In Österreich könnte erstmals die rechtspopulistische FPÖ den Bundeskanzler stellen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Montag FPÖ-Chef Herbert Kickl mit der Regierungsbildung beauftragt. Zuvor war Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) zurückgetreten, nachdem die Bildung einer Mitte-Links-Koalition gescheitert war. In der ÖVP werden nun erste Stimmen laut, die ein Rechtsbündnis mit der FPÖ eingehen wollen. Der geschäftsführende ÖVP-Chef Christian Stocker sendete entsprechende Signale. In Wien demonstrierten Tausende gegen einen möglichen Kanzler Kickl.
In Deutschland reagierten Politiker verschiedener Parteien entsetzt. Der außenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Nils Schmid, warnte die ÖVP vor einer Koalition mit der FPÖ. „Es wäre ein fatales Signal, wenn die Konservativen in Österreich zum Steigbügelhalter für die rechtsextreme FPÖ auf dem Weg ins Kanzleramt würden“, sagte er Table.Briefings. Die Stellung Österreichs in der EU sei gefährdet. „Eine Regierungsübernahme durch die FPÖ würde bedeuten, dass Österreich bei sensiblen sicherheitspolitischen Fragen kein Partner mehr wäre und dass Putin eine Stimme mehr innerhalb der EU-Entscheidungsprozesse hätte“, sagte Schmid.
Die CSU sieht die gescheiterte ehemalige schwarz-grüne Koalition in Österreich als ursächlich für den Wahlerfolg der FPÖ und die Krise. Schwarz-Grün sei der Niedergang für die konservative ÖVP gewesen, sagte Parteichef Markus Söder Teilnehmern zufolge bei der Klausurtagung der CSU-Bundestagsabgeordneten im Kloster Seeon. Man könne nicht eine konservative Mehrheit im Land mit linken Bündnissen beantworten. Deshalb sei Schwarz-Grün für die CSU nach der Bundestagswahl ausgeschlossen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt nannte die Aussicht auf eine FPÖ-Regierung „ein Warnsignal für Deutschland“. In der CSU-Führung wird ein Bündnis mit der SPD – „ohne Olaf Scholz “ (Söder) – nach einem möglichen Wahlsieg favorisiert.
Als besonders kritisch wird in der Union die Ukraine-Politik der FPÖ gesehen. Diese will die Hilfen für die Ukraine beenden und kritisiert die Sanktionen gegen Russland als „verantwortungslos“. Reinhold Lopatka, Chef der ÖVP-Delegation im Europaparlament, forderte von Kickl, er müsse „Abstriche machen bei seiner antieuropäischen Politik“. In einer Koalitionsvereinbarung müsse festgeschrieben werden, dass „Österreich ein verlässlicher und aktiver Partner in der EU ist und bleibt“, sagte er. Allerdings könne ein Koalitionsvertrag nicht festschreiben, wie sich ein Regierungschef bei EU-Gipfeln verhalte.
Der Frankfurter Politikprofessor Thomas Biebricher warnt, dass eine Koalition mit der FPÖ die ÖVP mittelfristig „ in eine existenzielle Krise führen“ könnte. Wähler aus der politischen Mitte könnten sich abwenden, zugleich könne die ÖVP in einer Koalition wenig Stimmen von der FPÖ abwerben. „Aus Koalitionen mit Rechtspopulisten kommen konservative Parteien selten gestärkt heraus“, sagt der Autor des Buches „Mitte/Rechts“ über die Krise des Konservatismus. Mehr dazu lesen Sie im Europe.Table.