Halten Sie es für möglich, dass die Grünen in Bremen eine ähnlich schmerzhafte Erfahrung erwartet wie in Berlin – und die SPD mit der Union koaliert?
Der Ball liegt im Spielfeld der SPD, sie ist die klare Wahlsiegerin in Bremen. Aber nach meiner Auffassung ist die Regierungskoalition in Bremen insgesamt klar bestätigt worden. Die Grünen haben zwar – sehr schmerzliche – Stimmverluste erlitten, aber nicht an die Opposition, sondern fast durchweg an die Koalitionspartner. Damit haben wir hier in Bremen eine ganz andere Ausgangslage als vor den Sondierungsgesprächen in Berlin, wo die Koalition massiv Stimmen an die CDU verloren hatte. Aus meiner Sicht wäre also die Fortsetzung von Rot-Grün-Rot in Bremen durchaus eine realistische Option. Aber, wie gesagt: Die Spielregeln schreibt gerade die SPD, nicht wir Grünen.
Welche Lehren ziehen die Grünen aus der Wahlschlappe?
Die Partei steckt mitten in der Analyse, wir haben bisher nur eine vorläufige Bilanz gezogen. Aber klar ist nach meiner Auffassung schon jetzt: Es ist uns nicht gut gelungen, die notwendigen und unausweichlichen Maßnahmen zum Abwenden der Klimakatastrophe mit der sozialen Frage zu verbinden. Wie wollen wir das alles organisieren und finanzieren? Was bedeutet das für die Arbeitsplätze in unserem Land, für die soziale und die Alterssicherung? Was bedeutet das für meine Wohnung, für mein eigenes Haus? Unsere Partei ist sehr davon ausgegangen, dass die Menschen die Notwendigkeit der anstehenden Entwicklungen unumschränkt anerkennen und bereit sind, auch Opfer zu bringen. Vielleicht war das ein bisschen naiv.
Was war der größte Fehler?
Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr daran arbeiten müssen, die Wählerinnen und Wähler mitzunehmen, dass wir im Schulterschluss mit den Menschen nach Lösungen für die anstehenden Probleme suchen müssen. Wir müssen stärker in einen konstruktiven Wettbewerb der guten Ideen eintreten und dürfen auf dem Weg in eine ökologische Zukunft niemanden zurücklassen. Wenn uns das gelingt, werden wir unser Wählerpotenzial auch wieder stärker ausschöpfen und neue Wählerschichten hinzugewinnen. Weil die Menschen dann mehr sehen, was sie gewinnen, und nicht so sehr, was sie aufgeben müssen.
Was verändert der Rücktritt von Maike Schaefer?
Mit Maike Schaefer verlieren die Grünen in Bremen eine profilierte und engagierte Kämpferin für den Umwelt- und Klimaschutz an der Spitze des Bau-, Umwelt- und Verkehrsressorts. Ich hoffe aber, dass sie der Partei in anderer Funktion weiterhin zur Seite steht. Was sich nicht ändert, ist, dass die Grünen weiterhin die mit Abstand stärkste politische Kraft in Bremen sind, die die notwendigen klimapolitischen Entscheidungen vorantreibt.
Wer sollte die Nachfolge übernehmen?
Auf diese Frage gibt es noch keine Antwort, dazu ist ihr Rücktritt noch zu frisch. Wir müssen erst einmal sehen, wie die SPD sich die neue Regierung vorstellt, und ob wir Grünen darin noch eine Rolle spielen. Wenn das so ist, müssen wir – auch als deutlich kleinerer Partner – die zentralen Klima- und Umweltthemen in den Koalitionsvertrag einbringen und dabei die soziale Frage stärker in den Blick nehmen. Eine Koalition um jeden Preis und ohne die zentralen Grünen Inhalte wollen und können wir nicht mitmachen. Am Ende müssen wir sehen, mit welcher Person sich diese Inhalte gut umsetzen lassen. Ich sehe da verschiedene Optionen, und auch die lokale Presse macht sich dazu ja schon Gedanken. Aber haben Sie bitte Verständnis, dass ich die Spekulationen nicht ohne Not befeuern will.
Was brauchen die Grünen jetzt, um wieder auf die Beine zu kommen? Wie viel Umbau ist nötig?
Ich glaube nach wie vor fest an unsere Ziele. Wir stehen an nichts weniger als an einem Scheidepunkt in der Menschheitsgeschichte. In unserer Generation wird sich entscheiden, ob die Erde ein lebenswerter Ort mit genügend Raum für eine bunte Vielzahl an Lebensformen bleibt, oder ob eine unumkehrbare Entwicklung einsetzt, die es uns und allen anderen schwermacht, ein lebenswertes Leben zu führen.