Analyse
Erscheinungsdatum: 11. Juli 2023

Rheingold-Studie: Warum das Vertrauen in Politik und Medien sinkt

Bundeskabinett Berlin Scholz 21.06.2023, Germany, Berlin,Bundeskabinett, Bundeskanzler Olaf Scholz etwas Missgeklaunt bei der Klimaschutzgesetzgebung, draussen protestierte Greenpeace mit 5 Mitarbeitern, CHristian Lindner mit Handy am Texten, und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck in intensivem Dialog. , Bundesverteidigungsminister Boris Pistoris und Bundesinnenministerin Nancy Faeser im Gespraech, FDP Marco Buschmann im Gespraech, Am Kabinettstisch FDP Christian Lindner und Marco Buschmann, Bundesminster Volkr Wissing mit Bundesumweltmnisterin Steffi Lemke und Claudia Roth, CemOezdemir und Klara Geywitz, Robert Habeck, Annalena Baerbock und Marco Buschmann, Annalena Baerbockund Svenja Schulze, Berlin Berlin Germany *** Federa
Eine heftig mit sich selbst ringende Regierung, eine um Aufmerksamkeit kämpfende Opposition, dazu Medien, die das alles aufgeregt begleiten – nach harten Wochen sehnen alle die Ferien herbei. Doch eine Studie des Rheingold-Instituts trübt die Stimmung: Viele Menschen im Land haben große Zukunftsängste und immer weniger Vertrauen in Politik und Medien.

Vertrauen ist wichtig, für alles im Leben. Für Beziehungen, für Freundschaften, für Familien. Und für das Verhältnis zwischen Politik und Bevölkerung in einer Demokratie. Glaubt man einer Regierung, dass sie gewissenhaft alles versucht, um das Leben für die Menschen bestmöglich zu organisieren, muss man sich um das Ansehen der Parteien und der Institutionen keine Sorgen machen. Schwindet dieses Vertrauen aber, weil die Krisen immer größer werden und die Politik immer zerstrittener und unorganisierter wirkt, dann bröckelt der Glaube an die Lösungskompetenz der Regierung und die Kraft der Demokratie. Hohe Umfragewerte für eine AfD, die viele Institutionen dieser Demokratie infrage stellt, deuten an, wie gefährlich die Lage geworden ist.

Eine aktuelle Studie des Kölner Rheingold-Instituts im Auftrag des Bundesverbands der chemischen Industrie VCI zeigt, dass sich in der Bevölkerung wachsende Zweifel an der Lösungskompetenz der Politik und steigende Ängste vor der Zukunft krisenhaft verstärkt haben. Zum einen wächst bei einem Großteil der Bevölkerung die Sorge vor unsicheren Zeiten. 85 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass es mit dem Wohlstand nicht besser, sondern schlechter wird. Der Satz, es soll uns nie schlechter gehen als heute, hat viel von seiner optimistischen Kraft verloren. Mehr als 60 Prozent der Interviewten sind so desillusioniert, dass sie bei den zahlreichen Krisen – von der Corona-Pandemie über den Ukraine-Krieg bis zu einer immer stärker in Machtblöcken zerfallenden Welt – keine Wege zu einer Lösung mehr erkennen können.

Bestätigt werden diese pessimistischen Zahlen auch durch den Vergleich mit einer früheren Studie des gleichen Instituts aus dem Jahre 2020. Mehr als 60 Prozent der Interviewten sorgen sich um die wirtschaftliche und soziale Entwicklung, das sind zehn Prozentpunkte mehr als vor drei Jahren. Werden die Menschen nach ihrer persönlichen Perspektive gefragt, fürchten 38 Prozent massive Einschnitte; das sind 18 Prozentpunkte mehr als 2020. „Dieser Anstieg ist exemplarisch für ein zunehmendes Gefühl der Belastung durch die Kaskade von Krisen“, schreiben die Autorinnen und Autoren der Studie. „Lediglich jede fünfte Person blickt zum Zeitpunkt der Studie zuversichtlich in die Zukunft.“

Sorge und Skepsis gehen einher mit einem Vertrauensverlust in die Politik. Laut Studie verstünden viele Menschen zwar, dass „Lösungen nicht über Nacht zu erwarten“ seien. Zugleich überwiege aber der Eindruck, dass langfristige Pläne nicht erkennbar seien und „das Vertrauen durch Pannen und Versäumnisse stark erschüttert“ sei. Vorzeigbare Erfolge fehlten, das Bedürfnis nach Sicherheit werde nicht ausreichend befriedigt. Resümee der Forscher: „Die Befragten suchen nach einer stabilen Regierung, die Einigkeit zeigt, Probleme klar benennt und pragmatisch handelt.“ Die Betonung liegt auf: Sie vermissen Einigkeit und pragmatisches Handeln.

Doch nicht nur die Politik ist von den Zweifeln betroffen. Eine weitere Folge der Krisen ist eine zunehmende Distanz zu den klassischen Medien. Glaubt man den Studien-Machern, dann wird der Umgang mit Medien zunehmend als belastend wahrgenommen. Der Grund: Die Krisen in der Welt hätten einen immer deutlicheren Einfluss auf das Leben jedes Einzelnen. „Sich mit weiteren Krisen auseinanderzusetzen, überfordert viele.“ Außerdem hätten die Befragten das Gefühl, ständig von negativer Berichterstattung umgeben zu sein. Dies führe zu einem reduzierten Konsum von Nachrichten oder sogar zum Rückzug in einen kleineren, sicheren Rahmen, abseits der großen Leitmedien.

Im Auftrag des VCI hat das Rheingold-Institut auch ermittelt, welche Erwartungen die Menschen an Wirtschaft und die Industrie. Wenn stimmt, was die Forscherinnen und Forscher ermittelt haben, dann ergibt sich ein sehr gemischtes Bild: Einerseits werde die Industrie, die chemisch-pharmazeutische, als ein sicherer Anker in unsicheren Zeiten empfunden. Dieses Gefühl habe sich während der Corona-Krise eher noch verstärkt als geschwächt. Zugleich aber bleibt das Verhältnis aus Sicht der Befragten fragil. Sobald Unternehmen oder ganze Wirtschaftsverbände von möglicher Abwanderung sprechen, wird das als doppelte Bedrohung empfunden, heißt es in der Studie.

Einerseits werde gerade die chemische Industrie in unsicheren Zeiten als Stütze und Sicherheit empfunden. Zugleich schreiben die Verfasser: „ Sobald aber der Eindruck entsteht, dass sich diese Schutzmacht zurückzieht, zum Beispiel durch die Verlagerung von Standorten ins Ausland, verstärkt sich ein Gefühl der Ohnmacht.“ Solche Aussagen würden als Drohungen wahrgenommen und führten zu einer doppelten Kränkung: „Zum einen wird deutlich, wie stark man von der Schutzmacht abhängig ist. Zum anderen besteht die reale Gefahr, dass der Beschützer sich abkehren könnte.“

Für die Studie wurden sechzig Einzel- und 16 Gruppengespräche geführt, in denen knapp hundert repräsentativ ausgewählte Personen ausführlich befragt wurden. Zur Ergänzung führte das Institut eine Umfrage mit gut 1000 Personen durch, auch diese wurden repräsentativ ausgewählt. Die Studie wurde im Frühjahr 2023 durchgeführt, also vor den letzten heftig umstrittenen Beschlüssen in Berlin.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!