Analyse
Erscheinungsdatum: 20. Dezember 2023

Negative Zeilen für Robert Habeck – aber gute Zahlen

Robert Habeck Buendnis 90/Die Gruenen, Bundesminister fuer Wirtschaft und Klimaschutz und Vizekanzler, und Staatsekretaer Patrick Graichen, in der gemeinsamen Sitzung der Ausschuesse fuer Wirtschaft, und Klimaschutz und Energie. Berlin Deutschland *** Robert Habeck Buendnis 90 Die Gruenen , Federal Minister for Economic Affairs and Climate Protection and Vice Chancellor, and Secretary of State Patrick Graichen, at the joint meeting of the Committees for Economic Affairs, and Climate Protection and Energy Berlin Germany Copyright: xNicoxLepartz/photothek.netx
Heizungsgesetz, Graichen-Affäre und Haushaltskrise: Robert Habeck musste in diesem Jahr viele negative Schlagzeilen ertragen. Die realen Fortschritte vor allem in der Klimapolitik gerieten dabei etwas in den Hintergrund.

Begonnen hat das Jahr 2023 für Robert Habeck noch ziemlich gut: Entgegen vieler Warnungen war der erste Winter ohne russisches Pipeline-Gas nicht von Mangel, sondern von Überfluss geprägt. Anfang Januar waren die Speicher zu über 90 Prozent gefüllt – und damit so voll wie fast noch nie um diese Jahreszeit.

Doch was eigentlich ein Grund zur Freude wäre, entwickelte sich zu einem großen Problem, als Ende Februar der erste Entwurf für das Gebäudeenergiegesetz bekannt wurde, besser bekannt als Heizungsgesetz. Unter dem Eindruck der drohenden Gasknappheit hatte die Ampel-Koalition beschlossen, neue Gasheizungen nicht wie ursprünglich vorgesehen ab 2025 weitgehend zu verbieten, sondern schon ab 2024. Angesichts der stabilen Importmengen und der wieder gesunkenen Gaspreise stieß diese Vorhaben aber plötzlich nicht mehr auf Begeisterung, sondern auf massive Kritik.

Unter dem Druck einer massiven Kampagne der Bild-Zeitung und harscher Kritik von Oppositionsfraktionen und Teilen der FDP wurde das Gesetz Schritt für Schritt aufgeweicht. Dann wurde es durch eine Klage des CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann vor der Sommerpause von der Tagesordnung genommen und erst im September schließlich verabschiedet. Habecks Laune hat darunter ebenso gelitten wie sein Ruf als guter Kommunikator. Doch die reale Sorge, dass das Gesetz komplett gestoppt wird, hat sich am Ende nicht bestätigt.

Eng verbunden mit der Kampagne gegen das Heizungsnetz war die Affäre um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen, der – wie bei den meisten energiepolitischen Projekten des BMWK – auch dort der zentrale Akteur war. Gegen ihn waren in der Presse zunächst viele unberechtigte Vorwürfe erhoben worden, in denen es unter anderem um die Aktivitäten seiner Geschwister ging. Als später bekannt wurde, dass er am Einstellungsverfahren eines engen Freundes mitgewirkt hatte, wuchs der Druck auf Habeck, ihn zu entlassen, doch er hielt zunächst an ihm fest. Erst als noch ein weiterer Fehler dazukam, ließ ihn Habeck schließlich fallen.

Graichens Nachfolger Philipp Nimmermann tritt im Gegensatz zu seinem Vorgänger gegenüber der Presse und der Öffentlichkeit nur selten in Erscheinung – und hält sich auch dann mit starken eigenen Positionen zurück. Im Austausch mit den verschiedenen Stakeholdern gilt er aber als äußerst kommunikativ und konstruktiv. Außerhalb des Scheinwerferlichts hat er damit viele Projekte, die Graichen begonnen hat, zu Ende geführt – wenn auch teilweise um den Preis schmerzhafter Kompromisse, etwa beim Wärmeplanungsgesetz.

Zu Habecks Erfolgen, die in der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommen wurden, gehört die Kehrtwende beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Sowohl bei Solar- als auch Windkraft hatte es unter seinem Vorgänger Peter Altmaier kaum Fortschritte gegeben. Habeck hat dagegen nicht nur die Zubau-Ziele drastisch hochgesetzt, sondern endlich Maßnahmen in die Wege geleitet, um sie auch zu erreichen. Bei der Photovoltaik ist der Erfolg schon klar zu sehen: Die Leistung der neu installierten PV-Anlagen liegt in diesem Jahr mit 14 Gigawatt fast dreimal so hoch wie 2021 – und sogar 1,5-mal so hoch wie von Habeck selbst geplant.

Beim Wind ist der Fortschritt wegen der längeren Planungszeiten etwas langsamer. Hier wurde das selbst gesteckte Ziel von 3,9 Gigawatt nur zu drei Vierteln erreicht, was im Vergleich zu 2021 aber immerhin ein Anstieg um 50 Prozent ist. Ermutigend ist bei der Windkraft zudem die Zahl der neuen Genehmigungen, die mit 6 Gigawatt bis Ende Oktober in diesem Jahr einen Rekordwert erreicht hat.

Gemischt ist die Bilanz beim Thema Kohle: Politisch gab es dabei keine Fortschritte: Während der Kohleausstieg in Westdeutschland bereits letztes Jahr auf 2030 vorgezogen wurde, bleibt es im Osten bisher beim Jahr 2038. Und dass im Januar der symbolträchtige Ort Lützerath geräumt und weggebaggert wurde, hat in der Klimabewegung zu großer Wut geführt.

In der Realität kommt der Ausstieg dagegen schneller voran als von vielen erwartet: Die Braunkohleverstromung liegt in diesem Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 1965. Braun- und Steinkohle zusammen werden 2023 ein Drittel weniger Strom produzieren als fünf Jahre zuvor. Und das trotz des Atomausstiegs, der Mitte April vollzogen wurde – nach heftigem politischem Streit und mit dreieinhalb Monaten Verspätung.

Zuletzt galt der Wirtschaftsminister erneut als Verlierer. Denn nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds fehlten in diesem zentralen Topf schlagartig 60 Milliarden Euro. Habeck selbst sieht sich allerdings eher als Gewinner, weil es ihm trotzdem gelungen ist, die zentralen wirtschafts- und klimapolitischen Projekte zu sichern. Und tatsächlich fallen die Kürzungen im Klimabereich geringer aus, als es zunächst den Anschein hatte, und mit höherer Flugticketabgabe, einer neuen Plastiksteuer und einem höheren CO₂-Preis gab es im Rahmen der Haushaltskonsolidierung auch Beschlüsse, die dem Klima nutzen dürften.

Und auch seinen Ruf als Kommunikator hat Habeck im Lauf des Jahres zumindest teilweise wiederhergestellt: In Videobotschaften zu verschiedenen Themen fand er oft die klaren Worte, die viele bei Kanzler Olaf Scholz schmerzlich vermisst haben. Besondere Aufmerksamkeit erhielten dabei zwei Videos außerhalb seines eigentlichen Themenbereichs: Die Statements zum Gaza-Krieg und zum wachsenden Antisemitismus in Deutschland beeindruckten nicht nur inhaltlich. Sondern sie führten auch dazu, dass Habecks zwischenzeitig gesunkene Chancen auf die nächste Kanzlerkandidatur der Grünen schlagartig wieder stiegen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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