Analyse
Erscheinungsdatum: 27. Februar 2025

Neuer EU-Fonds? Wie Merz und Macron die Sicherheit finanzieren wollen

Friedrich Merz und Emmanuel Macron sollen über einen milliardenschweren Verteidigungsfonds als dauerhafte Hilfestellung für die Ukraine und zur Verteidigungsfähigkeit Europas gesprochen haben. Vorbild wäre der ESM.

An der Spitze der EU und in der Unionsführung wird über ein neues Instrument zur Finanzierung der europäischen Verteidigungsfähigkeit nachgedacht, das sich an das Konstrukt des ESM aus der Staatsschuldenkrise anlehnt. Nach Informationen aus CDU-Kreisen und aus dem Elysée-Palast soll Friedrich Merz am Mittwochabend mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron über einen neuen milliardenschweren Verteidigungsfonds als dauerhafte Hilfestellung für die Ukraine und zur Verteidigungsfähigkeit Europas gesprochen haben. Dieses Finanzinstrument könnte mit einer Banklizenz ausgestattet werden und so Kredite zur Finanzierung von Rüstungsvorhaben vergeben. Vorbild wäre der ESM, der als eigene Finanzinstitution in der Staatsschuldenkrise zur Rettung der kriselnden Euro-Staaten gegründet und mit 700 Milliarden Euro gefüllt wurde.

In dem nun diskutierten Modell könnten europäische Staaten den Fonds mit einem Startkapital von 10 bis 20 Milliarden Euro speisen. Das Geld würde dann an den Kapitalmärkten durch private Investoren und abgesichert durch die Nationalstaaten (Deutschland verfügt über ein Triple-A-Rating) zu einem bis zu 200 Milliarden Euro großen Fonds gehebelt. Aus ihm sollen Rüstungsprojekte, aber auch militärische Infrastruktur für Cyber-Sicherheit oder Logistik finanziert werden. Die beteiligten Staaten bürgen jeweils für ihr eingesetztes Kapital und könnten als zusätzliche Sicherheit langfristige Abnahmeverträge mit den Herstellern abschließen.

Großbritannien soll als Nicht-EU-Land von Beginn an dabei sein, ebenso Polen. Der polnische Vize-Außenminister Marek Prawda betonte auf Anfrage von Table.Briefings: „Wir unterstützen das.“ Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits einen Vorschlag für ein neues Finanzierungsinstrument angekündigt, das Verteidigungsprojekte von gemeinsamem strategischen Interesse wie integrierte Luftverteidigung, Drohnen oder Raketen finanzieren soll.

Die frühere französische Verteidigungsministerin Sylvie Goulard begrüßt eine verstärkte deutsch-französische Initiative zur Verteidigung. „Die Frage der Sicherheit ist durch das Handeln der USA brutal geöffnet worden. Es ist Zeit, dass wir das Schicksal in die eigene Hand nehmen“, sagte Goulard im Podcast von Table.Briefings. „Die große Frage ist, sind wir bereit, füreinander zu sterben, für unseren Wohlstand, letztlich für unsere Freiheit?“ Beide Seiten, die Deutschen und die Franzosen, müssten aufeinander zugehen. „Die Deutschen haben recht, das öffentliche Geld muss gut verwaltet werden. Aber umgekehrt ist auch die Zeit der Tabus vorbei.“ Gemeinsame europäische Finanzierungsinstrumente seien notwendig. „Die europäische Perspektive macht uns alle größer.“

Nationales Sondervermögen wird wohl gebraucht. Die langfristige Finanzierung der europäischen Sicherheit mit Hilfe eines neuen Fonds (Zinsen plus mögliche weitere Einlagen) müsste auf nationaler Ebene dennoch außerhalb des Bundeshaushalts organisiert werden, heißt es in der CDU. „Ohne neues Sondervermögen wird es wohl nicht gehen.“

Der Finanzbedarf ist enorm: Deutschland allein dürfte in den nächsten 15 Jahren mindestens 610 Milliarden Euro mehr Geld für die Bundeswehr benötigen, wie Zahlen der Sicherheitsexperten Christian Mölling, Thorben Schütz und Noah Heinemann für das Dezernat Zukunft zeigen, die Table.Briefings vorliegen. Das Geld wird unter anderem gebraucht, um die der Nato bereits zugesagten militärischen Fähigkeiten wie die Brigade Litauen zu stellen, aber auch um künftig die konventionellen US-Kampftruppen zu ersetzen.

Über die Planspiele in den europäischen Hauptstädten berichtet der Europe.Table. Das Interview mit Sylvie Goulard hören Sie in unserem Podcast Table.Today morgen früh ab 6 Uhr hier.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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