Analyse
Erscheinungsdatum: 29. Februar 2024

So reagiert die deutsche Politik auf Putins Rede

Welche Konsequenzen sollte der Westen aus Putins Rede ziehen? Table.Media hat bei wichtigen deutschen Außenpolitikern nachgefragt. Hier dokumentieren wir ihre Antworten.

Das war vor allem eine Wahlkampfrede im Vorfeld der Präsidentschaftswahl. Drohgebärden gehören zum Standardprogramm von Putins Reden. Es hörte sich diesmal dramatischer an als sonst, ist aber keine neue Qualität.

Es soll uns beeindrucken. Es war der durchsichtige Versuch, die Stimmung in der Bevölkerung kurz vor der Präsidentenwahl anzuheben. Es werden leere Versprechungen bleiben.

Erwartbar hat Putin seine letzte große Rede vor den Scheinwahlen dazu genutzt, erneut auf übelste Weise Geschichtsklitterung zu betreiben. In der Tonalität wird aber auch klar, wie verheerend die jüngste Taurus-Volte des Bundeskanzlers und der offen zutage getretene Konflikt zwischen Scholz und Macron ist: Putin nutzt die Risse innerhalb des Westens und der EU genüsslich aus und greift die Kriegsangst, mit der Scholz in unverantwortlicher Weise spielt, auf. Mit seiner Drohung nach einem möglichen Einsatz von Atomwaffen befeuert er diese Angst weiter. So will er noch tiefer einen Keil in den Westen und in unsere Gesellschaften treiben.

Dies dürfen wir nicht zulassen. Putin versteht nur die Sprache der Stärke. Genau deshalb muss Scholz endlich zu einer Führungsrolle finden, an einer geschlossenen europäischen Linie arbeiten und endlich wieder Entschlossenheit demonstrieren – unter anderem durch die Lieferung der Taurus-Marschflugkörper, die die breite Mehrheit des Deutschen Bundestags fordert.

Es ist eine Rede voller Drohungen, wie wir sie von Wladimir Putin schon oft gehört haben – mit dem Ziel, Ängste zu schüren. Diesem Kalkül werden wir uns nicht beugen, sondern es gilt erst recht, entschieden weiter tun, was dringend notwendig ist: eine noch stärkere Unterstützung der Ukraine und die Rückkehr zur europäischen Geschlossenheit, gerade nach den letzten drei Tagen. So schützen wir auch unsere Sicherheit am besten.

Von einer Bereitschaft zu Verhandlungen ist in der Rede rein gar nichts zu sehen. Für die Menschen in der Ukraine ist es eine Botschaft der Grausamkeit, aber ohne jeden Skrupel schickt Putin auch weiter all die russischen Soldaten für seine faschistische und imperialistische Ideologie in den Tod.

Putins Drohungen in Richtung EU und Nato in seiner Rede zur Nation muss man sehr ernst nehmen. Er hat schon oft unter Beweis gestellt, dass er nicht vor weiteren militärischen Eskalationen zurückschreckt, um seine imperialen Großmachtansprüche voranzutreiben.

Dieser aggressiven Politik des Regimes Putin muss man klare Stopp-Signale setzen. Die Nato sollte deshalb intensiv an der Stärkung ihres europäischen Pfeilers und ihren konventionellen und nuklearen Abschreckungsmöglichkeiten arbeiten. Die EU könnte durch die Schaffung eines funktionierenden Rüstungsbinnenmarkts ganz wesentlich zur Stärkung des europäischen Pfeilers der Nato beitragen, ebenso durch die Nutzbarmachung der EIB für die Finanzierung dringend erforderlicher Rüstungsprojekte.

Eine weitere Möglichkeit zur Stärkung von Nato und EU wäre ein Sicherheitsabkommen zwischen der EU und Großbritannien. Während der Brexit-Verhandlungen wurde diese Idee von Boris Johnson noch vom Tisch gewischt. Die gestiegene Bedrohungslage eröffnet hier jedoch neue Chancen für eine wieder engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Großbritannien, die wir nutzen sollten.

