Analyse
Erscheinungsdatum: 10. Februar 2025

Stimmung vor der Wahl: Hohe Unentschlossenheit und das Bedürfnis nach Führungsstärke

Besonders junge Menschen wüssten noch nicht, wen sie wählen, sagt Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des Gesellschafts- und Markforschungsinstituts Sinus im Interview mit Table.Briefings.

Die Deutschen haben hohe Erwartungen an die Führungsstärke ihrer politischen Top-Entscheider. Früher hätten Erwartungen an Kanzlerkandidaten eher um Fachkompetenz, Sympathie und konkrete Lösungsansätze gekreist, sagt Silke Borgstedt, Geschäftsführerin des Gesellschafts- und Markforschungsinstituts Sinus im Interview mit Table.Briefings. „Im Moment ist das Bedürfnis nach Führungsstärke, Durchsetzungsvermögen und Klare-Kante-zeigen sehr wichtig.“ Zugleich gebe es ein großes Bedürfnis nach Konsens und gemeinsamen Visionen in der Gesellschaft.

Die Sinus-Forscher beobachten eine hohe Wahl-Unsicherheit insbesondere in jüngeren Generationen. Die Unentschlossenheit sei „auffallend hoch“ bei den Unter-40-Jährigen, insbesondere jedoch bei den Unter-30-Jährigen. Die Union schöpfe ihr Potenzial vielversprechend aus. Anders die SPD: Sie habe immer noch ein großes Potenzial an Wählerinnen und Wählern. Doch die hielten sich derzeit eher zurück. Borgstedt: „Nach dem Motto: Kann man auch wählen, ist auch okay, aber jetzt gerade eher nicht.“

Die Forscherin hält wenig von Themen-Tabus. Das Verschweigen von Themen, etwa der Migration, habe in verunsicherten Milieus eher zu einem „Jetzt-erst-recht“-Denken geführt. Angst vor einem Erstarken des Rechtsextremismus gebe es wiederum vor allem „in den ressourcenstärkeren Gruppen bezogen auf Einkommen und Bildung“. In den sozial schwierigeren Gruppen „und seit einiger Zeit auch immer mehr in die Mitte hinein sehen wir, dass diese Abgrenzung in Teilen schwerfällt – auch weil sich ein grundsätzliches Misstrauen in staatliches Handeln breitgemacht hat“.

Zu lange hätten die politischen Entscheidungsträger die Alltagssorgen der Menschen vernachlässigt. Die Teuerung, die vielfältige Verknappung von Ressourcen, nicht zuletzt das Thema Wohnen: Wenn sich die Herausforderungen häuften, werde das Thema Migration zu einem „Ventilthema“. Borgstedts Beobachtung: Das Programm der AfD hätten die Wenigsten gelesen, „aber die sehen meine Sorgen“, so eine häufige Reaktion.

Dankbarkeit für neue oder erhöhte staatliche Leistungen dürften die Parteien nicht erwarten. Es dominiere in der Bevölkerung der Eindruck, die Hilfen seien zumeist Zuwendungen für einzelne Gruppen. Deutschlandticket, Wärmepumpenförderung, Mindestlohn, kostenfreie Kitas – „in unseren Befragungen war es ein häufiger Eindruck der Leute, dass hier Politik für Minderheiten gemacht und die wirklichen Probleme nicht angegangen würden“. Welche Rolle das Thema Klima in der Gesellschaft noch spielt und warum die Forscherin gerade in den jüngeren Generationen „eine große Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit“ diagnostiziert, lesen Sie – frei zugänglich – im Interview.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!