Analyse
Erscheinungsdatum: 09. April 2025

Schwarz-rote Koalition: Das große Versprechen und der kleine Mut

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD soll ein Aufbruchssignal sein, doch wurde dabei nicht auf einen großen Wurf gesetzt.

Der Kanzler in spe spart am Nachmittag nicht mit schönen Worten, um sein Versprechen zu unterstreichen. „Deutschland bekommt eine handlungsstarke Regierung“, so Friedrich Merz. Der Koalitionsvertrag sei ein Aufbruchssignal und ein kraftvolles Zeichen für Deutschland. Die politische Mitte sei in der Lage, die Probleme zu lösen. „Die künftige Regierung wird reformieren und investieren, um Deutschland stabil zu halten, sicherer zu machen und wirtschaftlich wieder stärker zu machen.“ Auch gegen die Kräfte von innen und von außen, „die nicht mit uns, sondern gegen uns arbeiten.“

Damit ist der CDU-Chef im Kern dorthin zurückgekehrt, von wo aus er einst neu in die Politik gestartet ist : als CDU-Vormann und Kämpfer gegen die Populisten und Extremisten. Merz weiß, dass die nächsten vier Jahre in diesem Kampf entscheidend sein werden. Er und seine Koalition werden liefern müssen, um das Land von der Demokratie und ihrer Leistungsfähigkeit zu überzeugen.

Allerdings, so viel wird deutlich, versuchen Merz und seine Koalitionspartner das nicht mit einem großen Wurf. Einem Wurf, zu dem auch spektakuläre Überraschungen gehören. Der Koalitionsvertrag ist nicht nur gewöhnlich lang (144 Seiten); auch die Zahl der Ministerien (16 plus) ist nicht wie angekündigt geschrumpft. Selbst das übrige Procedere ist im üblichen Rahmen geblieben. Mit Nachtsitzungen, mit Ressortwettkämpfen bis zum Schluss, mit Spekulationen um Namen und Personen, die erst ganz am Ende entschieden werden. Das große Versprechen, mit dem diese Legislatur beginnt, wird von nüchtern-biederer Organisation umrahmt.

Leuchtturmprojekte gibt es so gut wie nicht. Nicht im Bereich Bildung, Forschung, Europa oder Mobilität, auch kaum herausstechende Initiativen für junge Menschen oder Senioren. Zugleich werden viele finanzielle Fragezeichen bleiben, weil die geplanten Sparoperationen beim Bürgergeld, bei ODA-Quote und bei den Beiträgen für die internationalen Organisationen kaum ausreichen, um die Mehrausgaben für Steuersenkungen und Mütterrente, Pendlerpauschale und Gastro-Steuersenkung auch nur annähernd zu kompensieren.

Stat tdessen setzen die neuen Partner auf Symbolik und auf Kommissionen. Das Bürgergeld darf nicht mehr Bürgergeld heißen, das Heizungsgesetz nicht mehr Heizungsgesetz. Und wo immer Fragen offengeblieben sind, soll eine Kommission weiterhelfen. Davon wird es viele geben: beim Wahlrecht und beim Schutz für Prostituierte, bei der Gleichstellung, beim Schutz für Kinder und Jugendliche, in der Frage einer neuen Strafprozessordnung, der Universitätsmedizin und zu anderen Herausforderungen mehr.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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