Berlin.Table Analyse Sozialpolitik

Rentenreform: Wo der Sozialbeirat Veränderungen anmahnt

Jedes Jahr veröffentlicht das Gremium ein Gutachten zum Rentenversicherungsbericht – und schaltet sich damit diesmal auch in die laufende Debatte ein.

30. November 2025
Die Koalition plant noch im Dezember wichtige Weichenstellungen (picture alliance/dpa/Michael Kappeler)

Der Sozialbeirat ist das älteste Beratergremium für Regierung und Parlament und gleichzeitig eines der unbekanntesten. Vertreten sind im zwölfköpfigen Gremium die Sozialpartner, die Bundesbank und die WIssenschaft. Den Vorsitz inne hat derzeit die Professorin Constanze Janda, die in einem Gastbeitrag für Table.Briefings ihre Ideen für eine Sozialstaatsreform skizzierte. In ihrem Ende November an Bärbel Bas übergebenen Gutachten setzen sich die Fachleute mit der aktuellen Lage des Rentensystems und den Reformplänen von Union und SPD auseinander.

Sie äußern sich etwa zur vorgesehenen Verlängerung der Haltelinie, die zu dauerhaften Mehrausgaben für den Haushalt führen würde. Dem Beirat zufolge „würde es die Transparenz und Verlässlichkeit der zugesagten Bundesfinanzierung erhöhen, wenn auch konkrete Maßnahmen zur Gegenfinanzierung beschlossen würden“. Andernfalls könnten jetzt zugesagte Mittel später doch nicht erbracht werden, so die auf Erfahrungen aus der Vergangenheit beruhende Befürchtung: Die Ampel-Koalition habe fünf Kürzungen der Bundeszuschüsse beschlossen, zudem würden sich auch in der mittelfristigen Finanzplanung der aktuellen Regierung größere Finanzierungslücken abzeichnen. Der Sozialbeirat plädiert daher dafür, dass Bundesmittel „regelgebunden und nicht abhängig von der Haushaltslage des Bundes gewährt oder entzogen werden sollten.“

Die sogenannte Frühstart-Rente hat aus Sicht des Gremiums „wegen der angespannten Haushaltslage“ keine Priorität. Außerdem werde es zu Mitnahmeeffekten kommen, da auch Kinder begünstigt würden, die ohne staatliche Hilfe genug Geld zum Sparen hätten. Die Fachleute appellieren an den Bund, vor der Verabschiedung zu prüfen, ob die Bürokratiekosten „in einem angemessenen Verhältnis zur tatsächlich erreichten Förderung stehen“.

Positiver sehen sie die Mütterrente III – hielten es aber für „folgerichtig und systematisch konsequent, wenn der Bund auch die Kosten für die gesamten Kindererziehungszeiten ausgleicht (…)“. Hintergrund ist der folgende Unterschied: Bei ab 1992 geborenen Kindern werden die ersten drei Lebensjahre als Beitragsjahre gewertet, auch wenn die erziehende Person nicht gearbeitet hat. Das zahlt der Bund aus Steuermitteln. Bei Geburten vor 1992 werden bisher nur zweieinhalb Jahre angerechnet (Mütterrente I/II) – das wird aus Beitragsmitteln finanziert.

Durch die Mütterrente III sollen es drei Jahre werden, damit die Anrechnungszeiten vor und ab 1992 gleichgestellt werden. Aus Steuergeldern will der Bund bisher aber nur das jetzt dazu kommende halbe Anrechnungsjahr begleichen. Die Berater sehen die Berücksichtigung von Erziehung insgesamt als „gesamtgesellschaftliche“ Aufgabe“, daher müssten auch die Kosten von Mütterrente I und II übernommen werden.

Diese Diskussion um sogenannte versicherungsfremde Leistungen – da man Geld bekommt für etwas, für das man nicht eingezahlt hat – betrifft etwa auch die abschlagsfreie „Rente mit 63“. Der Sozialbeirat spricht sich daher für eine offizielle Definition nicht beitragsgedeckter Leistungen aus, die künftig dann verbindlich nur aus Steuermitteln gezahlt werden müssten. Das würde aus seiner Sicht das Vertrauen in die Rentenversicherung stärken. Denn dann wäre klar, wofür der Staat zuständig ist und wofür die Versicherung. Durch die fehlende Definition gibt es bisher immer wieder Debatten darüber, wer was zahlen sollte – was es der Regierung leichter macht, auch mal aus haushälterischen Gründen Kosten auf die Beitragszahler abzuwälzen.

Die Fachleute wollen außerdem grundsätzlich mehr Transparenz. Demnach würden vergleichende Berechnungen zum aktuellen und geplanten neuen Rechtsstand im Rentenversicherungsbericht den Parlamentariern bei ihren Beratungen helfen. Sie sollten auf Grundlage des jährlichen Berichts beurteilen können, „welche finanziellen Folgen damit verbunden sind, wenn sie die von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwürfe verabschieden“, heißt es im Gutachten. Um die langfristigen Effekte von Vorhaben möglichst transparent diskutieren zu können, böten sich zudem Vorausberechnungen mit längeren Zeiträumen an, so die Berater.

Mit Blick auf die Rentenkommission begrüßt der Beirat die Prüfung eines Gesamtversorgungsniveaus über alle drei Säulen. Im Rentenversicherungsbericht hat die Regierung bereits eine Beispielrechnung integriert, allerdings nur auf zwei Säulen bezogen: die gesetzliche Versicherung in Form eines „Standardrentners“ (45 Jahre Durchschnittsverdienst) sowie die private Vorsorge in Form einer modellhaft dargestellten Riester-Rente. Für 2025 ergibt das ein Brutto-Versorgungsniveau von 52,3 Prozent.

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Letzte Aktualisierung: 30. November 2025