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Erscheinungsdatum: 01. September 2024

Der Erfolg der AfD und der Blick von außen: Was die Welt an diesen Abend denkt

Waren die Wahlen in Sachsen und Thüringen eine Frustwahl? Oder gar eine Zäsur? Und welche Auswirkungen könnten sie für das gesamte Land haben? Table.Briefings hat ausländische Journalisten und Wissenschaftler gefragt.

„Nach 34 Jahren haben die Wähler in Thüringen und Sachsen die Parteienlandschaft, die ihnen 1990 übergestülpt wurde, umgekrempelt“, sagt Derek Scally, Deutschlandkorrespondent der Irish Times im Podcast von Table.Briefings. Wenn Wähler eine elf Monate alte populistische Wundertüte wie das BSW bevorzugten, „haben die anderen Parteien – nicht nur in Ostdeutschland – ein ernsthaftes Glaubwürdigkeitsproblem“. Viele in Westdeutschland schauten auf die Wähler im Osten herab, betrachteten die als Ewiggestrige, so Scally: „Wenn man Thüringen/Sachsen aber als politisches Zukunftslabor betrachtet, haben wir spannende 12 Monate vor uns.“

Die Botschaft der Wähler sei alles andere als ein „Weiter so“, sagt die Historikerin Katja Hoyer, die aus Ostdeutschland stammt und seit 2010 in London lebt und arbeitet. Das gelte auch für den Fall, dass es in Dresden wieder für eine Kenia-Koalition und in Erfurt für „eine mehr oder weniger funktionierende Kompromiss-Politik“ reichen sollte. Die angeregte Diskussionskultur der letzten Wochen mache hoffentlich endlich Schluss mit dem Mythos der Demokratieverdrossenheit im Osten, so Hoyer im Podcast Table.Today: „Noch glauben die Menschen dort an die Bedeutung ihrer Stimme in der Wahlkabine. Wie lange noch, hängt davon ab, was jetzt passiert.“

Das Ergebnis sei eine Zäsur. Gleichzeitig mache etwa Thüringen nur zwei Prozent der deutschen Wählerschaft aus, sagt die französische Journalistin Hélène Kohl zu Table.Briefings. Dass eine Partei wie die AfD sich immer weiter radikalisiere und dabei immer mehr Stimmen gewinne, sei aber eine Ausnahme in Europa. Frappierend findet sie das Ergebnis auch vor dem Hintergrund, dass es selbst den ländlichen Regionen in Ostdeutschland besser gehe als jenen in Frankreich oder Polen. „Die Wiedervereinigung war ein Erfolg, aber irgendetwas ist schiefgelaufen“, so Kohl.

Im Kern hätten AfD und BSW Ähnliches versprochen und damit Erfolg gehabt, heißt es aus Österreich. „Wir verschonen dich vor zu vielen Ausländern, gendergerechter Sprache und dem Klimaschutzdiktat der Grünen, der dein Auto bedroht“, schreibt Birgit Baumann im Standard. Und die beiden Parteien machten glauben, dass man mit Wladimir Putin in Frieden leben könne, wenn man nur mit ihm rede. „Eben ganz so wie in den alten Zeiten“, so Baumann.

Die Wahlergebnisse „spiegeln die wachsende Frustration der ostdeutschen Wähler wider“, schreibt die Financial Times. Über eine Regierung, die viele mit hoher Inflation, wirtschaftlicher Stagnation, steigenden Energiekosten und ständigen internen Streitigkeiten in Verbindung brächten. Es zeige sich aber auch, dass die Wähler zunehmend die Mitte zugunsten populistischer Parteien an den politischen Rändern verließen. Okan Bellikli, Helene Bubrowski, Damir Fras, Sven Siebert

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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