Analyse
Erscheinungsdatum: 12. Dezember 2024

Milei, Musk und die FDP: Warum sich die Liberalen ins Libertäre flüchten

Die provokante Forderung, mehr Musk und Milei zu sagen, sollte für Christian Lindner nach dem D-Day-Desaster zum Befreiungsschlag werden. Als Spitzenkandidat ist er weiter unangefochten – auch, weil sich keine Alternativen auftun.

Was in der Talkshow Caren Miosga wie ein spontaner Einfall wirkte, ist eine klar kalkulierte Kommunikationsstrategie: Christian Lindner löste mit seinem Vorschlag, sich in Sachen Digitalisierung und Bürokratieabbau auch an Tech-Milliardär Elon Musk und Argentiniens Präsident Javier Milei zu orientieren, bei den politischen Wettbewerbern genau das aus, was er wollte: Empörung. Aus der eigenen Partei gibt es zudem durchaus Zuspruch. Auch wenn mancher leise mit dem Kopf schüttelt und die Anhänger des weniger marktradikalen Parteiflügels lieber nicht auf Musk und Milei verweisen würden, um im Wahlkampf für weniger Bürokratie zu werben.

Lindners Strategie ist bis jetzt aufgegangen. Um die Diskussionen über das D-Day-Papier schnellstmöglich zu beenden, wollte er eine griffige, polarisierende Forderung formulieren. Und bislang, so der erste Eindruck, haben Lindners Aussagen in der öffentlichen Debatte auch verfangen. Milei und Musk auf die Wahlplakate zu schreiben, trauten sie sich dann aber doch nicht. Den Wahlkampf will die FDP vor allem mit den Themen Wirtschaft und Migration bestreiten. Dazu gehören Steuererleichterungen für Unternehmen, die Abschaffung des Soli, der erwähnte Bürokratieabbau und das Aufschieben des Klimaziels bis 2050. Der Bundesvorstand will es am kommenden Dienstag verabschieden.

Der Parteichef muss alles daransetzen, dem Wahlkampf Schwung zu geben. Leute, die zuletzt mit ihm zu tun hatten, berichten, dass er sich vom Koalitionsbruch noch immer nicht erholt hat. Vor allem Scholz‘ Rede am Abend des Bruchs empfand Lindner als Demütigung, die ihn auch fünf Wochen später noch wurmt. Ebenso wie die Tatsache, dass ihm durch die ersten Medienberichte über den D-Day-Plan die öffentliche Deutungshoheit vollkommen entglitten ist.

Als Spitzenkandidat ist Lindner dennoch unangefochten. Einerseits, weil sich keine Alternative auftut. „Wer soll es denn sonst machen?“, heißt es bei vielen Fraktionsmitgliedern. Andererseits, weil Lindner seine Partei in elf Jahren als Bundesvorsitzender vollkommen auf sich ausgerichtet hat. In vertraulichen Gesprächen gibt manch einer zu, inhaltliche Debatten lieber nicht anzustoßen, da dies als Kritik am „großen Vorsitzenden“ missinterpretiert werden könnte. Am Samstag will sich Lindner in Bielefeld auf Platz eins der NRW-Landesliste wählen lassen.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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