Putins aggressive Rede zeigt die Gefahr durch den russischen Imperialismus. Seine Drohung mit Atomwaffen kommt nicht überraschend, hat der russische Diktator doch schon früher klargemacht, dass er vor nichts zurückschreckt. Aber Putins Drohungen zeigen auch das Scheitern der bisherigen Strategie der Bundesregierung und ihrer Verbündeten. Im Windschatten der USA und mit einem militärischen Tunnelblick lässt sich Putin weder international isolieren noch beirren.

Für mich ist klar: Der furchtbare Krieg, den Putin in die Ukraine getragen hat, lässt sich nur auf dem Verhandlungswege stoppen. Wir müssen raus aus der strategischen Umklammerung durch die USA, um auf internationalem Parkett endlich glaubwürdig für Völkerrecht und Diplomatie eintreten zu können.

Ob es dem Westen gefällt oder nicht: Wir leben bereits in einer multipolaren Weltordnung. Das heißt, wir müssen Staaten wie Brasilien, Indien und China ins Boot holen, um diesen Krieg zu beenden. Das chinesische 12-Punkte-Programm vom letzten Jahr war ein Angebot an Deutschland und den Westen. Es wurde leichtfertig ausgeschlagen. Wir machen uns keine Illusionen: China wird sich nicht gegen Russland stellen. Aber eines ist klar: Auch China hat ein großes Interesse, diesen Krieg zu beenden. Wann endlich gibt es eine Brüssel-Peking-Friedensinitiative? Wenn Xi Jinping einlädt, kann Putin nicht nein sagen.

Putin hat die Aussagen von Macron und Scholz zu westlichen Truppen in der Ukraine sofort aufgegriffen und genutzt, um uns mit Atomwaffen zu drohen. Es geht ihm darum, unsere Gesellschaften zu verunsichern. Das war schon immer sein Kernmetier. Insbesondere der deutsche Kanzler hat ihm dafür in den letzten Tagen reichlich Material geliefert.

Scholz behauptet, dass die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper uns zur Kriegspartei mache, weil sie eine Beteiligung deutscher Soldaten voraussetze. Das ist faktisch und rechtlich falsch und das weiß Scholz auch. Im gleichen Atemzug hat er unsere engsten Verbündeten, die bereits Langstreckenraketen liefern, brüskiert und in ernsthafte Probleme gebracht.

Wir müssen aus diesem diplomatischen Desaster lernen, dass Putin jede Schwäche ausnutzt und gegen uns verwendet. Darum dürfen wir uns ihm gegenüber keine Schwäche leisten.

Die Rede muss als Wahlkampfrede im Vorfeld der Scheinwahlen gesehen werden. Sie bietet inhaltlich nichts Neues. Erneut beschwört Putin die Einheit Russlands und betont die militärische und wirtschaftliche Stärke sowie das Ziel, eine Sowjetunion 2.0 herzustellen. Er richtet sich besonders an die Bevölkerung in regionalen Gebieten, die „kleinen Leute“, die er mit „Wahlgeschenken“ ruhigstellen will.

Putin sieht sich im Krieg mit dem gesamten Westen. Auch diese Botschaft ist nach innen gerichtet, in dem er das Freund-Feind-Schema bedient: Wir guten Russen gegen den bösen Westen. Für Putin ist der gesamte Westen das Kriegsziel. Die Nukleardrohung kennen wir bereits. Sie wurden schon mehrfach als unrealistisch ausgeräumt.

Deshalb sollten wir uns nicht einschüchtern lassen und nicht in Selbstabschreckung zergehen. Stattdessen sollten wir begreifen, dass es aktuell gut für Russlands verbrecherisches Vorgehen läuft und die Unterstützung durch seine Allianz CRINK (China, Russland, Iran, Nordkorea) ihm massiv hilft. Der Westen versagt aktuell bei der Unterstützung der Ukraine und der europäischen Abschreckung. Der Westen hat keine Gesamtstrategie gegen CRINK. Das zeigen allein die völlig unstrategischen Aussagen von Scholz bei Taurus, die die europäische Sicherheit gefährden.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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