Es dürfte ein arbeitsintensiver Tag für Friedrich Merz werden. Am Mittwoch trifft sich das Kabinett der schwarz-roten Koalition um 10 Uhr im Kanzleramt, um erste Gesetze auf den Weg zu bringen. Anschließend will sich der Koalitionsausschuss am Nachmittag auf ein umfangreiches Vorhaben-Paket einigen. In beiden Runden werden auch aktuelle Themen eine Rolle spielen –zum Beispiel die Lage in Nahost oder die Ukraine. Und tatsächlich gibt es insgesamt eine ganze Reihe von Punkten, bei denen es zu Kontroversen kommen könnte.
Im Kabinett werden zunächst die bereits geeinten Gesetzentwürfe und Verordnungen eingebracht. Darunter ist die Aussetzung des Familiennachzugs für zwei Jahre, die Rückabwicklung der sogenannten Turboeinbürgerung sowie zwei Entwürfe aus dem Digitalministerium, darunter eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes. Anschließend ist eine Reihe von Vorträgen geplant. Das Finanzministerium gibt einen Flüchtlingskostenbericht ab, das Innenministerium spricht über die allgemeine Sicherheitslage in Deutschland, das Außenministerium über die Ukraine und das Verteidigungsministerium über die Situation in Israel.
Bevor dann am Nachmittag der Koalitionsausschuss zusammenkommt, empfängt der Kanzler in Berlin Wolodymyr Selenskyj. Bei dem Treffen soll es um die Möglichkeit zu weiteren Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland und um weitere Sanktionen gehen. Das Problem: Merz kann dem ukrainischen Präsidenten konkret wenig anbieten. Denn bislang ist ein 18. EU-Sanktionspaket nicht geeint, und den Europäern ist es bislang auch nicht gelungen, den US-Präsidenten an Bord zu bekommen. Auch die Taurus-Lieferungen, die Merz als Oppositionsführer noch selbst gefordert hatte, bleiben — Stand jetzt – aus.
Merz hat zwar politisch und rhetorisch einen neuen Ton angeschlagen mit seiner jüngsten Aussage, es gebe „keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen“, die an die Ukraine geliefert werden. Faktisch ändern muss sich dadurch jedoch nichts. Denn gemeint ist die Unterstützung für ohnehin schon gelieferte britisch-französische und US-Waffen. Ob auch künftig auch deutsche Waffensysteme ohne Reichweitenbeschränkung geliefert werden, ist bislang unklar.
Im Koalitionsausschuss könnte der Vorstoß des Kanzlers trotzdem noch einmal für Diskussionsstoff sorgen. Denn in Teilen der SPD fragt man sich schon, was das genau Ziel der Aussage war, wenn sich de facto nichts ändert. Nach Informationen von Table.Briefings war der Vorstoß nicht abgestimmt. Die Haltung der Regierung sei mit Blick auf Waffenlieferungen an die Ukraine zwar geeint, aber nicht neu.
Was dagegen tatsächlich neu ist, ist der Ton des Kanzlers gegenüber Israel. Auch darüber dürfte am Mittwochnachmittag gesprochen werden. Das Vorgehen des israelischen Militärs in Gaza sei nicht mehr mit Selbstverteidigung zu rechtfertigen, „wenn Grenzen überschritten werden“. Als Oppositionsführer hatte Merz das Vorgehen Israels lange verteidigt. Nachdem er sich nun erstmals kritisch äußerte, stellt sich auch in der Koalition die Frage: Was folgt nun daraus? Könnte Israel es auch so weit treiben, dass die Regierung beispielsweise entscheidet, Rüstungsexporte zu stoppen?
Union und SPD haben also eine Reihe von Themen zu klären –mal ganz abgesehen von den ohnehin schon geplanten Paketen. Auch darüber will man am Mittwoch noch sprechen. Diverse Vorhaben, die man sich bis zur Sommerpause vornehmen will, sollen geeint werden, eine Prioritätenliste erstellt werden. Darunter etwa ein umfangreiches Strompaket, so heißt es aus Regierungskreisen. Es dürfte ein langer Tag werden.