Analyse
Erscheinungsdatum: 01. Januar 2025

Musk und die Angriffe: Warum der Wahlkampf bisher wenig Gutes verheißt  

Elon Musk zeigt, wie persönliche Angriffe vergiften. Trotzdem haben auch die Parteien der Mitte bislang stark darauf gesetzt. Ein heikler Start in den Wahlkampf.

Olaf Scholz spricht Friedrich Merz die Kompetenz ab. Markus Söder erklärt Robert Habeck für unfähig, Lars Klingbeil polemisiert gegen die Grünen, Wolfgang Kubicki wettert gegen alle ehemaligen Koalitionspartner. Und die grüne Abgeordnete Paula Piechotta bezeichnet den Kanzler im eigenen Podcast als „Arschloch“. Auch wenn sie dieses Wort SPD-Abgeordneten zugeschrieben hatte und sich inzwischen entschuldigte – was bis zu diesem 1. Januar 2025 vom Wahlkampf hängen bleibt, sind vor allem persönliche Angriffe, mit denen die Integrität der Kontrahenten geschwächt werden soll. Ganz so, als bewege man sich noch in den 70er, 80er, 90er Jahren des 20. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der man auch mal derb werden konnte, weil niemand die demokratischen Überzeugungen und Institutionen der Republik infrage stellte.

Diese Zeit ist vorbei. Mit der AfD gibt es eine Partei, die alles unternimmt, um die von ihr so genannten Altparteien als unfähig darzustellen – und nur darauf wartet, dass diese Parteien sich auch noch gegenseitig schlecht machen. Schützenhilfe erhält sie dabei seit Tagen vom amerikanischen Milliardär Elon Musk. Er versucht nicht nur, ganz ungeschminkt in den deutschen Wahlkampf einzugreifen, sondern attackiert die obersten demokratischen Institutionen des Landes, erst den Kanzler, jetzt den Bundespräsidenten.

Auf dem von ihm beherrschten Kanal X nannte er Frank-Walter Steinmeier am Silvestertag einen „undemokratischen Tyrannen“, kombiniert mit einem „Schande über ihn“. Da geht es nicht mehr um Debatten im demokratischen Diskurs. Hier will einer die obersten Repräsentanten der Demokratie provozieren und desavouieren. Dass die AfD Gespräche führt, um gemeinsame Auftritte von Parteichefin Alice Weidel mit Musk zu organisieren, belegt, dass sie den US-Milliardär zu ihrem Verbündeten machen will.

Bundesregierung und Union lehnten es am Mittwoch auf Anfrage von Table.Briefings ab, sich zu Musk, seinen Attacken und der Reaktion der AfD zu äußern. Dem Amerikaner wolle und werde man nicht weiteren Raum im Wahlkampf geben. Nur von Seiten der SPD gab es Widerworte. „Das geht gar nicht“, ließ SPD-Chef Lars Klingbeil auf Instagram wissen. Immer wieder versuche Musk „seinen Einfluss zu nutzen, um den Gang der Weltpolitik zu beeinflussen“. Gegen diese Macht sei nicht zuletzt die EU-Kommission gefordert. Klingbeil: „Wir brauchen rechtliche Instrumente gegen Fake News, auch um die Macht einzelner Personen zu brechen. Da müssen wir in Europa den Hintern hochkriegen.“ Fraktionschef Rolf Mützenich forderte gegenüber dem Spiegel Klarheit darüber, „ob die wiederholten Respektlosigkeiten, Diffamierungen und Einmischungen in den Wahlkampf auch im Namen der neuen US-Regierung geäußert wurden”. Mützenich hielt Musk vor, „eine Grenze zwischen befreundeten Staaten” zu überschreiten. CDU-Chef Friedrich Merz hatte die Einlassungen Musks als “übergriffig” bezeichnet. Und Robert Habeck hatte erklärt, Musks Attacken hätten “Logik und System”, sie zielten auf die Schwächung der EU.

In Berlin ist spürbar, wie sehr Musks Strategie der persönlichen Diffamierung vielen Sorge bereitet. Welche Lehren die Akteure daraus für sich selbst im Umgang miteinander ziehen, wird man in den kommenden Tagen beobachten können. Ab dem kommenden Wochenende starten alle Kanzler- und Spitzenkandidaten in die heiße Phase der Wahlkampfauseinandersetzung. Am Sonntag beginnt Merz mit einem Auftritt zum 149. Geburtstag von Konrad Adenauer; einen Tag später starten Christian Lindner beim Dreikönigstreffen in Stuttgart, Robert Habeck in Lübeck und die CSU-Landesgruppe in Kloster Seeon.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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