Der Bundestag wollte sich selbst reformieren. Es waren viele, teils ermüdende Sitzungen, die sich die „Kommission zur Reform des Wahlrechts und zur Modernisierung der Parlamentsarbeit“ im Bundestag leistete. Am vergangenen Donnerstag hat die Arbeitsgruppe ihren Abschlussbericht verabschiedet, am 12. Mai soll er Bundestagspräsidentin Bärbel Bas übergeben und anschließend im Parlament debattiert werden.
Die konkreten Änderungen werden am Ende wohl überschaubar bleiben. Absehbar ist immerhin eine Verlängerung der Dauer der Legislaturperioden von vier auf fünf Jahre. Die nötige Zweidrittelmehrheit scheint gesichert, nachdem sich die Union dem Vorschlag „offen“ gegenüber zeigt und nur die AfD dagegen ausgesprochen hat. Die übrigen Empfehlungen werden weitgehend Empfehlungen bleiben – weil es ihnen an der nötigen Mehrheit fehlt oder weil sie nur als solche deklariert sind.
Für ein Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre bei Bundestagswahlen sprachen sich nur Ampelfraktionen und Linke aus – zu wenig für die nötige Zweidrittelmehrheit, die es für die Grundgesetzänderung braucht. Der angedachte gemeinsame Wahltermin von Bund und Ländern wurde mangels Praktikabilität verworfen. Allerdings gab es auch inhaltliche Gegenargumente: „Das Auseinanderfallen der Wahltermine unterschiedlicher staatlicher Ebenen habe eine eigene demokratische Qualität“, heißt es in dem Bericht. Veränderte Großwetterlagen würden bei einem gebündelten Wahltermin womöglich „in der Breite auf das politische System der Bundesrepublik Deutschland“ durchschlagen.
Kein gemeinsames Rezept hat die Kommission gegen die unzureichende Vertretung der Frauen im Bundestag gefunden. Viele Gründe listet der Bericht auf, warum Frauen so schlecht repräsentiert sind; auch zahlreiche mögliche Rezepte kamen zur Sprache – von Eingriffsrechten der Landesebene bei der Kandidatenaufstellung bis hin zu finanziellen Anreizen für Kandidaten und Kandidatinnen. Aber auf ein konsensuales Gegenmittel konnten sich die Fraktionsvertreter nicht verständigen. So heißt es unter „Empfehlungen“ nun ernüchternd: 1. Der Frauenanteil im Deutschen Bundestag sollte erhöht werden. 2. Hinsichtlich des konkreten Handlungsbedarfs bestand innerhalb der Kommission Uneinigkeit.
Breiten Raum in den Beratungen nahm auch der Zeitdruck ein, unter dem die Abgeordneten ihre Entscheidungen treffen sollen. Der Druck sei so hoch, dass eine Sachverständigenberatung häufig nahezu ausgeschlossen sei. Deshalb, so der Konsens, sollen Experten künftig nicht erst zum Ende der parlamentarischen Beratungen angehört werden, sondern möglichst früh, womöglich auch schon vor der ersten Lesung eines Gesetzes. Möglicherweise sogar, bevor sich die Fraktionen auf ein einheitliches Meinungsbild verständigt haben.
Zur Sprache kam auch der legislative Fußabdruck. Rt würde die Abgeordneten verpflichten, jedes Gespräch und jeden Kontakt in einem Gesetzgebungsverfahren transparent zu machen, um so den Einfluss von Lobbygruppen offenzulegen. Er wird jedoch kaum kommen, die Frage der Vertraulichkeit des Wortes und die Kontrolle der Angaben dürfte sich als zu hohe Hürden für eine Einführung erweisen.
Intensiv beschäftigte sich die Kommission mit den Veränderungen in der Bevölkerungsverteilung und den Zuschnitten der Wahlkreise. Aber auch der Blick in andere Länder brachte kaum neue Erkenntnisse – an den bestehenden Verfahren wird sich nichts ändern. In flächenmäßig besonders großen Wahlkreisen soll jetzt die Frage einer Aufstockung der Sachmittel geprüft werden.
Kontrovers wurde das Thema Wahlumfragen im Umfeld von Bundestagswahlen behandelt. Der Bundeswahlleiter hatte bei der Bundestagspräsidentin Änderungen im Umgang mit den Umfrageergebnissen angeregt. Befragungen von Briefwählern etwa, die vor dem Wahltag veröffentlicht würden, könnten nach Auffassung des Bundeswahlleiters dazu beitragen, das Wahlverhalten anderer zu beeinflussen. Zumal die Zahl der Briefwähler beständig zunimmt. Genauso sollte die Veröffentlichung angeblicher oder vermeintlicher Wählernachbefragungen verboten werden, da diese eine nicht minder wählerbeeinflussende Wirkung hätten. Mit ihrer Mehrheit wollten die Ampelfraktionen keine Verbote aussprechen, empfahlen aber, das Thema im Auge zu behalten.
Auch der Modernisierung der Parlamentsarbeit widmete sich die Kommission. Dass der Bundestag digitaler werden soll, sich auch elektronischer Abstimmungsverfahren bedienen will, ist bekannt. Mehrheitlich befand die Kommission, die Abstimmungen sollen weiterhin ausschließlich im Plenarsaal stattfinden. Und sie sollen nicht, wie etwa aus Effizienzzwecken in Straßburg und Brüssel, in Abstimmungsblöcken gebündelt werden. Bürgerräte als ergänzende Instanz werden „überwiegend positiv“ gesehen, könnten jedoch keine Wahl und keine gewählten Repräsentanten ersetzen.