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Erscheinungsdatum: 21. Januar 2024

Naturkatastrophen: Streit um nationales Ausmaß

Bei Naturkatastrophen sind die Länder zuständig – es sei denn, diese erreichen „nationales Ausmaß“. Doch wann das der Fall ist, entscheidet allein die Bundesregierung. Stefan Seidler vom SSW kritisiert das. Der Norden sieht sich nach der Sturmflut alleingelassen.

Naturkatastrophen: Streit um „nationales Ausmaß“. Die Länder Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern streiten mit dem Bund über die Begleichung der Schäden nach der Ostsee-Sturmflut Ende Oktober. Die Länder schätzen die Kosten für zerstörte Infrastruktur, Tourismusobjekte sowie Deiche auf 280 Millionen Euro. Am 6. November hatte Bundeskanzler Olaf Scholz ihnen Unterstützung zugesagt; eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe beim Bundesfinanzministerium solle dies „im Rahmen der geltenden Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung“ regeln, heißt es im Ergebnisprotokoll. Anfang Dezember informierte die Regierung den zuständigen Bundestagsausschuss jedoch, sie gehe nicht von Schäden „mit nationalem Ausmaß“ aus, also um „außergewöhnliche Notsituationen, die die betroffenen Bundesländer finanziell überfordern würden“ – wie etwa im Ahrtal. Für den Ausgleich von Naturkatastrophen seien laut Grundgesetz aber allein die Bundesländer zuständig.

Stefan Seidler, MdB des Südschleswigschen Wählerverbands (SSW), fordert parlamentarische Klärung. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit von klimabedingten Verheerungen, wie zuletzt durch die Hochwasser in Nord- und Mitteldeutschland, müsse der Bundestag darüber entscheiden, welche Katastrophen ein „nationales Ausmaß“ erreichen. Bisher legt das allein die Bundesregierung fest, wie ihm Claudia Müller, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundeslandwirtschaftsministerium, Anfang Januar beschied. „Ob ein Ereignis als Naturkatastrophe oder außergewöhnliches Witterungsereignis nationalen Ausmaßes eingestuft wird, entscheidet die Bundesregierung“, heißt es in Müllers Brief, der Table.Media vorliegt. „Eine bestimmte Schadenshöhe, ab der ein nationales Ausmaß gegeben wäre, ist dabei nicht definiert.“

„Hilfen des Bundes können nicht davon abhängen, ob der Kanzler in Gummistiefeln vor Ort war“, monierte Seidler gegenüber Table.Media. „Aus meiner Sicht ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, dass es dafür klare und für die Menschen nachvollziehbare Bedingungen gibt.“ Besonders pikant: In ihrer Verneinung eines „nationalen Ausmaßes“ rechnet die Regierung mit Schäden der Länder von 236 Millionen Euro, diese kommen aber auf 280 Millionen. In der Gesamtbewertung der Katastrophenhöhe völlig außer Acht gelassen sind dabei die Schäden des Bundes von mehr als 20 Millionen Euro an Kasernen, Häfen und dem Friedrich-Loeffler-Institut. Die Ministerpräsidenten Daniel Günther und Manuela Schwesig hatten kurz vor Weihnachten den Kanzler per Brief um Hilfen für die Schäden gebeten, doch der Bund lehnte ab. Die Staatskanzlei Schleswig-Holstein hat daher am 15. Januar eine Änderung der Nutzung des „Ausbauhilfefonds 2013“ zur Unterstützung aller von Naturkatastrophen betroffenen Länder angeregt. Eine Antwort des Kanzleramts steht aus.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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