Analyse
Erscheinungsdatum: 07. August 2024

Gutachten zum Haushalt: Langsam verzieht sich der Rauch 

Der Bundeskanzler und der Finanzminister interpretieren Gutachten zum Haushalt völlig unterschiedlich. Doch die Koalitionspartner lassen den Dissens größer aussehen, als er tatsächlich ist.

Der Gegensatz hätte kaum größer sein können: Während Finanzminister Christian Lindner aus zwei Gutachten zu den geplanten Haushaltsmaßnahmen der Regierung herauslas, dass diese allesamt verfassungsrechtlich kaum möglich seien, interpretierte Bundeskanzler Olaf Scholz sie komplett anders: „Das geht“, lautete die Kernaussage, mit der er in der Zeit zitiert wurde. Der Eindruck einer Eskalation täuscht aber; die Koalitionspartner lassen den Dissens größer aussehen, als er tatsächlich ist.

Denn bei zwei der drei geplanten Maßnahmen besteht faktisch Einigkeit: Unstrittig ist, dass der Plan, ungenutzte Gelder der KfW für die Gaspreisbremse im Umfang von knapp 5 Milliarden Euro in den allgemeinen Haushalt zu überführen, verfassungsrechtlich zu bedenklich ist. Diese Einschätzung findet sich sowohl im Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Finanzministeriums als auch in jenem des Finanzrechtlers Johannes Hellermann, das insgesamt weniger kritisch ausfällt. Und auch Scholz scheint sich damit abgefunden zu haben: Seine „Das geht“-Aussage bezog er nämlich nicht auf die Gaspreisbremsen-Gelder, sondern nur auf die beiden anderen Vorschläge: Kredite des Bundes an die Deutsche Bahn und die Autobahn-Gesellschaft zu vergeben, was den Haushalt entlasten, aber nicht auf die Schuldenbremse angerechnet würde.

Beim Thema Bahn zeichnet sich nun auch eine Lösung ab. Das Hellermann-Gutachten hatte einen Kredit an das staatseigene Unternehmen für rechtlich unbedenklich gehalten; der Beirat war kritischer, allerdings eher aus wirtschaftlichen als aus rechtlichen Gründen. Trotzdem ist Lindner nun einverstanden. Für ihn sei es „vorstellbar, dass wir Zuschüsse an die Deutsche Bahn in Höhe von 3,6 Milliarden Euro in Eigenkapital oder Darlehen umwandeln“, sagte er am Mittwoch der Neuen Berliner Redaktionsgemeinschaft. Er machte dabei deutlich, dass er Eigenkapital vorziehen würde.

Umstritten ist damit lediglich noch ein möglicher Kredit an die Autobahngesellschaft. Diesen hatten sowohl der BMF-Beirat als auch Hellermann als rechtlich äußerst riskant bewertet, weil die Autobahngesellschaft über keine eigenen Einnahmen verfügt, mit denen sie diesen zurückzahlen könnte. Allerdings hatte Hellermann ausgeführt, dass sich das Risiko verringern ließe, indem der Gesellschaft Einnahmen aus der Maut zugewiesen werden. Auf diesen Vorschlag stützt sich Scholz bei seiner Bewertung, dass diese Maßnahme möglich ist. Der BMF-Beirat teilt diese Einschätzung dagegen nicht. In seinem Gutachten weist er darauf hin, dass die Autobahn GmbH „zusätzliche Ertragsquellen“ brauche, damit der Kredit nicht als Umgehung der Schuldenbremse gewertet würde. „Eine Umwandlung bestehender Einnahmen des Bundeshaushalts würde hierfür nicht genügen“, heißt es. Das BMF verweist zudem darauf, dass die dafür notwendigen gesetzlichen Veränderungen keinesfalls rechtzeitig für den Haushalt 2025 umgesetzt werden können.

Finanziell spielt diese Uneinigkeit aber keine große Rolle mehr. Denn der Kredit an die Autobahngesellschaft sollte ohnehin den kleinsten Beitrag zum Schließen der verbliebenen Finanzierungslücke leisten. Die hatte zuletzt bei 8 bis 9 Milliarden Euro betragen. Nachdem nun feststeht, dass die knapp 5 Milliarden KfW-Gelder nicht genutzt werden können, bei der Bahn aber ein Kredit oder Eigenkapitalzuschuss von 3,6 Milliarden Euro möglich ist, ergibt sich jene Lücke von rund 5 Milliarden Euro, von der Lindner zuvor gesprochen hatte. Der Streit darum, wie diese alternativ geschlossen werden kann, dürfte also weitergehen, auch wenn über die Interpretation der Gutachten weitgehend Einigkeit besteht.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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