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Erscheinungsdatum: 29. März 2023

Berlin will Lehrer umverteilen – und stößt auf Kritik

Berlin strebt keine 100-prozentige Lehrerversorgung mehr an. Schulen dürfen nur noch 96,3 Prozent ihrer Stellen mit voll ausgebildeten Lehrern, Quer- und Seiteneinsteigern besetzen, wie der Tagesspiegel berichtete. Wer darüber hinaus Bewerbungen erhält, muss die Bewerber ablehnen. Damit will Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse Lehrkräfte gerechter auf die Schulen im Stadtgebiet verteilen. Die Idee: Ein Gymnasium im gutbürgerlichen Steglitz, das bisher alle Stellen besetzen konnte, verzichtet auf einen Lehrer. Der geht dann an eine Schule in Hellersdorf, die bisher nur drei Viertel ihrer Stellen besetzen konnte.

Berliner Schulleitungen sprechen von einem Trugschluss. In einer Stellungnahme vom Interessenverband Berliner Schulleitungen, der Vereinigung der Oberstudiendirektoren Berlins, vom Verband Berliner Grundschulleitungen und der Vereinigung der Berliner ISS-Schulleiter heißt es: „Wir können bereits beobachten, dass sich der erwünschte Effekt nicht zeigt. Die wenigsten dieser ‚umgelenkten‘ Lehrkräfte kommen in den vorgeschlagenen Schulen an und sind für diese geeignet.“ Die Direktoren fürchten, dass Lehrkräfte eher nach Hamburg und Brandenburg abwandern.

Schulen, die bereits 96,3 Prozent ihrer Stellen besetzt haben, sollen laut Senatsverwaltung stattdessen aus anderen Gruppen schöpfen: Masterstudierenden, Pensionären, die noch keine Dienstvereinbarung unterschrieben haben, sowie Kräften für multiprofessionelle Teams wie Logopäden oder Lerntherapeuten. Würde man allein auf Studierende setzen, bräuchte man rund 2000, rechnen die Schulleitungen vor.

Sie befürworten eine „fach- und schulgenaue Steuerung“. Dadurch könne vermieden werden, dass an bestimmten Schulen Unterricht zusammengelegt wird oder ausfällt. Arnd Niedermöller, Vorsitzender der Vereinigung der Oberstudiendirektoren Berlins, sagte Table.Media: „Es braucht eine Umsteuerung, allerdings erst nach der Einstellung der Lehrer und im Konsens mit den Beteiligten.“ An seiner Schule habe er zum Beispiel aktuell vier Lehrer ermutigen können, die für eineinhalb Jahre an einer Grundschule unterrichten.

Eine weitere Vorgabe, die die Bildungsverwaltung den Schulaufsichten erst kürzlich mitteilte: Von den neu zu besetzenden Stellen, dürfen sie nur jede vierte oder jede dritte – der Anteil variiert je Bezirk – mit regulären Lehrern besetzen. Der Rest soll zum Beispiel mit Quer- und Seiteneinsteiger gedeckt werden. Manche Schule darf dadurch selbst einen eigens ausgebildeten Referendar nicht übernehmen.

Die Schulleitungen halten dieses Vorgehen für „nicht rechtskonform“. Insgesamt kommen sie in ihrem Schreiben zum Fazit: „Die mit der Wiederverbeamtung erzeugten positiven Effekte für das Land Berlin werden mit diesen Maßnahmen der Bildungsverwaltung wieder zunichtegemacht.“ Wie viele Quer- und Seiteneinsteiger bereits an Berliner Schulen unterrichten, darüber sind derweil die Statistiken der Bildungsverwaltung laut Tagesspiegel-Bericht immer ungenauer. Bei Neueinstellungen unterschieden sie etwa nicht mehr zwischen regulär ausgebildeten Lehrkräften und Lehrern, die lediglich eine berufsbegleitende Quereinsteigerausbildung absolviert haben. Anna Parrisius

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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