Analyse
Erscheinungsdatum: 17. März 2025

Zivilschutz im Fokus: Warum Geld wichtig, aber nicht das größte Problem ist

Seit Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine wird auch in Deutschland wieder über den Bevölkerungsschutz diskutiert. Geld ist das eine Thema, die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Länder mindestens genauso sehr.

Lange lag der Zivil- und Bevölkerungsschutz im Dornröschenschlaf. Die russische Aggression rüttelte schlagartig wach. Und seit die Grünen ihn Ende vergangener Woche in das große Paket zur Verteidigung hinein verhandelt haben, stellt sich endgültig die Frage, wie es finanziell und politisch um ihn bestellt ist. Bislang waren im Haushalt 2025 rund 656 Millionen Euro für das THW und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) veranschlagt. Mit der Öffnung der Schuldenbremse könnten gut 600 Millionen dazu kommen. Fürs Erste sind das nur Schätzungen. Aber sie geben eine Größenordnung vor – und genügen doch nicht den Forderungen anerkannter Hilfsorganisationen wie dem Deutschem Roten Kreuz. Sie fordern Investitionen in Infrastruktur, soziale Dienste und den Katastrophenschutz in Höhe von zwei Milliarden Euro.

Über die zusätzlichen Mittel dürfte man sich im Bevölkerungsschutz freuen. Und doch: Nach jahrzehntelanger Unterfinanzierung scheint man in den zuständigen Einrichtungen dort ad hoc noch keine richtige Vision zu haben, wie der Bevölkerungsschutz angesichts der gar nicht mehr so neuen Bedrohungslage strategisch ausgebaut werden müsste. So gibt sich BBK-Präsident Ralph Tiesler im Gespräch mit Table.Briefings nach Bekanntwerden des Sondervermögens bescheiden und fordert die Beschaffung von 5.000 Fahrzeugen für die Länder sowie den Ausbau der Warninfrastruktur.

Um den Bevölkerungsschutz auf zukunftsfeste Beine zu stellen, braucht es vor allem aber neue gesetzliche Regelungen vom Bund. Diese müssten auch für die Länder definieren, welche Vorsorgeziele überhaupt bestehen. So gilt besonders das Gesundheitswesen als schlecht vorbereitet auf große Katastrophen und militärische Konflikte. Ein neues Gesundheitssicherstellungs- und Vorsorgegesetz hängt im Gesundheitsministerium fest. Über das Sicherstellungsgesetz, das erst im Spannungsfall greift, könnte der Bund etwa einheitlich regeln, wie viel Sanitätsmaterial und Medikamente die Länder bevorraten müssen. Auch könnte er Vorgaben dazu machen, was die Länder bereithalten müssen, wenn in einem Krieg Tausende Verwundete mit dem sogenannten Kleeblattsystem auf Kliniken in Deutschland verteilt werden müssen. Der Knackpunkt liege darin, so heißt es von Experten, wie konkret das Gesetz geschrieben werden soll. Noch unklar ist, wie weit der Bund mit konkreten Vorgaben gehen und was er auch finanzieren würde.

Als essenziell für die Krisenfestigkeit gelten zwei weitere Gesetzesvorhaben: das auf den letzten Metern der aktuellen Legislaturperiode gescheiterte Kritis-Dachgesetz sowie das NIS-2-Umsetzungs- und Cybersicherheitsstärkungsgesetz aus dem Bundesinnenministerium. Beide sollen in der kommenden Legislatur neu aufgesetzt werden. „Der Bevölkerungsschutz wird derzeit noch zu stark auf Naturereignisse reduziert und ist da schon mangelhaft. Bedrohungen durch Sabotage oder aus dem Cyberbereich und die Sicherheit der Infrastruktur vor allem von Behörden ist bislang quasi kein Thema“, sagt Manuel Atug, Sprecher der AG Kritis. „Die Zwangsharmonisierung zwischen Kritis-Dachgesetz und NIS-2 ist die Chance, diese Themen zu adressieren.“ Denn Behörden auf Bundes-, kommunaler und Landesebene und zur Gefahrenabwehr sind von beiden Gesetzen fast vollständig ausgeklammert. Es drohe deren Handlungsunfähigkeit in einer Krise, sagt Atug.

Als großer Bremsklotz gilt der Föderalismus. Martin Voss, Krisen- und Katastrophenforscher an der FU Berlin, bemängelt die „omnipräsenten Kooperations- und Koordinierungsprobleme“ aufgrund des föderalen Systems. Dass es 16 verschiedene Katastrophenschutzgesetze gebe und zusätzlich der Bund den Zivilschutz regle, führe zu Uneinheitlichkeit und großen Abstimmungsproblemen. Auf dem Papier sei vieles geregelt, in der Krise funktioniere das Zusammenspiel oft nicht, weil „bei größeren Lagen niemand per definitionem den Hut aufhat“.

Der Bund sollte stattdessen mehr Befugnisse bekommen. Weitere „Scharnierformate“ wie das Gemeinsame Kompetenzzentrum Bevölkerungsschutz (GEKOB), das auf dem freiwilligen Mitwirken der Länder beruhe, sind laut Voss nur sinnvoll, wenn sie auch wirklich von allen voll mitgetragen würden. Er plädiert angesichts der neuen Lage dafür, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) mehr Weisungsbefugnisse gegenüber den Ländern bekommt. Er schlägt außerdem ein unabhängiges gesamtgesellschaftliches Resilienzzentrum vor. „Von hier aus könnte Druck aus der Zivilgesellschaft auf die Entscheiderebene ausgeübt werden“, sagt Voss.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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