Analyse
Erscheinungsdatum: 21. Juli 2024

UBA-Chef Dirk Messner über die Netztarife: „Das ist klimapolitisch wenig überzeugend” 

Der Chef des Umweltbundesamtes kritisiert, dass die Kosten für den Ausbau erneuerbarer Energien vor allem den Regionen zur Last fallen, die am meisten für Klimaschutz tun

Deutliche Kritik an der aktuellen Tarifgestaltung für die Nutzung der Stromnetze hat der Präsident des Umweltbundesamtes (UBA), Dirk Messner, geübt. Es brauche eine grundsätzliche regulative Veränderung. „Die Regionen, die modernisieren und Netze ausbauen, tragen bisher die Kosten“, sagte Messner Table.Briefings. „Und die, die das – insbesondere im Süden Deutschlands – nicht in dem nötigen Tempo angehen, sind fein raus.“ Messner: „Das ist natürlich klimapolitisch und aus Gerechtigkeitsperspektive wenig überzeugend.“ Schon länger klagen die Ministerpräsidenten der deutschen Küstenländer, die kräftig in Windkraft und die dazu nötigen Netze investiert haben, über die aus ihrer Sicht zu hohen Netzentgelte, die wiederum zu höheren Strompreisen führen.

Auch Messner hält das derzeitige Anreizsystem für falsch konstruiert: „Man müsste doch eigentlich die, die in die richtige Richtung gehen, entlasten und die, die nicht schnell genug sind, belasten.“ Tatsächlich sei das Gegenteil der Fall. „Das ist kein angemessenes marktwirtschaftliches Vorgehen“, sagte der UBA-Chef. Auch führende Energie-Ökonomen plädierten inzwischen für ein neues Preissystem.

Nur bedingt zufrieden ist der UBA-Präsident mit dem Ausbau der Erneuerbaren. Nach den jüngsten Zahlen ist der Ertrag aus erneuerbaren Energien im ersten Halbjahr 2024 um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Der Anteil der Erneuerbaren am Bruttostromverbrauch liegt inzwischen bei 57 Prozent. „Bei der Photovoltaik machen wir beachtliche Fortschritte“, sagte Messner, „da ist eine enorme Dynamik drin“. Nicht zuletzt, weil die Menschen mit kleinen Balkonkraftwerken oder Anlagen auf dem Dach „Mitgestalter des Wandels“ sein wollten.

Zwar sei der Energiesektor der dynamischste bei der Emissionsreduzierung – doch es gebe auch Bereiche, in denen mehr Tempo nötig ist. Insbesondere die Windkraft komme zu schleppend voran. „Wir kommen beim Ausbau der Windkraft nicht so schnell voran, wie wir uns vorgenommen haben.“ Messner: „Da müssen wir deutlich zulegen.“ Für falsch hält der UBA-Chef auch den von Bundesregierung und Parlament beschlossenen Wegfall der Sektorbegrenzungen. Hier mehr Flexibilität zwischen den Sektoren zu schaffen, sei richtig. Aber die Vorstellung, Versäumnisse in einem Sektor könnten durch besondere Anstrengungen in anderen Sektoren per se ausgeglichen werden, ist irrig „Wenn wir etwa im Mobilitätsbereich genauso weiter fahren bis 2035, muss die Kurve in Richtung 2045 so steil in Richtung Null abfallen, dass das physisch und ökonomisch nicht mehr möglich sein wird.“

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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