Die großen Parteien wollen offenbar trotz knapper Kassen mit Steuersenkungs-Versprechen in den Wahlkampf ziehen. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch betonte im Podcast von Table.Briefings, dass eine Absenkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel von aktuell sieben auf fünf Prozent als zentrale Forderung der SPD aufgenommen werden soll. „Der Vorschlag wird sicherlich Eingang ins Wahlprogramm finden“, sagte Miersch. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte Anfang der Woche überraschend auch für Teile seiner Partei diese Steuersenkung gefordert. Die Ausgaben seien für den Bund „keine übermäßige Belastung“, so Scholz in der ARD.
Die Union reagierte irritiert. Fraktionsvize Mathias Middelberg nannte den Vorstoß einen „billigen Wahlkampfköder“. Ökonomen reagierten skeptisch, da eine solche Maßnahme etwa bei einem Pfund Butter nur zu einer Preissenkung von fünf Cent führen würde und lediglich Mitnahmeeffekte produziere.
Doch auch CDU und CSU planen offenbar eine Steuersenkung für Essen. Im Regierungsprogramm, das kommende Woche in Berlin vorgestellt werden soll, ist die Forderung nach einer dauerhaften Absenkung des Steuersatzes für Speisen im Restaurant von 19 auf sieben Prozent enthalten, erfuhr Table.Briefings aus Parteikreisen. Die Union will die in der Pandemie beschlossenen und in der Energiekrise verlängerten, aber zuletzt Anfang 2024 von der Ampel zurückgenommenen Erleichterungen für die Gastronomie dauerhaft absichern. Für die meisten Lebensmittel gilt bereits der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent. Dazu zählen etwa Grundnahrungsmittel wie Getreide, Backwaren, Obst- und Gemüsesorten, Eier, Milch, Fleisch, Fisch und Essen zum Mitnehmen.
In der FDP reagierte Generalsekretär Marco Buschmann mit scharfer Kritik. Zur Scholz-Idee sagte er: „Zuckerabgabe. Fleischabgabe. Neue Kennzeichnungspflichten. Drei Jahre lang haben SPD und Grüne versucht, Lebensmittel teurer zu machen. Das hat die FDP gestoppt. Kurz vor der Wahl verspricht die SPD nun günstigere Lebensmittel. Das grenzt fast an Wählertäuschung.“ Ganz frei von Steuersenkungsideen ist allerdings auch die FDP nicht. In ihrem Wirtschaftswende-Papier unmittelbar vor dem Koalitionsbruch hatte sie allgemeine Unternehmenssteuersenkungen als geeignetes Mittel zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gefordert und als ersten Schritt die Senkung der Körperschaftssteuer propagiert.
Wie die Parteien die Versprechen finanzieren wollen, ist bisher nicht bekannt. Laut dem Forschungsinstitut ZEW kostet eine Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent den Steuerzahler rund drei Milliarden Euro pro Jahr. Eine dauerhafte Absenkung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes für Lebensmittel auf nur noch fünf Prozent dürfte ebenfalls einen Milliardenbetrag kosten, heißt es im Finanzministerium. Miersch deutete an, dass die SPD die Besserverdienenden stärker zur Kasse bitten wird, um diese Entlastungen zu finanzieren. „Die ein Prozent der Spitzenverdiener müssen mehr belastet werden, um die anderen zu entlasten.“