Analyse
Erscheinungsdatum: 02. Juli 2023

Heizungsgesetz: Mehr Gas und Öl, weniger Mieterschutz

Wirtschaft Gasheizung Gasheizungsanlage Baujahr 2009 in einem Einfamilienhaus. 12.4.2023, Berlin *** Economy gas heating gas heating system year of construction 2009 in a family house 12 4 2023, Berlin

Freude bei der Gaswirtschaft, Entsetzen bei den Umweltverbänden: Um das Gebäudeenergiegesetz endlich vom Tisch zu haben, geben die Grünen in entscheidenden Fragen nach. Und Zeit für eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem neuen Entwurf bleibt bis zur Verabschiedung in der nächsten Woche kaum.

Als am Dienstag zum wiederholten Mal die finale Einigung über das Gebäudeenergiegesetz verkündet wurde, waren viele entscheidende Fragen noch offen geblieben. Im neuen Gesetzestext, der am Freitag veröffentlicht wurde, finden sich nun die Antworten. Und auch wenn die Grünen-Fraktionsvizes Julia Verlinden und Andreas Audretsch den neuen Entwurf öffentlich als „Meilenstein für den Klimaschutz“ bezeichnen, zeigt ein Blick auf die Details des umfangreichen Änderungsantrags, dass die Grünen sich in wichtigen Punkten nicht durchsetzen konnten :

  • Mieter müssen für teures Biogas und Wasserstoff zahlen. Eine entscheidende Verschlechterung betrifft die Kostenverteilung. Schon zuvor war entschieden worden, dass Gasheizungen zunächst weiter eingebaut werden dürfen, sofern sie mit Biogas betrieben werden oder das Gasnetz in Zukunft auf Wasserstoff umgestellt wird. Doch weil diese Brennstoffe sehr teuer sein werden, war die Erwartung, dass diese Option kaum genutzt wird. Denn bisher war im Gesetz vorgesehen, dass die Mehrkosten, die durch Biogas oder Wasserstoff im laufenden Betrieb entstehen, vom Vermieter getragen werden müssen. Diese Vorgabe wurde nun gestrichen; beschränkt wird lediglich die Umlagefähigkeit der Investitionskosten auf die Miete. Dadurch könnte eine Gasheizung zumindest für Vermieter eine attraktive Option bleiben.

  • Nicht nur qualifizierte Energieberater dürfen beraten. Auch eine zweite Regel, die die Grünen durchgesetzt hatten – dass vor dem Einbau einer neuen Gas- oder Ölheizung eine Beratung vorgeschrieben ist – wird durch die konkrete Ausgestaltung teilweise entwertet. Denn diese Beratung darf nicht nur von qualifizierten Energieberatern vorgenommen werden, die aufgrund der drohenden Kostensteigerungen von einer neuen fossilen Heizung abraten dürften. Sondern auch von Akteuren, die dabei ein Eigeninteresse haben können: Installateure, die oft gern weiterhin Gas- oder Ölheizungen verkaufen wollen, und Schornsteinfeger, die nach dem Einbau einer Wärmepumpe nicht mehr benötigt werden.

  • Holzheizungen sind ohne Einschränkung überall erlaubt. Das war zwar schon aus den „Leitplanken“ herauszulesen. Weil dort aber auch gefordert wurde, „Fehlanreize zu vermeiden“, hatten Grünen-Abgeordnete wie Andreas Audretsch dennoch Bedingungen für das Heizen mit Scheitholz, Hackschnitzeln oder Pellets in Aussicht gestellt. Doch im neuen GEG-Entwurf ist davon nichts zu sehen: Die bisher vorgesehenen Beschränkungen, dass Holzheizungen nur in Neubauten zulässig sind und auch dort mit Pufferspeichern und Solarthermie sowie effektiver Staubabscheidung kombiniert werden müssen, wurden komplett aus dem Gesetzentwurf gestrichen.

