mit der AfD lernen kann”, Seite 7)

Nicht überlesen!

New York Times: Das NS-Problem der ukrainischen Armee. Immer wieder erscheinen auf offiziellen Accounts der ukrainischen Regierung Aufnahmen, auf denen Soldaten Kleidung mit nationalsozialistischen Symbolen tragen, schreibt Thomas Gibbons-Neff. Das berge die Gefahr, dass die russische Propaganda Nahrung bekommt und Bilder verbreitet werden, die westliche Länder ein halbes Jahrhundert lang zu beseitigen versucht hätten. (“Nazi Symbols on Ukraine’s Front Lines Highlight Thorny Issues of History”, 5. Juni 2023)

Die Linke: Gegensätzliche Positionen zum Heizungsgesetz

Die Linke: Gegensätzliche Positionen zum Heizungsgesetz. Nicht nur die Ampel-Koalition streitet weiter ums Gebäudeenergiegesetz – eine von RTL am Mittwoch vermeldete Einigung wurde aus Koalitionskreisen dementiert; auch die Linkspartei ist bei dem Thema gespalten. Der Energieexperte der Linken und Vize- Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin steht hinter dem Ziel, neue fossile Heizungen vom nächsten Jahr an zu verbieten, sofern das sozial gerecht umgesetzt wird – und kritisiert jene Kräfte, die die Regelung aufhalten wollen: “Eine Allianz aus Bürgertum und Kapital kämpft gegen den notwendigen und zu lange verschleppten sozial-ökologischen Umbau der Gesellschaft”, schrieb Beutin kürzlich in einem Gastbeitrag im ND. Doch in die kritisierte Allianz reiht sich nun auch Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch ein: Er bezeichnet das Gesetz in einer Kolumne im Berliner Abendblatt als “Murks” und “Wahnsinn”. Das GEG würde “das Land spalten”, dem Klima aber kaum nützen.

Bartsch argumentiert dabei mit einer fragwürdigen Zahl. Durch das GEG würden die Emissionen im Jahr 2030 im Vergleich zu heute nur um 1,4 Prozent niedriger liegen, schreibt der Linken-Politiker. Rein formal ist diese Zahl korrekt: Das Bundeswirtschaftsministerium beziffert die CO₂-Einsparung durch die GEG-Novelle im Jahr 2030 auf 10,5 Millionen Tonnen CO₂; die Gesamtemissionen Deutschlands lagen 2022 bei 746 Millionen Tonnen. Allerdings ist die Angabe aus zwei Gründen irreführend: Zum einen wirkt der Effekt jeder Maßnahme gering, wenn man sie auf die Gesamtemissionen bezieht. Betrachtet man nur die Emissionen des Gebäudesektors, würde die Einsparung durch das geplante Gesetz im Jahr 2030 im Vergleich zu heute schon 9,4 Prozent betragen; bezogen auf den Zielwert des Jahres 2030 sind es 16 Prozent.

Vor allem aber ignoriert die Zahl, dass der Klimaeffekt des GEG kontinuierlich wächst. Denn jedes Jahr wird nur ein kleiner Teil fossiler Heizungen durch klimafreundliche ersetzt; diese laufen dann aber rund 25 Jahre. Bis 2030 rechnet das BMWK in seinen Szenarien mit 6 Millionen Wärmepumpen, bis 2045 sollen es 18 Millionen sein. Gleichzeitig steigt der Ökostrom-Anteil in dieser Zeit von 80 auf 100 Prozent. Spätestens im Jahr 2045 soll der Gebäudesektor damit komplett emissionsfrei sein. Dieses Ziel wäre sehr viel schwieriger zu erreichen, wenn umgesetzt wird, was Bartsch fordert: Gegenüber Table.Media erklärte er, in Bestandsgebäuden sollten neue Gas- und Ölheizungen erlaubt bleiben, bis es eine “kommunale Wärmeplanung bundesweit flächendeckend bis zu jeder Milchkanne” gebe – was eine Verzögerung um viele Jahre bedeuten würde.

re:publica: Mitgründer sieht keine Instrumentalisierung

re:publica: Mitgründer sieht keine Instrumentalisierung. “Dass Leute, auch Politiker, hier ihre Inhalte transportieren wollen, halte ich für völlig legitim. Dafür machen wir diese Veranstaltung!” sagte re:publica-Mitgründer Andreas Gebhard im Interview mit Table.Media. Denn aus dem Bloggertreffen von 2007 ist längst eine Veranstaltung geworden, auf der auch politische Institutionen den Kontakt mit der “Digitalen Gesellschaft” suchen. Trotz der Präsenz von zahlreichen Ministerien und staatlichen Akteuren sieht Gebhard keine Gefahr, durch die Politik instrumentalisiert zu werden. Allerdings: Nach der Kontroverse um das Interview mit Olaf Scholz im vergangenen Jahr haben diesmal die Macher selbst die Interviews mit Finanzminister Christian Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck geführt. Aus dem Vorfall habe man gelernt. Das Interview lesen Sie hier.

