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Erscheinungsdatum: 27. Juni 2024

Habeck gratuliert Merkel: Wie einer sich über die Altkanzlerin selbst verortet

Robert Habeck gratuliert mit einem Aufsatz im „Rolling Stone“ der Ex-Kanzlerin Angela Merkel zum Geburtstag. Zwischen den Zeilen reklamiert er das Erbe der CDU-Kanzlerin für sich.

Robert Habeck hat sich den „Rolling Stone“ ausgesucht, um Angela Merkel zum Geburtstag zu gratulieren. Der Aufsatz ist aber mehr als ein Glückwunschschreiben. Der Grünen-Politiker bestimmt über den Blick auf die Altkanzlerin seine eigene politische Positionierung und wirbt für eine „neue Mittepolitik“, die er so definiert: „sich die Wahrheit zumuten und gleichzeitig Lösungen anbieten“. Habeck will keinen Bruch mit der Ära Merkel, aber einen Abschied (so auch der Untertitel) und eine Weiterentwicklung. „Normalität in Perfektion“ - so lautet der auf die Ex-Kanzlerin gemünzte Titel. Habeck formuliert das Ziel, das Land in eine „neue Normalität“ zu führen. Mit diesem Text reklamiert er das Erbe der CDU-Kanzlerin für sich – und tritt damit in Konkurrenz zu Olaf Scholz, der sich im Wahlkampf 2021 als Merkel 2.0 inszeniert hatte.

Habeck sieht die Entscheidungen in Merkels Regierungsjahren durchaus kritisch. „Weil russisches Gas so schön billig war, hat Deutschland sich in die Abhängigkeit begeben, nicht blind, sondern sehenden Auges“, schreibt er. Der Ausbau der erneuerbaren Energien sei verschleppt worden, der Bürokratieabbau und die Fachkräfteeinwanderung sei lange versäumt worden. Anerkennung zollt Habeck der langjährigen Kanzlerin einerseits für ihren Stil („ein Gespür für das, was sich gehört und was nicht“), andererseits dafür, dass sie die Union „in der Mitte gehalten, sie immun gegen die Versuchung des rechten Populismus“ gemacht habe.

Die Normalität der Merkel-Jahre ist nach Habecks Analyse „zerbrochen“. Er schreibt: „Die Wirklichkeit ist nicht stabil und Normalität nicht der glückliche Aggregatzustand, der nur manchmal durch disruptive Krisen gestört wird. Der Boden, er schwankt.“ Der Wirtschaftsminister vermutet, dass auch Merkel das inzwischen so sieht. Die übliche Antwort der Grünen auf die Krise lautet: Veränderung. Aber diese Botschaft kommt zunehmend schlecht an. Habeck setzt nun anders an: Er sucht den Mittelweg zwischen der „gespielten Normalität“ und der „Panik und Panikmache“, zwischen „Schweigen und Brüllen“. Es reiche nicht, nur Analyse zu liefern, man müsse auch Lösungen anbieten, ins Handeln kommen. Machtpolitisch gesprochen könnte das heißen: Eine Politik anzubieten, die mehr als magere 11,9 Prozent richtig finden. Helene Bubrowski

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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