  • Die Ausnahmen wurden noch einmal ausgeweitet. Dass die neuen Vorgaben für die Heizungen erst gelten, wenn die Kommune ihre Wärmeplanung fertiggestellt hat, stand bereits nach Bekanntgabe der „Leitplanken“ vor zwei Wochen fest. Während diese Regelung durch die Vorgabe fester Daten – bis Juni 2026 für Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern und bis Juni 2028 für alle anderen Orte – eher verschärft wurde, gibt es an anderer Stelle neue Ausnahmen. So darf nun bei jedem Heizungstausch für bis zu fünf Jahre eine fossile Heizung eingebaut werden; bisher war das nur bei Havarien, also überraschenden Ausfällen, vorgesehen, und dann auch nur für drei Jahre. Zudem bleiben nun bis zum Vorliegen der Wärmeplanung auch neue Ölheizungen erlaubt, obwohl es bei diesen keine realistische Option gibt, sie klimafreundlich zu betreiben. Hier fällt die Ampel sogar hinter die Beschlusslage der Großen Koalition zurück.

Entsprechend fallen die Reaktionen aus: Während die Gaswirtschaft die Änderungen am Gesetzentwurf feierte, herrschte bei Umweltverbänden Ernüchterung. „Dem Gesetz wird es in dieser Form nicht gelingen, den Gebäudesektor auf Kurs zum Erreichen der Klimaziele 2030, 2040 und 2045 zu bringen“, meint Germanwatch-Geschäftsführer Christoph Bals. Noch deutlicher fällt das Urteil von Barbara Metz aus: „Der Gaslobby gelingt es offensichtlich weiterhin, die Wärmewende brutal zu sabotieren“, kommentiert die Co-Geschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe. „Mit diesem Gesetz reißen wir die gesetzlich verbindlichen Klimaziele und das völkerrechtlich verbindliche Pariser Klimaschutzabkommen.“

Anhörung ohne Umweltverbände

Solche Kritik wird bei der Sachverständigen-Anhörung an diesem Montag allerdings nicht zu hören sein. Obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck das GEG als das wichtigste klimapolitische Gesetz dieser Legislaturperiode bezeichnet hat, kommen dort ausschließlich Wirtschafts- und Verbraucherverbände zu Wort, aber kein einziger Umweltverband. Beim letzten Mal war die Umwelthilfe auf Einladung der Grünen noch dabei; diesmal wurde sie kurzfristig gegen den Bundesverband Wärmepumpe ausgetauscht. Viele andere Sachverständige wurden dagegen erneut eingeladen.

Kritik gibt es weiterhin auch am Zeitplan. Denn durch die umfangreichen Änderungen gibt es nun faktisch einen neuen Gesetzentwurf. Weil dieser bereits am Donnerstag final vom Bundestag verabschiedet werden soll, gibt es praktisch keine Zeit, ihn noch ernsthaft zu beraten oder zu verändern. Auch die Sachverständigen-Anhörung dürfte nur noch wenig Einfluss haben. Union und Linke sind sich darum ausnahmsweise in ihrer Kritik am Verfahren einig : „So ist eine seriöse Beratung nicht möglich“, erklärt CDU-Vize Andreas Jung. Und Jan Korte, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, meint: „Für ein Gesetz dieser Tragweite und dieser gesellschaftlichen Relevanz ist das völlig unangemessen.“

Die Koalition hatte den Zeitdruck damit begründet, dass das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden müsse, damit es für Haus-Eigentümer genug Zeit gebe, sich auf die neuen Vorgaben einzustellen, bevor sie am 1. Januar 2024 in Kraft treten. Durch die Aufweichung des Zeitplans greift das Regelwerk in den allermeisten Fällen aber ohnehin erst mit deutlicher Verzögerung, sodass dieser Grund entfallen ist.

Dass die Grünen trotzdem so viele Zugeständnisse gemacht haben, statt durch eine Verschiebung auf den Herbst eine intensivere Beratung – und damit möglicherweise ein besseres Gesetz – zu erreichen, dürfte vor allem mit dem Wunsch zusammenhängen, das Thema aus den Wahlkämpfen in Hessen und Bayern herauszuhalten. Ob die Strategie aufgeht oder ob die Partei nun nach den Gegnern der Wärmewende durch die Aufweichung des Gesetzes auch noch die Klimaschützer gegen sich aufgebracht hat, bleibt abzuwarten.

Briefings wie Berlin.Table per E-Mail erhalten

Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

Anmelden

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

Teilen
Kopiert!