  • Digitalpolitik

Aus den Professional Briefings

8. Juni Professionals

China.Table: Deutsche Firmen enttäuscht über schwachen Aufschwung. Der große Boom ist für deutsche Firmen nach der Corona-Öffnung ausgeblieben. Trotzdem wollen sie weiter investieren. Auch hoffen sie, dass ihre Sorgen bei den anstehenden Regierungskonsultationen angesprochen werden. Mehr

Europe.Table: Chip-Fabriken bekommen Milliardenhilfen. Nach langer Prüfung hat die EU-Kommission Milliardensubventionen für Chiphersteller und Zulieferer genehmigt. Von den 68 Projekten, die gefördert werden können, hat Deutschland knapp die Hälfte angemeldet. Aber kommen die Gelder überhaupt noch rechtzeitig? Mehr

Europe.Table: Holpriger Start für neues Ethik-Gremium. Schon vor dem Katargate im Europaparlament wollte die EU-Kommission eine Ethikbehörde etablieren. Nach langer Verzögerung liegt jetzt ein Vorschlag auf dem Tisch. Kritikern ist die geplante Umsetzung zu lasch. Mehr

China.Table: Leben in einer der teuersten Metropolen der Welt. Die Erhöhung des Mindestlohns in Hongkong soll helfen, den sozialen Frieden in der Stadt zu wahren. Die Lebenskosten sind hier so hoch wie fast nirgendwo sonst in der Welt. Kritiker bemängeln Klientelpolitik. Mehr

Morgeninterviews am 9. Juni

8. Juni Morgeninterviews am 9. Juni

Informationen am Morgen (Deutschlandfunk)

ca. 6:50 Uhr: Jens Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär (FDP) im Bundesbildungsministerium: Antwort auf #IchBinHanna

ca. 7:14 Uhr: Christian Reuter, Deutsches Rotes Kreuz: Wie läuft die Hilfe in der Südukraine?

ca. 8:10 Uhr: Omid Nouripour, Co-Vorsitzender der Grünen: Einverstanden mit Asylplänen?

Informationen am Morgen (rbb24-Inforadio)

ca. 7:05 Uhr: Gerald Knaus, Migrationsforscher: EU-Reform des Asylrechts

ca. 7:45 Uhr: Ursula Nonnemacher, Gesundheitsministerin von Brandenburg: Hitzeaktionsplan

ARD-Morgenmagazin (Das Erste)

6:35 Uhr: Karsten Rinke, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Staudamm und Umweltschäden

7:10 Uhr: Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbands: Grundschulen

Geburtstage

8. Juni Geburtstage

Freitag, 9. Juni

Katrin Zschau, MdB (SPD), 47 / Simona Koß, MdB (SPD), 62 / Michael Meister, MdB (CDU), 62 / Stefanie Hinz, Landespolizeipräsidentin von Baden-Württemberg, 51 / Miroslav Klose, ehemaliger Fußballspieler, 45

Samstag, 10. Juni

Johannes Schätzl, MdB (SPD), 30 / Martin Sichert, MdB (AfD), 43 / Raed Saleh, Co-Vorsitzender der SPD Berlin, 46 / Annette Schavan, ehemalige Bundesbildungsministerin, 68 / Jürgen Prochnow, Schauspieler, 82 / Veronica Ferres, Schauspielerin, 58 /Andrea Kiewel, Moderatorin, 58

Sonntag, 11. Juni

Steffen Moritz, Ministerialdirigent im Bundesverteidigungsministerium, 55 / Ralf Horlemann, Deutscher Botschafter in Aserbaidschan, 63 / Lamya Kaddor, MdB (Grüne), 46 / Carsten Körber, MdB (CDU), 44 / Wolfgang Bosbach, ehemaliger MdB (CDU), 71 / Christian Streich, Fußballtrainer, 58 / Kai Havertz, Fußballspieler, 24 / Paul Kalkbrenner, Musiker, 46

Nachttisch

8. Juni Nachttisch

Unser Tipp führt Sie heute in die “Midnight Library”. Haben Sie je reuevoll erwägt, was hätte sein können? Was, wenn ich den Job in Delhi angenommen hätte, oder Politiker geworden wäre? Wie wären meine nie geborenen Kinder jetzt? Nora, die Protagonistin von Matt Haig, will in der Nacht ihrer größten Verzweiflung nichts mehr, nur das Ende, und bekommt das Gegenteil. Tausende Neuanfänge in einer Bibliothek zwischen Leben und Tod. Jedes Buch ein potenzielles neues Leben; Blicke auf das Jetzt, hätte sie in der Vergangenheit anders entschieden. Begleitet von Erwägungen aus Quantenphysik und Philosophie findet Nora Gewissheit. Ein Buch so zauberhaft, dass man es in keinem Leben je vergessen wird.

The Midnight Library | Hörbuch | Canongate (jeweils auch auf Deutsch erhältlich)

Das war’s für heute. Das nächste Late-Night-Memo erhalten Sie am Sonntagabend.

Good night and good luck!

Der Berlin.Table ist das Late-Night-Memo für die Table.Media-Community.

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