Analyse
Erscheinungsdatum: 08. April 2024

Fachkräfte-Mangel: Wie deutsche Botschaften bei der Visavergabe aufs Tempo drücken  

Ausländische Fachkräfte mussten oft monatelang auf Visa für Deutschland warten. Das hat sich nun verändert – zumindest an einigen Botschaften und Konsulaten.

Handwerker und Unternehmen klagen seit langem, dass die Visa-Verfahren in vielen deutschen Botschaften zu lange dauern und zu kompliziert sind, um ausländische Experten nach Deutschland zu holen. Jetzt aber meldet eine wichtige deutsche Auslandsvertretung Erfolge beim Bemühen, die Prozesse zu beschleunigen. Der deutschen Botschaft in Neu-Delhi ist es gelungen, die Verfahren von mehreren Monaten auf ein bis drei Tage zu verkürzen.

Der Grund klingt lapidar: mehr Personal und bessere Kooperation untereinander. Trotz wachsenden Sparzwangs erhielten die Botschaft in Delhi und die vier Generalkonsulate in Indien zwölf zusätzliche Ortskräfte. Außerdem wurde durchgesetzt, dass sich die Vertretungen je nach Verfahrensanfall gegenseitig aushelfen, anstatt sich strikt an den Ort der Antragsstellung zu binden. Das ist auch deshalb leichter geworden, weil die Botschaft die Kooperation mit zahlreichen privaten Dienstleistern gestrafft und auf deutlich weniger Agenturen reduziert hat.

Bis zur jüngsten Initiative war Deutschland Schlusslicht unter allen Schengen-Staaten. Anträge wurden dem Vernehmen nach waschkörbeweise gelagert, weil sie sich monatelang stauten. Inzwischen sind die Deutschen in Delhi bei der Verfahrensdauer die Schnellsten. Weltweit wurden in deutschen Botschaften und Konsulaten im vergangenen Jahr rund 79.000 Fachkräfte-Visa ausgestellt, davon in Indien etwa 9.500, in der Türkei rund 7.300 und in Vietnam rund 5.800. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 wurden lediglich 20.500 Fachkräftevisa vergeben.

Die Hoffnung ist groß, diese Zahlen jährlich um 20 Prozent zu steigern. „Wir setzen alles dran, dass das gelingt“, heißt es im Auswärtigen Amt. Dabei soll auch das sogenannte Auslandsportal helfen, das inzwischen an 24 Auslandsvertretungen in Betrieb ist. Fachkräfte, die nach Deutschland wollen, können ihren Visumsantrag komplett online stellen. Sie müssen nur noch einmal persönlich in die Botschaft oder das Konsulat kommen, um einen Fingerabdruck abzugeben. Das spart vor allem in großen Flächenländern wie Indien und Brasilien lange Anfahrtswege – und beschleunigt die Visaverfahren.

Das Angebot soll jetzt ausgeweitet werden. Bis zum 1. Januar 2025, so zumindest der Plan, werde das Portal an 170 deutschen Auslandsvertretungen mit Konsularverkehr zur Verfügung stehen. Bislang ist es in 24 Städten verfügbar: Sydney, Sarajevo, Porto Alegre, São Paulo, Rio de Janeiro, Recife, Kopenhagen, Accra, Kalkutta, Osaka-Kobe, Tokio, Amman, Nairobi, Pristina, Kuala Lumpur, Lagos, Manila, Stockholm, Belgrad, Madrid, Daressalam, Kampala, Kanton und Hongkong.

Das AA will damit dem wachsenden Druck aus der Wirtschaft begegnen. Die drängt wegen des Fachkräftemangels seit langem auf mehr Tempo. Kritik kommt regelmäßig auch von Handwerkspräsident Jörg Dittrich. Im Interview mit Table.Briefings betonte Dittrich, eine Beschleunigung sei angesichts der Not bei den Fachkräften lebensnotwendig. Er könne ja nicht selbst nach Indien fliegen und neue Mitarbeiter nach Deutschland verfrachten.

Eine Frage ist allerdings noch unbeantwortet: Werden sich deutsche Botschaften und Konsulate auch an der Rekrutierung von Fachkräften beteiligen? Hier schauen viele Diplomaten aktuell nach Berlin, weil darüber mehrere zuständige Ministerien noch immer verhandeln.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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